Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Noch immer suchen der Elf Sil'ir und sein zwergischer Freund Nubgar den Schattenelfen Dathodar, um ihn für den Tod von Milaileé und Nubnus, den Bruder Nubgars zu stellen.Auch die Schattenelfe Irah'sish, die ihrem Volk den Rücken gekehrt hat, begleitet die beiden.Die Suche nach dem Mörder weitet sich aus, denn es taucht ein weiterer Mitspieler auf. Xigmuuth, ein Dämon, den die Schattenelfen als Gott vereehren regt sich und die Gefährten müssen zusätzlich die Splitter eines magischen Artefaktes an sich bringen, um das entgültige Erwachen des Dämons zu verhindern.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 418
Veröffentlichungsjahr: 2022
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Prolog
Qorinsha Shrizardr
Rageshear
Stagville
Orks
Die Eiskrieger
Der Aufstand
Alorarth
Der Dämon erwacht
Erkenntnisse
Gemeinschaft der Völker
Yxinth
Abrechnung
Epilog
Charaktere
Mit einem wuchtigen Hieb fällt Nubgar den letzten der Untoten, welcher mit einem fauligen Platschen zu Boden fällt.
„Und wieder nichts. Allmählich denke ich, dass wir einfach nur unfähig sind.“ Schlecht gelaunt wendet der Zwerg sich einem weiteren Ungeheuer zu und schwingt seine mondsichelförmige Doppelaxt ohne rechte Begeisterung.
Ira’sish lacht kurz auf. „Ach komm, du bist doch nur enttäuscht, dass der Kampf schon vorbei ist.“ Mit einem schnellen Streich ihrer Doppelschwerter verliert ihr Gegner erst einen Arm, dann seinen Kopf. „Wir haben schon lange keinen ernstzunehmenden Gegner mehr gehabt.“ Ihre Stimme straft ihre Worte allerdings Lügen. Suchend schaut sie sich nach einem weiteren Untoten um.
Sil’ir kann die beiden verstehen, sitzt doch auch bei ihm die Enttäuschung tief, wieder einmal nichts gefunden zu haben. Als er mit seinem Zwergenfreund Nubgar und der Schattenelfe Ira’sish beschlossen hat, dem Mörder seiner Gefährtin nachzujagen, war nicht abzusehen, dass dieses Abenteuer länger als ein paar Monate dauern würde.
Gut, sie suchen inzwischen nicht nur nach dem Schattenelfen, sondern forschen auch nach den Splittern jenes Artefaktes, welches vor all den Jahrhunderten die Magie der Welt in sich band.
Trotzdem dauert die Suche schon viel zu lange und er kann Nubgar verstehen.
Dazu kommt, dass vermehrt Wesen aus den alten Geschichten zu Leben erwachen. Die Toten bleiben nicht in ihren Gräbern und immer, wenn sie glauben, einem der Splitter näher gekommen zu sein, stoßen sie auf solche Albtraumkreaturen. Nur von den Splittern fehlt weiterhin jede Spur.
Mit einem Rückhandschlag seines Schwertes schickt er einen der letzten Untoten in ein nun hoffentlich dauerhaftes Grab. „Vielleicht sollten wir unsere Suche mehr in die Städte der Menschen verlegen. Irgendwann müssen wir doch eine Spur finden.“ Sil’ir glaubt selbst nicht wirklich an seine Worte und kann auch nicht viel Überzeugungskraft hineinsetzen.
„Pah“, der Zwerg spuckt wütend aus, „seit zwei Jahren wandern wir durch die Welt und was haben wir erreicht? Nichts, gar nichts. Wir haben Dathodar nicht gefunden,“ ein weiteres Monster fällt unter seinen Hieben, „wir haben keinen Splitter des magischen Artefaktes gefunden, nicht den kleinsten. Ich habe keine Lust mehr, mich mit Strauchdieben, Untoten und anderen Spinnern auseinanderzusetzen.“ Mit einem wuchtigen Hieb haut er den letzten der Untoten, die ihnen aus den Katakomben des verlassenen Klosters gefolgt sind, in zwei Teile. „Ich bin ein Krieger und kein Kammerjäger, verdammt nochmal.“ Mit einem heftigen Tritt befördert er einen abgetrennten Kopf, der vor seinen Füßen zu liegen kommt, in die Dunkelheit der Katakomben zurück.
Die Sonne steigt gerade über den Horizont auf und taucht die Klosterruine in ein bleiches Licht. Kleine Eiskristalle glitzern in dem Bart des Zwerges. Der Wolfsmond neigt sich dem Ende zu und die Sonne hat noch nicht ausreichend Kraft, um wirklich zu wärmen.
Der Schnee, den der eisige Wind in die Mauern geweht hat, hat in den Ecken mächtige, weiße Eishaufen hinterlassen.
„Lasst uns erst einmal von hier verschwinden. Wenn wir uns beeilen, erreichen wir bis zum Abend eine Unterkunft und müssen nicht in einer Schneewehe schlafen.“ Entschieden steckt Sil’ir seine Waffe weg und schreitet zum Tor der Klosterruine.
Außerhalb der schützenden Mauern weht ein eisiger Wind und die Gefährten hüllen sich fest in ihre Umhänge. Nachdem sie ihre Pferde durch den knöcheltiefen Schnee zurück zur Straße geführt haben, sitzen sie auf und machen sich auf den Weg.
„Ich denke, wir sollten zu unseren Völkern zurückkehren. Zumindest für eine Weile, vielleicht können wir dort etwas neues erfahren.“
„Ha ha, sehr witzig.“ Ira’sish schüttelt langsam den Kopf. „Mein Volk hat ein gutes Gedächtnis. Ich kann nicht zurück.“
Nach einer Weile des Schweigens beginnt Sil’ir: „Ich denke, Nubgar hat recht. Für dich gibt es die Möglichkeit, bei den Menschen zu bleiben. Wir sind in den letzten Jahren bekannt geworden und ich glaube, dass wir einen guten Ruf haben. Auch glaube ich, dass mein Volk dich akzeptieren wird.
Wir können ja für ein bis zwei Monate zurückgehen. Vielleicht kommen wir da auf eine frische Spur.“
Die Schattenelfe schnaubt nur, erwidert darauf aber nichts. Sil’ir kann jedoch eine gewisse Verzweiflung in ihren Augen erkennen.
„Ich denke, wir sollten zuerst nach Rageshear zurückkehren und dort alles weitere entscheiden. Vielleicht gibt es ja doch die eine oder andere interessante Neuigkeit. Und wenn nicht, dann ist es nicht weit ins Vocaru oder in deine Berge.“
Lange blickt der Zwerg auf die Mähne seines Pferdes. Dann holt er tief Luft. „In Ordnung. Wir gehen nach Rageshear. Wenn es dort aber wieder keine interessanten Beobachtungen gibt, dann kehre ich in meine Berge zurück.“
Langsam und bedächtig wischt Kinetheash ihr Schwert an dem Umhang ihres gefallenen Gegners sauber. Erst als die Klinge wieder glänzt und sie den Schnee in der spiegelnden Schneide beobachten kann, steckt die Schattenelfe sie zurück in die Scheide und dreht den übrigen Orks, die verängstigt in ein paar Schritten Entfernung stehen, demonstrativ den Rücken zu. Ohne auch nur die Stimme zu heben oder in irgendeiner Weise bedrohlich zu wirken, ergreift sie das Wort.
„Hat noch jemand von euch jämmerlichen Kreaturen etwas an meiner Führung auszusetzen?“
Sie wartet ein paar Atemzüge ab. Erst jetzt dreht sie sich zu den Orkkriegern um. Die zehn Orks, die ihr gegenüberstehen, halten den Blick gesenkt und schütteln zaghaft den Kopf.
„Nein? Hatte ich auch nicht erwartet.“ Spöttisch schaut sie über die Meute, die ihrem Befehl unterstellt ist und in der schneebedeckten westlichen Ebene von Sryquar vor ihr steht. Nun sind es zwei weniger. Immer noch genug, um diesen unverfrorenen Menschen eine Lektion zu erteilen. Was auch immer diese Kreaturen am Fuße von Yxinth suchten, sie würden etwas finden, worauf sie sicherlich nicht vorbereitet sind.
„Los, ausruhen könnt ihr euch später. Ich möchte die Menschen heute noch erreichen und sie daran erinnern, auf welcher Stufe sie stehen.“ Vorfreude spiegelt sich in ihrem Blick.
Mit den beiden Orkkriegern, die aufmüpfig geworden sind, war sie spielend zurechtgekommen. Da sollten ein paar Menschen sicherlich keine allzu große Herausforderung darstellen.
Nach wenigen Stunden schnellen Marsches sticht ihr der Geruch eines Feuers in die Nase. Hinter einer kleinen Anhöhe sieht sie das Lager der Menschen. Mehrere grob zusammengezimmerte Hütten stehen willkürlich angeordnet in der Nähe eines kleinen Baches. Um ein Feuer sitzen mehrere Eindringlinge. Sie kann Männer, Frauen und auch Kinder erkennen.
Mit einer Handbewegung hält sie die Orks zurück. Enttäuscht, nicht sofort mit dem Gemetzel beginnen zu dürfen, aber zu eingeschüchtert von der Schattenelfe, um zu widersprechen, bleiben die zehn Krieger stehen und schauen aus dem Schatten einiger Bäume zu. Mit großen Schritten nähert sich Kinetheash dem Lager. Als sie sich auf fünfzig Schritt genähert hat, wird sie bemerkt.
Zwei Männer kommen ihr entgegen. „Sei gegrüßt, Fremde, was begehrst du?“
Bei ihnen angekommen, zieht sie in einer fließenden Bewegung ihr Schwert. Im selben Moment fallen die Leichen der beiden Männer zu Boden, die Köpfe rollen in Richtung des Feuers.
„Euch.“ Mit einem Lächeln holt sie erneut aus.
Trotz der eisigen Kälte läuft Lornaeir der Schweiß in Strömen über das Gesicht. Das Duell geht jetzt schon über ein paar Minuten und sein Gegenüber hat nicht einen Augenblick mit seinen Attacken nachgelassen. Er ist am Ende seiner Kräfte und ihm fällt kein Ausweg ein. Mit der drohenden Niederlage kann er sich allerdings auch nicht abfinden, so konzentriert er sich auf die Paraden und tänzelt von einer Seite zur anderen. Irgendwann muss sein Gegenüber doch einen Fehler machen.
Irgendwann, zwischen mehreren Hieben, bei denen die Funken sprühen, bemerkt er, dass Uyurlal langsamer wird. Sofort geht er, die Schwäche des anderen ausnutzend, zu einer komplizierten Schlagfolge über. Erst als dieser ihn spöttisch angrinst, erkennt er seinen Fehler. Er hat sich täuschen lassen, sein Gegner ist absichtlich langsamer geworden, um ihn zu einem unüberlegten Angriff zu verführen. Da spürt er auch schon die Klinge des anderen in seiner Seite.
Die Wunde ist nicht tief und nicht weiter gefährlich, aber das erste Blut ist geflossen, der Kampf beendet. Und er hat verloren. Beschämt lässt er seine Klinge sinken.
„Auf diesen einfachen Trick fällst du rein? Wie ein blutiger Anfänger. Verschwinde! Lass die Wunde untersuchen und finde dich in einer Stunde beim Training der Grundstufe ein. Du bist es nicht würdig, hier zu trainieren.“
Mit gesenktem Kopf verlässt Lornaeir den Kampfplatz.
Der Waffenmeister der Schattenelfen ist ungerecht und Zorn wallt in ihm auf. Er musste gegen den besten der Rekruten antreten, es war doch schon vor dem Kampf klar, wer gewinnen würde. Er ist allerdings schlau genug, sich seine Wut nicht anmerken zu lassen. Dathodar ist nicht gerade für seine Nachsicht bekannt. Wer verliert, der ist in seinen Augen minderwertig.
Er würde zu den Anfängern gehen. Und er würde trainieren, bis er der beste von allen geworden ist. Dann wird der Waffenmeister eine Überraschung erleben. Mit einem bösartigen Grinsen geht Lornaeir in den Bereich der Kampfakademie, die den Anfängern vorbehalten ist.
Dathodar beachtet seinen Schüler nicht mehr und wendet sich Uyurlal zu. „Ich sehe, du hast dir meinen Rat zu Herzen genommen. Ich bin stolz auf dich, du bist einer der besten Schüler, die ich bis jetzt ausgebildet habe.“ Er mustert seinen Schüler einige Augenblicke lang. „Ich denke, du bist bereit, auf deine erste Mission zu gehen.“
Mit diesen Worten verlässt er die Kampfbahn. Kurz vor dem Ausgang dreht er sich noch einmal um. „Finde dich morgen bei Tagesanbruch auf dem Übungsgelände ein.“
Uyurlal kann ein Grinsen nicht unterdrücken. Der Waffenmeister ist stolz auf ihn.
Das können nicht viele Schüler der Akademie von sich behaupten. Begierig, noch weiter in den Augen des berühmten Dathodar aufzusteigen, zieht er sich in seine Kammer zurück, um sich auf den morgigen Tag vorzubereiten.
Schnellen Schrittes begibt sich Dathodar von der Kampfbahn direkt zum Tempel. Endlich kann er die Mission, mit der ihn die Priester des Xigmuuth beauftragt haben, starten.
Zufrieden nimmt er zur Kenntnis, dass ihm sofort aus dem Weg gegangen wird, sobald man ihn erkennt. Als er den Tempel erreicht, lässt man ihn sofort ein und führt ihn ohne Worte zu dem Altar, an dem der Hohepriester schon auf ihn wartet.
„Da seid Ihr ja. Ich habe mich schon gefragt, was Euch aufgehalten hat.“ Die dunkle Stimme, die aus der Kapuze des Priesters kommt, passt nicht zu der schmalen Gestalt und lässt Dathodar einen Schauer über den Rücken laufen.
Bemüht, sich nichts anmerken zu lassen, beugt er den Kopf. „Es tut mir leid, dass Ihr warten musstet.
Es dauert eine Weile, den richtigen Anführer für eine solche Mission zu finden. Schließlich ist Kinetheash noch nicht von ihrer Aufgabe zurückgekehrt, die sie von euch erhalten hat.“
„Ihr stellt unsere Entscheidungen in Frage?“ Die Stimme des Priesters hat nun einen schneidenden Unterton bekommen.
„Nein, bestimmt nicht. Ich habe nur die Tatsachen benannt.“
Der Priester bedeutet Dathodar, den Kopf zu heben, den dieser bis jetzt gesenkt gehalten hatte.
„Nehmt Euch nicht zu viel heraus, Waffenmeister. Und nun genug davon. Ich gehe davon aus, dass die Gruppe morgen aufbricht. Es ist zu wichtig, als dass wir noch lange warten können. Xigmuuth erwartet, dass wir wenigstens ein bis zwei Splitter dieses magischen Artefaktes finden.“ Schwungvoll dreht sich der Priester zum Altar um und kehrt Dathodar den Rücken zu. „Wir müssen ihm beweisen, dass wir seiner Aufmerksamkeit würdig sind.“ Die letzten Worte sagt er mehr zu sich selbst als zu dem Elfenkrieger. Mit einer Handbewegung bedeutet er ihm, dass er entlassen ist.
Ein paar Schritte geht Dathodar rückwärts, dann dreht er um und verlässt mit festem Schritt den Tempel. Unwillkürlich atmet er einmal tief ein, als er wieder im Freien steht. Der Schneefall hat zugenommen. Die eisige Pracht fällt in dichten Flocken und sorgt für eine Stille, die selbst in dem auch sonst ruhigen Yxinth auffällt.
Zurück an der Akademie begibt er sich an seinen Schreibtisch und sucht die übrigen Krieger für die Mission aus, die Uyurlal morgen anführen soll.
Lange vor Tagesanbruch erwacht Uyurlal in seiner kleinen Kammer in der Akademie des Kampfes von Yxinth. Dort bekommen alle Zöglinge ausschließlich das, was sie zum Leben benötigen. Obwohl er aus gutem Hause kommt, hat man ihn behandelt wie den Sohn eines einfachen Arbeiters. Sogar seine Waffen und Rüstung musste er zu Beginn seiner Ausbildung abgeben und mit der ihm von der Akademie gestellten Ausrüstung auskommen.
Erst jetzt, zu der Mission, die seine Ausbildung zum Krieger abschließen soll, wird er sein eigenes Schwert zurückbekommen. Wie hat er die minderwertigen Schwerter und Stöcke gehasst. Schlecht ausbalanciert und viel zu schwer, musste er beim Training ganz von vorne beginnen. Der elegante Schwerttanz, den er im Hause seines Vaters gelernt hat, war damit nicht möglich.
Begierig, seine Ausrüstung zurückzubekommen, verlässt er die kleine Kammer. Er blickt sich noch einmal um. Den Raum, der die letzten zwanzig Jahre seine Heimat dargestellt hat, wird er nicht vermissen.
Von seinen in einer kleinen Kiste lagernden Kleidungsstücken nimmt er nichts mit. Wenn er von dieser Mission zurückkommt, wird er wieder im Hause seiner Familie leben. Dort hat er alles, was seinem Stand und seiner hohen Geburt entspricht. Die einfache Stoffkleidung, die er zu tragen gezwungen gewesen ist, wird er jedenfalls nicht vermissen.
Noch bevor er das Frühstück im Gemeinschaftssaal zu sich nimmt, begibt er sich in die Rüsthalle, um sich seine ersehnte Ausrüstung wiederzubeschaffen. Der Quartiermeister scheint sein frühes Erscheinen erwartet zu haben. Auf dem Tisch liegen sauber verschnürt sein Schwert, das leichte Kettenhemd sowie seine ledernen Stiefel und der Waffenrock mit dem weißen Drachenadler auf schwarzem Grund, dem Wappen seiner Familie. Seine Finger zeichnen die Konturen des Adlers mit den ausgebreiteten Drachenschwingen anstatt federgeschmückter Flügel nach.
Noch in dem Raum legt er die Ausrüstung an. Die zwanzig Jahre sind spurlos an ihr vorübergegangen. Weder an der Klinge noch an dem Kettenhemd sind kleinste Spuren von Rost zu erkennen. Das Stiefelleder ist weich und anschmiegsam wie am ersten Tag. Zufrieden dreht er sich, um die Geschmeidigkeit der Kleidung zu spüren. Mit einer knappen Verbeugung in Richtung des Quartiermeisters verlässt er die Rüsthalle, um sich ein Frühstück zu genehmigen.
Uyurlal genießt die Blicke, die ihm die anderen Rekruten und auch ausgebildeten Krieger zuwerfen. Einige neidisch, andere anerkennend.
Zufrieden lächelt er in sich hinein. Wenn er erst einmal Waffenmeister von Yxinth ist … Aber eins nach dem anderen. Nun muss er seine Abschlussmission bestehen, erst dann kann er den nächsten Schritt tun.
Er lässt sich Zeit und genießt den Haferbrei, den hier jeder zum Frühstück vorgesetzt bekommt. Auch dies ist nun vorbei und er wird an die Tafel seiner Familie zurückkehren.
Dort gibt es solche Bauernspeisen selbstverständlich nicht. Die Güter seiner Familie werfen genug ab, um es sich jeden Tag gutgehen zu lassen.
Pünktlich zum Sonnenaufgang steht er auf dem Feld vor der Akademie, um seine Aufgabe zu erfahren. Er ist, wie beabsichtigt, der erste. Lange warten muss er allerdings nicht. Dathodar kommt, mit drei Elfen im Schlepptau, kurze Zeit später.
„Ah, ich sehe, du kannst es kaum erwarten, deine Ausbildung abzuschließen. Das habe ich erwartet, daher habe ich deine Begleitung bereits ausgewählt. Ihr könnt sofort los.“
Mit einem zufriedenen Grinsen sieht der Waffenmeister, dass es Uyurlal gar nicht gefällt, in Begleitung auf Reisen zu gehen.
„Verehrter Waffenmeister, ich bin etwas überrascht. Ich dachte, ich begebe mich alleine auf die Mission.“ Missmutig schaut Uyurlal zu den anderen. „Die Abschlussprüfung musste man bis jetzt immer alleine bestehen.“
Dathodar nickt zustimmend: „Ja, das war bis jetzt so. Ich habe dich, als meinen besten Schüler, für eine besondere Aufgabe ausgewählt und da wirst du Gefährten benötigen.“
Wissend, dass Widerworte nicht angebracht sind, nickt Uyurlal ergeben und gibt sein Einverständnis. „In Ordnung, dann soll es so sein. Was ist meine Aufgabe?“ Mit diesen Worten rückt er seine Ausrüstung zurecht und macht sich zum Abmarsch bereit.
Dathodar schüttelt den Kopf. „Nicht so eilig, junger Freund. Ihr werdet noch ein paar Vorbereitungen treffen müssen. Eure Aufgabe ist es, mindestens einen der Splitter des zerstörten magischen Artefaktes zu beschaffen.“ Dathodar gestattet sich ein schmales Lächeln. „Seid versichert, dass eure Suche von Xigmuuth wohlwollend beobachtet wird. Bereitet euch gut vor und reist ab, wenn ihr soweit seid.“ Mit diesen Worten dreht der Waffenmeister der Qorinsha Shrizardr sich um und verlässt den Platz.
Vorsichtig treten die drei Elfen vor. Eine schlanke Elfe mit einem Lederpanzer und grauem Umhang ergreift das Wort: „Ich grüße dich, Uyurlal. Ich bin Na’ana und werde mich zusammen mit U’ur und Kaeheth“, sie zeigt auf die Genannten, „unter dein Kommando stellen.“ Die anderen beiden nicken bestätigend.
Uyurlal hat die Elfen schon einmal gesehen. Sie sind alle eine Trainingsklasse unter ihm. Leise flucht er in sich hinein. Er hatte sich den Abschluss seiner Ausbildung anders vorgestellt.
Missmutig erteilt er seine ersten Befehle. „Dann sorgt ihr drei für unsere Ausrüstung. Ich werde inzwischen nach Karten suchen, damit wir nicht im Heuhaufen stochern müssen.“
Da hat der Waffenmeister ihn ja schön aus dem Verkehr gezogen. Eine Mission mit dem Wohlwollen Xigmuuths, ist ja ganz toll. Ohne den Dämon im Genick könnte das Gefühl, sein erstes Kommando zu erhalten, ja ganz gut sein.
Bedeuten die Worte von Dathodar doch nichts anderes, als dass er mit seiner Mission Erfolg haben muss. Sonst braucht er gar nicht erst zurück nach Yxinth zu kommen. Die Strafe bei Versagen möchte sich Uyurlal nicht vorstellen.
Nach zwei Stunden haben sie alles zusammen, was sie benötigen, und sind im Besitz von zwei Karten aus der Bibliothek seines Vaters. Sofort machen sich die vier Schattenelfen auf den Weg.
Zufrieden lehnt Dathodar sich zurück. Heute hat er nicht nur dem Willen Xigmuuths entsprochen, sondern sich auch gleich diesen Emporkömmling aus dem Hause Ruvaen vom Halse geschafft. Wenn er Glück hat, wird Uyurlal einige Jahre unterwegs sein, bevor er zurückkommt.
Sollte er dann tatsächlich erfolgreich gewesen sein und einen Splitter des Artefaktes mitbringen, dann kann er ihm nichts mehr anhaben.
Nun muss nur noch Kinetheash zurückkehren, dann können sie den nächsten Teil ihres Planes umsetzen. Diese hochnäsigen Priester werden die längste Zeit das Sagen in Yxinth gehabt haben. Der Dämon Xigmuuth ist ein Krieger und dementsprechend wird die Kaste der Krieger die Geschicke des Volkes der Qorinsha Shrizardr leiten und nicht diese verweichlichten Spinner mit ihren ständigen Gebeten.
Entspannt gießt er sich ein weiteres Glas Wein ein und genießt ihn mit geschlossenen Augen.
Betont lässig zieht Kinetheash ihr Schwert aus der Leiche. Der Bauer hatte tatsächlich den Mut bewiesen, ihr mit einer Holzfälleraxt entgegenzutreten. Nicht, dass es ihm etwas genützt hätte, sie hat ihm nicht einmal die Zeit gelassen, seine lächerliche Waffe zu heben. Nun sitzt seine Familie verängstigt und laut schluchzend vor ihr. Das Geflenne bereitet ihr Kopfschmerzen. Verächtlich wendet sie sich ab und verlässt die Hütte.
„Die restlichen gehören euch, macht mit ihnen, was ihr wollt.“ Sie würdigt die Orks bei ihren Worten keines Blickes und setzt sich in einiger Entfernung auf den Hackklotz des Bauern.
Ungerührt wartet sie, bis die Kreaturen mit ihrer Arbeit fertig sind.
Als die acht Krieger aus der Hütte kommen, herrscht Totenstille auf dem Hof. Mit gesenktem Haupt erwarten die Orks die nächsten Befehle. Die bluttriefenden Schwerter noch in den Händen.
„Nun steht da nicht so blöd herum. Steckt eure Waffen weg und dann lasst uns aufbrechen. Dies sollte der letzte Hof gewesen sein, wir werden zurück nach Hause gehen.“
Oh, wie sie diese jämmerlichen Orks verachtet. Zwei weitere musste sie noch töten, bevor diese sie endlich unangefochten als Anführerin akzeptierten. Vielleicht hat sie es auch etwas übertrieben, denn nun trauen diese traurigen Gestalten sich nicht einmal mehr, ihre Waffen zu ziehen oder wegzustecken, ohne dass sie den Befehl dazu gibt. Seufzend erhebt sie sich und geht voran in Richtung Yxinth. Die Orks folgen ihr brav, wie die Küken ihrer Entenmutter.
Vielleicht sollte sie auf dem Rückweg einen Abstecher nach Barringquet ins Schneeland machen. Die dort lebenden Barbaren sind wenigstens Gegner, die diese Bezeichnung verdienen. Für Menschen sind es recht gute Kämpfer, wenn sie es auch an Raffinesse fehlen lassen und sich lieber ihrer gewaltigen Muskelkraft bedienen.
Der frisch einsetzende Schneefall verdeckt leise die roten Spuren, die die Orks mit jedem Schritt hinterlassen.
Schlecht gelaunt schaut Uyurlal über die weite Ebene von Sryquar. Wo soll er nach den Splittern suchen? Es ist Jahrhunderte her, dass sie sich über die Welt verteilt haben. Wenn er den Aufzeichnungen seiner Familie trauen kann, dann soll sich irgendwo im Westen, im Barringquet, mindestens einer dieser Splitter befinden. Was die Suche nicht einfacher macht. Das Barringquet ist eine riesige eisige Tundra, die von einem zähen Menschenvolk bewohnt wird. Die Qorinsha Shrizardr und diese Eisbarbaren sind nicht gerade befreundet. Anders als die Menschen im Süden können diese Eisländer sehr gut kämpfen und sind keine leichten Gegner.
Die drei anderen haben sich überraschenderweise als angenehme Reisebegleitung erwiesen. Seine Begleiter haben sein Schweigen akzeptiert und auch, dass er das Kommando führt, wurde nicht ein einziges Mal in Frage gestellt. Na’ana ist eine gute Jägerin und die anderen beiden wissen, wie man ein Lager errichtet. Er selbst braucht sich nur darum zu kümmern, dass sie den richtigen Weg einschlagen.
„Wir müssen nach Westen, ins Barringquet.“ Ohne sich zu den anderen umzudrehen, gibt er das Ziel der Reise bekannt. „Bevor wir die Grenze erreichen, sollten wir eine Siedlung der Orks aufsuchen, um uns mit allem zu versorgen, was wir in diesem eisigen Land benötigen werden. Lasst uns aufbrechen, ich möchte so schnell wie möglich dort ankommen.“ Mit diesen Worten macht er sich auf den Weg, ohne darauf zu achten, ob die anderen ihm folgen.
Nachdem sie sechs Stunden stetig nach Westen marschiert sind, nehmen sie den Geruch eines Holzfeuers wahr.
„Sieh an, da haben wir ja tatsächlich Glück und die Orks haben hier im Niemandsland noch eine Siedlung, die wir nicht kennen.“ Uyurlal verzieht das Gesicht zu einem bösartigen Grinsen. „Wollen wir doch mal sehen, ob wir hier gastlich aufgenommen werden oder ob wir uns unseren Tribut erkämpfen müssen.“
Erwartungsfroh schauen die vier Elfen in die Richtung, aus der der Geruch heran weht. Ohne im Geringsten auf Heimlichkeit bedacht zu sein, nähern sich die vier Krieger dem erwarteten Lager.
Tatsächlich finden sie eine Gruppe von Orks vor, die um ein großes Feuer herumsitzen und einen Eintopf löffeln, der in einem großen Topf neben dem Feuer steht. Hinter den Orks befinden sich sechs windschiefe Hütten, die den nächsten Sturm sicherlich nicht überstehen werden.
„Das sind keine Bauern und es handelt sich auch nicht um eine ihrer üblichen Siedlungen.
Seht euch die Waffen an, das sind Krieger, die wir ausgerüstet haben.“ Na’ana deutet auf die Schwerter und Speere, die etwas abseits auf dem Boden liegen.
U’ur deutet auf die baufälligen Hütten. „Dies sieht tatsächlich nicht aus, wie eins ihrer ursprünglichen Dörfer, seht euch mal die Häuser an, sofern man diese Dinger so nennen kann. Ich denke, das sind Deserteure, die irgendwie aus den Baracken entkommen konnten.“
„So haben wir die Gelegenheit, ein Exempel zu statuieren und bekommen auch noch etwas zu Essen.“ Uyurlal zuckt mit den Schultern. „Und für ein wärmendes Feuer ist auch schon gesorgt. Was will man mehr?“
Entspannt gehen die vier auf das Feuer zu. Das Entsetzen auf den Gesichtern der Orks erscheint wie eine vorzügliche Vorspeise zu dem Hauptgang, der nun kommen wird.
Ohne ein einziges Wort ziehen die Elfen die Waffen und greifen an. Nachdem sie die Leichen der Orks etwas abseits deponiert haben, setzen sie sich an das Feuer und füllen ihre Schüsseln.
„Eintopf kochen können die Orks, das muss man ihnen lassen.“ Na’ana nimmt sich eine zweite Portion.
Lediglich Kaeheth stochert appetitlos in seiner Schale, was von den anderen jedoch nicht bemerkt wird. Ungerührt legen die Krieger sich zur Ruhe. Eine Wache stellen sie nicht auf. Wer sollte ihnen hier schon gefährlich werden?
Am nächsten Morgen machen sie sich noch vor Sonnenaufgang auf den Weg. Ohne ein Wort über das Geschehene zu verlieren, marschieren sie schweigsam in Richtung der Barringquet - Tundra. Schneefall hat eingesetzt und die gefrorene Ebene von Sryquar verschwindet still und leise unter einer weißen Decke.
„Warum müssen wir eigentlich mitten im Winter losziehen, um diese Splitter zu suchen?“ Kaeheth reibt sich die Fingerspitzen.
„Sie sind ja nicht erst seit gestern verschollen. Was hätten da noch drei Monate Warten ausgemacht?“
Uyurlal bleibt bei diesen Worten abrupt stehen. „Wenn der große Dämon Xigmuuth es befiehlt, werden wir gehen und nicht seine Gründe hinterfragen.“ Sein Tonfall ist hart und streng. Er wird nicht zulassen, dass einer dieser drei ihm seine Abschlussprüfung vermasselt. „Wenn euch kalt ist, sollten wir vielleicht etwas schneller gehen.“ Mit diesen Worten beschleunigt er seinen Schritt noch einmal und die anderen müssen zusehen, dass sie ihm folgen.
Der Abend vergeht schweigsam wie immer. Keinem der Vier ist nach Reden zumute. In Gedanken versunken sitzen sie um ein kleines Feuer und verzehren den Rest der Vorräte, die sie mitgenommen haben. Uyurlal schaut zum Himmel, um anhand der Sterne zu bestimmen, wie seit sie noch von der Grenze zur Tundra entfernt sind. Leider ist dieser immer noch von Wolken verhangen, die ihre weiße Last kontinuierlich ablassen. Weit kann es aber nicht mehr sein. Sie sind schnell marschiert und haben am Tage keine Pausen eingelegt.
In der Tundra wird es schwierig sein, genug Holz geschweige denn etwas Essbares zu finden. Insgeheim muss er Kaeheths Aussage vom Vormittag zustimmen, wenn er es auch nie zugeben würde.
„Wir werden den morgigen Tag hier verbringen. Na’ana, du wirst jagen, damit wir genügend Proviant dabeihaben. U’ur und Kaeheth, ihr werdet Holz schlagen, damit wir einen Schlitten bauen können.“
Mit seiner Entscheidung zufrieden will er sich auf sein Lager legen, um zu schlafen, als ihn Kaeheth anspricht. „Wofür benötigen wir einen Schlitten? Der verlangsamt uns bloß.“
Seufzend setzt sich Uyurlal wieder auf. „Ja, tut er. Aber möchtest du vielleicht das ganze Feuerholz tragen, das wir benötigen werden? Oder meinst du, dass wir in der Tundra ausreichend Holz finden werden? Ich denke, dir ist kalt, dann solltest du auch daran denken, dass dies hier nur ein Vorgeschmack auf das ist, was uns erwartet.“ Mit diesen Worten dreht er sich um und legt sich wieder hin.
Die vier Elfen benötigen den ganzen folgenden Tag, um den Schlitten zu bauen, einen ansehnlichen Vorrat an Feuerholz zu sammeln und die Fleischvorräte, die Na’ana erbeutet hat, vorzubereiten. Im ersten Sonnenlicht des Folgetages brechen sie auf.
Prüfend schaut Kinetheash in die Weite der Tundra. Der Schneesturm, der über die Ebene heult, stört sie nicht im Geringsten. Nicht nur, da sie vor den Orks keine Schwäche zeigen möchte. Sie begrüßt die Kälte regelrecht. Kühlt sie ihr Blut doch etwas herunter.
Sie weiß, dass es keine gute Idee ist, den Weg über das Land der Eisbarbaren zu nehmen.
Die Orkkrieger, die sie führt, sind den menschlichen Kriegern in keiner Weise gewachsen. Um sich selbst macht sie sich keine Sorgen, aber es könnte ein schlechter Eindruck entstehen, wenn sie ganz allein nach Yxinth zurückkehrt. Trotzdem genießt sie die große, leere Ebene, die sich vor ihr erstreckt.
Als sie sich zu den Orks umdreht, stehen diese von einem Fuß auf den anderen tretend vor ihr. Eiskristalle haben sich in ihren Fellen verfangen.
„Auf geht es, lasst uns aufbrechen.“ Beschwingt dreht sie sich um und will gerade losgehen.
„Nein“, ertönt es hinter ihr.
Abrupt bleibt sie stehen. Als sie sich umdreht, hat sie die Hand am Schwert, aber von den Orks scheint keine Bedrohung auszugehen. „Nein?“ Sie kann es kaum fassen, dass ihren Anweisungen widersprochen wird. Schon wieder. Sie zieht ihre Waffe und geht auf die Orks zu. „Ich dachte, wir hätten das ein für alle Mal geklärt. Aber scheinbar seid ihr zu dämlich, um es zu begreifen. Nun gut, wer will es diesmal versuchen?“
Einer der Krieger kommt auf sie zu. Anders als erwartet hat er aber keine Waffe in den Händen.
Mit ausgestreckten Armen, die Handflächen nach oben bleibt er vor ihr stehen. „Niemand zweifelt eure Führerschaft an, Herrin. Aber lieber sterben wir von eurer Klinge, als in diesen Sturm da hinauszugehen. Wenn der Sturmdämon dort draußen wütet, hat keiner von uns eine Überlebenschance. Selbst jetzt könnte es schon zu spät sein.
Wir müssen uns hier eingraben und hoffen, dass der Sturm nicht schlimmer wird.“ Mit gesenktem Kopf tritt der Ork einen Schritt zurück.
Das war die längste Rede, die sie jemals zusammenhängend von einer dieser Kreaturen gehört hat. Prüfend dreht sie sich in den Wind. Prompt reißt ihr ein Eissplitter, der ihr ins Gesicht geweht ist, die Wange auf. Es ist nur ein kleiner Schnitt, aber er bringt sie zurück auf den Boden der Tatsachen.
„Na gut. Wir werden uns hier eingraben und den Sturm abwarten. Aber danach werden wir die doppelte Geschwindigkeit marschieren, um die verlorene Zeit wieder aufzuholen.“
Dass sie die Zeit gar nicht erst verloren hätten, wenn sie nicht hierher gewollt hätte, verdrängt sie.
Die Orks machen sich umgehend daran, mit ihren großen Händen den Schnee beiseite zu schaufeln und einen Wall gegen den Wind zu errichten.
Im Laufe der nächsten Stunden muss Kinetheash sich eingestehen, dass sie ohne die Sturheit der Orks diesen Sturm wohl nicht überlebt hätte. Der Wind türmt den Schnee immer höher an ihre provisorische Wand heran.
Allmählich bildet sich sogar ein kleines Dach über ihnen, da der Wind so kalt ist, dass der Schnee sofort gefriert und nicht zu ihnen hinab fällt.
Die hereinbrechende Nacht hat inzwischen auch den letzten Rest des Lichtes, das nicht von dem Sturm ausgelöscht worden ist, verschluckt und die kleine Gemeinschaft sitzt in absoluter Finsternis.
Nur das zornige Pfeifen des Windes zeugt davon, dass die Welt noch nicht untergegangen ist.
Der nächste Tag ist schon lange angebrochen, als der Sturm an Kraft verliert. Nun weht nur noch ein eisiger Wind, der jedoch nicht mehr die tödliche Gewalt besitzt, der sie die letzten Stunden ausgesetzt waren. An der Landschaft hat sich nichts geändert. Noch immer starrt Kinetheash auf eine weiße, baumlose Ebene.
Die Stimme eines ihrer orkischen Krieger reißt sie aus ihren Gedanken. „Herrin, vielleicht sollten wir lieber am Rand des Barringquet entlanggehen?“
„Du wagst es, meine Entscheidungen in Frage zu stellen?“ Zornig fährt sie herum und der Ork zieht den Kopf ein und macht hastig einen Schritt zurück.
In Anbetracht dessen, dass die Widerworte der Orks ihr wohl das Leben gerettet haben, nimmt sie die Hand vom Griff ihres Schwertes, das sie schon ziehen wollte. Etwas ruhiger fährt sie fort: „Nein, wir werden den Weg durch diese Tundra nehmen. Aber wir werden uns von den Eisbarbaren fernhalten und wir werden das Wetter beobachten, damit wir nicht noch einmal von so einem Sturm überrascht werden können.“
Sichtlich erleichtert packen die Orks ihre Sachen und machen sich zum Abmarsch bereit. Der Schnee liegt deutlich höher als gestern und vorwärts zu kommen ist ein mühsames Unterfangen. Innerlich gibt Kinetheash den Orks recht, es wäre besser gewesen, außen um diese verfluchte Eiswüste herumzugehen. Aber sie würde ihre Entscheidung nicht zurücknehmen. Diese Blöße würde sie sich vor niemandem geben.
Urgurash ist sehr zufrieden mit sich. Zwei Schneehasen hat er erlegen können. Heute würden sie satt werden und morgen wird er erneut jagen gehen. Er kann seine Brutpartnerin ernähren. Er muss sich nicht bei den Qorinsha Shrizardr anbiedern und in ihre Dienste treten, damit sie überleben. Er nicht. Niemals würde er ein Sklave dieses Elfenpacks werden. Er ist ein guter Jäger.
Stolz betritt er sein Dorf am Fuße der Berge von Clyug. Die anderen seines Stammes werfen ihm neidische Blicke zu.
Seit die Zwerge ihre Berge wieder schärfer bewachen, ist es stetig schwieriger geworden, eine Schneeziege oder einen Bock zu erlegen. Viele seines Stammes müssen von den mageren Fischen, die es in den Bächen der Umgebung gibt, satt werden. In seiner Höhle aber wird heute nicht gehungert werden.
Als er den Vorhang seiner Höhle beiseiteschiebt und eintritt, weht ihm der heimelige Geruch von Schweiß, Fett und Rauch eines kleinen Holzfeuers in die Nase.
„Frau, du wirst heute zwei Hasen zubereiten.“ Mit sichtlichem Stolz legt er die beiden Tiere vor der Feuerstelle ab und wendet sich seinem Weib zu.
Liebevoll betrachtete er den dicken Bauch. Nur noch wenige Wochen, dann würde das Junge da sein und er würde einen guten Jäger aus ihm machen. Vorsichtig legt er die Hände darauf, bevor sie zur Begrüßung mit den Köpfen gegeneinanderstoßen.
„Froh bin ich, einen so guten Jäger zu meinem Brutpartner erwählt zu haben.“
Ohne weitere Worte macht sie sich daran, die Hasen in einen duftenden Eintopf zu verwandeln.
Urgurash setzt sich in den hinteren Teil der Höhle und beginnt, seinen Speer zu schärfen. Leise fluchend fährt er mit dem Wetzstein über die Klinge. Warum musste sich ausgerechnet unter seinem Hasen ein Stein befinden? Der wertvolle Stahl der Speerspitze hat eine unschöne Kerbe davongetragen.
Nachdem die beiden die Beute verzehrt haben, legen sie sich auf dem Lager zur Ruhe.
Urgurash rückt näher. Ihm ist nach der erfolgreichen Jagd nach noch einer Eroberung und er tut seine Absicht kund. Ein Hieb auf seinen Kopf belehrt ihn jedoch schnell eines Besseren und beide schlafen eng umschlungen ein.
Lärm weckt ihn. Ärgerlich dreht er sich um. Das Lager ist leer, seine Brutgefährtin nicht da. Wieder dieser Lärm. Langsam wird er wach. Das ist ein Streit, der dort draußen tobt. Die Stimmen sind unbekannt, irgendjemand Fremdes ist dort. Rasch steht er auf und greift nach seinem Speer.
Die Morgensonne, die von dem Schnee reflektiert wird, blendet ihn zuerst. Langsam klärt sich sein Blick und er kann erkennen, dass die Frauen seines Dorfes auf der einen Seite versammelt und von schmalen Gestalten umzingelt sind.
Die Krieger seines Dorfes stehen schäumend und mit gezückten Waffen davor. Nach dem Lärm, der ihn geweckt hat, herrscht nun eine tödliche Stille.
Ein Ork liegt am Boden, der Schnee unter ihm ist rot gefärbt. Der gefiederte Schaft eines Pfeils ragt aus seiner Brust. Die anderen scheinen dieses Detail nicht bemerkt zu haben. Sie drohen den dort stehenden Elfenkriegern, die gelassen die Klingen an die Kehlen der Frauen halten.
„Halt!“, ruft Urgurash laut und bestimmt. „Habt ihr Idioten nicht bemerkt, dass Bogenschützen auf euch zielen?“ Wütend zeigt er auf den Pfeilschaft. „Was ist hier überhaupt los und wieso bedroht ihr unsere Frauen?“, wendet er sich an die Schattenelfen.
Während die Orks sich bestürzt umschauen, tritt einer der Elfen vor. „Bist du der Häuptling dieses erbärmlichen Haufens?“
Kopfschüttelnd zeigt Urgurash auf den Toten am Boden. „Er war es.“
Schulterzuckend kommt der Elf noch zwei Schritte näher. „Nun gut, dann denke ich, dass du wohl sein Nachfolger sein wirst, denn die anderen sind ja scheinbar nicht des Sprechens mächtig.“
„Was wollt ihr?“ Urgurash wollte zwar schon seit längerer Zeit der nächste Häuptling werden, aber er hatte es auch sein wollen, der den Schwächling von Anführer zwischen seinen Fäusten zerquetscht.
„Wir rekrutieren alle Krieger dieses Dorfes, damit ihr in die Dienste des großen Xigmuuth treten könnt. Bitte sei so gut und erkläre es deinen Stammesgenossen.“
Einer der Orks trat vor. „Ich werde mich nicht zum Diener dieser Elfen machen lassen, eher werde ich sterben.“
Der Elfenkrieger, der vorschnellt, ist nicht viel mehr als ein Schatten. Er steht schon wieder an seinem Platz, als der Ork langsam mit durchschnittener Kehle zu Boden sinkt.
„Dein Wunsch sei dir erfüllt“, sagt der Sprecher der Elfen. Zu Urgurash gewandt fährt er fort: „Das ist keine Bitte. Wir brechen in einer Stunde auf. Regelt, was zu regeln ist.“
Urgurash will aufbegehren, fängt aber einen Blick seiner Frau auf. Diese schüttelt langsam den Kopf und macht kurz und nur für ihn sichtbar das Zeichen Ykborhs, des orkischen Kriegsgottes. Den Zeigefinger und den kleinen Finger der linken Hand nach unten ausgestreckt. Kampf ja, aber nur, wenn es eine Chance auf den Sieg gibt.
Ergeben nickt er. Natürlich würde sein Weib die Führung über die übrigen übernehmen und es den Elfen nicht leicht machen.
Trotzdem muss er die Frage stellen: „Wer ernährt unsere Frauen, wer sorgt für die Jungen?“
Der Elfenkrieger, der eben schon gesprochen hat, nimmt die Hand vom Schwert.
„Sei unbesorgt. Als Ausgleich für eure Dienste werden eure Frauen mit allem versorgt, was sie benötigen. Es wird ihnen an nichts fehlen.“
Ergeben willigen die Orks ein, denn auch wenn ihr kriegerisches Herz ihnen anderes befiehlt, so wissen sie doch, dass ihnen keine wirkliche Wahl bleibt.
Pünktlich eine Stunde später machen sich die fünfzehn Orkkrieger, umringt von den Qorinsha Shrizardr, auf den Weg nach Yxinth.
Mühsam versucht Uyurlal etwas zu erkennen. Lediglich ein paar schwarze Punkte kann er am Horizont ausmachen. Die Sturmwolken haben sich verzogen und die tiefstehende Sonne spiegelt sich in der weißen Ebene. Der gleißende Schnee macht es unmöglich, wirklich etwas zu erkennen.
„Ich denke, die Gestalten kommen in unsere Richtung. Wer das ist, kann ich aber nicht sagen.“ Na’ana zeigt in die Richtung, in die auch Uyurlal starrt.
Sie hat sich ein Tuch, in das sie zwei kleine Löcher geschnitten hat, vor die Augen gebunden.
Sie hat angeboten, für jeden eine solche Augenbinde anzufertigen. Uyurlal und U’ur haben diese Maßnahme belächelt und spöttisch abgelehnt. Nur Kaeheth hat sich ebenfalls eine solche Binde vor die Augen gebunden. Inzwischen hat Uyurlal von dem blendenden Schnee Kopfschmerzen bekommen und bereut es, ihr Angebot abgelehnt zu haben. Allerdings erlaubt ihm sein Stolz nicht, nun doch noch danach zu fragen.
„Wann werden sie uns erreichen?“ Er muss den Kopf senken, denn er kann nur noch verschwommen sehen.
Na’ana versucht, die Entfernung abzuschätzen. „Wenn wir in demselben Tempo weitergehen, denke ich, dass wir gegen Mittag wissen, wer das ist.“
„Dann lasst uns aufbrechen. Ich möchte die Begegnung nicht in der Dunkelheit riskieren.“ Mit gesenktem Kopf geht Uyurlal voran.
Wenn er nur auf die wenigen Meter vor seinen Füßen achtet, legt sich der Kopfschmerz auf ein erträgliches Maß. Trotzdem muss er immer wieder den Kopf heben, damit er die Richtung beibehalten kann. Die anderen drei gehen hinter ihm, schließlich ist er der Anführer und niemand würde ihm von sich aus anbieten, vorzugehen. Und Na’ana vorzuschicken, da sie deutlich besser sehen konnte, verbietet sein Stolz ihm. Morgen, da würde er sich auch eine Augenbinde bauen, aber jetzt will er sich vor seinen Kameraden keine Blöße geben.
Die Elfenkriegerin sollte Recht behalten. Als die Sonne den Zenit erreicht hat, können sie mehrere Orks und eine Elfe erkennen. Es dauert aber immer noch zwei Stunden, bis sie aufeinandertreffen.
„Sieh an, sieh an. Was treibt dich denn in diese Ödnis, mein lieber Uyurlal?“ Kinetheash mustert die vier Krieger, die vor ihr stehen.
Uyurlal geht einen Schritt auf sie zu und reicht ihr die rechte Hand. Etwas zögerlich greift sie zu. Sie ist sich nicht sicher, was sie von diesem Aufeinandertreffen zu halten hat. Ist es wirklich rein zufällig oder steckt mehr dahinter?
„Dasselbe könnte ich dich fragen, geliebte Schwester. Hattest du nicht an den Ausläufern der Clyugs zu tun? Ziemlich weit abseits von der üblichen Patrouillenroute.“ Uyurlal schaut verächtlich zu den Orks hinüber. Wenigstens muss er sich nicht mit diesen Kreaturen befassen.
Mit einem aufgesetzten Lächeln legt sie ihm die Hand auf die Schultern. „Lass uns gemeinsam eine Rast einlegen, dann können wir uns von unseren Wegen erzählen.“
Gemeinsam räumen sie den Schnee beiseite und setzen sich mit etwas Proviant und Wasser hin. Die Orks bleiben sich selbst überlassen.
Sie müssen sich um ihr eigenes Lager kümmern. Dieses errichten sie in einiger Entfernung. Immer wieder werfen sie den Elfen misstrauische Blicke zu, verhalten sich aber ruhig.
Nachdem sie schweigend gegessen haben, ergreift Kinetheash das Wort: „Ich habe die Frage zuerst gestellt, also denke ich, dass du mit deinem Bericht beginnen solltest, Bruderherz.“
Auch wenn er sich über ihre Worte ärgert, beginnt er gehorsam zu erzählen. Schließlich ist seine Schwester nicht nur älter als er, aufgrund ihres Ranges unter den Kriegern der Qorinsha Shrizardr ist sie ihm auch vorgesetzt. Es lohnt sich nicht, einen Schreit wegen so einer Lappalie zu beginnen. So berichtet er über seine Mission und in welche Richtung er nun unterwegs ist. Nachdem er geendet hat, scheint er so etwas wie stolz in ihren Augen zu erkennen, ist sich aber nicht sicher. Es könnte auch hämische Schadensfreude sein.
„Mein kleiner Bruder ist nun also ein Krieger. Und gleich mit so einer wichtigen Mission betraut. Ich bin erfreut, dass unsere Familie ihren Ruhm durch dich weiter mehrt und unser Ansehen, solltest du erfolgreich sein, weiter wächst.“
Sollte er erfolgreich sein. Sie traut es ihm also nicht unbedingt zu. Na, er würde ihr zeigen, zu was er in der Lage ist. Nun fordert er sie auf, ihre Geschichte zu erzählen. Sie folgt seiner Bitte und berichtet von den Bauern und auch dem Sturm, der sie vor Kurzem überrascht hat.
„So, wir wollen heute noch ein gutes Stück weiter in Richtung Sryquar kommen. Ich habe genug von dieser verlassenen Eislandschaft.“ Mit diesen Worten erhebt sie sich und dreht sich zu ihren Orks um. „Weiter geht es, beeilt euch, ich will bis zur Dunkelheit diese Ebene verlassen haben.“ Wieder zu Uyurlal gewandt fährt sie leise fort: „Ich wünsche dir viel Glück bei deiner Mission. Begehe nicht den Fehler, die Eisbarbaren zu unterschätzen.
Sie sind zwar Menschen, aber die unwirtliche Welt, in der sie leben, hat sie hart gemacht. Schon so mancher Elf ist unter ihren Klingen gefallen.“
Mit diesen durchaus ehrlich gemeinten Worten dreht sie sich um und geht mit langen Schritten in Richtung Osten davon. Auf die Orks wartet sie nicht, die werden sie schon einholen.
Ein lautes, bestimmtes Klopfen reißt Dathodar aus seinen Gedanken. Er hat in seinem Zimmer in der Akademie über seinen Plänen, die Priester an ihren Platz zu erinnern, gebrütet. Auf seine Erlaubnis hin öffnet sich die Tür und Kinetheash betritt den Raum. Sie scheint sofort nach ihrem Eintreffen zu ihm geeilt zu sein, denn man sieht ihrer Kleidung die Reise an, die sie hinter sich hat.
Erfreut lächelnd erhebt er sich von seinem Stuhl. „Sei gegrüßt. Ich freue mich, dich wohlbehalten wieder bei uns zu sehen.“
„Auch ich bin froh, wieder hier zu sein.“ Kinetheash eilt ihm entgegen. Kurz halten sie die Stirn aneinander, dann trennen sie sich wieder und halten einen schicklichen Abstand.
„Darf ich dir ein Glas Wein anbieten, damit du dich von den Strapazen deiner Reise erholen kannst?“ Er schenkt zwei Gläser mit der blutroten Flüssigkeit ein und reicht ihr eins.
Lächelnd nimmt sie es und trinkt die Hälfte in einem Zug aus. „Danke, Dathodar. Ich freue mich schon auf ein heißes Bad und neue Kleidung. Zuerst wollte ich dir einen kurzen Bericht zukommen lassen. Später, wenn ich wieder sauber bin, erzähle ich Genaues.“
„Das hat keine Eile. Wir können im Moment nichts weiter tun. Es ist alles in die Wege geleitet. Deinen Bruder habe ich auf die Suche nach den Artefakten geschickt. Ich gehe davon aus, dass er eine Weile unterwegs sein wird. Er wird uns nicht in die Quere kommen.“
Kinetheash setzt sich auf einen freien Stuhl. „Ich habe ihn getroffen. Ein paar Stunden hinter der Grenze zum Barringquet. Er hat mir erzählt, was er für eine Mission hat.“ Sie schaut nachdenklich in das Glas. „Meinst du, er ist der Aufgabe gewachsen?“
Dathodar stellt sein Glas ab und schaut ihr in die Augen. „Ich hätte deinen Bruder nicht geschickt, wenn ich nicht sicher wäre, dass er es schaffen kann.“
Sie zuckt mit den Schultern. „Und als zusätzlicher Pluspunkt kann er dir nicht mehr gefährlich werden. Wenn er wieder hier ist, bist du nicht mehr angreifbar für irgendjemanden.“ Sie steht auf und geht zur Tür. „Ich habe mich schon mit dem Richtigen verbunden.“
Lächelnd schaut er ihr hinterher, bis sie die Tür geschlossen hat.
Kjalar Hasteinnsson ist müde. Den ganzen Nachmittag schon hat der Fürst von Rageshear sich die Sorgen und Nöte der Händler aus der Stadt angehört. Die Gildemeister der Schmiedezunft sind die schlimmsten gewesen. Die Steuern sind zu hoch, die Preise zu niedrig oder die Kohle zu minderwertig. Irgendetwas sorgt immer dafür, dass angeblich die ganze Zunft am Hungertuch nagt. Heute haben sie doch allen Ernstes gefordert, dass die Waren der Zwerge mit einer Sondersteuer belegt werden müssten. Sollten sie doch selbst bessere Arbeit abliefern, dann würden die Menschen auch bei ihnen kaufen.
„Wie viele kommen denn noch?“ Verzweifelt wendet er sich an seinen Berater, der einen kurzen Blick auf die Liste mit den Namen wirft.
„Nur noch Snaggodin, dann sind wir fertig für heute.“
Kjalar kann ein Aufstöhnen nicht unterdrücken. Auch das noch. Was wollte der Zwerg denn von ihm? Sicherlich würde er fordern, dass die Steuern gesenkt würden. Wie er diese Nachmittage doch hasste. „Der hat mir heute noch gefehlt.“ Ergeben lässt er sich in seinem Stuhl zurücksinken. „Na gut, dann bringen wir es hinter uns.“
Mit einem Wink gibt er der Wache an der großen, zweiflügeligen Tür zu verstehen, dass sie seinen letzten Gast des Tages hereinbringen soll.
Der Zwerg, der nun eintritt macht sich, anders als die menschlichen Bittsteller, nichts aus stattlichen Kleidern oder anderen Äußerlichkeiten. Er muss damit auch niemanden beeindrucken. Dies tut allein schon seine körperliche Erscheinung. Er trägt einfache Wollkleidung. Die Tunika endet kurz unter seinen Schultern und gibt breite, muskulöse Oberarme frei. Die Tätowierungen, die beide Arme überziehen, verleihen ihm ein finsteres Aussehen. Unter der einfachen Kleidung trägt er sicherlich ein Kettenhemd. Kjalar hat noch keinen Zwerg kennengelernt, der keine Rüstung trägt. Zumindest hat Snaggodin den Anstand, nicht zu offensichtlich gerüstet vor den Fürsten der Stadt zu treten.
Ein wenig amüsiert sich der Fürst über diese Eigenart der Zwerge. Als ob einer der Straßendiebe von Rageshear es wagen würde, einen der Kleinwüchsigen auch nur schief anzuschauen.
„Ich grüße dich, Kjalar.“ Wie immer hält er sich nicht mit den üblichen Floskeln auf.
Kjalar holt einmal tief Luft. „Ich grüße dich ebenfalls, Snaggodin von den Zwergen. Wie kann ich dir behilflich sein?“ In Erwartung auf das Kommende hält er die Luft an. Die Bitte des Zwergs erstaunt ihn dann aber.
„Ich bitte dich darum, uns zu erlauben, ein Grundstück im Zentrum deiner schönen Stadt zu erwerben. Es ist eines am Marktplatz frei und wir würden unser Handelshaus gerne dorthin verlegen.“
Er schaut den Zwerg ungläubig an. „Ihr wollt weiter in die Stadt hinein, mehr nicht?“
Der Zwerg schüttelt den Kopf. „Warum sollten wir mehr wollen. Schließlich wollen wir unsere Waren verkaufen. Und direkt am Marktplatz haben wir einen besseren Standort als derzeit in der Vorstadt.“
Das wäre in unmittelbarer Nähe der Schmiedegilde der Stadt. Innerlich sieht Kjalar die Gildemeister schon vor Wut kochen. Er muss sich ein Grinsen verkneifen, als er sich vorstellt, wie sie vor ihm stehen und der Dampf ihnen aus den Ohren wallt. Aber dennoch muss er diese Angelegenheit erst einmal in Ruhe überdenken.
„Snaggodin, das kann ich nicht spontan entscheiden. Daher bitte ich dich um etwas Geduld. Ich werde dir meine Entscheidung morgen mitteilen. Bitte sei so gut und suche mich morgen um dieselbe Zeit wieder auf.“
Der Zwerg nickte zustimmend und entfernt sich mit einem höflichen Gruß.
Als sie wieder allein sind, dreht er sich zu seinem Berater um. „Wieso fragen sie mich, ob sie ein Grundstück kaufen dürfen? Was hindert sie daran, es einfach zu tun?“
Der Berater schiebt seinen Papierstapel zusammen, dann blickt er auf. „Die Zwerge sind keine Bürger der Stadt, Herr. Sie leben zwar seit einiger Zeit bei uns, aber sie haben bis jetzt nicht das Bürgerrecht erhalten. Daher dürfen sie in der Stadt kein Eigentum erwerben.
Deswegen müssen sie Euch um Erlaubnis fragen. Meines Wissens haben sie auch den Kontor, in dem sie derzeit residieren, nur gemietet.“
„Oh je, das habe ich vollkommen vergessen. Was meinst du, sollten wir ihnen den Kauf des Grundstückes gestatten?“
Der Berater zuckt mit den Schultern. Ein schmales Lächeln huscht über sein ansonsten neutrales Gesicht. „Die Gilden werden das nicht gerne sehen. Ich denke, sie werden eine Protestnote aufsetzen, noch bevor die Tinte auf dem Kaufvertrag trocken ist.“
Nun kann Kjalar sich nicht mehr beherrschen und ein schelmisches Grinsen huscht über seine Züge. „Allein das wäre es mir schon wert.“
Wieder ernst befiehlt er seinem Berater, sich über das fragliche Grundstück zu informieren und einen Kaufvertrag aufzusetzen. Die Gilden tanzen ihm schon viel zu lange auf der Nase herum. Sicherlich, die Stadt ist durch sie zu Wohlstand gekommen, aber in letzter Zeit nehmen sie sich etwas zu viel heraus. So kann er ihnen einen Denkzettel verpassen.
„Nun muss ich mich meinen anderen Gästen widmen. Auch die wollen sich hier niederlassen. Wenn das so weitergeht, gehen mir die Grundstücke aus, die ich vergeben kann.“
Mit raschen Schritten geht er zu einer kleinen Tür im hinteren Bereich des Saales. Kurz bevor er den Raum verlässt, dreht er sich noch einmal um. „Sei so gut und lass uns etwas Wein und Gebäck bringen.
Diese Unterredung ist zwar um einiges interessanter als die übrigen, dafür wird sie aber auch länger dauern.“
Die Sonne versinkt gerade am Horizont, als Sil’ir, Ira’sish und Nubgar die Stadt Rageshear erreichen. Hinter ihnen werden gerade die Tore für die Nacht geschlossen.
„Glück gehabt. Das wäre fast schiefgegangen und wir hätten die Nacht vor den Mauern verbringen müssen.“ Nubgar reibt sich die Hände und seine in den letzten Tagen recht trübselige Stimmung scheint sich etwas aufgehellt zu haben.
Ira’sish schaut ihn schief von der Seite an und muss kurz lachen. „Du willst doch nur an das Bierfass, das Snaggodin für dich bereithält.“
„Na und? Erzähl mir nicht, dass du dich nicht auch auf eins deiner geliebten warmen Bäder freust“, stichelt der Zwerg zurück.
Sil’ir schüttelt den Kopf, aber auch er kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Das ist ja auch beides beinahe dasselbe.“ Amüsiert folgt er den beiden die Straße zum zwergischen Handelskontor hinab.
„Ich weiß eben Prioritäten zu setzen.“
Dieser kurze Satz Nubgars lässt Ira’sish in einen Lachanfall ausbrechen.
Es ist schön, die beiden in so gelöster Stimmung zu erleben. Eine schwarze Wolke wühlt sich aber dennoch in Sil’irs Gedanken. Steht ihre Gemeinschaft kurz davor, auseinanderzubrechen?
Seit zwei Jahren durchstreifen sie zu dritt die Lande und suchen nach den Splittern des Artefaktes. Vergeblich bis jetzt und die Zuversicht, die sie anfangs verspürt haben, ist schon lange verflogen. Hoffnung, in den Archiven der Stadt etwas über die Artefakte herauszufinden, hat er nicht. Es ist zwar schon etwas länger her, dass sie zuletzt hier gewesen sind, aber an Wunder glaubt er schon lange nicht mehr.
Auch den Schattenelfen Dathodar haben die Gefährten nicht aufspüren können. Wenn seine Rachegelüste sich in den letzten Jahreszeiten auch etwas gelegt haben und die Suche nach dem Mörder Milaileés nicht mehr im Vordergrund steht, so hofft er insgeheim doch immer noch, eine Spur von seinem Feind zu finden.