Elizabeth und ihr deutscher Garten - Elizabeth von Arnim - E-Book

Elizabeth und ihr deutscher Garten E-Book

Elizabeth von Arnim

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Beschreibung

Eine junge englische Frau in ihrem deutschen Garten, gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Elizabeth hat ihren Mann überredet, mit der Familie aufs Land zu ziehen. Sie will den herrlichen Gutsgarten neu anlegen und die Stille des Landlebens genießen. Ein Jahr hindurch, von Mai bis Mai, zeichnet sie ihr neues Leben auf. Sie hat den Kopf voller Ideen und leidet darunter, dass sie selbst so wenig mit zupacken darf - nur heimlich nimmt sie sich manchmal frühmorgens den Spaten. Ihrer überschäumenden Liebe zu allem, was draußen ist, kann das nichts anhaben: Die Blumen und die frische Luft helfen ihr, dem Druck des Haushalts, der Diener und Gäste und auch des Mobiliars zu entkommen. Sie plant und macht Fehler, feiert kleine Erfolge, freut sich an allem, was sprießt und blüht, beobachtet ihre drei kleinen Töchter (das April-, das Mai- und das Juni-Baby) und kabbelt sich mit ihrem Mann, dem Zornmütigen, wie er bei ihr heißt. Keck, spitzzüngig und liebevoll karikiert sie das Leben ihrer Zeit und überträgt ganz nebenbei ihren Übermut auf die Leserin.

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Zum Buch

Eine junge englische Frau in ihrem deutschen Garten, gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Elizabeth hat ihren Mann überredet, mit der Familie aufs Land zu ziehen. Sie will den herrlichen Gutsgarten neu anlegen und das Landleben genießen. Den Kopf voller Ideen, bedauert sie nur, selbst nicht stärker zupacken zu dürfen. Ihrer überschäumenden Liebe zu allem, was draußen ist, kann das nichts anhaben: Blumen und frische Luft helfen ihr, dem Druck von Haushalt, Dienern, Gästen und auch des Mobiliars zu entkommen. Keck, spitzzüngig und liebevoll karikiert sie das Leben ihrer Zeit und überträgt ganz nebenbei ihren Übermut auf die Leserin.

Zur Autorin

Elizabeth von Arnim (1866–1941) hieß eigentlich Mary Annette Beauchamp. Sie wurde in Australien geboren und war von 1891 bis 1908 mit Henning August von Arnim-Schlagenthin verheiratet, mit dem sie fünf Kinder hatte. Ihr Debüt »Elizabeth and her German Garden« erschien 1898 anonym und machte sie über Nacht berühmt – so behielt sie zeitlebens den Vornamen Elizabeth als Pseudonym bei. Ihre mehr als zwanzig Romane sind vielgeliebt für ihren erfrischenden, immer etwas schrägen Humor.

Elizabeth von Arnim

Elizabeth undihr deutscher Garten

Roman

Aus dem Englischen von Hans-Ulrich MöhringMit einem Nachwort von Karen Nölle

Band 24 der

Neuausgabe 2014

© 2014

Verlag Silke Weniger, Gräfelfing/Hamburg

herausgegeben von Karen Nölle

Übersetzung: Hans-Ulrich Möhring

Titel der englischen Originalausgabe: Elizabeth and her German Garden,

erschienen 1898 bei Macmillan and Co. Eine deutsche Ausgabe

erschien erstmals 1987 unter dem Titel Elisabeth und ihr Garten im

Insel Verlag, Frankfurt.

© Übersetzung: Hans-Ulrich Möhring

© Nachwort: Karen Nölle

Lektorat Sophia Jungmann

Gestaltung und Satz Kathleen Bernsdorf, Berlin

ISBN 978-3-942374-67-5

www.editionfuenf.de

Inhalt

7. Mai.

10. Mai.

14. Mai.

15. Mai.

16. Mai.

3. Juni.

11. Juli.

15. September.

10. November.

7. Dezember.

22. Dezember.

27. Dezember.

1. Januar.

15. Januar.

28. Januar.

18. April.

Wer ist Elizabeth?

Bisher bei uns erschienen

7. Mai.

Ich liebe meinen Garten. Ich schreibe dies und sitze dabei inmitten seines spätnachmittäglichen Zaubers, heftig angefochten von den Mücken wie von der Versuchung, die ganze Pracht der jungen grünen Blätter zu bestaunen, die vor einer halben Stunde von einer kalten Regendusche gewaschen wurden. In meiner Nähe sitzen zwei Eulen und führen ein langes Zwiegespräch, das ich genieße wie den süßesten Nachtigallengesang. Herr Eule sagt

 

und sie gibt ihm von ihrem Baum ein Stückchen weiter Antwort

 

womit sie der Äußerung ihres Herrn und Gebieters aufs Schönste zustimmt und sie zugleich ergänzt, wie es einer wohlgebildeten deutschen Eulin geziemt. Wieder und wieder sagen sie ein und dasselbe mit solcher Emphase, dass ich darin etwas Abfälliges zu meiner Person vermute; doch ich werde mich von sarkastischen Eulen nicht verschrecken lassen.

Der Garten ist eigentlich eher eine Wildnis. Ein Vierteljahrhundert hat niemand mehr das Haus hier bewohnt und noch weniger den Garten, und dabei ist es so ein schönes altes Anwesen, dass die Menschen, die hier hätten wohnen können und nicht wohnen wollten, weil sie ganz bewusst den Gräueln einer Stadtwohnung den Vorzug gaben, zu jener großen Schar augen- und ohrloser Personen gehört haben müssen, aus denen die Welt, wie es scheint, hauptsächlich besteht. Nasenlos ebenfalls, auch wenn es nicht hübsch klingt; aber mein Frühlingsglück verdankt sich zum großen Teil dem Geruch der nassen Erde und jungen Blätter.

Ich bin hier immer glücklich (im Freien, wohlgemerkt, denn im Haus befinden sich Diener und Möbel), aber auf recht unterschiedliche Weise, und mein Frühlingsglück ist völlig anders, wenn auch durchaus nicht stärker, als mein Sommeroder mein Herbstglück, und im vorigen Winter gab es Tage, an denen ich trotz meiner Jahre und meiner Kinder aus purer Freude draußen in meinem froststarren Garten tanzte. Aber aus Schicklichkeit, die ich zu wahren pflegte, tat ich es hinter einem Strauch.

Ringsum stehen so viele Traubenkirschen, große Bäume, deren Zweige die Grasspitzen streifen, und sie sind im Moment so mit weißen Blüten und zartestem Grün bekränzt, dass der Garten wie eine Hochzeit aussieht. Ich habe sie noch nie in solchen Massen gesehen; sie scheinen das ganze Anwesen einzunehmen. Selbst auf der anderen Seite des kleinen Flusses, der den Garten im Osten begrenzt, steht mitten auf dem Getreidefeld ein gewaltiges Exemplar, ein Bild der Anmut und Herrlichkeit vor dem kalten Blau des Frühlingshimmels.

Mein Garten ist von Feldern und Wiesen umgeben, und dahinter kommen große Flächen sandiger Heide und Kiefernwälder, und wo der Wald aufhört, fängt wieder die baumlose Heide an; aber die Wälder sind wunderschön in ihrer erhabenen, rotstämmigen Weite, hoch oben die Kronen im weichsten Graugrün und am Boden ein frischer grüner Heidelbeerteppich, und überall die atemlose Stille; und die baumlose Heide ist ebenfalls schön, denn man kann über sie hinweg fast bis in die Ewigkeit schauen, und wenn man auf sie hinausgeht, den Blick zur untergehenden Sonne gerichtet, ist es, als träte man vor Gottes Angesicht.

Mitten in dieser weiten Ebene liegt die grüne Traubenkirschoase, in der ich meine glücklichen Tage verbringe, und mitten in der Oase steht das vielgiebelige graue Steinhaus, in dem ich meine widrigen Nächte verbringe. Das Haus ist sehr alt und verschiedentlich erweitert worden. Vor dem Dreißigjährigen Krieg war es ein Nonnenkloster, und die Kapelle mit ihrem Kreuzgewölbe und ihrem von frommen Bauernknien abgewetzten Ziegelboden dient heute als Eingangshalle. Gustav Adolf und seine Schweden zogen hier mehr als einmal durch, wie in noch erhaltenen Urkunden pflichtgetreu vermerkt, denn wir liegen auf dem damaligen Hauptverbindungsweg zwischen Schweden und dem unglücklichen Brandenburg. Der Löwe des Nordens war zweifellos ein achtbarer Mensch und handelte ganz nach seinen Überzeugungen, aber er muss die friedlichen Nonnen, die von eigenen Überzeugungen nicht frei waren, mit harter Hand vertrieben haben, so dass die Ärmsten auf der weiten, leeren Ebene zum Ersatz ein anderes Leben suchen mussten, als das hier geführte Leben der Stille.

Aus fast allen Fenstern des Hauses kann ich von keiner Erhebung gehindert über die Ebene sehen, bis zum blauen Strich des fernen Waldes, und auf der Westseite ununterbrochen bis zur sinkenden Sonne, überall nichts als grüne, sanft gewellte Weite, mit einer harten Kante gen Sonnenuntergang. Diese Westfenster sind mir lieber als alle anderen, und so habe ich mein Schlafzimmer auf diese Seite des Hauses gelegt, damit selbst die Zeiten des Haarebürstens nicht ganz verloren sind, und die junge Frau, die derlei besorgt, ist angewiesen, ihre Pflichten an einer Herrin zu erfüllen, die vor dem offenen Fenster gemütlich in einem Sessel liegt, und diese süße, hohe Zeit nicht mit Geplapper zu entweihen. Dieses Mädchen grämt sich wegen meiner Angewohnheit, nachgerade im Garten zu wohnen, und all ihre Vorstellungen davon, welche Art Leben eine ehrbare deutsche Dame führen sollte, sind in traurige Unordnung geraten, seit sie bei mir ist. Die Leute ringsherum sind überzeugt, dass ich, um es so freundlich wie möglich zu sagen, außerordentlich exzentrisch bin, denn es hat sich herumgesprochen, dass ich den Tag draußen im Freien mit einem Buch verbringe und dass kein sterbliches Auge mich je hat nähen oder kochen sehen. Aber warum kochen, wenn man jemand anders für sich kochen lassen kann? Und was das Nähen betrifft, so säumen die Dienstmädchen die Laken besser und schneller, als ich es könnte, und alle Formen kunstvoller Handarbeit sind Erfindungen des Teufels, mit denen er die Törichten davon abhält, ihr Herz an die Weisheit zu hängen.

Wir waren fünf Jahre verheiratet, bevor wir auf den Gedanken kamen, von diesem Anwesen Gebrauch zu machen, indem wir herzogen, um darin zu wohnen. Diese fünf Jahre verbrachten wir in einer Stadtwohnung, und während ihrer ganzen endlosen Dauer war ich kreuzunglücklich und kerngesund, was den hässlichen Gedanken widerlegt, der mich zeitweise beunruhigt hat, dass mein Glück hier weniger dem Garten als einer guten Verdauung zu verdanken ist. Und während wir dort unser Leben vertaten, lag hier dieser freundliche Fleck mit Löwenzahn bis zur Haustür, alle Wege von Gras überwachsen und völlig unkenntlich, ganz einsam im Winter, wenn außer dem Nordwind niemand die geringste Notiz davon nahm, und im Mai – in diesen ganzen fünf schönen Maien – ohne ein Auge, das die herrlichen Traubenkirschen und die noch herrlicheren Fliedermassen wahrnahm, das ganze Glühen und Blühen, den Wilden Wein, der es jedes Jahr toller trieb, bis zuletzt im Oktober selbst das Dach von blutroten Ranken bekränzt war; alles unangefochten beherrscht von den Eulen und Eichhörnchen und den vielen seligen kleinen Vögeln, und das leere Haus von keinem lebenden Wesen je betreten außer den Schlangen, die in diesen stillen Jahren die Gewohnheit angenommen hatten, sich an der Südwand hinauf in die Zimmer auf jener Seite zu schlängeln, sobald die alte Haushälterin die Fenster aufmachte. Dies alles war hier, Friede, Glück und ein lebbares Dasein, und trotzdem fiel es mir niemals ein, herzukommen und darin zu wohnen. Rückblickend staune ich darüber und kann mir überhaupt nicht erklären, warum ich so spät die Entdeckung machte, dass hier in diesem abgelegenen Winkel mein Himmelreich ist. Ja, ich kam nicht einmal auf die Idee, den Fleck im Sommer zu nutzen, und ließ stattdessen jedes Jahr wochenlang die Sommerfrische am Meer mit all ihren Gräueln über mich ergehen, bis schließlich voriges Jahr im Vorfrühling, als ich zur Eröffnung der Dorfschule angereist war und hinterher durch den verwilderten Garten streifte, ich weiß nicht mehr welcher Geruch nach nasser Erde oder modernden Blättern mir schlagartig meine Kindheit mit ihren vielen glücklichen Tagen im Garten zurückbrachte. Werde ich diesen Tag jemals vergessen? Es war der Anfang meines wirklichen Lebens, der Tag, an dem ich gewissermaßen mündig wurde und in mein Reich eintrat. Anfang März, grauer, stiller Himmel und braune, stille Erde, laublos und traurig und ziemlich einsam dort draußen in der Nässe und der Ruhe, und doch empfand ich dieselbe ekstatische Freude am ersten Frühlingshauch wie damals als Kind, und die fünf vergeudeten Jahre fielen von mir ab wie ein Mantel, und die Welt war von Hoffnung erfüllt, und ich weihte mich an Ort und Stelle der Natur und bin seither glücklich.

Mein Göttergatte, nachgiebig, wie er ist, und vielleicht mit dem Hintergedanken, dass es gar nicht so schlecht wäre, für das Anwesen zu sorgen, erklärte sich einverstanden, zumindest eine Zeitlang hier zu leben, und es folgten sechs besonders wundervolle Wochen von Ende April bis Juni, in denen ich hier allein war. Ich sollte die Mal- und Tapezierarbeiten beaufsichtigen, tatsächlich aber ging ich nur ins Haus hinein, wenn die Arbeiter hinausgegangen waren.

Was war ich glücklich! So restlos gut ist es mir, soweit ich mich erinnere, seit der Zeit nicht mehr gegangen, als ich für den Unterricht noch zu klein war und mit meinem Elf-Uhr-Zuckerbrot auf einen mit Löwenzahn und Gänseblümchen übersäten Rasen hinausgeschickt wurde. Der Zucker auf dem Butterbrot hat seinen Reiz verloren, aber Löwenzahn und Gänseblümchen liebe ich heute noch leidenschaftlicher als damals, und nie würde ich ertragen, sie alle abgemäht zu sehen, wenn ich nicht sicher wüsste, dass sie ihre kleinen Gesichter in ein oder zwei Tagen so heiter wie eh und je wieder emporreckten. In jenen sechs Wochen lebte ich in einer Welt, die nur aus Löwenzahn und Lebenslust bestand. Der Löwenzahn besetzte die drei Rasenflächen – die einstigen Rasenflächen, die inzwischen längst zu Wiesen mit allen möglichen hübschen Kräutern ausgeblüht sind –, und unter wie zwischen den laublosen Eichen- und Buchengruppen wuchsen blaue Leberblümchen, weiße Buschwindröschen, Veilchen und Scharbockskraut in rauen Mengen. Besonders das Scharbockskraut entzückte mich mit seiner sauberen, fröhlichen Frische, so adrett und blitzblank, als wäre es auch von den Malern gestrichen worden. Als dann die Buschwindröschen gingen, kamen ein paar vereinzelte Immergrün und Weißwurzen, und sämtliche Traubenkirschen explodierten förmlich. Und bevor ich mich ein wenig an die Pracht ihrer Blüten vor dem Himmel gewöhnt hatte, kam der Flieder in Massen und Abermassen, in Gruppen auf dem Gras, zwischen anderen Sträuchern und Bäumen an den Wegrändern und in einer großen durchgehenden Reihe von knapp einem Kilometer, die sich vor der Westfront des Hauses so weit das Auge reichte in die Ferne erstreckte und vor den Tannen im Hintergrund wunderbar leuchtete. Als diese Zeit kam und als vor ihrem Ende auch noch die Akazien aufblühten und dazu vier große Gruppen heller Pfingstrosen in silbrigem Rosa unter den Südfenstern, da war ich so vollkommen glücklich und selig und dankbar, dass ich es überhaupt nicht beschreiben kann. Meine Tage schmolzen wie ein Traum von rosa und violettem Frieden dahin.

Nur die alte Haushälterin und ihre Magd waren im Haus, und so konnte ich unter dem Vorwand, nicht zu viele Umstände zu bereiten, hinsichtlich der Mahlzeiten meiner fantaisie déréglée frönen, wie mein Göttergatte es nennt, das heißt, ich bestellte mir Mahlzeiten, die so einfach waren, dass sie auf einem Tablett zu den Fliederbüschen hinausgebracht werden konnten, und lebte, wie ich mich erinnere, die ganze Zeit von Salat und Brot und Tee, zu Mittag manchmal ergänzt von einem winzigen Täublein, um mich, wie die alte Dame meinte, vor dem Hungertod zu bewahren. Wer sonst als eine Frau hätte sechs Wochen mit Salat bestreiten können, und sei er auch geheiligt von der Anwesenheit und dem Duft der prächtigsten Fliedermassen? Ich konnte es und wuchs mit jedem Tag in der Gnade, auch wenn er mir seitdem nicht mehr schmeckt. Wie oft denke ich heute, wenn mich die Pflicht plagt, drei Speisezimmermahlzeiten am Tag beizuwohnen, derer zwei von Funktionsträgern dirigiert werden, wie sie für die gehörige Wahrung der Familienwürde als unverzichtbar gelten, und bei denen es stets Braten und Gesottenes gibt, wie oft denke ich da an meine Salattage, vierzig an der Zahl, und an den Segen, allein zu sein, so allein wie damals!

Und abends dann, wenn die Arbeiter alle fort und das Haus seiner hallenden Leere überlassen und die rheumatischen Glieder der alten Haushälterin glücklich ins Bett befördert und mein kleines Zimmer in einem ganz anderen Teil des Hauses hergerichtet war, ach, wie widerstrebend verließ ich da die freundlichen Frösche und Eulen, schloss die Tür zum Garten hinter mir ab, das Herz irgendwo in den Schuhen, und schlich durch die lange Flucht der hallenden Südräume voller Schatten und Leitern und gespenstisch herumstehender Farbeimer, ein Lied vor mich hin summend, um mir selbst gute Laune vorzuspiegeln, während ich langsam über den Ziegelboden der Eingangshalle ging, die knarrende Treppe hinauf, den langen geweißten Korridor hinunter, bis ich zuletzt mit panischer Hast in mein Zimmer huschte, wo ich die Tür doppelt verschloss und verriegelte.

Es gab im Haus keine Klingeln, und ich nahm immer eine große Essensglocke mit ans Bett, damit ich wenigstens Lärm schlagen konnte, falls ich in der Nacht Angst bekam, auch wenn ich nicht weiß, was mir das genutzt hätte, denn es hätte niemand gehört. Das Hausmädchen schlief in einer anderen kleinen Kammer, die von meinem Zimmer abging, und wir beide waren die einzigen lebenden Wesen im großen leeren Westflügel. Sie glaubte offensichtlich nicht an Gespenster, denn ich konnte hören, wie sie nach dem Zubettgehen augenblicklich einschlief. Auch ich glaube nicht an Gespenster, »mais je les redoute«, wie eine Französin sagte, die, glaubt man ihren schriftlichen Äußerungen, offenbar recht energisch war.

Die Essensglocke war ein großer Trost. Sie wurde nie geläutet, doch es beruhigte mich, sie auf dem Stuhl neben meinem Bett zu sehen, denn meine Nächte waren alles andere als friedlich, alles ringsum war so fremd, und es gab so merkwürdige Knarrtöne und andere Geräusche. Ich lag oft stundenlang wach, vom Knacken eines Brettes aus leichtem Schlaf gerissen, und lauschte dem unbekümmerten Schnarchen des Mädchens im Nebenzimmer. Am Morgen war ich natürlich kühn wie ein Löwe und amüsierte mich sehr über den kalten Angstschweiß der Nacht; doch jetzt im Nachhinein erscheinen mir selbst die Nächte erfreulich, und ich fühle mich wie die Jungen in dem alten Gedicht, die in jedem Wind eine Stimme hörten und der Angst eine Lust entrissen. Ich würde sie mit Freuden aufs Neue durchzittern, wenn mir das die schöne Reinheit des Hauses zurückbrächte, leer von Dienerschaft und Mobiliar.

Wie hübsch die Zimmer doch aussahen mit nichts darin als ihren heiteren neuen Tapeten! Manchmal begab ich mich in jene, die fertig waren, und baute mir alle möglichen Luftschlösser über ihre Zukunft und Vergangenheit. Würden die Nonnen, die in ihnen gelebt hatten, ihre kleinen getünchten Zellen wiedererkennen, wo jetzt zarte Blumentapeten und saubere weiße Farbe sie schmückten? Und was würden sie staunen, wenn sie sähen, dass aus Zelle Nr. 14 ein Badezimmer geworden war mit einer Wanne darin, die genug Platz bot, um ihnen zu ihrer seelischen Reinheit eine ebenso große körperliche Sauberkeit zu bescheren! Sie würden darin einen Fallstrick des Versuchers erblicken, und ich weiß, dass ich meinerseits über die Schwärze meiner Fingernägel erst in dem Moment erschrak, als ich die ursprüngliche Weiße meiner Seele verlor, indem ich mich mit fünfzehn in den Gemeindeorganisten verliebte oder vielmehr in die Ahnung von Chorhemd, Römernase und feschem Schnurrbart, die alles war, was ich je von ihm erhaschte, und die ich mindestens sechs Monate lang bis zum Wahnsinn liebte, bis ich ihm am Ende dieser Zeit eines Tages auf einem Spaziergang mit meiner Gouvernante auf der Straße begegnete und entdecken musste, dass er außerhalb seines Amtes einen Gehrock in Verbindung mit Umlegekragen und »Melone« trug, und ihn fortan nicht mehr liebte.

Der erste Teil dieser Wonnezeit war der wonnigste, denn ich hatte nichts als den Frieden und die Schönheit um mich herum im Sinn. Dann erschien plötzlich er, der mit Fug und Recht erscheinen kann, wann und wie er will, und hielt mir vor, dass ich nie geschrieben hatte, und als ich ihm erklärte, ich sei buchstäblich zu glücklich gewesen, um ans Schreiben zu denken, schien er es als Kritik an sich aufzufassen, dass ich allein glücklich sein konnte. Ich führte ihn auf den neuen Wegen, die ich hatte anlegen lassen, durch den Garten und zeigte ihm die Akazien- und Fliederpracht, und er meinte, es sei pure Selbstsucht von mir, mich zu ergötzen, ohne dass er oder die Kinder dabei seien, und der Flieder müsse gründlich beschnitten werden. Ich suchte ihn zu besänftigen, indem ich ihm meinen ganzen Salat mit Toast, der bei unserer Rückkehr am Fuß der kleinen Verandatreppe bereitstand, zum Abendessen anbot, doch nichts vermochte diesen Zornmütigen zu besänftigen, und er sagte, er werde schnurstracks zu den vernachlässigten Kindern zurückkehren. Er fuhr ab, und mir wurde die restliche kostbare Zeit jedes Mal, wenn ich vor Freude am liebsten Luftsprünge gemacht hätte, durch Gewissensbisse vergällt (für die ich sehr anfällig bin). Regelmäßig ging ich nach den Malern schauen, wenn meine Füße mich eigentlich in den Garten tragen wollten; ich trabte eifrig die Flure auf und ab; ich äußerte an einem Tag mehr Kritik und Vorschläge und gab mehr Anweisungen als in der ganzen vorangegangenen Zeit; ich schrieb regelmäßig und schickte Grüße; aber ich brachte es nicht über mich, mich zu grämen und fortzusehnen. Was will man machen, wenn das Gewissen rein ist und die Leber gesund und die Sonne scheint?

10. Mai.

Letztes Jahr verstand ich noch gar nichts vom Gärtnern, und dieses Jahr verstehe ich nur wenig mehr, aber ich ahne so manches, was sich machen ließe, und einen großen Schritt habe ich immerhin schon getan: den von Prunkwinden zu Teerosen.

Der Garten war die reinste Wildnis. Er erstreckt sich rund ums Haus, aber der Hauptteil liegt auf der Südseite, und das ist augenscheinlich schon immer so gewesen. Der Südflügel ist ebenerdig, eine lange Flucht ineinander übergehender Räume, und die Mauern sind mit Wildem Wein bewachsen. In der Mitte ist eine kleine Veranda, die über eine recht morsche Holztreppe zur einzigen Stelle des ganzen Anwesens hinunterführt, auf die anscheinend jemals Pflege verwandt wurde. Es ist ein in den Rasen gestochener und mit Liguster gesäumter Halbkreis, in dem elf mit Buchs eingefasste Beete unterschiedlicher Größe um eine Sonnenuhr angeordnet sind, und die Sonnenuhr ist sehr altehrwürdig und vermoost und wird von mir sehr geliebt. Diese Beete waren der einzige Hinweis auf gärtnerische Bemühungen, die zu erkennen waren (abgesehen von einem einsamen Krokus, der jedes Frühjahr ganz von allein im Gras hochkam, nicht weil er das wollte, sondern weil er nicht anders konnte), und in allen elfen hatte ich Prunkwinden gesät, nachdem ich in einem deutschen Gartenbuch gelesen hatte, dass Prunkwinden in großen Mengen das Einzige sind, was es braucht, um die abscheulichste Wüste in ein Paradies zu verwandeln. Nichts sonst in diesem Buch wurde mit annähernd vergleichbarer Wärme empfohlen, und da ich von der erforderlichen Menge des Saatguts keinerlei Ahnung hatte, kaufte ich zehn Pfund und ließ sie nicht nur in den elf Beeten, sondern auch um fast sämtliche Bäume aussäen und wartete dann mit großer Unruhe auf das verheißene Paradies. Es blieb aus, und ich lernte meine erste Lektion.

Glücklicherweise hatte ich zwei große Beete mit Gartenwicken besät, die mir den ganzen Sommer über große Freude machten, und hinzu kamen noch einige Sonnenblumen und ein paar Stockrosen unter den Südfenstern, mit Madonnenlilien dazwischen. Zu meinem Entsetzen verschwanden die Lilien nach ihrer Umsetzung, denn woher sollte ich wissen, dass dies Lilienart war? Und die Farben der Stockrosen erwiesen sich als recht hässlich, so dass mein erster Sommer ausschließlich von Gartenwicken geschmückt und verschönt war.