Engel Ayahmah - Sandra Paixmont - E-Book

Engel Ayahmah E-Book

Sandra Paixmont

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Beschreibung

Wer glaubt, Engel führen ein im Himmel eingebettetes, friedliches Leben, der irrt sich. Ayahmah macht sich auf den Weg, um ihr Schwert zu taufen. Dies entpuppt sich als große Reise, bei der sie von einem Abenteuer ins nächste gerät, sowohl im Himmel, als auch auf der Erde und auf anderen Planeten. Selbst um ihr eigenes Leben muss Ayahmah bangen, als sie von einem Ungeheuer bedroht wird. Sie möchte fliehen, doch sie steht mitten auf dem Meer und kann sich nicht bewegen ...

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Seitenzahl: 579

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Sandra Paixmont

Engel Ayahmah

Und die Taufe des Schwerts

© 2021 Sandra Paixmont

Korrektorat, Illustration: Melanie Schörner

Lektorat: Alfred Winkler

Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

 

Paperback

ISBN 978-3-347-33688-9

Hardcover

ISBN 978-3-347-33689-6

e-Book

ISBN 978-3-347-33690-2

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhalt

Ayahmah fällt vom Himmel

Mit Jesus auf dem See

Abendessen beim lieben Gott

Hubert und Isolde

Die Sputzifingos bitten um Hilfe

Erzengel Michael

Akamaniju, der Unterirdische

Erzengel Raphael

Im Reich des Ungeheuers

Ein großes Feuer

Die Scambossas

Die Taufe des Engelsschwerts

Im Regenwald

Auf dem Reimplaneten

Hubert ist verschwunden!

Erzengel Gabriel

Der Kampf mit dem Ungeheuer

Ayahmah fällt vom Himmel

Ayahmah kann die Worte hinter sich noch hören: »Beuge dich nicht so weit hinunter! Beuge dich nicht so weit vor, du fällst hinunter! Halte dich zurück! Ayahmah, pass auf! Beuge dich nicht so weit vor!«

Doch da ist es schon zu spät, denn Ayahmah fällt bereits. Sie fällt und fällt, es wird dunkler und immer kälter. Die nassen Felsen berühren ihre Hand und streifen an ihr vorbei. Ayahmah fällt und fällt immer weiter. Während des Falls erblickt sie drei, die sie mitnehmen möchte. Ah, das wird mein Vater, das wird meine Mutter und das da wird mein Bruder. Ayahmahs Fall wird immer schneller, doch dann ganz plötzlich landet sie. Sie landet sanft in den Armen ihrer Engelstante Alexsandria, die sie auffängt, emporhebt und schnell zurück in den Himmel bringt.

»Ayahmah! Was machst du denn?«, schimpft Alexsandria entsetzt und aufgebracht los. »Du sollst dich doch nicht so weit vorbeugen, das habe ich dir doch schon so oft gesagt. Zum Glück hat der liebe Gott es gesehen, dass du dich zu weit über das Geländer gebeugt hast und hat mich sofort losgeschickt. Ich musste extra meine Achtfachflügel aktivieren, um schnell genug zu dir zu kommen! Frederico ist auch sehr enttäuscht von dir, dass du das gemacht hast – und du hast ihn nicht einmal mitgenommen!«

Ayahmah blickt sie verwundert an. »Wieso? Was ist? Was stört dich denn daran? Es ist doch nichts passiert. Ich wollte doch nur mal runterschauen – und was soll mir denn passieren? Mir kann doch nichts passieren? Mir ist noch nie etwas zugestoßen.«

Alexsandria atmet tief durch. »Ayahmah! Ich schaffe das nicht, das belastet mich emotional viel zu sehr! Ich bin schon wieder total aufgeregt. Aber ich bin auch froh, dass ich dich gerettet habe.«

»Gerettet?«, fragt Ayahmah. »Wovor hast du mich denn gerettet?« Ja gut, stimmt, ich bin gefallen und das war nicht sehr angenehm, überlegt Ayahmah, aber sie beißt sich auf die Zunge und sagt ihrer Engelstante nichts davon. Nichts davon, dass sie tatsächlich Angst hatte. Nein, nein, das behält sie ganz für sich. »Na gut, ich gehe jetzt zum lieben Gott!«, sagt sie stattdessen.

»Das kannst du machen Ayahmah, denn er hat dich gerettet, er hat dich behütet. Er hat auf dich aufgepasst, wie er so oft auf dich aufpasst. So, und ich gehe jetzt zu meinen Katzen. Es sind wieder viele Kätzchen angekommen, die ich nämlich immer von der Erde hole, wenn denn ihre Zeit gekommen ist. Ich warte dort mit den Kissen …«

»Was? Du gehst auf die Erde? Du gehst öfter auf die Erde? Ich denke, du gießt immer nur deine Blumen um vier Uhr, weil da im Himmel Blumengießzeit ist?«, fragt Ayahmah verwundert, dennoch interessiert – und auch etwas beleidigt, weil sie davon nichts wusste.

»Tja Ayahmah, auch ich habe meine Dienste und auch ich habe zu tun.«

»Das musst du mir jetzt aber mal erklären!«

»Also schau, ich habe hier diese Kissen, siehst du?«, antwortet Alexsandria, während sie verschiedene Kissen hervorkramt. »Diese Kissen lege ich dann an die Stelle, die vereinbart wurde, als die Kätzchen auf die Erde gegangen sind. Wenn die Zeit dann reif ist und sie wieder nach Hause zurückkehren, zu uns ins Himmelreich, dann lege ich die Kissen dort hin und die Kätzchen kommen und setzen sich darauf.«

»Ach! Dann gehst du jeden Tag auf die Erde?«

»Na ja, nicht jeden Tag, aber schon sehr oft und es sind auch manchmal sehr viele Kätzchen. Ich bin an unterschiedlichen Orten auf der Erde, wo ich sie abhole.«

»Und warum weiß ich davon nichts?«, fragt Ayahmah weiter.

»Weil du in die Schule musst, Ayahmah – und weil du es noch nicht wissen solltest.«

»Das finde ich aber schon sehr schade. Du sagst zu mir, man soll keine Geheimnisse haben. Im Himmel hat man ja auch keine Geheimnisse, weil dort das Denken und das Reden eins ist. Ich fühle das, was ich denke und ich brauche es nicht auszusprechen, weil das Herz spricht. Wieso aber habe ich es nicht bemerkt?«

»Wir haben uns redlich Mühe gegeben, Ayahmah. Wirklich sehr viel Mühe. Wir haben das schon immer so gemacht, dass du auch wirklich nichts mitbekommst und außerdem bist du ja auch gar nicht so oft bei mir. Also merkst du ja auch nicht alles.«

»Das stimmt«, stellt Ayahmah fest und macht sich ihre Gedanken: Stimmt, stimmt, stimmt. Ich habe mir tatsächlich nicht so sehr viele Gedanken über Alexandrias Leben gemacht. Für mich war das klar, dass sie um vier Uhr ihre Blumen gießt und ich habe gern ihre Gießkanne versteckt, um sie etwas zu ärgern, um sie etwas aus der Reserve zu locken. Für mich war auch klar, dass sie viel Zeit mit ihren Katzen verbringt und für sie Willkommenspartys organisiert und feiert. Das ist für mich Tante Alexsandrias Lebensablauf, aber es ist nicht meiner. Na gut, sagt sich Ayahmah, da werde ich natürlich nochmal nachhaken und da frage ich doch gleich mal den lieben Gott, ob ich mit Alexsandria auf die Erde darf.

Alexsandria ist längst schon wieder auf dem Weg in ihre Hütte, zu Ihren Kätzchen. Es bedeutet für sie immer sehr viel Aufregung, wenn sie die Kätzchen, die lange Zeit auf der Erde waren, wieder in den Himmel zurückholt. Obgleich die Zeit im Himmel gar nicht so lange ist, wie die Zeit auf der Erde. Jedenfalls muss Alexsandria da immer einiges organisieren und vorbereiten, damit die Kätzchen eine schöne Willkommensparty im Himmel bekommen. Jedes Kätzchen darf dann von seinem Leben auf der Erde erzählen, während die anderen zuhören. Das ist Alexsandria sehr wichtig und sie sorgt auch dafür, dass die Kätzchen dann wieder in ihre Gruppen im Himmel zusammenfinden. Ja, sie nimmt ihre Aufgabe sehr ernst.

Ayahmah macht sich auf den Weg zum lieben Gott, unterwegs begegnet sie Frederico, den sie freudig begrüßt:

»Ah, Frederico, hallo, wie schön, dass ich dich sehe.« Frederico ist Ayahmahs Kamilomanenfreund, ihr allerbester Freund.

Kamilomanen sind wunderhübsche Tiere, so empfindet es Ayahmah. Sie haben riesengroße, süße, Kulleraugen, dazu eine winzig kleine Knubbelnase, kleine Ohren, eine lange Schnauze und vier Beine. Und sie haben einen Schwanz in der Mitte ihres Rückens; das ist sehr interessant, denn damit lenken sie, wenn sie fliegen. Kamilomanen gibt es in vielen verschiedene Farben, Frederico zum Beispiel ist rot. Die Kamilomanen sprechen nicht für jeden hörbar, aber Ayahmah hört sie trotzdem, denn sie hat die Gabe, mit ihrem Herzen zu hören. Das was die Kamilomanen denken, das nimmt Ayahmah wahr und das ist auch der Grund, weshalb Ayahmah sich so gut mit Frederico versteht. Kamilomanen sind sehr aufmerksame Tiere. Sie wohnen am Waldrand des Himmels und sind oft zusammen mit den Engeln unterwegs. Auch Jesus hat einen Kamilomanenfreund, der sehr oft bei ihm ist – ein treuer Begleiter. Dennoch sind die Kamilomanen ihr eigener Herr und leben ihr eigenes Leben. Sie sind wie alle Lebewesen im Himmel erfüllt mit Liebe, mit Wahrhaftigkeit und mit Wohlwollen, aber auch mit ihrem eigenen Willen.

Ayahmah mag Frederico sehr und Frederico mag Ayahmah auch sehr. Frederico ist der Anführer einer kleinen Kamilomanenherde, denn auch im Himmel gibt es Anführer, die unterschiedliche Aufgaben haben. Ein Anführer im Himmel ist nicht wie ein Anführer im Menschensein auf der Erde zu verstehen, sondern ein Anführer im Himmel ist derjenige, der sagt, wenn wir Hunger haben, dann essen wir. Alle hören auf ihn und sagen: »Oh ja, haben wir Hunger? Ja, wir haben Hunger!«

Auf das Essen wird doch aber im Himmel überhaupt nicht so viel Wert gelegt, denkt jedenfalls Ayahmah, was allerdings daran liegt, dass sie selbst keinen Wert aufs Essen legt.

Von weitem sieht sie ihre Wolke Ernst: Den mag sie auch sehr gern. Ayahmah hat zwar eine eigene Hütte, aber in ihrer Hütte ist sie nicht so oft. Das ist ihr zu langweilig. Meistens ist sie mit Frederico unterwegs und zum Schlafen geht sie auf ihre Wolke Ernst. Ernst ist sehr behäbig. Er spricht, wenn er denn spricht, sehr laaangsaaam, und er gibt ihr immer wieder Kraft. Bei ihm kann sie sich auftanken, sie kann sich hineinlegen in ihre Wolke Ernst, wenn sie müde ist. Er vermittelt ihr so ein schönes Gefühl der Geborgenheit und er behütet sie. Wenn sie bei Ernst ist, dann redet sie und er hört ihr zu, vorausgesetzt er schläft nicht selbst.

Dann ist da noch Maxsimillius. Maxsimillius ist der neue Freund von Ernst, der angefangen hat, Klarinette zu spielen.

Die anderen Engelskinder sind Ayahmah etwas zu langweilig, deswegen spielt sie nicht so gern mit ihnen. Sie spielen immer nur Wolkenschieben oder Wettschweben, aber das hat Ayahmah schon längst hinter sich.

Da legt sie sich lieber auf ihre Wolke Ernst und unterhält sich mit ihm darüber, wie er die Welt sieht, wie er empfindet und was er fühlt. Das interessiert Ayahmah sehr und sie ist immer sehr gespannt auf seine Antworten. Ernst antwortet einmal so und einmal so, manchmal antwortet er auch gar nicht und manchmal, wenn ihm Ayahmah zu laut und zu aufgedreht ist, dann ruft er Maxsimillius herbei, der dann für sie Klarinette spielt. Dann ist Ayahmah ganz schnell weg, denn diese Töne gefallen ihr nicht. Da geht sie lieber.

»Hallo Ernst, geht es dir gut?«, begrüßt Ayahmah ihn.

Ernst schaut sie missmutig an. Es dauert immer etwas, bis er reagiert und bis er antwortet. Ayahmah muss immer genau schauen, ob er tatsächlich winkt. Sie schaut so lange hin, bis Ernst einen kleinen Hauch einer Veränderung zeigt und bis er sie anblickt.

»Aaayaaahmaaah!«, spricht er sie in seiner ruhigen Art und Stimme an, die für seine Verhältnisse sehr laut ist. »Waaas haaast duuu geeemaaacht?«

»Wie, was habe ich gemacht? Nichts habe ich gemacht! Ich gehe jetzt zum lieben Gott.«

»Aaayaaahmaaah!«

»Ja, ich habe mich zu weit hinübergebeugt. Und? Ich bin doch da!«, sagt Ayahmah etwas trotzig und geht weiter. Nein, ich habe heute keine Lust auf eine Diskussion mit der Wolke. Im Himmel ist alles viel, viel bunter, viel farbenfroher. Das Gras ist leuchtend grün, die Bäume sind sehr groß und die Vögel zwitschern.

Im Himmel gibt es viele Vögel, die Paffimonen, ganz besondere Vögel. Die meisten sind lila, aber sie können ihre Farbe auch wechseln. Im Himmel wechselt vieles seine Farbe, vieles ändert sich ständig und nichts bleibt immer gleich.

Außer das Büro vom lieben Gott, das ist immer gleich, das empfindet zumindest Ayahmah so – und dann steht sie vor seiner Tür. Ayahmah klopft an.

»Hallo, lieber Gott!«

»Hallo Ayahmah, grüß dich!«

»Darf ich hereinkommen?«, fragt Ayahmah den lieben Gott.

»Aber du bist doch schon drin!«, antwortet er.

»Ja, ich weiß«, stellt Ayahmah fest.

»Setz dich, Ayahmah!«

»Du, lieber Gott?«

»Ayahmah?«

»Alexsandria hat mich aufgefangen.«

Der liebe Gott atmet tief ein und nickt. Ayahmah schaut ihn stutzig an.

»Sie hat mich aufgefangen!« Wieder nickt der liebe Gott nur. Ayahmah schaut ihn immer noch an und sagt erneut:

»Sie hat mich aufgefangen.« Der liebe Gott neigt seinen Kopf auf die Seite, blickt sie an und fragt:

»Ayahmah, was möchtest du mir denn jetzt damit sagen?«

»… dass ich mich hinuntergebeugt habe, dass nichts passiert ist, dass ich aber gefallen bin …«

»Und? Rede nur weiter.«

»Ja, ich bin gefallen. Es wurde kalt. Vorher kannte ich Kälte nicht; ich habe noch nie gefroren – und dann habe ich mit meinen Händen während des langen Falls die Steine gefühlt. Die Steine waren auch kalt und sie haben auch …, sind das Schmerzen?« Der liebe Gott blickt Ayahmah an.

»Wenn du Schmerzen empfunden hast, dann warst du schon halb im Menschenreich.«

»Was, dann war ich so weit unten? Ist das dann die Höhle ins Menschenreich?«

»Das ist einer der Wege ins Menschenreich. Das ist aber nicht der Weg, der für dich bestimmt ist, um ins Menschenreich zu gelangen, Ayahmah«, antwortet der liebe Gott.

»Aber wieso zieht es mich dort hin?«

»Ayahmah, das kannst nur du beantworten. Es ist aber tatsächlich so, dass ich Alexsandria aufgefordert habe, dich aufzufangen. Es ist nicht deine Aufgabe. Jetzt ist es nicht deine Aufgabe!«

»Ja, aber was will ich denn immer nur hier? Auf der Erde ist es doch auch interessant und die Tiere, die Lebewesen, die Bäume und auch die Menschen, die ähneln uns doch etwas.«

»Sie ähneln uns und dennoch sind sie teilweise auch anders«, antwortet der liebe Gott weiter. »Es ist auf jeden Fall gut, dass du wieder hier bist, denn das wäre zu früh gewesen, dass du auf die Erde gehst.«

»Aber ich möchte doch so gern auf die Erde. Ich möchte etwas anderes erleben. In Erdenkundestunde habe ich immer gut aufgepasst. Ja, habe ich immer. Ich kenne mich auch gut aus mit Krankheiten und ich kenne mich auch mit Bushaltestellen aus!«

»Bushaltestellen?«, wiederholt der liebe Gott. »Wieso kennst du Bushaltestellen?«

»Na ja, weil ich mich darüber schon mal mit Ernst unterhalten habe.« Der liebe Gott schaut Ayahmah an. »Na ja gut, nicht mit Ernst, mit Frederico«, berichtigt sie schnell. »Ja! Wir haben schon mal gespitzt.« Da gibt es doch diesen Ausblick auf die Erde: Da habe ich etwas gesehen und dann habe ich ihn gefragt, was das ist. Und dann hat er das erkundet.«

»Ah, ja«, sagt der liebe Gott, der natürlich genau weiß, was Ayahmah gemacht hat, aber er lässt sie reden. »Gut Ayahmah, wir können das ja so machen, dass du mit Alexsandria auf die Erde darfst, wenn sie Kätzchen abholt. Dann müsstest du aber wirklich bei ihr bleiben, dann kannst du das Menschengeschehen beobachten und es miterleben, wenn du möchtest. Das kannst du tun – denn das ist auch wichtig für deine Entwicklung.«

»Au ja, das mache ich«, antwortet Ayahmah. »Weißt du, lieber Gott?«

»Ja, Ayahmah?«

»Wieso zieht es mich dort hin? Ich überlege schon lange, warum es mich dort hinzieht, aber mir fällt es nicht ein.«

»Ayahmah, ich sage es dir. Du bist neugierig und du hast einfach viel Energie. Diese Energie brauchst du auch – und sie wächst. Auch du wächst. Zwar bist du jetzt noch klein, doch das wird sich ändern. Es wird sich einiges ändern. Du musst sehr achtsam sein: Das solltest du wirklich sein. Du solltest mehr und mehr, immer und immer wieder dein Herz wahrnehmen und spüren. Dieses, was du wahrnimmst und spürst, musst du auch zu Ende spüren. Nicht nur den Anfang, nur um dann gedanklich woanders hinzuspringen, sondern dabeibleiben und etwas zu Ende spüren.«

»Etwas zu Ende spüren?«, wiederholt Ayahmah erstaunt. »Aber ich spüre doch immer alles zu Ende!«

»Nein, tust du nicht.«

»Lieber Gott, du sprichst doch sonst nicht so deutlich mit mir.« Der liebe Gott lächelt Ayahmah an und streicht über ihr Haar.

»Schau mal, dein Heiligenschein, der ist ja ganz schmutzig.« Oh Gott. Ayahmah hatte ganz vergessen, ihn zu polieren; dabei ist das eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen, ihren Heiligenschein zu polieren. Das macht sie sehr oft, wenn sie auf ihrer Wolke Ernst sitzt, da poliert sie ihn, strahlt dabei und freut sich, wenn er hell leuchtet und glänzt. Das gefällt ihr sehr gut, denn er spendet Licht und er ist ihr sehr wichtig. »Warte, ich helfe dir.« Der liebe Gott streicht über den Heiligenschein und schon glänzt er. Ayahmah strahlt.

»Ach lieber Gott, jetzt bin ich aber froh, dass ich nicht hinuntergefallen bin, auf die Erde, vielen lieben Dank. Vielen Dank, dass du und Alexsandria, dass ihr mich aufgefangen habt. Dafür danke ich wirklich. Doch, ich glaube du hast recht: Dann darf ich mal mit, mit Alexsandria?«

»Ja, du darfst mit, mit Alexsandria. Das darfst du, aber achte auf dich. Schau auf deine Gedanken, schau auf deine Worte und schau auf deinen Weg. Immer und immer wieder. Und pass auf, dass du Alexsandria nicht aus den Augen verlierst. Hörst du? Das ist sehr wichtig, dann darfst du auch mit ihr mit.«

»Ja, gut, ich freue mich«, sagt Ayahmah. »Wann geht es denn los? Jetzt?«

»Nein«, antwortet der liebe Gott, »jetzt geht es nicht los. Jetzt musst du erstmal wieder zurück«.

»Wieso muss ich zurück?«

»Weil du zu mir gekommen bist – und wenn du gekommen bist, dann musst du zuerst auch wieder zurück. Siehst du Ayahmah, das ist schon mal das Erste, das ist, einen Plan zu Ende denken. Das ist einen Weg zu Ende gehen. Das ist: etwas fertig stellen. Denn wenn du nämlich mit Alexsandria auf die Erde gehst, dann musst du auch mit ihr wieder zurück ins Himmelreich kommen.«

»Ah ja, das macht Sinn.«

»Siehst du, Ayahmah?«

»Stimmt, da hast du recht, lieber Gott. Das mache ich, wenn ich gehen darf, dann komme ich auch wieder.«

»Siehst du, Ayahmah!«

»Ja, das ist schön, jetzt verstehe ich es.« Ayahmah strahlt mit ihren leuchtend blauen Augen. Ihr Herz strahlt, die Sonne geht auf, auf der Erde wächst eine Blume.

»Deshalb kann ich immer wieder zu dir kommen, weil ich immer wieder gehe und dann komme ich immer wieder zurück zu dir. Stimmt das, lieber Gott?«

»So ist es, deshalb siehst du auch immer wieder deine Freunde, weil du immer wieder gehst und immer wieder kommst.«

»Das ist ja sehr schön, also hat alles seinen Sinn?«

»Ja«, antwortet der liebe Gott, »alles hat seinen Sinn, aber wir bestimmen, was wir daraus machen.«

»Aha! Wir bestimmen den Sinn?«

»Wir bestimmen, welche Intensität wir auf den Sinn richten, was uns der Sinn gibt – und wie er uns erfüllt, das tun wir.«

»Ah ja. Lieber Gott?«

»Ja, Ayahmah?«

»Wieso …? Ach na ja, ist schon in Ordnung. Ich gehe jetzt, damit ich wieder kommen kann …« Der liebe Gott schmunzelt. Er kennt seine Ayahmah nur zu gut. »… und ich werde es Alexsandria gleich berichten, dass ich mit ihr auf die Erde darf und ich freue mich. Ja, ich freue mich! Das wird großartig, das wird ein Abenteuer, ja genau, das mache ich.«

»Ja Ayahmah, das kannst du machen.«

»Also lieber Gott, dann gehe ich jetzt wirklich, aber ich komme wieder.«

»Ja, Ayahmah, du kommst wieder. Das ist das, was ich wirklich weiß, dass du immer wieder zu mir kommst – und hüte dich vor dieser Höhle.«

»Hm, dann ist das nicht der Durchgang für mich«, stellt sie noch einmal fest.

»Nein!«, sagt der liebe Gott kurz.

»Gut«, sagt Ayahmah, aber wieso habe ich es dann gefunden?

»Weil du Ayahmah bist.«

»Hm, also, ich gehe jetzt zu Alexsandria und dann werden wir besprechen …, oder ich frage sie, wann sie wieder auf die Erde geht und bitte sie, dass sie mich mitnimmt und sage ihr, dass du es mir erlaubt hast?« Sie blickt den lieben Gott an und zwinkert ihm zu.

»Ja, ja und ja«, stimmt der liebe Gott ihr zu.«

»Gut. Tschüss lieber Gott!«

»Tschüss Ayahmah.«

»Wir sehen uns.«

»Ja, Ayahmah.«

Ayahmah steht auf und geht. Sie dreht sich noch einmal nach dem lieben Gott um, blickt ihn an, winkt ihm zu und er winkt zurück.

Sie geht weiter und drückt die Tür auf. Die Tür zum Büro vom lieben Gott ist sehr groß. Sie knarzt, wenn sie geöffnet wird und dennoch geht sie ganz leicht auf. Ayahmah muss gar nicht dagegen drücken. Die Tür geht schon auf, wenn sie sich vor sie stellt, aber Ayahmah beeilt sich immer hinzudrücken, bevor die Tür von allein aufgeht, denn sie möchte das Gefühl haben, dass sie es ist, die die Tür öffnet. Die Tür ist so groß, dass Ayahmah sich so klein wie ein winzig kleiner Käfer vorkommt. Doch wenn sie dann im Büro vom lieben Gott steht, dann ist sie nicht mehr so klein, das hat sie bemerkt. Wenn sie beim lieben Gott ist und mit ihrem Herzen spricht, dann ist alles ganz anders. Wenn sie aber gedanklich irgendwo anders ist, dann ist sie kleiner. Das meint der liebe Gott vielleicht, grübelt Ayahmah. Erneut dreht sich Ayahmah um und ruft: »Tschüss, lieber Gott!« Doch dann rennt sie los, zurück zum lieben Gott und gibt ihm sanft einen Kuss auf die Stirn. Sie liebt es, sie liebt es einfach und es fällt ihr schwer, sich von ihm zu verabschieden.

Der liebe Gott kennt sie und er weiß, wie sie ist und er liebt sie ebenso. Wie er alle seine Geschöpfe liebt. Alle seine Menschen, seine Engel, seine Tiere, seine Pflanzen, seine Erde, sein Reich, alles liebt er.

Ayahmah macht sich auf den Weg zu Alexsandria und sinniert dabei: Ich werde sie fragen, ob ich mit ihr auf die Erde gehen darf. Unterwegs kommt sie an ihrer Wolke Ernst vorbei und stellt fest, dass sie plötzlich doch sehr müde ist.

»Hallo Ernst, bist du noch böse?«

»Neeeiiin«, antwortet er ganz langsam.

»Darf ich zu dir kommen?«

»Selbstverstääändlich, komm heeer Ayaaahmaaah. Du haast eiiiiniges zuu veraaarbeiten, deeenn duu haast eiiinen Stuuurz, hiiinter diiir, duuu biist geefaaallen!«

»Ich bin gefallen? Bin ich nicht geflogen?«, fragt Ayahmah ihn. »Ist fliegen anders als fallen?« Ayahmah neigt dazu, sich in ihren Gedanken zu verlieren. Ernst grinst vor sich hin. Er mag das. Es ist wie Hintergrundmusik in seinen Wolkenohren.

»Naaajaaa, fliiieeegeeen, stüüürzeeen, faaalleeen, daaa giiieeebt eees schooon Uuunteeerschiiieeedeee.«

»Ja, aber man ist schnell, und was ist der Unterschied zwischen Fliegen, Schweben und Fallen? Fallen geht doch nur nach unten, Fliegen geht nach oben, Schweben geht geradeaus. Genau, das ist es. Obwohl, wenn ich schwebe und es kommt ein Wind und ich konzentriere mich nicht und schwebe nach unten, ist das dann fallen? Oder wenn ich aufsteige, wenn ich beispielsweise auf dich schwebe, fliege ich dann, weil ich nach oben schwebe?« Ernst schläft ein, Ayahmah landet auf Ernst. »Ach, ist das schön, ich freue mich, dass ich hier bin – und morgen, Ernst, morgen, da gehe ich auf die Erde. Das mache ich; ich begleite Alexsandria auf die Erde«, gähnt Ayahmah in sich hinein. Sie schließt ihre Augen und fällt in einen wundervollen Schlaf, der ihr sehr viel Kraft gibt.

Alexsandria ist damit beschäftigt, die Kissen für die Erden-Tour am nächsten Tag herzurichten. Natürlich weiß sie längst Bescheid und sie weiß auch, dass Ayahmah sicherlich bald vor ihrer Hütte stehen wird, um sie darauf anzusprechen, weil sie sicherlich mitkommen möchte. Alexsandria hat ein eher schwaches Nervenkostüm und ist leicht aus ihrer Mitte zu bringen, doch im Herzen ist sie ein sehr lieber Engel und sie liebt Ayahmah, wie auch sie alles liebt.

Im Himmel ist vieles verbunden mit Liebe, mit Wohlwollen und mit Ehre und Achtung voreinander, zueinander, miteinander und übereinander, das macht den Himmel aus. Jeder ist für den anderen da. Jeder möchte, dass es dem anderen gut geht und keiner hegt ungute Gedanken in sich.

Alexsandria weiß aber auch von ihren Kätzchen, die sie abholt und den Geschichten, die sie erzählen, dass es auf der Erde nicht immer so einfach ist. Da gibt es schon auch sehr viel Unterschiedliches, was dort geschieht. Es ist nicht so einfach, dort eins zu sein unter vielen und dennoch verbunden zu sein. Aber na ja, das ist jetzt nicht mein Problem, denkt sie sich und sucht weiter die Kissen zusammen. Wie viele Kätzchen kommen denn morgen, wie viele sind denn überhaupt geplant? Hach, ich weiß es wieder nicht, ich glaube da muss ich doch vorher noch in die Himmelsbehörde gehen und genauer nachfragen und nochmal im Buch nachschauen, sonst bin ich mir überhaupt nicht sicher und dann reichen meine Kissen womöglich nicht. Alexsandria möchte immer alles planen.

Ayahmah plant nichts. Alexsandria möchte alles ganz genau wissen. Ayahmah möchte es nicht wissen, sie möchte es erleben. Das sind die Unterschiede. Auch Alexsandria ist sehr müde, denn es war ein anstrengender Tag für sie. Es hat ihr sehr viel Stress bereitet, sich zu beeilen und sich sogar mit ihren Achtfachflügeln, die sie so behütet, auf den Weg zu machen, um Ayahmah aufzufangen. Sie ist sehr stolz auf sich, dass sie es geschafft hat, die Achtfachflügel so schnell anzuziehen, so schnell damit loszufliegen und darauf, dass sie nicht aus der Übung gekommen ist. Vielleicht sollte ich etwas öfter mit den Achtfachflügeln fliegen, das wäre natürlich eine Möglichkeit, überlegt sie sich. Auf der anderen Seite ist es vielleicht auch gut, sie weiter einfach nur aufzuheben, denn dann werden sie nicht abgenutzt. Obgleich im Himmelreich nichts abgenutzt wird, denn alles ist in Liebe miteinander verbunden und das ist die Wahrhaftigkeit.

»Hach ja«, seufzt Alexsandria tief und schaut nochmal zu ihren Kätzchen, gibt jedem noch ein Schälchen mit Futter, Streicheleinheiten und wünscht jedem eine gute Nacht. Dann schläft auch Alexsandria ein, eingekuschelt, eingehüllt, von ihren Kätzchen umgeben und träumt einen wunderschönen Traum, der ihr viel Kraft beschert. Denn diese Kraft braucht sie.

Ayahmah, der fröhlichste und liebste unter den Engeln hat ein sehr großes Herz. Sie beschäftigt sich schon länger mit einer Frage, doch niemand kann ihr eine Antwort darauf geben, deshalb geht sie damit vorsichtig zum lieben Gott, obwohl vorsichtig ist hier etwas falsch ausgedrückt, sagen wir eher achtsam. Das letzte Mal flog sie nämlich ziemlich rasch zu ihm, ist gestolpert, landete direkt vor seinen Füßen und hat noch einige seiner Katzen und Hunde mitgenommen, weil sie so sehr im Flug war, dass sie nicht mehr bremsen konnte.

»Hallo lieber Gott, darf ich dich was fragen?«

»Ja grüß dich Ayahmah, selbstverständlich, was möchtest du denn wissen?«

»Wie ist das denn eigentlich, wie ist das denn mit den Engeln? Manchmal kommen Menschen vom Himmel, besser gesagt von der Erde, kommen in den Himmel und dann sind sie Engel. Aber manche Menschen sind keine Engel. Manche kommen nicht und manche kommen, sind von der Erde, sind vom Himmel auf die Erde gegangen und von der Erde wieder in den Himmel. Also vom Engel zum Menschen und vom Menschen zum Engel. Und dann gibt es welche, die kommen vom Menschen zum Engel und wo, was, wie ist das, wenn Menschen jetzt unten auf der Erde sind, aber nicht irgendwie wieder in den Himmel kommen? Oder wie ist das, wenn ein Mensch in den Himmel kommt, der vorher bereits ein Engel war und dann wieder ein Engel ist, sozusagen vom Engel zum Menschen, vom Menschen zum Engel, und wenn die dann erzählen, die berichten dann, dass sie nicht mehr wussten, was war; sie kommen zurück von der Erde in den Himmel und dann sagen sie: ›Boah – wenn ich das alles gewusst hätte, das ist so schön, das ist so toll, und die Liebe ist so großartig‹. Und sie begrüßen ihre Brüder und Schwestern, denen sie auf der Erde sogar teilweise Leid zugefügt haben, oder mit denen sie nicht gut waren. Ich weiß nicht mal was ›nicht gut sein‹ ist. Wie ist das lieber Gott, kannst du mir das sagen?«

»Ayahmah, es ist wirklich so: Es gibt Engel, die gehen immer wieder auf die Erde. Als Engel wirst du gestärkt und wirst du vorbereitet, wenn du auf die Erde gehst, es sei denn du beugst dich zu weit hinüber, aber das hatten wir ja schon, dann fällst du runter, dann, na ja, dann siehst du, was dabei herauskommt. Normalerweise werden die Engel vorbereitet auf das Menschensein, und das ist so, sobald sie die Schwelle zur Erde durchschreiten, vergessen sie alles, was im Himmel geschehen war. Vergessen alles, was ihr Herz erhellt hat und vergessen das harmonische, das friedliche Miteinander und das ist – ja das ist eigentlich die Gunst des Menschen, dass dann der Engel, wenn er denn sagt, er möchte ein Mensch sein, auf der Erde beginnt, sein Engelsein zu leben. Das muss er sich erarbeiten; da muss er wirklich dranbleiben. Das ist natürlich ein langer Weg. Für uns hier im Himmel ist es kein langer Weg, da dauert‘s wenige Minuten, so ein Menschenleben; aber auf der Erde als Mensch kommen dir die wenigen Minuten als Jahrzehnte oder noch länger vor. Und dann gibt es Menschen, die suchen sich, finden sich und dann leben sie ihr Engelsdasein, allerdings schaffen sie es meistens erst am Ende des Lebensabschnittes. Viele, viele andere Widrigkeiten gibt es auf der Erde, viele andere Dinge. Ja ich weiß, Jesus ging auch auf die Erde und er sagte: ›Die Erde kennt mich nicht, die Welt kennt mich nicht, aber der Himmel kennt mich und so ist es auch: Die Welt kennt mich nicht‹.«

»Wie ist das, lieber Gott, hast du nicht die Erde gemacht, Himmel und Erde gemacht, hast du doch, du hast doch alles gemacht, du bist doch der Schöpfer allen Seins.«

»Ja, das bin ich, aber ich bin auch der Schöpfer des freien Willens und wenn ein Engel sagt, er möchte auf die Erde, so sagt er, er möchte heraus und er möchte sich selbst leben, sich selbst erkennen und dann landet er als Mensch.«

»Ja, aber wie ist das denn, lieber Gott, wenn einer auf die Erde kommt, nehmen wir mal Engel Maxsimillius. Maxsimillius ist ein ganz, ganz lieber Engel, der tut keinem was. Der schiebt nicht mal die Wolken. Nicht mal die Wolke Ernst schiebt er. Die lässt er zufrieden. Er treibt sie nicht voran, obgleich jeder sagt: ›Los Ernst, jetzt flieg doch mal, das ist deine Aufgabe, du bist eine Wolke …‹ Du weißt, ich liebe Ernst, und du weißt, ich mag ihn wirklich, aber selbst da wendet sich Maxsimillius ab und sagt: ›Hey, lasst ihn, lasst ihn. Komm Ernst, komm, wir gehen Klarinette spielen.‹ Wie ist das? Er war auch auf der Erde und er sagt, auf der Erde war er ganz anders. Er sagt, da war er ein Kämpfer, ein richtiger Kämpfer. Ich weiß nicht, was kämpfen ist; ich weiß es zwar von unserem Bruder, dem Erzengel Michael, was ein Kämpfer ist, das weiß ich, aber der kämpft für dich, der kämpft nicht, der rettet, der holt, der zieht, der schützt. Wie ist das?«

»Ach Ayahmah, ich weiß du gehst einst auf die Erde und dann wirst du dies alles sehen und wahrnehmen, aber im Moment, im Moment ist es besser, wenn du erstmal bei dir bleibst. Lass uns morgen zu deinem Bruder gehen, zu Jesus. Er kann auch vieles erklären anhand von Beispielen. Er war auf der Erde. Er hat vieles vollbracht auf der Erde. Auf der Erde erlebt derjenige, der ein guter Mensch ist, der als guter Mensch kommt, Anfeindungen. Das kannst du dir nicht vorstellen. Ja die Engel sind hier und beschützen ihn, ich bin hier und beschütze ihn, aber du musst als Mensch sehr weich sein, um den Schutz wahrzunehmen, die Hand von mir, den Hauch – meinen Hauch – wahrzunehmen und auch den Schutz der Engel. Du musst sehr weich sein, um dies wahrzunehmen. Bist du allerdings so weich und nimmst du dies wahr, so treffen auch die Worte der Menschen ungemein und sie richten Schaden an. Das ist so, deshalb ist es sozusagen ein zweischneidiges Schwert. Es ist nicht einfach und dennoch ist es eine riesengroße Aufgabe; das ist es. Die Liebe vermag so vieles zu vollbringen. Aber die Liebe braucht immer wieder Stärke. Die Liebe braucht Freunde an ihrer Seite. Das ist das Wahrhaftige, das ist ein Teil des Himmels. Der Himmel lässt sich auf die Erde bringen mit deinen Gesprächen, mit dir, mit uns kommt er auf die Erde. Mit guten Freunden, mit aufrechten Freunden. Mit füreinander da sein. Das sind wahre Freunde. Das ist wichtig, das zählt. Das ist ein Stück des Himmels auf der Erde. Ja – und Ernst, die Wolke Ernst, war auch einmal auf der Erde.«

»Echt? Ernst war auf der Erde: Als was war er denn auf der Erde?«

»Jetzt wirst du lachen.«

»Sag‘s mir lieber Gott. Sag’s mir!«

»Er war ein Walross.«

»Ein Walross?«

»Ja, ein Walross.«

»Och, na das sieht man!«

»Ayahmah!«

»Lieber Gott …«

»Ja – eines Tages, eines Tages wird die Erde verbunden sein mit dem Himmel, und es werden mehr und mehr gute Menschen kommen und sie werden aufwachen. Weißt du, ich habe einen großen Engel auf die Erde geschickt. Ein Teil von dir ist auf der Erde und der sorgt dafür. Der führt sie. Und ich lasse sie nicht allein. Niemals würde ich sie allein lassen. Wenn eine Person auf der Erde als Mensch, der ursprünglich schon immer Mensch war in den Himmel kommt, also ein Engel wird, so geschieht dies, weil die Zeit dafür reif ist. So geschieht dies, weil er ein guter Mensch ist. Weil er eine gute Tat begangen hat. Eine gute Tat ist nicht nur eine gute Tat, wie es im Menschensein zu sein scheint. Also nicht, wenn du jemanden über die Straße hilfst, oder wenn du ihn zum Lachen bringst, oder wenn du ihm etwas zum Essen gibst. Es ist viel mehr, viel tiefer. Es sind die guten Gedanken, die Liebe in Gedanken, die wahrhaftigen Gedanken. Die bringen den Menschen in den Himmel. Die Gedanken sind der Anfang. Das Folgen folgt. Das ist so. Am Anfang war der Gedanke, dann kam das Wort, das sich durch den Gedanken manifestiert hat. Durch das Wort kam das Handeln. Durch das Handeln, das auch das Tun ist, kommt das zustande, was die Taten, die Gedanken ausdrückt, und das ist das Wichtige. Folge immer dem nach, folge immer deinem Herzen nach. Ayahmah, verzage nicht und freue dich. Bleibe stets und immer wieder in der Hoffnung, in der Freude und in der Liebe. Bleibe immer in der Liebe, egal was geschieht. Wenn du traurig bist: Bleibe in der Liebe! Wenn du einst auf die Erde gehst …, du warst auf der Erde, ein Teil von dir ist auf der Erde, denn du bist ein großer Engel, und die großen Engel können sich teilen. Das heißt nicht, dass sie zerstört sind, jedoch ist der eine Teil im Himmel und der andere Teil ist auf der Erde. Wenn du es schaffst, das zu verbinden, dann hast du die Vollkommenheit erreicht; dann bin ich dabei, dann bin ich wahrhaftig dabei. Deine Gedanken werden so eine Kraft aussenden, du wirst es nicht glauben. Deine Gedanken werden heller, strahlender, schneller und weiter; sie werden wahrlich vieles vollbringen. Ja – so ist das.«

»Ah, lieber Gott, das war sehr viel. Sehr viele Worte.«

»Ich weiß.«

»Und ja – da muss selbst ich darüber nachdenken.«

»Ja, das kannst du. Setze dich zu Ernst und denke darüber nach. Ernst, unsere kleine Meditationswolke, wie du ihn liebevoll nennst, ist wahrlich auch ein großer Engel, in anderer Form. Mein Reich ist so groß, die Liebe ist so groß und allumfassend. Vertraue darauf. Morgen, da gehen wir zu Jesus Christus. Morgen werde ich dir berichten, wie Jesus seinen Weg gegangen ist, wie es ihm ergangen ist. Morgen wirst du mit Jesus gehen, schau dir das an!«

»Danke, lieber Gott, ich danke dir von ganzem Herzen, dass du mir das gesagt hast. Ich danke dir und ich liebe dich.«

»Ja, Ayahmah – ich liebe dich auch, denn du bist mein Sein. So ist es. Und dennoch bist du dein Sein. Dies ist so. Verbunden, verschmolzen zu einem und dennoch zwei und dennoch eins. Das ist die Einheit der Wahrhaftigkeit der Liebe.«

»Danke, lieber Gott!«

»Ich danke dir Ayahmah. Mit jeder Frage öffnet sich mehr und mehr dein Herz.«

Ayahmah blickt zum lieben Gott, der liebe Gott blickt zu ihr, sie zwinkern sich zu, er bewundert ihren hochpolierten Heiligenschein und sie bewundert seine Liebe. Sie geht.

Mit Jesus auf dem See

Der liebe Gott hat gesagt, ich solle zu Jesus gehen. Eigentlich mache ich das gern, aber irgendwie habe ich auch – mhhh – sagen wir Angst davor, ich weiß es nicht genau. Er ist so groß und so mächtig. Wenn der liebe Gott dabei ist, ist es schön, dann fühle ich mich irgendwie geborgen. Also, ich habe keine Angst vor Jesus, glaub ich. Seine Hütte strahlt schon von ganz weit, so hell, gelb, leuchtend, golden, in vielen Farben, sehr vielen bunten Farben, alle schimmern in strahlendem Licht. Na gut, dann geh ich mal dort hin. Ayahmah geht zu Jesus‘ Hütte, sie erinnert sich: Hm, … ja, … ich habe zum lieben Gott gesagt, er solle mitgehen, aber er hat gesagt, nein, ich solle dieses Mal allein gehen, und dann hab‘ ich gesagt:

»Aber Jesus sieht mich doch nicht, weil ich so klein bin.« Und dann hat der liebe Gott gesagt:

»Du bist zwar von der Größe her klein, aber vom Sein bist du groß. Die Größe ist nur das Äußerliche. Das Äußerliche hat rein gar nichts mit dem Innerlichen zu tun. Das Äußerliche ist die Blendung, die Erscheinung, mit der sich die Menschen aufhalten. Damit geben sich die Menschen mehr ab. Das ist für sie wichtiger als das Innere.«

Jesus werde mich sehen, hat er gesagt. Jesus sei eines Wesens mit dem Vater. Jesus meditiere; er gebe Meditationen, und seine Hütte sei immer offen. Im Himmel ist alles immer auf und dennoch besteht eine stille Verabredung, ein Abkommen, ja – man weiß einfach, ob der andere bereit ist, dass man kommt, und ob er sich Zeit nimmt. Also gut! Ayahmah atmet tief durch und geht weiter. Die bunten Bäume, das helle Gras, das strahlende Grün, es fällt ihr gerade nicht so auf, sie ist in Gedanken. Selbst Frederico ist dabei; er möchte sie aufheitern.

»Ach Federico, was würde ich nur machen ohne dich. Hast du Ernst heute schon gesehen, wie geht es ihm? Er ist wieder mit Maxsimillius unterwegs, wahrscheinlich spielen sie wieder auf ihrer Klarinette, in ihrem neuen Orchester.«

»…«

»Ah, OK!«

»…«

»Ja.«

»…«

»Ach, wenn du das sagst!«

»…«

»Ja, ich weiß.«

»…«

»Ich glaube, schon.«

»…«

»Ach ja, gut«

»…«

»Danke, Frederico!«

»…«

»Ich habe dich auch ganz, ganz, ganz lieb!«

»…«

»Ja, danke.«

Wenige Meter von Jesus‘ Hütte entfernt überlegt sich Ayahmah umzukehren. Ich glaube, ich dreh‘ mich um und gehe wieder, ohne den lieben Gott bei Jesus besucht zu haben und ich gehe auch nicht zu Jesus. Jesus soll auf der Erde so viel vollbracht haben. Er soll sich auf der Erde gegen die bösesten Menschen durchgesetzt haben. Wegen des Glaubens an ihn haben Kriege stattgefunden. Menschen haben sich auf seine Seite getan und er wollte dies nicht.

»Ayahmah?« Ayahmah erstarrt. »Ayahmah!« – hört sie ihren Namen in einer ganz tiefen Stimme, Ayahmahs Herz bebt. »Ayahmah!«

»Oh je, Jesus? Bist du es?«

»Was fürchtest du dich vor mir, wieso, was ist?«

»Na jaahh – fürchten ist vielleicht etwas übertrieben.«

»Ayahmah – bleibe stets bei der Wahrheit.«

»Ach Jesus, du bist so allmächtig.«

»Und Gott?«

»Gott ist selbstverständlich auch allmächtig, aber er ist mein Vater.«

»Und ich?«

»Du bist mein Bruder.«

»Genau. Ich bin dein Bruder. Und ich lehre dich. Ich lehre dich die Dinge, die du wissen musst. Ich lehre dich Dinge wie: zu dir zu stehen, in dir zu wachsen, in dir die Größe deines Seins zu spüren und aufzuhören, im Außen zu suchen. Komm, ich werde eine Meditation mit dir machen. Ich werde dich einweihen, einweihen in das Tun. Denn dies ist jetzt an der Zeit. Gott Vater hat dich zu mir gesandt, das weiß ich. Und unser Vater ist die allumfassende Liebe. Wie auch du und ich die allumfassende Liebe sind. Wie wir gemeinsam vieles mehr vollbringen können. Wie wir Hand in Hand gehen können. Hand in Hand miteinander. Hand in Hand Eins sein können. Dies tun wir. Komm mit!«

»Also gehe ich dir jetzt hinterher?«, fragt Ayahmah.

»Ja, folge mir nach«.

»Ui, was ist das denn? Wasser! Wasser im Himmel?«

»Ja.«

»Du hast einen See?«

»Ja.«

»Einen eigenen See?«

»Nein, das ist unser See. Komm, da gehen wir hinein. Ich lehre dich, auf dem Wasser zu laufen, damit du nicht mehr ertrinkst. Du wirst vieles vollbringen auf der Erde und nun wird es Zeit, dir deiner gewiss zu sein.«

Gemeinsam gehen sie. Ayahmah und Jesus. Ayahmah verliert mehr und mehr ihre Angst. Ihre anfängliche Angst geht mehr und mehr in wachsende Bewunderung über. Die Bewunderung kehrt ein in Liebe und die Liebe kehrt ein in Vertrauen. Und das Vertrauen kehrt ein in das allumfassende Wort und die Einheit, Gott Vater, Jesus Christus und Ayahmah. Und plötzlich fühlt sie auch den lieben Gott, sie fühlt ihn.

»Jesus?«

»Ja Ayahmah?«

»Gott ist hier.«

»Ja ich weiß.«

»Ich spüre seinen Atemzug in meinem Nacken.«

»Ja Ayahmah – denn wo ich bin, ist Gott. Wo Gott ist, bin ich.«

»Ah, das ist ja interessant.«

»Aber auch wo du bist, bin ich; und wo du bist, ist Gott. Wo wir zwei gemeinsam gehen, ist Gott und du und ich eins. So nun gehen wir. Komm wir laufen über das Wasser«.

Ayahmah lacht. Sie lacht so herzlich, sie lacht und lacht und kann ihr Glück nicht fassen. Eine innere Befreiung erfüllt sie und sie spürt die Freude. Eine unermüdliche Freude spürt sie. Im Lachen vergisst sie sich. Im Lachen vergisst sie alles um sich herum und auf einmal hört sie auf zu lachen.

»Ja wo bin ich denn, wo bin ich denn hier? Hilfe!«

»Du bist auf dem Wasser«.

«Was? Ich bin auf dem Wasser?

Und schwupp, Ayahmah geht unter. Jesus schüttelt den Kopf. Er mag sie, er liebt sie. Ayahmah paddelt, müht sich hervor, springt aus dem Wasser wie ein Fisch und steht auf ihren Händen. Sie macht einen Salto, eine Rolle, hüpft in die Höhe und vergisst alles um sich herum.

»Siehst du das Jesus, ich kann auf dem Wasser laufen, ich kann auf dem Wasser springen, ich kann auf dem Wasser tanzen.«

»Ja, ja – das wusste ich. Das ist schön. Komm, wir gehen zum Ufer, ich möchte dir etwas zeigen.«

So gehen sie, Ayahmah und Jesus, nebeneinander her, über den See, in Richtung des anderen Ufers. Jesus hält Ayahmah an der Hand. Er führt sie und Ayahmah ist so glücklich, ihr Herz fühlt sich so weich an, so leicht, und alles ist so frei.

»Jesus?«

»Ja?«

»Darf ich dich was fragen?«

»Selbstverständlich!«

»Wieso hatte ich, bevor ich dich gesehen habe, so – Angst kann man es nicht nennen –, aber Respekt vor dir?«

»Nun, das weiß ich nicht.«

»Wie, das weißt du nicht?«

»Das musst du selbst bei dir herausfinden!«

»Hm.«

»Mit Gott bist du doch auch immer gut beieinander.«

»Ja schon, aber der liebe Gott ist mein Vater. Bei ihm bin ich mehrfach täglich, eigentlich immer.«

»Siehst du? – und ich bin immer dabei«, antwortet Jesus.

»Also wenn ich jetzt da mit dir so auf dem Wasser laufe, Jesus, merke ich, dass das Ufer ganz schön weit entfernt ist. Wieso ist das so weit weg? Das hat doch vorhin so nah ausgesehen und jetzt laufen wir schon viele Minuten auf dem Wasser. Wieso fliegen wir nicht?«

»Wir fliegen nicht, weil ich dir das Element Wasser näherbringen möchte. Das Element Wasser ist nämlich Teil des Lebens, Teil der Menschen, Teil der Erde. Die Erde, das weißt du ja, hat der liebe Gott gemacht.«

»Das weiß ich, das sagt er mir öfter.«

»So – und aus diesem Grund laufen wir jetzt auf dem Wasser.«

»Ja, aber ich dachte, wir gehen ganz schnell ans andere Ufer und du hast doch zu mir gesagt, du zeigst mir eine Meditation oder so etwas Ähnliches.«

»Alles nach und nach, liebe Ayahmah. Alles braucht seine Zeit. Auch eine Vorbereitung auf eine Meditation braucht eine Zeit. Um eine Meditation durchführen zu können, ist es nämlich wichtig, dass du beginnst, dich selbst zu spüren. Weißt du Ayahmah, du bist so viel unterwegs. Du bist da und dort, ich kenne dich. Ich kenne dich, glaub‘ mir, ich kenne dich. Das ist dir gar nicht so bewusst, wie ich dich kenne.«

»Aha.«

»Also – nun laufen wir auf dem Wasser, konzentriere dich. Was spürst du, wenn du läufst und nicht fliegst?«

»Ach, ich möchte dir sagen, was ich spüre, wenn ich fliege.«

»Nein Ayahmah, konzentriere dich. Spüre deine Füße, was spürst du?«

»Ich spüre das Wasser, das eigentlich nicht gerade fest ist, aber es ist auch nicht anders als die Wolken – hmmm – eigentlich ist es wie die Wolken. Wie wenn ich auf den Wolken reite.«

»Genauso ist es.«

»Nur, dass es sich kühl und so seltsam anfühlt.«

»Das ist nass. Wasser ist nass. Das ist das, was du als seltsam bezeichnest, Ayahmah.«

»Ach so. Ja, doch das ist interessant und wenn ich meine Füße so anschaue und ich schaue ins Wasser, dann sehe ich, dass das noch viel tiefer geht. Da sehe ich, dass da …, was ist das, was da rumschwimmt?«

»Das sind Fische. Fische und Kalypsomanen.«

»Was sind den Kalypsomanen? Ich kenne Kamilomanen.«

»Kalypsomanen sind die Ableger der Kamilomanen, die im Wasser geboren werden. Da gibt es nämlich viele Unterarten davon.«

»Und sind die dann auch wie Frederico?«

»Nein, die sind etwas anders, die haben andere Aufgaben. Im Himmel hat nämlich jedes Lebewesen eine Aufgabe. Eine Aufgabe, die mit den Aufgaben der anderen Hand in Hand einhergeht.«

»Aha. Jedes Lebewesen, also jeder, alles Leben hat eine Aufgabe?«

»Ja«, sagt Jesus, »alles hat eine Aufgabe und alles ist wichtig. Jedes kleinste Teil ist wichtig, ganz wichtig. Und es bedarf ganz viel Liebe, dies zu sehen und dies wahrzunehmen. Aber du kennst sie und du hast sie.«

»Ja. Weißt du Jesus, ich liebe die Kamilomanen, ich mag sie einfach. Aber wieso kann sie nicht jeder sehen? Ich habe sie von Anfang an gesehen.«

»Ja Ayahmah, weil du von Anfang an ein großes Herz hast.«

»Wie ist das eigentlich? Deine Hütte, sie leuchtet so hell, gelb, golden, strahlend, und du bist so erfüllt mit Liebe. Wie ist das dann für dich? Deine Hütte ist immer auf, es kommen immer ganz viele Engel zu dir und doch konnte ich dich allein antreffen. Wie ist das denn? Ich hätte gedacht, wenn ich heute zu dir komme – ja, ich gebe zu, ich wollte auf den lieben Gott warten, aber er hat mich ja allein gelassen.«

»Nein, Ayahmah. Gott lässt dich niemals allein. Er hat dich nicht allein gelassen. Ich habe ihn gebeten, ich habe zu ihm gesagt: ›Lieber Gott Vater, Ayahmah kann zu mir kommen.‹ Gott Vater und ich sind im stetigen Kontakt und so bist du zu mir gekommen.«

»M-hm.«

»Das ist das Wichtige. Weißt du, Gott ist immer da, auch wenn du ihn nicht siehst, ist er da. Er ist in deinem Herzen. So ist er auch bei den Menschen im Herzen. Die Menschen, die ihn lieben, die ihn achten, bei denen ist er im Herzen.«

»Ja, Jesus. Das wollte ich dich fragen. Ich wollte dich fragen, es geht hier im Himmel das Gerücht rum, dass sich auf Erden Menschen getötet haben wegen dir, und dass es Kriege gibt. Ich weiß nicht, was Krieg ist, aber es muss nicht schön sein. Und da gibt es eine extra Abteilung im Himmel, so eine Zwischenabteilung, wo die, die im Krieg waren, regeneriert werden. Wo sie geheilt werden, wo sie mit Liebe überschüttet werden. Wo ihre Herzen glatt gestrichen werden. Wo all ihre Seelenteile zusammengefasst werden, verbunden werden und wo ihnen der Atem des Lebens eingehaucht wird. Da war ich schon einmal.«

»Ich weiß, Ayahmah.«

»Woher weißt du das?«

»Weil ich auch immer bei dir bin. Deshalb hattest du auch Angst.«

»Wie, ich hatte Angst, weil du immer bei mir bist, und ich habe dich nicht gesehen und dachte, ich sehe dich heute das erste Mal, obgleich du mir auf einmal so vertraut bist und ich dir alles, alles, alles erzählen möchte und ich selbst den lieben Gott bei uns spüre.«

»Gottes Geist ist bei uns, denn wir sind eins. Erkenne dies und fühle dies in deinem Herzen, immer und immer wieder. Ja, es stimmt. Menschen haben Kriege begonnen in meinem Namen. Das ist das, weswegen ich diese Hütte habe. Die Hütte, die so hell leuchtet. Sie soll ein Stern sein. Sie ist ein Stern für die Menschen, und für die Engel ist es ebenso ein Halt und ein Ziel, denn keiner sollte aufgeben, den Menschen gerecht zu werden, indem er ihnen die Liebe Gottes nahebringt, näherbringt.«

»Ja, aber Jesus, ich verstehe es nicht. Wieso gibt es Kriege in deinem Namen? Du bist doch nicht Krieg, du bist doch die Liebe. Wie gibt’s das?«

»Weißt du, Ayahmah, der liebe Gott, unser Vater, er hat den Menschen den freien Willen gegeben. Jeder Mensch kann selbst entscheiden, wie er sich fühlt, wie er handelt und was er tut. Bei uns hier im Himmel, da ist das Wort und das Denken eins. Da gibt es nichts anderes. Da gibt es keine Abweichung. Es gibt keine Lüge.«

»Was ist denn eine Lüge?«, fragt Ayahmah.

»Eine Lüge ist, wenn einer etwas anderes sagt, als er meint.«

»Ach das ist das, wo ich so ein ungutes Gefühl bekomme und hatte, als ich von meinem Ausguck aus auf die Erde hinabblickte.«

»Ich weiß, Ayahmah.«

»Ach Jesus, du bist so groß und ich bewundere dich so sehr. Du gibst mir so eine Kraft in mein Herz. Du gibst mir …; ich fühle mich so vollkommen.«

»Du bist vollkommen«.

»Nein«

»Wieso meinst du, dass du nicht vollkommen bist, Ayahmah, sag‘ mir das. Schau mal aufs Wasser, was siehst du?«

»Ich sehe meine Füße.«

»Schau weiter aufs Wasser, was siehst du?«

»Ich sehe das Wasser, es schimmert blau und grün und die ganzen Fische, die ich vorhin gesehen habe, die sehe ich jetzt nicht mehr.«

»Schau länger aufs Wasser. Nicht auf deine Füße, aufs Wasser!«

Ayahmah blickt aufs Wasser. Nun nimmt sie wahr, wie das Wasser leichte Kreise um sie bildet und wieder Kreise und Kreise in den Kreisen. Sie blickt auf, sie blickt nach vorne, sucht das Ufer, dreht sich um, blickt um sich herum, sieht den endlosen Horizont. Sie blickt zur Sonne, sie dreht sich um und blickt zum Mond. Im Himmel sind Sonne und Mond ineinander verwoben. Wenn der Mond rechts ist, ist die Sonne links. Wenn der Mond oben ist, ist die Sonne unten. Sie bilden eine Einheit. Wie alles im Himmel eine Einheit bildet. Ayahmah blickt um sich. Sie sieht Paffimonen, die Vögel des Himmels. Sie blickt wieder aufs Meer. Sie blickt an ihren Füßen vorbei und blickt ins Meer. Nun sieht sie den Meeresgrund. Schöne bunte Gestalten zeigen sich ihr. Kleine Tierchen mit Fell sind im See. Sie sieht Bäume im See. Sie sieht Gras im See. Sie sieht Fische im See. Sie sieht so vieles. Sie sieht sogar Seepferdchen – und Walrösser.

»Ah, schau mal, Jesus, ist das Ernst?«

»Nein. Die Wolke Ernst ist da, wo sie ist.«

»Hmmm…«

»Merkst du Ayahmah, wieviel du siehst, wenn du aufhörst dich selbst zu begrenzen, nimmst du das wahr?«

»Oh ja. Ich sehe das, ich nehme das wahr.«

»Erkennst du das? Weißt du nun, wie wichtig das ist, dass du immer die Augen aufhalten sollst, immer wieder?«

»Ui, schau mal Jesus, schau mal, schau mal! Ich blicke genau in das Auge eines Fisches.«

»Ja, blicke weiter hinein.«

»Und ich sehe durch sein Auge hindurch, es ist ein blauer Punkt und außen ist eine grün-gelbe Linse und ich blicke in die Linse, durch die Linse hindurch. Jetzt wird die Linse kleiner und das Auge wird größer und ich sehe hindurch und ich sehe hinter dem Fisch … – hinter dem Fisch, was ist das? Da sehe ich einen Berg. Wieso, was ist das? Ein Berg, hinter dem Fisch? Was sehe ich da? Nun sehe ich ein Fass, was ist das?«

»Ayahmah, blicke weiter, lass dein Herz weit werden. Blicke hinein. Schalte deine Gedanken ab. Blicke einfach nur hinein und fühle.«

Ayahmah bemüht sich redlich. Sie blickt hinein und lässt die Gedanken, die in ihr aufsteigen, aufsteigen und hinfort ziehen. Sie blickt. Ja, jetzt sieht sie es. Sie sieht eine unendliche Weite hinter dem Auge und da geht es weiter, da ist der See, da ist das Meer, da ist der Horizont, da ist die Unendlichkeit. Sie nimmt ein wunderbares Gefühl der Liebe und der Wahrhaftigkeit in sich wahr. Ihr Herz schlägt schneller und sie fühlt. Sie fühlt sich geborgen. Sie spürt die Liebe.

»Ist das die Liebe, die ich sehe? Sehe ich die Liebe umrandet von dem grün-gelben Ring, wo ich meine, ich blicke in ein Auge eines Fisches?«

»Nein, Ayahmah, du fühlst die Liebe. Die Liebe kann man nicht sehen. Obgleich, du kannst sie sehen, ja du kannst sie sehen. Stärke das, stärke das. Denn du bist der Engel des Herzens und die Liebe, die du sehen kannst, kannst du in die Hand nehmen und damit kannst du vieles vollbringen. Wirklich vieles. Denn wenn du die Liebe in die Hand nimmst und diese Kraft der Liebe wahrnimmst, das was du siehst, mit deinen Worten erfüllst, und deine Worte an die anderen Menschen, an die anderen Engel – und ich weiß ja, dass du öfter zur Erde gehen wirst, deshalb sage ich extra an die Menschen – weitergibst, kann noch viel mehr geschehen. Das ist wichtig, das ist sehr wichtig. Behalte dir dieses Gefühl und dieses Bild der Liebe immer und immer im Herzen und gebe dies immer weiter und fass‘ es, nimm es doch mal in die Hand.«

»Aber ich kann doch nicht, ich kann doch nicht den Fisch anfassen.«

»Ayahmah, besinne dich. Schau doch mal.«

Ayahmah blickt um sich. »Nein, es ist gar kein Fisch.«

»Siehst du, Ayahmah.«

»Soll ich das jetzt in die Hand nehmen?«

»Versuch es.«

»Ich kann es nicht.«

»Ayahmah, es gibt kein ›ich kann es nicht‹. Du kannst alles. Alles kannst du. Beschränke dich nicht. Das tun bereits viele Menschen, aber das brauchst du nicht. Beschränke dich nicht.«

Ayahmah streckt ihre Hände nach vorne und versucht dieses Gebilde zu greifen, aber es gelingt ihr nicht. Jesus steht ganz entspannt daneben und beobachtet. Er geht weiter.

»Jesus, wieso gehst du einfach weiter, was ist denn, willst du da nicht …«.

Er hört sie nicht mehr, er geht einfach weiter. Er geht einfach weg! Ayahmah ist empört, zutiefst empört. Sie ruft ihn noch einmal, doch er dreht sich nicht mal um.

»So, jetzt steh ich da, ich stehe ganz allein hier auf dem See, das Ufer ist weg, Jesus geht, wo bist du, lieber Gott? Lieber Gott, wo bist du denn? Ich denke du bist immer hier, wieso spüre ich dich nicht mehr? Lasst ihr mich jetzt alle allein, oder was? Was ist denn?« Ayahmah wird wütend.

»Geduld! – Geduld!« Es dringt durch sie hindurch, ganz sanft, dieses Wort. »Geduld!« Sie blickt nach oben.

»Wo kommt das denn her?«

»Geduld!«

»Ja was, wer sagt hier zu mir ›Geduld!‹ – wer?«

»Ein Paffimone.«

»Was ist das denn? Wie kommst du denn hierher, Paffimone?«

Ein kleiner, lilafarbener Kerl kreist um sie herum und fängt an zu lachen.

»Hey, wieso lachst du, wie heißt du denn überhaupt?«

»Hubert!«

»Hubert? Woher willst du wissen, dass mir Geduld fehlt? Wieso sagst du ›Geduld‹ zu mir?«

»Weil ich weise bin.«

»Du bist lila, du bist nicht weiß«.

»Doch ich bin weise«.

»Und wieso bist du weise?«

»Das habe ich in der Schule gelernt.«

»Du bist in der Schule?«

»Ja. In der Paffimonen-Schule.«

»Die kenne ich nicht, ich kenne nur die Engelsschule. Erdenkundestunde habe ich da immer. Aber da gehe ich jetzt nicht mehr hin, weil ich nämlich jetzt öfter direkt mit Alexsandria zur Erde fliege.«

»Mhm, das weiß ich auch.«

»Wieso wissen denn alle, was ich mache?«

»Tja, weil du die Ayahmah bist. Du bist immer lauter als die anderen und doch leiser.«

»Gut, also und du meinst, mir fehlt Geduld?«

»Ja.«

»Aha –das ist aber auch schwer, Geduld zu haben! Hubert, bist du noch da?«

Hubert ist einfach davongeflogen.

Ayahmah ist wieder allein. Sie steht allein, verlassen auf dem See und versucht, mit ihren Händen die Liebe zu nehmen. Es ist eine Masse. Sie versucht, diese Masse zu greifen. Sie streckt sich danach aus und windet sich und macht und tut und ist total beschäftigt, sodass sie um sich herum alles vergisst. Alles! Sie sucht und sucht und macht. Während ihres Tuns vergisst sie ihre Ungeduld. Es fängt an, sie richtig zu fesseln, aber im Angenehmen, im Positiven.

Irgendwann stellt sie fest: Jetzt glaub ich ist es Zeit, dass ich weiter gehe. Wenn ich die Liebe hier nicht fassen kann, vielleicht kann ich sie dann im Wolkenreich fassen. Ich versuch es einfach. Ob ich Jesus nochmal rufen soll? Ich glaube nicht, dass er mich einfach im Stich lässt. Das ist nicht seine Art.

Ayahmah ist still, sie geht in sich und verharrt.

»Jesus« – keine Antwort. »Lieber Gott« – keine Antwort. »Frederico« – Frederico, er kommt. Auf ihren Kamilomanen ist eben Verlass, und Frederico und sie sind eins. »Oh, schön, dass du da bist!«

»…«

»Ah!«

»…«

»Mhm.«

»…«

»Toll!«

»…«

»Sehr schön!«

»…«

»Ah, ja!« Ayahmah beschließt mit Frederico, den See zu verlassen. Gemeinsam fliegen sie fort, fliegen zurück. Jetzt gehe ich zu Tante Alexsandria. Ich möchte endlich einmal wieder mit einem ganz normalen, hysterisch veranlagten Engel sprechen. Ich möchte mir einfach darüber Gedanken machen. Das ist eine Übung, die ich selbst an mir durchführen muss. Woran ich dranbleiben muss. Und das mache ich.

Ayahmah und Frederico landen. Frederico kehrt zurück zu den anderen Kamilomanen in den Engelswald. Auf dem Weg zu ihrer Engelstante Alexsandria macht sich Ayahmah noch so ihre Gedanken. Wie ist das, wieso war Jesus auf einmal einfach gegangen? Warum ist Hubert einfach davongeflogen? Wieso hat der liebe Gott nicht auf mich reagiert? Diese Gedanken beschäftigen Sie, sie denkt nach und dann fällt es ihr ein. Oh ja, Jesus ist gegangen, als ich gezweifelt habe. Als ich gesagt habe: Ich kann das nicht. Einmal hat er dagegengesprochen, hat es mir erklärt, aber ich habe nicht auf ihn gehört, habe ihn nicht geachtet. Das Gleiche bei Hubert, auch da habe ich gesagt: Ich kann es nicht, dann ist er einfach geflogen. Und dass der liebe Gott nicht dableibt, nicht reagiert, wenn ich schon die Worte, die mir ausgerichtet werden, nicht wahrnehme, weil ich lieber an Ängsten festhalte, die in mir sind, dann ist es logisch, dass auch der liebe Gott nicht reagiert. Das habe ich gelernt. Ja, das ist eine weise Lehre. Ich gehe morgen gleich nochmal zu Jesus, ich gehe nochmal auf den See, und zum lieben Gott gehe ich sowieso. Nein, ich gehe nicht morgen, ich gehe jetzt.

Ayahmah dreht um und geht zum lieben Gott.

»Hallo, lieber Gott!«

»Hallo Ayahmah – komm rein. Was möchtest du mir denn sagen? Möchtest du mir Vorhaltungen machen, dass ich nicht gekommen bin, als du gerufen hast, mit Widerwillen in deinem Herzen?«

»Oh nein, lieber Gott. Das hätte ich gemacht, wenn ich nicht verstanden hätte, um was es geht. Ich danke dir sehr, dass ich dies verstehen durfte, wirklich. Ich habe verstanden, dass nichts bei mir bleibt, wenn ich den Glauben an mich nicht habe, und wenn ich an mir selbst herumkritisiere und im Zweifel bin. Selbst Jesus ist gegangen, Hubert ist davongeflogen, und du bist nicht gekommen. Weil ich nicht eins war, so ist das doch lieber Gott, oder?«