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In 'Empörung & Andacht, Ewigkeit' von Max Herrmann-Neisse taucht der Leser in eine Welt voller Gegensätze ein. Das Buch vereint Geschichten von Empörung und Andacht, die die Ewigkeit zu berühren scheinen. Herrmann-Neisse zeigt in seinem Werk eine Vielfalt von Gefühlen und Gedanken, die den Leser zum Nachdenken anregen. Sein literarischer Stil ist geprägt von einer intensiven Sprache und tiefgründigen Metaphern, die die Leser in ihren Bann ziehen. Dieses Werk lässt sich in den literarischen Kontext der Expressionismus-Bewegung einordnen, in der Herrmann-Neisse als bedeutender Autor gilt. Er verwebt gekonnt Realität und Lyrik, um ein einzigartiges Leseerlebnis zu schaffen.
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Die Mutter schilt mich ohne Grund — ich wehre mich — wir zanken —
wie kannst du wissen, was ich heimlich für und für gelitten
und immer wieder durchgelitten hab’ . . . ich möchte um Verzeihung bitten
für jeden Schlag, den du mir gabst, und dir für jede Härte danken!
Weißt du denn, wie das ist, wenn in einsamer Nacht
ich wach sein muß und irgendein Tier vor mir flieht,
wenn man im Spiegel sich selbst wie entzaubert sieht
in roher Nacktheit, maskenlos ungeschlacht?
Ich möchte dir so gern, so gern! stets etwas Schönes schenken,
und hab’ doch immer Angst vor deinem hilflos herben Staunen:
Du hieltest es erbittert, oh! für eine von meinen erbarmungslosen Launen
und weintest heimlich — aber ich muß „Martyrblume! Schwester!“ denken . . .
Und — Gott ist krumm! — ich muß dich immer wieder kränken!
Mein Leben ist aus deinem Glück und Gram
ein Kreuz von süßem und von bittrem Holze;
Entbehrung noch, der Fleck auf meinem Stolze,
sei gut, weil sie aus deinem Kelche kam.
Der Gang im Schnee; in Büchern wie in kalten,
verlassnen Korridoren stumm zu stehn;
oder wenn um die Stirne die Gestalten
des eignen Schöpfersturms gespenstisch wehn:
holt sich von dir Bestätigung und Stimme
und weint und lacht sich reif an deiner Brust,
denn dein war alles, eh es mir bewußt
und wichtig ward: der Fluß, in dem ich schwimme,
umflüsterte dein Haar. Ich rann wie Sand
ganz weiß aus deiner spielgewölbten Hand,
und wie ich selber mich im Spiel versinne,
fließt Ernst und Lust in deine Hand zurück,
und alles wird, was immer ich beginne,
zu deinem Grame und zu deinem Glück.
(In ehrfürchtiger Zuneigung Else Lasker-Schüler gewidmet)
Mitternacht ladet zu Gast die Gelähmten,
hat für die Blinden Früchte und Wein;
die sich des Leids vor der Sonne schämten,
hüllt sie behutsam in Mondenschein.
Fiebernde kühlt die Milch ihrer Sterne,
Stotternde singen mit ihrem Wind,
aus dem Geröll der verfallnen Zisterne
hebt die Verlorne ihr aussätzig Kind.
Bucklige, die sich mit Eifersucht grämten,
finden den Sesam, Götter zu sein —
Die sich des Leids vor der Sonne schämten,
gehn durch den Mond in den Himmel hinein.
Und der Taube, im Rauschen der Sterne,
lächelt, weil Hymnen im Herzen ihm sind.
Aus dem Geröll der verfallnen Zisterne
hebt die Verlorne ihr aussätzig Kind.
Daß aus den blutenden Wachtfeuer-Bächen
eine Hand seine Wunden berührt.
Stummgeborene glühn von Gesprächen,
in das Pathos der Wolken entführt.
Flüchtige Schwalbe die Hand des Gelähmten,
Blick des Blinden im spiegelnden Wein:
die sich des Leids vor der Sonne schämten,
gehn durch den Mond in den Himmel hinein.
Bettler, wo kehrtest du ein, mit dem ich einst sprach,
der seines Lebens Pein wie Brot mit mir brach?
Deine Stimme fiel hart, wund, wie ein Stein ins Gras,
ich fühlte mich schuldig und schenkte dir was.
Du logst mich an, aber dein Blick bat: Ich kann ja nicht anders, verzeih!
Und dein ins Joch gezwängtes Rückgrat sprach dich von allem frei.
Dann schrittest du weiter, das Haupt verklärt von Weh und Hohn;
über dir sangen die Vögel im Laub: Das ist mein lieber Sohn!
Manchmal bange mit trostlosen Träumen allein
ruf ich dich lange: Bettler du, liebe Lüge, wo kehrtest du ein?