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Emma, ein auf der Erde lebendes, introvertiertes Engelsmädchen, dass Aufmerksamkeit mehr hasst als alles andere, gerät plötzlich in den Fokus des Teufels als sie seinen gefallenen Stern an sich nimmt. Im Kampf zwischen Himmel und Hölle zieht der Teufel alle Register um seinen Stern wieder zu bekommen. Dabei machen seine gesandten Dämonen Emma das Leben schwer. In all dem Trubel findet sie ausgerechnet unter ihnen ihren Traummann. Liebe zwischen Licht und Schattenwelt, und dunkle Gestalten, die vor nichts zurück schrecken.
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Veröffentlichungsjahr: 2022
Engelsdämon
Engelsdämon
Zwischen Himmel und Hölle
Doreen Franke
Für meine wundervolle Familie, ohne die dieses Buch nie
enstanden wäre.
Doreen Franke wurde 1980 geboren. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren vier Kindern in Thüringen / Deutschland.
Schon immer von unerklärlichen Dingen, die zwischen Himmel und Erde passieren, fasziniert, schrieb sie dieses Buch. Ihr Wunsch ist es, einmal selbst in diese fantastischen Welten ab zu tauchen und ihre Leser dorthin mit zu nehmen.
© 2022 Doreen Franke
Buchsatz von tredition, erstellt mit dem tredition Designer
ISBN Softcover: 978-3-347-57838-8
ISBN Hardcover: 978-3-347-57839-5
ISBN E-Book: 978-3-347-57840-1
ISBN Großschrift: 978-3-347-57841-8
Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.
Einleitung
Nachts sind alle Katzen grau. Sagt man doch so, oder?
Ich bin da wohl die Ausnahme. Sobald die Nacht herein bricht, bin ich alles andere als grau. Aber erst einmal auf Anfang.
Der Regen klatschte mir kalt ins Gesicht, als ich an diesem stürmischen Frühlingsmorgen in die Stadt lief. Immer wieder peitschten mir Äste der großen Fichten ins Gesicht. Himmel und Bäume waren so dunkel, als wäre es mitten in der Nacht. Bei jedem Schritt von mir patschte es laut, und Wasser spritzte in alle Richtungen. Die Luft roch nach Moos und Pilzen. Der Weg aus dem Wald, in dem wir wohnten, war bei nassem Wetter besonders schwierig. Leider ging das nicht anders. Wir, das war eine kleine Gruppe Leute, die genauso waren wie ich: anders.
Wir lebten in einer alten, kleinen, weißen, hölzernen Kirche, mit zwei spitzen Türmchen und bunten Glasfenstern, die bei Sonnenlicht in allen Farben des Regenbogens schimmerten. Sie hatte nur ein Stockwerk, aber dafür waren die Räume wahnsinnig hoch. Von außen sah sie alt aus, von innen allerdings, hatte sie alles, was man sich wünschen konnte. Moderne Küche, Spielekonsolen, großer Fernseher, wie bei anderen Menschen auch. Sträucher, die im Sommer mit Beeren und bunten Blumen besetzt waren, rankten an den Außenwänden empor und rund herum spendeten riesige Fichten Schatten und Schutz vor Wind. Hinter der kleinen Kirche war ein rauschender Bach. All das war mitten im Dickicht eines Fichtenwaldes. Gut versteckt, mit einem Schutzwall umgeben, damit normale Menschen unsere Kirche nicht sehen konnten. Was auch besser so war, Menschen fürchten sich vor allem, was anders ist, auch wenn es nicht gefährlich scheint. Bei Tag sehen wir aus, als wären wir ganz normale Menschen, doch sobald es dunkel wird, wie soll ich es beschreiben?
Wir glühen, irgendwie. Es ist, als wären wir von einer Art leuchtender gelber Aura umgeben. Sobald das Licht ausgeht, spielen wir Glühwürmchen.
Klingt lustig, ist es aber nicht. Versteck mal ein Glühwürmchen im Dunkeln.
Und das ist nicht alles. Wir haben spezielle Kräfte, Schnelligkeit zum Beispiel, oder enorme Kraft, ein wenig Zauberei, Heilkräfte und Gedankenlesen.
Wir selbst nennen uns die Fireflies. In Wahrheit aber, sind wir Engel. Gesandte des Himmels, um die Geschöpfe der Erde vor Bösem zu beschützen.
So zu sein wie wir, ist eine Ehre.
Ich war gerade mal 17. Also ging ich, wie alle anderen Teenager auch, zur Schule.
Ziemlich langweilig, wenn man bedenkt, dass Engel schon mit allem Wissen geboren werden. Zum Glück musste ich da nicht alleine durch. Noch zwei andere von uns, die 18jährigen Geschwister Ben und Charly, waren mit mir in einer Klasse, Zwillinge, eineiig auch noch. Wir waren das perfekte Dreiergespann.
Wir waren ein eingefahrenes Grüppchen, dem sich im Normalfall niemand näherte. Die anderen Schüler wussten nichts von unserer wahren Identität, blieben uns aber trotzdem lieber fern.
Als Engel sind wir natürlich unheimlich attraktiv, makellos könnte man fast sagen.
Wie stellt man sich einen Engel vor? Reine Haut, ein strahlendes Lächeln, tolle Figur, perfekte Haare, Augen mit einem Hauch von Glitzerschimmer, und einem angenehm süßlichen Duft.
Ich bin übrigens Emma, die Kleinste unserer Gruppe mit gerade mal 1,60m. Ben und Charly waren über 1,90m. Die perfekten Beschützer, auch wenn ich mit meinen Fähigkeiten keine brauche. Sie waren eher die Normalos was den Stil anging. Beide hatten schwarze kurze strubbelige Haare, blitzende stahlblaue Augen, und immer ein verschmitztes Lächeln auf ihren schmalen Lippen. Sie passten sich an. Jeans, Kapuzenpulli, Turnschuhe, was der normale Schüler so trug, natürlich immer im Partnerlook.
Anders dazu ich, die sich noch nie so richtig anpassen konnte.
Meine schwarzen langen Haare, die mir bis zur Hüfte reichten, und meine dunkelbraunen Augen, die ich immer mit einem Hauch Kajal versah, passten zu meiner blassen Haut und den vollen Lippen. Mein Kleidungsstil war einfach zu beschreiben: Schwarz.
Löchrige Hosen, enge Shirts, Lederjacke, Stiefel.
Silberne Ohrringe und Kettchen gaben dem Ganzen den letzten Schliff.
Ben und Charly waren in etwa wie die zwei berühmten Zauberer Zwillinge, die man aus Büchern und Filmen kennt, immer einen Scherz auf Lager, ständig am Rumblödeln, wobei ihnen ihre Zauberei wirklich hilfreich war. Angefangen bei harmlosen kleinen fliegenden Papierkügelchen, bis hin zur Überflutung der Toiletten wenn jemand drauf saß, den sie nicht leiden konnten. Wohin gegen ich eher die ruhige Seele unseres Gespanns war.
Ich schaute meist ernst und verträumt, war Gedanken versunken und versuchte mich von den normalen Schülern zu distanzieren. Aufmerksamkeit mochte ich gar nicht.
Unsere Schule sah aus wie jede andere auch. Lange helle Gänge, Neonlicht, beschmierte Wände hier und da, überall Poster vom bevorstehenden Frühlingsball, helle Klassenzimmer mit Holztischen und Stühlen, die auch schon bessere Zeiten gesehen hatten. Das ganze Gebäude roch nach Turnschuhen und alten Salamibroten.
Von den Toiletten reden wir nicht.
Alles war wie sonst überall auch, bis auf uns eben, den Fireflies.
Kapitel 1
Der Neue
Je näher ich der Stadt kam, desto mehr ließ der Regen nach. Was nun auch egal war, weil meine Klamotten eh schon durchgeweicht waren. Ich war klatschnass, meine Haare hingen tropfend an mir herunter und sorgten dafür, dass ja kein Stück meines Rückens und Rucksacks trocken blieb.
Ich verspätete mich, Charly und Ben waren schon in der Schule, trocken wahrscheinlich durch irgendwelche Zauber.
Endlich auf dem Schulhof angekommen, läutete es schon zum Unterricht. Ich lief noch schneller, die Eingangstür im Fokus, und KLATSCH…. Da lag ich, in einer Pfütze, Knie und Ellbogen aufgeschlagen (Gott sei Dank heilt das bei uns schnell), die Hosen noch zerrissener als so schon, schmutzig, peinlich berührt.
„Der Kandidat hat 100 Punkte!“
Wer war das?
Ich wischte mir die nassen Haare aus dem Gesicht, die durch den Sturz nun in voller Länge vorn über meinen Kopf in der Pfütze hingen, und schaute mich erschrocken um. Am Rand des Schulhofs stand ein Junge, welcher sich unter einem Baum vor dem Regen in Schutz brachte. Er lachte und klatschte Beifall zu meinem überragenden Sturz.
„HAHA!“ rief ich beschämt, „SAULUSTIG!“.
Schnell warf ich meine vor Schlamm und Wasser tropfende Mähne nach hinten, stand auf und versuchte mir den Schmutz von der Kleidung zu klopfen, was natürlich alles nur noch schlimmer machte. Von oben bis unten mit Matsch beschmiert, lief ich in die Schule. Hier war es schön warm, und durch das nasse Regenwetter roch es noch viel mehr nach alten Turnschuhen als sonst.
„Heute muss es wohl doch mal sein“, dachte ich bei mir und zauberte mich trocken und sauber.
Der Chemieunterricht beim Müller hatte schon angefangen als ich in die Klasse kam. Er war ein großer schlaksiger Mann mit kurzen gepflegten grauen Haaren und einer Brille, die er vorn auf der Nasenspitze trug.
Alle sahen mich aus dem Augenwinkel an, aber keiner traute sich ein Wort zu sagen. Hat schon was für sich wenn man ein Außenseiter ist.
„Auch schon da?“, raunte der Müller. Ich setzte mich auf meinen Platz hinter Ben und Charly und schaute aus dem Fenster. Es hatte aufgehört zu regnen. Der Schulhof schien komplett unter Wasser zu stehen. Stellenweise brach der Himmel auf und ließ ein paar grelle Sonnenstrahlen durch die dunklen Wolken blitzen.
„Bist ja wieder sauber.“, flüsterte eine Stimme.
Ich zuckte zusammen. Hatte etwa noch jemand gesehen, wie ich in der Pfütze gelandet bin?
„War ne tolle Landung.“, flüsterte die Stimme wieder.
Langsam sah ich mich um, keiner schien Notiz von mir zu nehmen. Alle schauten zum Müller, der irgendwelche Formeln an die Tafel schrieb.
„Hinter dir.“
Ich fuhr herum, da saß der Junge, welcher mir auf dem Schulhof die 100 Punkte vergab.
Wie kam er unbemerkt hier rein?
Er musste neu sein. Ich hatte ihn noch nie gesehen.
Er war vielleicht 1,80m groß, mit langen schwarzen glatten Haaren die ihm glänzend über die Schulter fielen. Seine mandelförmigen, dunkelbraunen – fast schwarzen Augen zierte ein hell leuchtender honigfarbener Ring um seine Pupille. So etwas Wunderschönes hatte ich noch nie gesehen. Er trug einen Hauch Kajal. Abgerundet wurde das ganze durch schmale perfekt geformte Augenbrauen. Er hatte ein markantes Gesicht, einen frech grinsenden Mund und volle Lippen. Ohrringe hatte er so viele, dass ich sie im ersten Moment gar nicht zählen konnte. Auch er war ganz in schwarz gekleidet, so wie ich, das gefiel mir.
„Wer bist du?“, flüsterte ich neugierig, und das war ich wirklich.
Eine Antwort bekam ich nicht, nur ein freches Lächeln, ein Augenzwinkern und ein Schulterzucken.
Die restliche Unterrichtsstunde verbrachte ich damit, mir den Kopf über den Neuen zu zerbrechen und ihn immer wieder heimlich zu mustern.
Die Zwillinge hatten noch gar nichts von dem Neuen mitbekommen, und auch sonst schien niemand Interesse an ihm zu zeigen.
Es klingelte zur Pause, endlich.
„Also, wer bist du nun?“, fragte ich und drehte mich um, doch er war weg.
„Mit wem redest du?“, fragte Charly und sah mich mit gerunzelter Stirn an.
„Mit dem neuen, mit wem sonst?“.
„Welcher Neue?“
Hab ich mir bei meinem Sturz den Kopf angehauen? Hab ich ihn mir nur eingebildet? Was war hier los?
Als nächstes stand Englisch auf dem Plan. Die Zirbel stand schon ungeduldig an der Tafel, um uns gleich mit ihrem „Good morning, sit down please.“, nerven zu können.
Die Zirbel war eine kleine, rundliche Frau mit Dutt und einem kleinen Buckel. Sie hatte einen spitzen schmalen Mund um den sich winzige Fältchen zogen und eine ziemlich hohe piepsige Stimme.
Sie stand auf Esoterik und Räucherstäbchen. Ihr Klassenraum war der einzige, der weder nach Salamibrot noch nach Turnschuhen roch. Aber besser war das auch nicht. Jeden Tag wurde man mit einem neuen Geruch eingeräuchert. Heute war es vergammelte Ratte. Sicher hieß der Duft anders, aber er roch wie totes Ungeziefer. „Das reinigt Seele und Aura.“, piepste sie zufrieden.
„Es reinigt eher meinen Magen.“
Da war er wieder, der Neue. Er lachte über seinen eigenen Witz und setzte sich auf einen leeren Platz.
Sehr zu meinem Gefallen, saß er genau am Tisch neben mir.
Während die Zirbel an der Tafel vor sich hin piepste, war der Neue damit beschäftigt kleine Figuren auf seine Tischplatte zu malen. Ich verbrachte die Stunde damit, ihn zu beobachten, und er tat so, als würde er es nicht merken. Seine schwarzen langen Haare glänzten im Schulneonlicht, und immer wieder wischte er sie sich aus dem Gesicht. Ich konnte gar nicht weg schauen.
„Da guckste, was?“, flüsterte er leise. Seine freche Art gefiel mir. Er schaute verschmitzt durch seinen Vorhang aus Haaren.
„Ich bin Damian.“, flüsterte er, „Und du bist Emma, richtig?“
Verdutzt stimmte ich langsam nickend zu.
Woher wusste er das? Ehe ich das fragen konnte, zeigte er zwinkernd auf meinen Rucksack, der neben meinem Tisch stand. In dicken Buchstaben hatte ich da mal EMMA drauf gemalt, als es mir beim Müller zu langweilig war. Ich versuchte seine Gedanken zu lesen, um mehr über ihn zu erfahren, aber es wollte mir irgendwie nicht gelingen.
„Die Blätter raus, wir schreiben einen Test!“, zwitscherte die Zirbel.
Während wir alle an unserem Test saßen, kritzelte Damian weiter auf seiner Bank. Beim Ausgeben und Einsammeln der Blätter, wurde er einfach übersehen. Als wäre er gar nicht da. War er denn da? Ich war verwirrt.
Es klingelte zur Pause und zack!- weg war er wieder. Es war zum verrückt werden.
„Alles ok Emma? Du schaust heute noch nachdenklicher als sonst.“, fragte Charly. „So isses.“, warf Ben hinterher.
Ich überlegte einen Moment, ob ich ihnen von Damian erzählen sollte, ließ es dann aber doch. Fürs erste musste ich selbst erstmal herausfinden, was es mit ihm auf sich hatte.
„Alles gut.“, antwortete ich kurz, „Bin nur müde.“
Damit gaben sie sich zufrieden und schubsten sich beim raus gehen aus der Klasse immer wieder hin und her wobei Ben die Zirbel erwischte, welche unsanft und schon fast quiekend vor dem Klassenraum auf ihrem Hintern landete. Das Gelächter der Schüler auf dem Gang war ohrenbetäubend. Ben half ihr wieder auf, entschuldigte sich und die Zirbel stakte verwirrt davon.
Frühstückspause, jetzt vermischte sich der Geruch der toten Ratte mit den Salamibroten auf dem Flur, lecker!!
Es war Mittwoch, der Tag an dem der Imbisswagen immer vor der Schule parkte.
Martin, der Mann mit den besten Burgern der Welt, der in seinem weißen Kittel, den zerzausten blonden Haaren und den immer freundlich schauenden schmalen Augen aussah, als wäre im Chemielabor was schiefgelaufen, wusste schon genau, was jeder einzelne Schüler wollte.
„Einen großen Salat, viel Gurke, etwas Tomate, Käse, keine Zwiebel, viel Dressing.“ Zufrieden schaute er mich an. Ich nickte lächelnd und nahm mein Essen entgegen. „Danke Martin, bis nächsten Mittwoch.“
Ich verzog mich in eine ruhige Ecke unter ein Frühlingsballplakat, ließ mir meinen Salat schmecken und schaute in die Runde.
Die Sportler bewarfen sich mit ihren Chickennuggets , die Prinzessinnen kreischten jedes Mal, wenn ihnen vom fliegenden Essen etwas zu nahe kam, die Streber versteckten sich kauend hinter ihren Büchern, aber keiner nahm Notiz von mir. Und genauso gefiel es mir.
„Schling nicht so.“, riefen Ben und Charly wie aus einem Mund und stapften in schnellem Schritt mit ihrem Essen an mir vorbei.
Der restliche Schultag war eher unspektakulär. Nichts Besonderes, nichts Aufregendes, kein Damian.
Die Schule war vorbei. Ich lief mit Ben und Charly nach Hause. Der Weg war immer noch matschig, aber wenigstens blieben wir von oben trocken.
„Was gibt’s zum Mittag?“, rief Ben laut als wir in unsere Kirche kamen.
Er hatte immer Hunger. Seine drei Burger und die halbe Pizza vom Frühstück hatte er förmlich eingeatmet.
„Überbackenes Hühnchen!!“, rief Elisa aus der Küche zurück. Sie war mit 42 Jahren die Älteste von uns, und die gute Seele unserer kleinen Gemeinschaft.
Sie war groß, schlank, mit einem blonden Bob und grünen Augen. Ihr Mund stand selten still. Auch war sie sowas wie unsere Anführerin. Was sie sagte, war Gesetz.
Der Duft von gebackenem Hähnchen und leicht angeschmortem Käse zog durch den großen Gemeinschaftsraum. Ben tippte schon ungeduldig mit den Fingernägeln auf seinem leeren Teller. Endlich saßen alle am Tisch und aßen.
Ich hatte keinen großen Hunger und schaute langsam kauend durch das geöffnete Fenster mir gegenüber.
Ist das? Nicht möglich, oder doch? War das Damian da draußen? Was machte er hier? Konnte er unser Versteck sehen? War er allein?
Mir fiel vor Schreck die Gabel aus der Hand. Alle drehten sich zu mir herum und dann aus dem Fenster, genau da hin, wo Damian war, dann wieder zu mir.
„Schwächeanfall?“, fragte Charly verdutzt.
Wieder konnte ihn keiner sehen.
Was war hier los??
Ich tat so, als ob nichts wäre, schaute aber weiter zu dem Neuen hinaus. Er hockte nun an einen Baum gelehnt und schien auf irgendwas zu warten. Hin und wieder zupfte er einen Grashalm aus dem immer noch nassen Waldboden und zerteilte ihn in kleine Stückchen.
Ob er unser Essen riechen und uns dadurch entdecken konnte?
Gerade schob ich mir meinen letzten Bissen Huhn in den Mund, als er mir lächelnd zuzwinkerte.
Ich verschluckte mich vor Schreck, trank schnell einen Schluck Wasser, musste aber so sehr husten, dass mir das Wasser aus der Nase geschossen kam.
Damian musste so lachen, dass er aus seiner Hocke kippte und nun, immer noch lachend, halb auf dem bemoosten Boden lag.
Auch die andern am Tisch konnten sich das Lachen nicht verkneifen. Immer noch tropfte mir Wasser aus der Nase, ich lief knallrot an und wäre am liebsten unter den Esstisch gekrochen.
„Was ist denn heute los mit dir?“, fragte Charly besorgt. Hast du einen Geist gesehen?
Ein Geist, vielleicht war er ein Geist! Einer den nur ich sehen konnte. Ich musste es wissen.
„Ich muss kurz Luft schnappen.“, entschuldigte ich mich und ging hinaus.
Damian saß immer noch auf dem Boden und lachte leise.
Ich winkte ihn zu mir herüber, dahin wo man mich von drinnen nicht sehen konnte, schließlich sollte keiner denken, dass ich mit mir selbst erzähle. Langsam schlenderte er auf mich zu.
Immer mehr wollte ich wissen wer dieser geheimnisvolle gutaussehende Junge war. Er war auch anders, soviel war schon mal klar.
Da stand er vor mir und grinste mich an.
„Nicht dein Tag heute, was?“
Ich brachte keinen Ton heraus. Stattdessen hob ich langsam meinen Zeigefinger und tippte ihm damit ganz leicht gegen die Schulter.
„Echt bist du schon mal.“, sagte ich erleichtert. Er lachte laut.
„Na was hast du denn gedacht?“
Ich wagte es nicht, ihm zu sagen, dass ich ihn für einen Geist gehalten hatte. War schon peinlich genug heute.
„Du bist anders.“, stammelte ich.
„Und da bist du ganz allein drauf gekommen?“, antwortete er frech.
Ich musste lächeln, ich mochte seine lockere Art. Wir gingen ein Stück und setzten uns an den Bach hinter unserem Haus auf einen alten Holzstamm.
Ich versuchte ihn über alles Mögliche aus zu fragen. Darüber, warum ihn außer mir niemand sah, warum er mich in unserem Versteck sehen konnte.
„Weil ich anders bin, und weil ich entscheide wer mich sehen kann. Mehr musst du erstmal nicht wissen.“, er grinste und seine Augen schimmerten dabei geheimnisvoll.
Oh wow! Was für eine Antwort! Wahnsinn! Ich knirschte leicht mit den Zähnen.
„Du bist ein Engel nicht wahr?“, fragte er mich. Der honiggelbe Ring um seine Pupille leuchtete schon fast. Er schien vergnügt darüber mich so im Ungewissen zu lassen.
„Ja, aber…“, nun war ich ganz perplex. Ich entschloss mich zu schweigen und ab zu warten, ob er mehr von sich Preis geben würde.
Die Wolkendecke brach allmählich auf und die Sonne kam heraus.
Es wurde wohlig warm am kleinen Bach.
Gerade als ich doch wieder zu einer Frage ansetzen wollte, hob der Neue seine rechte Hand über den Bach. Er hatte erstaunlich gepflegte Hände für einen Jungen. Das Wasser fing an zu glitzern und hob sich in einem kleinen Wall fast bis zu seiner Hand, um danach wieder sachte in tausend glitzernden Wasserperlen zurück zu rieseln. Das war wunderschön.
Plötzlich zeigte er mit dem Finger auf mich, und eine kleine Portion Bachwasser, klatschte mir ins Gesicht. Ich schnappte nach Luft, pulte mir eine kleine Alge aus dem Ohr und schaute ihn erschrocken und gleichzeitig fragend an.
„Weil ich es kann.“, sagte er locker, „Ich muss dann mal los.“
Er setzte ein breites Lächeln auf, zwinkerte mir noch einmal zu und ging.
Mit offenem Mund und immer noch total verwundert, ließ er mich am Bach sitzen und verschwand im Wald. Wer war er?
Am Abend lag ich meinem Zimmer auf dem Bett und fasste zusammen.
Er konnte Elemente (zumindest Wasser bis jetzt) beeinflussen, konnte durch unseren Schutzwall sehen und sich für andere unsichtbar machen. Ich war mir sicher, dass auch seine Augen, mit diesem unfassbar hübschen Honigring etwas zu bedeuten hatten, was genau war mir aber noch nicht klar.
Ob ich ihn bald wiedersehen würde? Mit diesem Gedanken schlief ich ein.
Ich träumte in dieser Nacht nur wirres Zeug über dunkle Wesen mit leuchtend roten Augen, die sich in Wasser, Wind, Feuer und Staub Hüllen konnten. Es war eine sehr unruhige Nacht.
Kapitel 2
Fips
Als der Wecker klingelte, saß ich schon auf der Bettkante und rieb mir die Augen. Vielleicht hatte ich das alles nur geträumt?
Aus dem Gemeinschaftsraum kam der Duft von Kaffee und frisch geröstetem Toast gezogen.
Beim Frühstück wurden lautstark Pläne für das bevorstehende verlängerte Wochenende gemacht. Heute war der letzte Schultag.
„Ich bin für Filme schauen und essen bis wir platzen.“, gab Ben von sich.
„Du platzt wirklich irgendwann nochmal.“, entgegnete Charly.
„Wir waren ewig nicht mehr shoppen.“, sagte Elisa und biss noch einmal von ihrem Marmeladentoast ab. Ein kleiner Klecks Marmelade hing ihr am Kinn und wackelte hin und her wenn sie sprach oder kaute, das merkte sie aber nicht. Ich verkniff mir das Lachen und versteckte mein Grinsen hinter meiner Kaffeetasse.
„Wie wäre es mit einem Ausflug?“, fragte Larry, „Wir waren ewig nicht aus dieser Stadt draußen.“
Larry war ein kräftiger aber gemütlicher langer Kerl mit schwarzer Beanie (er nahm sie nie ab, ich glaube sie war fest gewachsen, )breiten Schultern, grünen Augen und einem Lächeln, bei dem man all seine Zähne sehen konnte. Über sein Alter sprach er nicht, aber er wird wohl so Ende dreißig gewesen sein.
Alle stimmten zu. Nur ich saß, an meinem Toast knabbernd am Tisch, schlürfte meinen Kaffee und hielt mich raus. Mir war es egal was wir anstellten, ich hatte eh nur noch eine Sache im Kopf: Raus finden wer Damian war.
Der Weg zur Schule war heute einfacher. Der Boden war halbwegs trocken und der Himmel strahlte in seinem schönsten Blau über uns.
Plötzlich blieb Charly stehen, er lauschte kurz in den Wald und rannte auf einmal los.
Als wir ihn ein gutes Stück weiter einholten, stand er über einem verwundeten Hirsch. Das arme Tier röchelte ganz schlimm und war von oben bis unten mit Blut beschmiert, auch das Moos um ihn herum war damit getränkt.
Seine Augen waren weit aufgerissen und schauten ängstlich und Schmerz verzerrt. Dicke Tränen liefen aus ihnen heraus. Für einen Engel war das ein besonders schmerzvoller Anblick. Schließlich sind wir auf der Erde, um alle Lebewesen vor dem Bösen zu beschützen. Dieser arme Hirsch brauchte unsere Hilfe im Moment mehr, als alles andere.
Alle drei hielten wir die Hände über das verletzte Geschöpf und heilten ihn. Dabei glühen wir übrigens auch. Aus unseren Händen kommen helle lang gezogene Wellen, die in die Körper derer eindringen, die wir heilen.
Ich liebte das. Nach ein paar Minuten war es geschafft. Der Hirsch stand auf. Völlig angstfrei blieb er vor uns stehen und schaute uns in die Engelsaugen.
Er verbeugte sich als Dankeschön, und trabte tief in den Wald hinein.
„Ob das ein normaler Tierangriff war.“, murmelte Charly und sah sich vorsichtig um. Ben zuckte nur mit den Schultern.
Wir setzten unseren Weg zur Schule fort. Unterwegs unterhielten wir uns darüber, was den Hirsch wohl angegriffen hatte. Von verrückten Teenagern, über betrunkene Jäger bis hin zu einem Blitzeinschlag während des Sturms gestern, war alles dabei. Aber nichts schien der Wahrheit nahe zu kommen.
Auf dem Schulhof, welcher direkt am Waldrand lag, waren eine Menge Schüler zu einer großen Traube versammelt. Alle redeten wild durcheinander und betrachteten irgendetwas, das am Boden lag.
„AUSEINANDER!!“, schrie der Müller, und bückte sich zu dem, was da von allen angeschaut wurde. Nun konnten auch wir einen Blick darauf werfen.
Es war ein Rehkitz. Genauso wie der Hirsch ein paar Minuten zuvor, war es verletzt und atmete schwer. Es war schlimmer zugerichtet, als sein Artgenosse und war kaum noch am Leben.
„Wir bringen es zum Tierarzt.“, sagte Charly laut, und hob das vor Schmerzen wimmernde Kitz mit Leichtigkeit aber sehr vorsichtig vom Boden auf.
Alle schauten überrascht und fragend, sowas hatte man von uns Außenseitern wohl nicht erwartet.
Langsam liefen wir davon. Der Anblick dieses kleinen hilflosen Wesens war noch schlimmer, als der vom Hirsch. Es trieb mir die Tränen in die Augen das kleine Reh Baby so wimmern zu hören. Als wir außer Reichweite der anderen Schüler und dem Müller waren, legten wir das Kleine sanft ins Moos.