Endstation große Liebe? - Amy Andrews - E-Book

Endstation große Liebe? E-Book

Amy Andrews

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Beschreibung

Eine sinnliche Nacht mit einem Fremden? Felicity hat die Luxus-Bahnreise auf der legendären Indian-Pacific-Route doch nur gebucht, um sich einen lang gehegten Traum zu erfüllen – und nicht um verboten heiße Stunden der Lust zu erleben. Als sie viel zu schnell Adelaide erreichen, erwartet Felicity eigentlich nur einen kurzen Abschied – und die Rückkehr in ihr unaufgeregtes Kleinstadtleben. Stattdessen steht ein Empfangskomitee am Bahnhof bereit und begrüßt den neuen Vertretungsarzt: Dr. Callum Hollingsworth – der Fremde aus dem Zug und ihr neuer Boss!

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Seitenzahl: 207

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IMPRESSUM

JULIA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2016 by Amy Andrews Originaltitel: „Swept Away by the Seductive Stranger“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MEDICAL ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA, Band 262022 12/2022 Übersetzung: Natasha Klug

Abbildungen: angel_nt / Getty Images, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 12/2022 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751510189

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

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1. KAPITEL

Callum Hollingsworth hätte schon blind sein müssen, um die sexy Blondine nicht zu bemerken. Dank der ausgezeichneten medizinischen Versorgung, die ihm vor mehr als zwei Jahren zuteilgeworden war, und der Tatsache, dass sie sich rechts von ihm befand, war dies nicht der Fall.

Obwohl es ihr Lachen war, das ihm zuerst auffiel.

Sie telefonierte, und auch wenn sie leise sprach, war ihr gelegentliches Lachen doch im ganzen Café zu hören. Es klang so … unbeschwert. So sorglos, dass er nicht anders konnte, als sie anzustarren.

In Callums eigenem Leben hatte es in letzter Zeit nicht besonders viel zu lachen gegeben, und er spürte einen scharfen Stich, während er sie durch die dunklen Gläser seiner Sonnenbrille betrachtete.

Lockiges honigblondes Haar, das ihr über die Schultern fiel. Sonnengebräunte Haut und wohlgeformte Beine in Jeans, gepaart mit kniehohen Stiefeln, die ihr ein Flair von „Mädchen vom Lande“ verliehen.

Sie trug kein Make-up und keinen Schmuck. Überhaupt schien es nichts Aufdringliches oder Protziges an ihr zu geben. Dennoch strahlte sie in dem kleinen, altmodischen Café im Hauptbahnhof von Sydney heller als jeder Stern.

Vielleicht war es ihr Lachen, das ihn so fesselte. Möglicherweise aber auch die Jeans-und-Stiefel-Kombi. Vielleicht war es die Tatsache, dass sie so vollkommen ungekünstelt wirkte. Was immer es auch sein mochte, er war dankbar für die Ablenkung, während er auf die Ankunft seines Zugs wartete.

Er stand nämlich im Begriff, eine der großartigsten Zugreisen der Welt anzutreten. Er würde Sydney hinter sich lassen, ebenso wie die Vergangenheit und den Scherbenhaufen, der von seiner so vielversprechenden Karriere übrig geblieben war.

Er konnte die Zeit zurückdrehen, sich selbst neu erfinden. Und dann würde er zurückkehren und es ihnen allen zeigen.

Je früher er akzeptierte, dass sein altes Leben vorüber war, desto eher konnte er damit anfangen, sich ein neues aufzubauen.

Dies war seine Chance, noch einmal von vorn anzufangen. Wieder glücklich zu werden. Was konnte da besser helfen als vierzehnhundert Kilometer Abstand?

„Die Fahrgäste für den Indian Pacific – Ihr Zug ist auf Gleis zehn eingetroffen und in Kürze zur Abfahrt bereit.“

Callum schnappte sich seinen Rucksack, als er die Durchsage hörte. Die Frau am Telefon schlug die Beine übereinander und sprach einfach weiter. Er wunderte sich selbst über den Anflug von Enttäuschung, den er empfand. Sie warteten offensichtlich nicht auf denselben Zug, und somit lösten sich auch all seine James-Bond-Fantasien von einer glamourösen Nacht mit einer unbekannten Schönen im Zug in Wohlgefallen auf.

Energisch schüttelte er den Gedanken ab und machte sich auf den Weg zu seinem Gleis.

Als Felicity Mitchell den luxuriösen Waggon betrat, war sie sofort vollkommen begeistert. Ein Mann in perfekt sitzender Uniform, der sich ihr als Donald, ihr persönlicher Zugbegleiter, vorgestellt hatte, führte sie zu ihrem Abteil. Sie kam an verschiedenen geöffneten Türen vorbei und lächelte den anderen Fahrgästen zu.

Ein Doppelabteil in der Platinklasse des Indian Pacific zu buchen war absolut extravagant. Sie hätte die Strecke von Sydney nach Adelaide auch auf einem Sitzplatz oder aber in der Goldklasse zurücklegen können und damit eine Menge Geld gespart. Doch es war schon immer ein Traum von ihr gewesen, auf dem Doppelbett zu liegen und durch das Fenster ihres Abteils die Welt an sich vorüberziehen zu sehen. Sie hatte den letzten Rest ihrer Erbschaft dafür ausgegeben, aber sie wusste, dass ihr Großvater – wo immer er jetzt auch sein mochte – stolz auf sie wäre.

Sie kamen an einem weiteren Abteil vorbei, bevor Donald stehen blieb und eine Tür für sie öffnete. „Da wären wir“, verkündete er und deutete eine Verbeugung an.

Felicity betrat das mit Holz ausgekleidete Abteil, das von einem großen Panoramafenster dominiert wurde. Ein Teller mit Käse und Kanapees stand auf dem niedrigen Tisch vor der Sitzecke, die zum Doppelbett umgewandelt werden konnte. Außerdem gab es noch einen schmalen Schrank, in dem ihre Taschen bereits verstaut worden waren.

„Das hier ist Ihr Badezimmer“, erklärte Donald und öffnete eine Tür gegenüber der Sitzecke, hinter der sich die Toilette und die Dusche verbargen. Dann zeigte er Felicity noch den Rest ihres Abteils, bevor er sie fragte, ob sie vielleicht ein Glas Wein oder Champagner wollte.

Ob ich will? Aber absolut!

„Vielen Dank, Donald. Ich hätte sehr gern ein Glas Champagner.“

Er lächelte. „Ein Glas Blubberwasser – kommt sofort.“

Felicity wartete, bis er gegangen war, bevor sie einen kleinen Freudentanz aufführte und sich dann mit einem glücklichen Seufzen auf die Sitzecke fallen ließ. Draußen auf dem Bahnsteig eilten Arbeiter hin und her und bereiteten den Zug auf die Abfahrt in wenigen Minuten vor. Sie konnte nicht glauben, dass sie tatsächlich die Reise ihres Lebens antreten würde.

Donald war im Nu wieder zurück und reichte ihr einen Champagnerkelch. „Sie bleiben nur bis Adelaide bei uns, richtig?“, fragte er.

„Ja, das stimmt, obwohl ich gern die ganze Strecke bis Perth mitreisen würde. Na ja, vielleicht irgendwann einmal …“

Der Indian Pacific wurde so genannt, weil er die gesamte Breite Australiens vom Indischen bis zum Pazifischen Ozean durchquerte. Die Fahrt von Sydney nach Perth nahm drei Tage in Anspruch. Felicitys Reiseabschnitt dauerte nur vierundzwanzig Stunden.

„Ich bin sicher, dass Sie es trotzdem genießen werden.“

„Oh, allerdings“, stimmte Felicity zu. „Daran hege ich nicht den geringsten Zweifel. Ich träume schon mein halbes Leben von dieser Reise.“

Ein Rucken ging durch den Zug. „Und auf geht’s“, sagte Donald.

Felicity blickte zum Fenster hinaus. Das Bahngleis schien sich zu bewegen, als der Zug langsam, aber sicher Fahrt aufnahm.

„Melden Sie sich bei mir, wenn Sie noch etwas brauchen. Das Dinner wird um sieben serviert.“

Felicity nickte, wandte sich wieder dem Fenster zu und seufzte zufrieden.

Eine halbe Stunde später verließ Felicity ihr Abteil. Sie hatte lange genug zum Fenster hinausgestarrt und zugesehen, wie die Stadt langsam in die Vororte und dann in das weite Land rund um die Blue Mountains überging. Jetzt war es an der Zeit, ihre Mitreisenden kennenzulernen.

Die Tür der Nachbarsuite war noch immer fest verschlossen. Vielleicht war deren Bewohner ja auch noch gar nicht zugestiegen. Es war ein bisschen enttäuschend, aber sie wusste ja, wo sie sich unter ihre Mitreisenden mischen konnte: in der Lounge.

Und tatsächlich ... als sie die Lounge betrat, wandten sich ihr gut ein Dutzend lächelnde Gesichter zu. Sie ging an die Bar und bestellte bei einem Mann namens Travis ein Glas Champagner. Es wurde ihr sogleich eingeschenkt, und sie trat damit zu den halbrunden Couchen, auf denen sich alle niedergelassen hatten.

„Hi“, sagte sie.

„Setzen Sie sich doch zu uns, Liebes“, sagte ein älterer Mann mit schottischem Akzent. Die Frau neben ihm rutschte ein Stück, um für Felicity Platz zu machen. „Sie verzeihen mir hoffentlich die Bemerkung, aber Sie scheinen nicht ganz in der Altersklasse von uns anderen zu sein.“

Felicity lachte. „Ich habe eine alte Seele.“

Tatsächlich waren alle anderen Anwesenden in den Sechzigern. Mit ihren achtundzwanzig Jahren war sie weniger als halb so alt. Offensichtlich war eine Reise in einem Luxuszug eher nichts für hippe junge Leute. Aber das war okay. Sie war nie besonders hip oder cool gewesen. Sie war eine Kleinstadt-Krankenschwester, die ältere Menschen wirklich sehr gernhatte.

„Was machen Sie so?“, fragte eine ältere Dame mit hellgrauem Haar.

Kurz spielte Felicity mit dem Gedanken, wahrheitsgemäß zu antworten, hielt sich aber zurück. Wenn bekannt wurde, dass sie Krankenschwester war, würde sie entweder wegen allen möglichen und unmöglichen gesundheitlichen Problemen um Rat gebeten, oder die Mitreisenden würden ihr die Hand tätscheln und ihr immer wieder sagen, was für ein Engel sie doch sei.

Wenn sie Pech hatte, würde sogar beides geschehen.

Sie mochte zwar Krankenschwester sein, aber sie war keine Heilige und ganz sicher kein Engel. Und auf dieser Zugreise wollte sie nicht die Krankenschwester sein, das einfache Mädchen von nebenan. Sie wollte so kultiviert und glamourös sein wie ihre Umgebung. Sie wollte sich fürs Abendessen schick anziehen und einen Martini trinken, während sie eine Unterhaltung mit wildfremden Menschen führte.

Und das Dasein einer Krankenschwester war alles, aber ganz sicher nicht glamourös.

„Ich bin nur eine städtische Angestellte“, antwortete sie daher stattdessen abwinkend. Nicht, dass das ein besonders glamouröser Job war. Doch es war einer dieser Berufe, der nicht genug Interesse weckte, um Nachfragen zu provozieren. Niemand begriff doch wirklich, was städtische Angestellte den lieben langen Tag so taten. Und man fragte sie auch gewiss nicht nach ihrem Job.

Oder erzählte ihnen seine Krankengeschichte.

„Und was machen Sie?“, fragte Felicity und entspannte sich wieder ein wenig, als Judy anfing, von ihrem Job zu erzählen, in dem sie vierzig Jahre lang gearbeitet hatte, und bald auch die anderen ihre eigenen Erfahrungen beisteuerten. Dann schwenkte das Thema zur wirtschaftlichen Lage und schließlich zu Urlaubsreisen.

Felicity schwebte im siebten Himmel.

Sie befand sich in einem luxuriösen Zug, umgeben von amüsanten und faszinierenden Menschen, und durch die großen Waggonfenster konnte man die schroffe Schönheit der Blue Mountains vorüberziehen sehen.

Für die kommenden vierundzwanzig Stunden, das nahm Felicity sich fest vor, würde sie ein völlig anderer Mensch sein.

Morgen Nachmittag wäre sie wieder zu Hause, wo alle ihren Namen kannten, sie auf der Straße angesprochen wurde, wenn jemand einen Rat wegen irgendeines Wehwehchens brauchte. Wo alle sie „Flick“ nannten, die Männer sie als „Kumpel“ bezeichneten und ältere Damen sie mit großem Enthusiasmus zu verkuppeln versuchten.

Hier und heute aber kannte sie niemand, und das würde sie genießen, solange sie konnte.

Das Erste, was Callum auffiel, als er um Punkt sieben den Speisewagen betrat, war die sexy Blondine aus dem Café. Er blinzelte verblüfft, doch als sie über etwas lachte, was einer ihrer Gesprächspartner sagte, fing sein Herz an, wie wild zu hämmern.

Sie war es tatsächlich.

Hätte er gewusst, dass sie sich ebenfalls in der Platinklasse befand, hätte er die letzten Stunden nicht damit verschwendet, die Unterlagen zu studieren, die sein neuer Boss ihm geschickt hatte und die er unbedingt lesen sollte, bevor er seine Stelle antrat.

„Wünschen Sie, dass ich Ihnen zum Dinner Gesellschaft organisiere, Sir?“, fragte Donald.

„Nein“, entgegnete Callum und schüttelte den Kopf. „Das erledige ich schon selbst.“

Er ließ seinen Blick über die wunderschön dekorierten Tische – jeweils für vier Personen eingedeckt – schweifen. Überall waren noch Plätze frei, doch er interessierte sich nur für den Tisch, an dem sie saß.

„Eine gute Wahl, Sir“, bemerkte Donald, der die Richtung, in die Callums Blick gewandert war, bemerkt hatte, schmunzelnd.

Callum trat zu dem Stuhl direkt neben der Blondine. „Entschuldigung“, wandte er sich an sie, und die Unterhaltung verstummte, als alle ihn ansahen. „Ist dieser Platz schon besetzt?“

Sie wirkte überrascht. Ihre Augen waren rauchgrau und von dunklen Wimpern umrahmt. Sie starrte ihn an, und er starrte zurück. Ihm gefiel, dass sie von ihrer Reaktion auf ihn ebenso verblüfft zu sein schien, wie es umgekehrt der Fall war.

Sie trug inzwischen ein verführerisches schwarzes Kleid, das ihren Hals und ihr Dekolleté betonte. Ein zartes Pink, wie das von Ballettschuhen, zierte ihre Lippen. Ihr honigfarbenes Haar wirkte welliger – oder war es nur das Licht?

Der ältere Mann, der ihr gegenübersaß, begrüßte ihn herzlich. „Setzen Sie sich doch, junger Freund. Bewahren Sie dieses hübsche junge Ding davor, in der Gesellschaft von uns alten Leuten zu versauern.“

Callum brauchte keine zweite Einladung. Er war niemand, der an Liebe auf den ersten Blick glaubte, aber dafür glaubte er definitiv an Lust auf den ersten Blick. Er mochte zwar etwas eingerostet sein, doch er erkannte sexuelles Interesse, wenn er es sah.

Auf jeden Fall konnte er in ihrem Blick keinen Funken Mitleid erkennen, so wie es in den letzten Jahren bei den meisten Frauen gewesen war.

Kein Mitleids-Sex mehr für ihn.

„Ich bin Jock, das hier ist meine Frau Thelma und die Schönheit neben Ihnen heißt Felicity.“

Callum schüttelte zuerst Thelma, dann Jock die Hand, bevor er nach „Blondies“ griff.

Felicity.

„Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen“, murmelte er, fing dabei ihren Blick auf und spürte, wie die Luft zwischen ihnen zu knistern begann.

„Sie waren in dem Café“, bemerkte sie nach kurzem Zögern und entzog ihm ihre Hand.

Er ließ es nur ungern geschehen. „Ja“, sagte er und verspürte einen Anflug von männlichem Stolz. Sie erinnerte sich an ihn. Hatte ihn offenbar ebenfalls bemerkt, so wie er sie bemerkt hatte.

„Ich wusste nicht, dass wir im selben Waggon sind.“

„Ich hatte noch zu arbeiten.“ Callum verzog das Gesicht. „Deshalb habe ich mich für eine Weile zurückgezogen. Ich bin in Nummer acht.“

„Hey, Sie sind doch in der neun, oder?“, wandte sich Jock an Felicity. „Dann seid ihr Kinder ja Nachbarn!“

Callum lächelte sie an, während er ein stummes Dankgebet zum Himmel sandte. Es schien für ihn tatsächlich aufwärtszugehen. Und als sie sein Lächeln erwiderte, flatterte etwas in seinem Bauch. Seine Libido war nach dem Unfall arg in Mitleidenschaft gezogen worden, und es war eine Erleichterung, dass sie sich wieder zu regen begann.

„Und? Was machen Sie so?“, fragte Jock.

Callum zwang sich, den Blick von Felicity zu lösen und ihn auf das Paar ihm gegenüber zu richten. Leicht fiel es ihm nicht, und er beschloss, später sein Möglichstes zu tun, um sie ganz und gar mit Beschlag zu belegen. Vielleicht landeten sie am Ende nicht miteinander im Bett, aber es würde nicht an einem Mangel an Enthusiasmus von seiner Seite scheitern.

„Ich bin technischer Redakteur“, erwiderte er.

Die Lüge kam ihm leichter über die Lippen als die Wahrheit. Nach seiner rasanten Karriere in der Gefäßchirurgie war der Gedanke, dass er jetzt einfacher Allgemeinmediziner war, noch immer gewöhnungsbedürftig. Zudem brauchte er sich nur im Speisewagen umzuschauen, um zu wissen, dass eine Flut von medizinischen Fragen über ihn hereinbrechen würde, wenn er sich offenbarte.

Heute Abend wollte er alles sein, nur kein Arzt. Er wollte die Enttäuschung über das Ende seiner Karriere vergessen und nur ein ganz normaler Durchschnittstyp sein. Er wollte einfach nur ein Mann sein, der mit einer attraktiven Frau flirtete und damit vielleicht erfolgreich sein würde.

„Oh?“ Thelma legte das Brötchen, das sie gerade mit Butter bestrichen hatte, auf den Teller zurück. „Und was macht man da genau?“

„Langweilige Artikel und Handbücher verfassen“, erklärte er abschätzig. „Nichts Aufregendes. Was ist mit Ihnen, Thelma? Sind Sie noch berufstätig?“

Es war eine gute Ablenkung, und Thelma ging auch darauf ein. Drei hervorragende Gänge später musste Callum sich eingestehen, dass er in gesellschaftlichen Dingen ziemlich eingerostet war. Felicity hingegen war eine großartige Unterhalterin, und er spürte, wie er sich im Laufe des Abends immer mehr entspannte und hin und wieder sogar ein Lachen nicht unterdrücken konnte.

Nach wie vor war er sich ihrer Nähe überdeutlich bewusst, doch das Verlangen, mit ihr allein zu sein, war nicht mehr so überwältigend.

Ebenso wie er schien auch sie zu zögern, viel von sich selbst preiszugeben. Immer wieder sorgte sie dafür, dass das Thema auf Thelma, Jock oder auf ihn selbst zurückgelenkt wurde.

Die Zeit verflog rasend schnell, während Felicity sie alle um den Finger wickelte. Es war schwer vorstellbar, dass zwei Stunden vergangen waren, in denen er nicht ein einziges Mal an den Unfall und seine Konsequenzen für sein Leben gedacht hatte. Das war in den vergangenen zweieinhalb Jahren niemandem vor ihr gelungen.

Die Erinnerungen verfolgten ihn, wenn er zu Bett ging, wenn er am Morgen aufwachte, und sie beherrschten seine Gedanken auch sonst weit mehr, als gut für ihn sein konnte.

Und jetzt, mit einem Mal, fühlte er sich beinahe unbeschwert.

„Einige von uns treffen sich nach dem Essen noch auf ein paar Drinks in der Lounge“, erklärte Jock, als er seine Serviette auf dem Tisch ablegte. „Sie leisten uns doch hoffentlich Gesellschaft?“

„Natürlich“, entgegnete Felicity sofort, ehe sie sich mit einem strahlenden Lächeln an ihn wandte. „Haben Sie Lust? Oder müssen Sie noch weiterarbeiten?“

Callum wollte nichts mehr, als sie auf einen etwas privateren Absacker in sein Abteil einzuladen, und als ihre Blicke sich begegneten, hatte er das Gefühl, dass sie seine Gedanken lesen konnte. Sie wirkte interessiert und zögernd zugleich, und Callum wollte sie nicht drängen oder sie irgendwie in Verlegenheit bringen. Doch er konnte in ihren ausdrucksvollen grauen Augen deutlich lesen, dass sie hoffte, er würde sich nicht allein in seine Kabine zurückziehen.

„Ich bin dabei“, sagte er und fand sich damit ab, dass er sie noch eine Weile mit den anderen würde teilen müssen. Wenn er das, was sich zwischen ihnen anbahnte, nicht riskieren wollte, musste er es langsam angehen.

Felicity fiel es schwer, sich auf irgendetwas anderes als diesen gefährlich gut aussehenden Mann zu konzentrieren, der neben ihr saß. Es war lange her, dass sie sich der Gegenwart eines Mannes so bewusst gewesen war. Jedes Mal, wenn er sprach oder lachte, durchzuckte es sie wie ein Blitz.

Sie hatte das Gefühl, dass sie hier nur ihre Zeit absaßen, während sie auf das Unvermeidliche warteten, was immer das auch sein mochte. Und sie verspürte eine berauschende Mischung aus Erregung und Furcht.

Es fiel ihr schwerer als erwartet, den ganzen Abend über ein anderer Mensch zu sein, doch zugleich hatte sie sich noch nie zuvor so lebendig gefühlt.

So elektrisiert.

Noch nicht einmal mit Ned.

Sicher, er war die Liebe ihres Lebens gewesen, und von ihm verlassen zu werden, hatte ihr den Boden unter den Füßen weggezogen. Doch ihre Liebe war aus Freundschaft erwachsen, langsam und stetig.

Das hier war etwas vollkommen anderes.

Wollte sie sich wirklich darauf einlassen? Einen Fremden im Zug aufreißen – oder sich von ihm aufreißen lassen? Ihre Erfahrung mochte begrenzt sein, aber sie war ziemlich sicher, dass es genau darauf hinauslief.

Als sie das Zugticket gekauft hatte, war das Zusammentreffen mit einem attraktiven Unbekannten kein Bestandteil ihres Plans gewesen. Doch hier war sie nun, und vor ihr lag eine Nacht unendlicher Möglichkeiten.

Nach und nach zogen sich all ihre Begleiter zurück, und schließlich erhoben sich auch Jock und Thelma, und Jock verkündete: „Es ist schon weit nach unserer üblichen Schlafenszeit, meine Lieben. Wir verabschieden uns ins Bett.“

Felicity lächelte und wünschte ihnen eine gute Nacht, spürte, dass Callums Blicke auf ihr ruhten, als sie beobachtete, wie das ältere Ehepaar die Lounge verließ.

Und dann waren es nur noch zwei …

„Wow“, murmelte er und betrachtete sie dabei langsam von oben bis unten. „Ich fürchtete schon, sie würden nie gehen.“

Felicity spürte, wie sie errötete, musste sich aber eingestehen, dass sie dasselbe gedacht hatte.

Er nickte zu ihrem Martiniglas. „Noch einen Drink?“

Sie zögerte. Das war er, der Moment, in dem sie sich entscheiden musste, ob sie die kultivierte Frau im Zug oder das Mädchen von nebenan sein wollte.

„Es ist erst elf“, sagte er. „Ich verspreche Ihnen auch, dass Sie rechtzeitig vor der Geisterstunde im Bett sind.“

Oh Gott, oh Gott, oh Gott!

Dieser Mann konnte definitiv flirten. „Okay … ja, warum nicht.“

Er grinste. „Gute Antwort.“

Felicitys Mundwinkel zuckten. „Es war ja auch eine gute Frage.“

Sie gab nicht einmal vor, ihn nicht anzustarren, als er zur Bar hinüberging. Sie hatte ihn bereits im Café bemerkt. Doch er hatte so grüblerisch und verschlossen gewirkt, dass sie gar nicht erst versucht hatte, auf ihn zuzugehen. Heute Abend aber war er der perfekte Sitznachbar gewesen. Sicher, er wirkte noch immer ein wenig verschlossen und ernsthaft, war aber witzig und charmant gewesen, und auch wirklich toll mit den alten Leuten. Und, großer Gott, die Art und Weise, wie er sie angesehen hatte, war definitiv flirtend.

Und jetzt …

Verdammt, sogar seine Haltung, wie er an der Bar lehnte, war sexy. Seine teuer aussehende anthrazitfarbene Hose betonte seinen wohlgeformten Hintern und die muskulösen Schenkel.

Hitze durchflutete Felicity.

Er hatte beim Dinner ein Jackett angehabt, es danach aber abgelegt und trug ein langärmeliges Hemd in einem dunklen Lilaton. Die obersten beiden Knöpfe waren geöffnet, und vor etwa einer Stunde hatte er auch die Ärmel hochgerollt.

Als er sich zu ihr umwandte und ihr ein Lächeln schenkte, atmete Felicity scharf ein. Der Mann war einfach umwerfend, wenn er lächelte. Es brachte seine grünen Augen zum Funkeln und ließ ihn noch attraktiver wirken, als er ohnehin schon war.

Und attraktiv war er wirklich – mit seinen hohen Wangenknochen und dem dunklen Bartschatten, der sein markantes Kinn bedeckte. Das sandbraune Haar trug er an den Seiten etwas kürzer geschnitten als auf dem Kopf, und sie verspürte den heftigen Drang, mit den Fingern hindurchzufahren.

Er lachte auf, als Travis ihm ihre Drinks reichte, und sagte etwas, das sie nicht verstehen konnte. Doch was sie hörte, gefiel ihr. Und sein Lachen ließ ihre Knie weich werden.

Als er zurückkehrte, stellte er das Glas vor ihr ab und setzte sich ihr gegenüber, mit dem niedrigen Tisch zwischen ihnen. Sie konnte sich nicht entscheiden, ob sie erleichtert oder enttäuscht darüber war.

Keines von beidem, beschloss sie, als sie aufblickte und fast ihr gesamtes Gesichtsfeld von ihm ausgefüllt wurde.

„Auf Fremde im Zug“, sagte er und hob, noch immer lächelnd, sein Whiskyglas.

Sie stieß mit ihm an. „Darauf trinke ich.“

2. KAPITEL

Felicity war sich seines Blicks, der auf ihren Lippen ruhte, überdeutlich bewusst. So sehr, dass sie dankbar für den eiskalten Martini war, den sie am liebsten mit einem Zug hinuntergestürzt hätte.

„Also, was macht so ein ‚junger Hüpfer‘“, er sagte die letzten Worte in Jocks typischem Tonfall, und Felicity lächelte, „wie Sie in einem Zug zusammen mit einem Haufen Rentner? Sicher finden sich eine Menge Leute in Ihrem Alter weiter hinten auf den billigen Plätzen, es sei denn … Sind Sie eine reiche Erbin oder so etwas?“

„Nein.“ Felicity lachte. „Bin ich nicht. Und außerdem sehen Sie auch noch nicht aus, als hätten Sie das Rentenalter bereits erreicht. Wie alt sind Sie? Vielleicht fünfunddreißig?“

Sie hatte sich das schon den ganzen Abend über gefragt, und dies war eine gute Gelegenheit, eine Antwort zu bekommen.

„Fast“, erwiderte er. „Vierunddreißig. Und Sie?“

„Achtundzwanzig.“

„Ah …“ Er stieß ein völlig übertriebenes Seufzen aus. „Wie schön wäre es, noch einmal so jung und sorglos zu sein …“

Felicity lachte erneut. „Oh, nein“, neckte sie ihn. „Sie armer alter Mann.“

Er grinste, und etwas in ihrem Bauch flatterte heftig.

„Aber ernsthaft: warum dieser Zug?“, fragte er schließlich.

„Mein Großvater war durch und durch Eisenbahner. Fünfzig Jahre hat er als Fahrer gearbeitet und konnte nie genug von Zügen bekommen. Davon, über sie zu sprechen, sie zu fotografieren und in Miniatur nachzubauen. Er liebte einfach alles an ihnen, und als ich klein war, sind wir in den Schulferien immer zusammen in die Stadt gefahren, um ins Zugmuseum zu gehen.“

Er runzelte die Stirn. „Wurde das nicht irgendwann langweilig?“

Energisch schüttelte Felicity den Kopf. „Nein, er hat es immer spannend gestaltet. Fast immer ging es um irgendeine romantische Geschichte, und ich habe es geliebt.“

„‚Romantische Geschichten‘, soso.“ Er hob eine Braue, während er seinen Blick zu ihrem Mund wandern ließ. „Clever.“

In Felicitys Bauch flatterte es. „Das war er wirklich.“

Und angesichts des Verlaufs, den der Abend bisher genommen hatte, war er sogar ein verdammtes Genie gewesen.

Sie starrte in ihr Glas und strich mit dem Finger über den Stiel. „Er hat immerzu davon geredet, dass er eines Tages mit meiner Großmutter im Indian Pacific den Urlaub ihres Lebens verbringen wollte. Vergangenes Jahr ist er gestorben, ohne sich diesen Traum je erfüllt zu haben. Und da er mir ein bisschen Geld hinterlassen hat …“

Felicity blinzelte gegen die Tränen an, die ihr in die Augen stiegen.

„Hey“, er nahm ihre Hand in seine. „Sind Sie in Ordnung?“

„Ja, ich …“ Sie schüttelte den Kopf und kam sich wie eine Idiotin vor. „Tut mir leid, ich wollte nicht rührselig werden. Ich bin furchtbar sentimental. Ignorieren Sie mich einfach.“

„Also, ich kann daran nichts Falsches finden.“ Lächelnd zog er seine Hand zurück. „Es ist immer noch besser, als gefühlskalt und hart zu sein.“