Elodia – Ich bin eine Vampirin, aber keiner der Untoten hat mich erschaffen - Ralf Oldenburg - E-Book

Elodia – Ich bin eine Vampirin, aber keiner der Untoten hat mich erschaffen E-Book

Ralf Oldenburg

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Beschreibung

Wir Vampire unterwerfen uns nicht der Logik von binärem Denken, wir nehmen viele Bedeutungen an. Und genau das macht uns so furchterregend und unberechenbar. Gut und Böse, Körper und Geist, Mann und Frau. All das existiert bei uns nicht. Wir respektieren keine Grenzen, Positionen und Regeln. Wir sind nicht verhandelbar und potenziell unbestimmt, veränderbar und nicht essenziell. Damit geht eine Vieldeutigkeit einher, die den binär denkenden Menschen Angst macht. Wir bedrohen durch diese grenzüberschreitenden Möglichkeiten nicht nur individuelle Identitäten, sondern auch den ganzen kulturellen Apparat, der immer nur Individualität und Klarheit herzustellen gedenkt. Trotzdem teilen wir viele menschliche Eigenschaften, die uns manchmal vielleicht menschlich erscheinen lassen, uns aber in keiner Weise menschlich machen …

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Ähnliche


 

 

 

 

Ralf Oldenburg

 

 

Elodia

 

»Ich bin eine Vampirin – aber mich hat keiner der Untoten erschaffen.«

 

Roman

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv 

Cover: © by Steve nach einem Motiv von 3quark123RF, 2022 

Foto: © by Ralf Oldenburg 

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Alle Rechte vorbehalten

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

Elodia 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

12. Kapitel 

13. Kapitel 

14. Kapitel 

Der Autor Ralf Oldenburg 

 

Das Buch

 

 

Wir Vampire unterwerfen uns nicht der Logik von binärem Denken, wir nehmen viele Bedeutungen an. Und genau das macht uns so furchterregend und unberechenbar. Gut und Böse, Körper und Geist, Mann und Frau. All das existiert bei uns nicht. Wir respektieren keine Grenzen, Positionen und Regeln. Wir sind nicht verhandelbar und potenziell unbestimmt, veränderbar und nicht essenziell. Damit geht eine Vieldeutigkeit einher, die den binär denkenden Menschen Angst macht. Wir bedrohen durch diese grenzüberschreitenden Möglichkeiten nicht nur individuelle Identitäten, sondern auch den ganzen kulturellen Apparat, der immer nur Individualität und Klarheit herzustellen gedenkt. Trotzdem teilen wir viele menschliche Eigenschaften, die uns manchmal vielleicht menschlich erscheinen lassen, uns aber in keiner Weise menschlich machen … 

 

 

***

 

 

Elodia

 

 

 

1. Kapitel

 

 

Wir Königinnen dürfen nicht nach unseren Herzen wählen …

Ich heiße Elodia, was übersetzt »Leben und Glück« bedeutet, und bin eine Vampirin, aber mich hat keiner der Untoten geschaffen. Meine Existenz als unsterblich Verdammte begann in dem unterirdischen Labor von Dr. Amatus, dem schlimmsten Vampir von allen. Er hatte damals die teuflische Idee, die allumfassende Heilkraft von Vampirblut zu extrahieren und zunächst unheilbar Kranken zur Verfügung zu stellen, die ihn dafür fürstlich belohnten. Die Ärzte machten sich meine vampirischen Eigenschaften zunutze. Ich diente dem Traum der Menschen nach Unsterblichkeit und ewiger Jugend. In einer Zentrifuge schlossen sie mich an den Blutkreislauf der Menschen an, und während ich ihr verseuchtes Blut erhielt, wurde ihnen mein kostbares Vampirblut in die Venen gepumpt. Danach war ich so gut wie tot, die Patienten aber lebten und führen noch heute ein wunderbares Leben.

Ich brachte den Forschern, und allen voran Dr. Amatus, eine Menge Geld ein. Wissenschaftler aller Fachrichtungen kamen zu mir und untersuchten mich: Mediziner, Neurologen, Psychologen, Traumatologen, Geschichtswissenschaftler. Eines Nachts erhielt ich Besuch von zwei hageren, unscheinbaren Männern. Sie stellten sich mir höflich als Arnakius und Marvolo vor.

Arnakius meinte: »Von uns Vampiren können die Menschen viel lernen. Leider sind die Menschen von Grund auf schlecht und verfolgen mit uns nur schlechte Ziele. Wenn sie erst einmal um unsere letzten Geheimnisse wissen, wie es beispielsweise möglich ist, sich unsichtbar und unverwundbar zu machen, werden sie uns töten. Da mache ich mir keinerlei Illusionen. Gottlob gibt es da noch Dr. Amatus! Ihn hat noch niemand von uns gesehen. Allein mir hat er sich gezeigt. Er ist mein Held. Ich verehre ihn seit Jahren, schreibe ihm Briefe, weiß genau, was er tagtäglich macht. Wir haben eine wundervolle Beziehung. Er bewundert mich. Er wird mich sicherlich bald hier rausholen.« 

Der Kontakt mit den beiden vertrieb mir oftmals die Langeweile. Für unsere Gespräche lebte ich, für das Blut und für die Flucht. Arnakius und Marvolo erging es ebenso. Warum die beiden hier waren, habe ich bis heute nicht in Erfahrung bringen können. 

Beide konnten sich in ihren Zellen zwar frei bewegen, mussten aber für Versuche herhalten, die sich mit Sinnesorganen beschäftigten. Arnakius demonstrierte den Wissenschaftlern immer wieder scheinbar geduldig aufs Neue, wie gut er riechen, hören, sehen und schmecken konnte, wenn er ein Opfer bekam. Ich konnte ihn denken hören. Er wollte zurück zu Dr. Amatus, den er über alles liebte. Ich weiß nur, dass er immer öfter missmutig und deprimiert war, da Amatus ihn nie besuchte, geschweige denn befreite. Marvolo wurde immer des Nachts mit einem Getränk gefüttert, das wie Whisky aussah. Danach verströmte er in seiner Zelle die unwirklichsten Gerüche. Einmal narkotisierte er die gesamte ärztliche Belegschaft. Er meinte später völlig überrascht: »Weil ich gerade daran dachte.« 

In unregelmäßigen Abständen bekamen wir Besuch von den »Göttlichen«. Das waren die obersten Stammesfürsten aller Vampire, die sich einst durch Weisheit, Stärke und Taktik hervorgetan hatten. Durch Amatus in Ungnade gefallen, waren sie in willenlose Bestien verwandelt worden und fristeten ihr armseliges Dasein in viel zu kleinen Stahlkäfigen. Dann wurde gebetet. 

An einem Abend nach dem Erwachen wurde es plötzlich laut in den unterirdischen Katakomben. Meine Tür wurde aufgerissen und ich erkannte zwei Gestalten mit schimmernden Augen, die ins Zimmer blickten. 

Einer von ihnen, Marvolo, trat an meinen Tisch heran und begann die Stahlfesseln wegzureißen, als wären es Lederriemen. Den anderen erkannte ich auch sofort. Es war Arnakius. Noch ehe ich ihn ansprechen konnte, verschwand er. Wohin er wollte, war mir sofort klar: zu Amatus, um ihn weiter zu stalken. 

Marvolo, ritzte eine Ader an seiner Brust auf und gab mir zu trinken. Sein Blut quoll dunkel aus der Wunde, das ich nun ableckte und begann es einzusaugen. Da zischte ein greller Blitz hernieder. »Febra!«, schrie Marvolo und zog mich zu sich heran. »Hast du Herkus, den Göttlichen?«

Febra, eine sehr attraktive junge Frau, erschien im Rahmen der Tür und atmete schwer: »Wir müssen hier raus! Alle unsere Freunde sind tot. Und die Forscher sind geflüchtet.«

In einem Käfig steckte Herkus, der mich zu einem der seinen gemacht hatte, und fletschte die Zähne wie ein bösartiger Dämon. Die viel zu kurze Kette, an die er mit Händen und Füßen gebunden war, rasselte laut. »Wir müssen ihn retten. Er ist einer der letzten Göttlichen, dem die Menschen noch nicht die letzten Geheimnisse entrissen haben.« 

Ich stolperte mit Febra, Marvolo und Herkus aus der Tür. Überall beißender Rauch und Leichen. Sie lagen verkrümmt am Boden, mit Schaum vor dem Mund und weit aufgerissenen Augen. Ihre wie Cellophan schimmernde Haut war mit grün leuchtenden Adern überzogen. An ihren Kehlen leuchtete ein roter Punkt. »Die Forscher haben sie via Knopfdruck vergiftet, indem sie ihr Immunsystem heruntergefahren und ihnen dann tödliche Viren in den Blutkreislauf eingeleitet haben.«, sagte Febra und wand sich ab.

»Aber wo ist Amatus?«, fragte ich und rieb mir die brennenden Augen. Eine gewaltige Explosion erschütterte die Forschungsanstalt. Zum Glück kamen wir noch rechtzeitig raus.

 

 

 

2. Kapitel

 

 

In einer prunkvollen Villa aus dem 19. Jahrhundert, ganz in der Nähe des zerstörten Forschungslabors, lebte Tali ganz für sich allein. Nur ab und an empfing sie Besuch von Vampiren, obwohl sie selbst keine von ihnen war. Tali war eine außergewöhnliche junge Frau, obwohl sie erst einundzwanzig Jahre zählte. Schon ihre roten Haare, die rosarote Sonnenbrille, die buntfarbigen Leggins, aber viel gravierender der massige Körper untermauerten ihre Außenseiterposition. Allem voran der Bauch, der schlaff und wabbelig hervorwölbte und sich beim Sitzen in mehrere hässliche Speckrollen warf. Über dem Speckbauch hingen Talis Brüste. Wie zwei Euter baumelten sie lustlos da, wackelten bei jeder Bewegung und zogen den Oberkörper nach unten. Tali trug Cup E und die Träger hinterließen regelmäßig unschöne, schmerzhafte Spuren auf ihren speckigen Schultern, und ihr Busen hatte seitlich blaue Flecken von den Körpchendrähten des BHs. Ihre Augen waren immer geschwollen, die Lider hingen herunter, erdrückten ihre einst schönen Augen fast, schwarze Tränensäcke darunter, Krähenfüße an den Seiten. Unter dem Bauch sah man ihre geschwollenen Füße und Knöchel, die Waden, die Knie mit Fett gepolstert, die Oberschenkel unförmig, mit Orangendellen verziert. Hamsterbacke, Puddingwalze, Schnitzelbomber, Fleischballon, Würstchengrab – Tali kannte sie alle, die miesen Beleidigungen der Menschen. Erst ihre Freunde, die Vampire, hatten ihr geholfen, sich mit ihrem Körper zu versöhnen und Seelenfrieden zu finden.

Ihr Weg dorthin war allerdings ein sehr steiniger gewesen, voller Zweifel. Besonders Dr. Amatus hatte sie immer wieder in ihrer Villa besucht. Er spürte, dass dort nicht nur Talis Seele, sondern auch viel Geld zu holen war.

Wenn es still im Hause war, dann hörte sie noch manchmal seine einschmeichelnde Stimme: »Tali, alle Vampirfrauen sind schön, sinnlich und begehrenswert. Nach der Injektion mit dem Blut des Göttlichen würden die Leute schon bei deinem Anblick panische Angst, aber auch grenzenlose Bewunderung vor dir haben. Du könntest dich an all den Menschen rächen, die dir einst wehgetan haben.«

Eine unmenschlich hohe Verlockung. Und Amatus nährte diese, indem er des Öfteren in Talis Zimmer erschien, in der sie ahnungslos schlief. »Ich habe dir etwas mitgebracht. Ganz kostenlos. Du kannst wählen: Entweder spritze ich dir diese Blutkonserve …« Er deutete auf eine Pipette mit bläulichem Inhalt. »… und du bleibst dick, wirst aber nie krank werden.« Er grinste: »Das heißt, womit sich andere übergewichtige Menschen herumplagen, etwa Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Schlaganfall, all das wirst du niemals bekommen. Du liebst dich doch so, wie du bist, oder?« Er sah ihr tief in die Augen: »Oder ich injiziere dir das hier …« Er deutete auf eine zweite Pipette violetten Inhalts. »… und du wirst die führende Psychologin unserer Ahnen, die auf der ganzen Welt bekannt ist und zu der sogar die Göttlichen von uns kommen, die Macht und Einfluss haben. Wir werden deine Identität als Mensch wahren und du wirst konkurrenzlos sein.«

Tali hatte es durch kleine Veröffentlichungen innerhalb des Vampirclans zu etwas Anerkennung gebracht. Sie hatte Febra, einer Halbvampirin, die ihre Praxis nebenan besaß, eine Studie über die physischen und psychischen Belastungen vor und nach der Metamorphose in einen Vampir gestohlen und unter ihrem eigenen Namen veröffentlicht. Daraufhin waren zahlreiche vampirische Gelehrten in ihre Praxis gekommen. Aber auch traumatisierte Vampire kamen in ihre Praxis. Viele Patienten wollten ihre vampirische Natur nicht wahrhaben, fürchteten sich sogar vor ihr und leugneten ihre neue Identität oft jahrelang. Oft konnten die Betroffenen sich nicht von den Dingen und Eigenheiten lossagen, die sie bis dato zu wissen glaubten, um dem eigenen Denken neue Strukturen zu geben. Dabei entwickelten sie einen Selbsthass bis hin zu einem Fremdhass auf denjenigen, der sie zu dem hatte werden lassen, was sie nun waren. Doch Tali merkte, dass sie dem Druck und der Lüge nicht gewachsen war. Zudem ahnte sie, dass Febra längst von dem Plagiat wusste und mit ihr nun ein teuflischen Katze-Maus-Spiel spielte.

»Wer oder was ist denn nun ein Vampir?«, hatte sie Tali eines Tages vorsichtig gefragt.

Febra lächelte sie ernst an: »Wir müssen zurück in die alte, traditionelle Rolle der ersten Vampire, unserer Göttlichen. Unserer Ahnen! Jener wahren, reinen Geschöpfe, die noch genau wussten, wer sie waren, nämlich Herrscher der Finsternis, eine eingeschworene Gemeinschaft, ein großer, weltumgreifender Familienclan. Mit eigener, unumstößlicher Identität und Moral ausgestattet, mit Stolz auf ein jahrhundertealtes Geschlecht gesegnet.«

Febra erkannte ihre Chance, die ohnehin vorhandenen Zweifel Talis noch zu verstärken: »Dein Übergewicht ist nicht lebensbedrohlich«, sagte sie. »Es würde auch nach einer Verwandlung bleiben. Es sei denn, es wäre durch eine Krankheit ausgelöst, die dann ja auch verschwinden würde. Aber dem ist ja nicht so. Ein krankhaft adipöser Mensch würde eine Verwandlung ohnehin nicht durchstehen. Dem Körper würde so viel Stress und Kraftanstrengung während der Metamorphose zum Vampir zugemutet werden, dass ein Herzinfarkt beinahe zwangsläufig die logische Folge wäre, noch bevor das Blut des Göttlichen in seinem Körper zirkulieren würde.«

Tali schreckte aus ihrer Erinnerung hoch. Amatus beugte sich dicht über ihr Gesicht und leckte sich die Lippen: »Du weißt, dass der Vampirbiss inzwischen von unserer Gesundheitsbehörde aus hygienischen Gründen verboten wurde. Daher musst du nun frei und aus eigenem Ermessen entscheiden, was dein Begehr sein soll.« Er lachte grausam: »Ich mach’s reizvoller. Nur für dich. Ich gebe dir einen Tag Bedenkzeit. Wenn du dich bis dahin nicht entscheiden konntest, werde ich dir deine Entscheidung abnehmen.« Dann verschwand er lautlos durch die Wand. Tali schaute auf die Uhr.

Noch zwölf Stunden, dachte sie. 

Auch Herkus war es ähnlich bei der Begegnung mit Amatus ergangen. Sobald er geimpft worden war, verfiel er in eine Inkubationszeit. Nach diesen zwölf Stunden war die Verwandlung in einen Vampir abgeschlossen. Auch Herkus war davon überzeugt, das Richtige getan zu haben und so wartete er entspannt diese Zeitspanne ab. Doch er kam mit seinen neu erworbenen Fähigkeiten nicht klar. Er begann sich zu hassen und suchte jede Möglichkeit, seine Vampirgestalt zurückzuverwandeln in Menschengestalt. Leider konnte das nur in den ersten zwölf Stunden nach der Injektion durch einen der Göttlichen erfolgen. Sie entscheiden noch heute nach einer tagelangen, rituellen Seelenwaschung über das zukünftige Schicksal ihrer Schutzbefohlenen; entweder Vampir zu bleiben oder die Rückverwandlung in einen Menschen zu vollziehen. Einer der Göttlichen gab ihm eine weitere Möglichkeit: eine 12-stündige Meditation, an deren Ende der Unglückliche einen Menschen töten müsse, ohne ihn zu beißen und ihm das Blut auszusaugen. Dabei müsse er im Sterbeprozess seines Opfers dessen Seele bergen. Solange diese Menschenseele bei ihm sei, könne der Zurückverwandelte nicht mehr infiziert und erneut vampirisiert werden. Dennoch kann er erkranken und alt werden, da er ja bewusst wieder in einen menschlichen Körper zurückgebannt wurde.

Herkus’ Odyssee begann. Er suchte die Psychologin auf, von der er sich Linderung versprach. In vielen Sitzungen kristallisierte sich sein Wunsch heraus, unbedingt wieder Mensch werden zu wollen. Ein Selbstmord kam für ihn nicht in Frage. Er inserierte in verschiedenen Zeitungen mit Chiffre sein Anliegen. Und tatsächlich meldete sich eines Tages eine junge Frau bei ihm.

Sie stellte sich als Meredith bei ihm vor. Sie trafen sich heimlich in einem alten Holzschuppen jenseits der Stadt.

»Warum wollen Sie sterben?«, begann Herkus und sah sein Gegenüber erwartungsvoll an. »Ich bin einsam. Seit Jahren sind wir Menschen gezwungen, isoliert zu leben, um die Seuche in Schach zu halten. Des Nachts sitze ich oft vor meinem Fenster und sehe die Vampire wie die Fliegen auf den Straßen sterben, da ihnen ihre besondere Nahrung verwehrt bleibt. Sie finden einfach keine Opfer mehr, werden auch nirgends mehr hereingebeten. Die Vampire verenden qualvoll. Ihre Schreie, ihr Stöhnen und Röcheln werde ich niemals vergessen.« 

Herkus erhob sich und ergriff ihre Hand. Sie erschrak: »Nein, nicht«, flüsterte sie und legte ihm zärtlich den Finger auf den Mund. »Nicht hier. Ich bin noch Jungfrau. Und ihr seid alle schändlich verdorben.«

Meredith stand auf, ging hinüber zu einer mit Holzscheiten aufgeschichteten Wand und drehte sich um, wobei ihre Augen ins Leere blickten. »Ihr Vampire seid wollüstig, wollt immer nur Sex. In der Literatur heißt es, dass ihr erst ausdrücklich aufgefordert, gebeten werden müsst, bevor ihr in ein Haus eindringt und dann tun und lasen könnt, wie es euch beliebt. Aber das ist nur die schöne Umschreibung für hemmungslosen Sex!«

Sie schritt auf Herkus zu, zog Unterrock und Unterhöschen herunter und kniete dicht vor ihm nieder. Sie nahm seine Hand und führte sie zwischen ihre Beine. »Steche und töte mich in höchster Glückseligkeit. Hier, nimm!«

Meredith reichte Herkus ein Messer. Dieser war völlig überfordert. Aber er konnte sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Sie war faszinierend, mehr noch, eine vornehme, junge Frau, eine kultivierte Großstädterin. Hübsch gekleidet, umwehte sie ein blumiger, sinnlich-holziger Duft, mit dem Herkus vielleicht sogar hätte leben wollen. Ihre ganze Erscheinung war es, die ihn betörte. Den ganzen Tag über hatte er schon ein begründetes sexuelles Verlangen, das sich, so fürchtete er, dieses Mal mit Onanieren nicht würde besänftigen lassen. Langsam öffnete sie ihren unschuldigen Mund und ließ ihre Zunge über Ober- und Unterlippe gleiten. Sie wusste, dass sie Herkus’ Blicke willenlos hinter sich hertreiben würde und sie genoss es sichtlich. Herkus schmiegte seinen Kopf von unten schräg an ihren Hals, sodass er in ihren Mund sehen konnte. Minzfrischer, heißer Atem strömte ihm entgegen.

Längst hatte sich der funkensprühende, pochende Herzschlag in seiner Hose zu einer muskulösen Faust geballt, als Meredith ihn sanft wegdrückte. »Sind wir so weit?«, meinte sie.

»Ja«, stöhnte Herkus und begann, seine Hose auszuziehen. Sie half ihm dabei und zog ihn schließlich ganz aus. Dann begann sie, seinen erigierten Penis zu kneten, während sie mit der anderen Hand das Messer gefährlich nah in ihre Brusthöhe hob. Sie nahm sein Glied und drückte es mit einem spitzen Aufschrei in ihre Vagina. Danach begann sie in kreisenden Bewegungen, die in fast besinnungslosen Taumel endeten, seinen Orgasmus zu feiern. Wie in Trance sah Herkus einige Blutstropfen über sein Glied lautlos zu Boden gleiten, die wie Tränen und Schweiß das ächzende Holz des Stuhls hinabrannen, um sich auf dem Boden zu einem größeren Ganzen zu vereinen.

Meredith keuchte: »Das ist mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung eurer Sünden. Tut dies zu meinem Gedächtnis.«

Mit einem finalen »Amen« schrien beide fast gleichzeitig auf, bevor ihre Körper erschlafften und endlich Ruhe eintrat, die in ein leises, synchrones Atmen überging. Als Herkus wieder zu sich kam, lag Meredith in einer dunklen Blutlache vor ihm. Das Messer steckte in ihrer Kehle. Panik ergriff ihn. Nur weg von hier. Der leere Seelenkäfig fiel krachend zu Boden. Herkus hatte den Sterbeprozess seines Opfers verpasst und damit war sein Vorhaben null und nichtig geworden. Was also hielt ihn jetzt noch hier, zumal er die vampirische Polizei fürchtete? Doch was war das? Die vermeintlich Tote stand, grausam verwandelt, plötzlich vor ihm! Böse, funkelnde Augen blitzten ihn an. 

Es war Dr. Amatus!

Sein höhnisches Lachen dröhnte in seinen Ohren. Mit zwei gewaltigen Faustschlägen streckte er Herkus nieder, verwandelte ihn in die reißende Bestie, die er in einen Käfig sperrte, und brachte ihn in sein Labor. Alle, die ihm begegneten, machten ehrfurchtsvoll Platz und ließen ihn gewähren. Dort fristete Herkus so lange, bis wir ihn endlich befreien konnten.

 

 

 

3. Kapitel

 

 

Dr. Amatus’ Blutbar lag im Halbdunkel eines schwächer werdenden Waldes auf einer Lichtung. Nur wenigen Vampiren war es vergönnt gewesen, den Ort ihrer vorübergehenden Rettung jemals gesehen zu haben. Amatus gab seine Adresse nur an ausgewählte Stammesfürsten weiter, von denen er sich Macht und Erfolg versprach. Umherziehende Untote, die eher zufällig das Domizil ausfindig gemacht hatten, streckte er entweder mit einem Giftpfeil, den er aus einem Blasrohr abfeuerte, nieder, was ihm großen Spaß bereitete, oder, sofern er außer Haus war, was des Öfteren vorkam, automatisch aus dem Boden herausschießende Holzspeere durchbohrten die Armen. Amatus war zu einem der am meisten gefürchteten, verehrtesten, aber auch verhasstesten Männer geworden. Doch seine Wandelbarkeit hatte ihn immer wieder vor dem sicheren Tod gerettet.

Früher schleppten sich schon kurz nach Sonnenuntergang zahlreiche Vampire bis an den Stacheldraht seines Gebäudes. Sie waren mit letzter Kraft dorthin gelangt und hofften nun, dass man ihren Durst stillen würde. Ganz gezielt hatte Amatus die Vorkommen zur Neige gehen lassen und nicht wieder aufgefüllt. So wurde das wenige, nicht vom tödlichen Virus verseuchte Blut noch kostbarer und entfachte einen unerbittlichen Kampf unter den vom Tode Gezeichneten. Von Amatus’ Labor, in dem künstliches Blut hergestellt wurde, erfuhren sie nichts.

Nun waren Febra, Marvolo, Herkus und ich aufgebrochen und konnten die Hölle verlassen. Natürlich war dies auch Amatus nicht verborgen geblieben. Er jagte uns. Wir mussten auf der Hut sein. Schon ein falsches Wort oder eine zufällige Begegnung konnten unseren Tod bedeuten. Und Amatus war teuflisch. Er setzte Energievampire auf uns an bzw. auf jeden, der ihm gefährlich werden konnte. Diese Energievampire sahen völlig unscheinbar aus: Sie konnten sich in jedes Baby, jedes Kind, jeden Mann oder jede Frau, gleichwelchen Alters, verwandeln.

Betorius war der Höchste und Mächtigste aller Energievampire. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, vor allem die wenigen, noch verbliebenen Göttlichen zur Strecke zu bringen.

---ENDE DER LESEPROBE---