Entführt in den Palast des Prinzen - Michelle Smart - E-Book

Entführt in den Palast des Prinzen E-Book

Michelle Smart

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Beschreibung

Amalie ist die Richtige! Als Prinz Talos die betörende Violinistin zum ersten Mal spielen hört, beschließt er sofort: Sie muss bei der Jubiläumsgala für den schwer kranken König auftreten. Dass sie sich überraschend weigert, festigt bloß sein Vorhaben. Und wenn er Amalie dafür kaltblütig erpressen und auf seine Insel im Mittelmeer entführen muss! Natürlich nur, weil er mit ihrem Auftritt den Frieden für das Königreich Agon sichern will - nicht, weil er sie mit jedem neuen Tag noch leidenschaftlicher begehrt …

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Seitenzahl: 189

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IMPRESSUM

JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2015 by Michelle Smart Originaltitel: „Talos Claims His Virgin“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 2266 - 2017 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Anike Pahl

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 01/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733707194

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Talos Kalliakis senkte den Kopf und rieb sich den schmerzenden Nacken. Die Worte des Arztes hatten ihn bis ins Mark getroffen.

Dann blickte Talos über die Schulter zu seinen beiden Brüdern, deren Gesichter vor Sorge ganz verzerrt waren.

Astraeus Kalliakis – König von Agon und ihr Großvater – lag im Sterben.

Helios, Ältester der drei Brüder und damit Thronfolger, verschränkte die Arme, holte tief Luft und brach das Schweigen. „Wir müssen die Jubiläumsveranstaltung unbedingt vorverlegen.“

Ganz Agon brannte darauf, Astraeus’ fünfzigstes Jahr auf dem Thron angemessen zu feiern. Allerdings hatte man als Datum für den großen Tag das Ende des Sommers ins Auge gefasst. Bis dahin dauerte es aber noch sechs Monate.

Und nun teilte ihnen der behandelnde Onkologe ihres Großvaters mit, dass Astraeus vermutlich nicht mehr lange zu leben hatte.

Talos räusperte sich, ehe er sprach. Seine Stimme klang trotzdem entsetzlich heiser. „Ich schlage vor, wir konzentrieren uns auf die Gala und verzichten auf den Rest der Feierlichkeiten – die sind allesamt überflüssig. Lasst uns die Gala zur Kernveranstaltung erklären und dort sein Lebenswerk ehren!“

„Einverstanden“, erwiderte Theseus, sein mittlerer Bruder, und nickte. „Wir könnten einen Termin im April festlegen, das wären dann noch drei Monate. Das bringt zwar jede Menge Zeitdruck mit sich, aber das bekommen wir schon hin – mit vereinten Kräften.“

Denn wenn nicht, bestand die Gefahr, dass ihr Großvater seine eigene Gala nicht mehr miterlebte. Zwei Monate intensive Chemotherapie sollten ihm etwas Zeit schenken und das Wachstum der Tumore in seinen Organen hemmen. Doch sie würde ihn nicht heilen, dafür war es leider zu spät.

Zwei Monate später

Talos Kalliakis eilte durch den Backstage-Bereich des Opernhauses, in dem das Pariser Nationalorchester gastierte. Er bemerkte die verblasste Tapete, die sich an den Ecken bereits löste, den abgewetzten Teppich und die Feuchtigkeitsflecken an der Decke.

Kein Wunder, dass dieses Gebäude kurz vor dem Abriss stand. Von allen Theaterhäusern, die er während der vergangenen zwei Monate besucht hatte, war dieses bei Weitem das heruntergekommenste.

Aber er war nicht wegen der Ausstattung hier, sondern weil ihm allmählich die Zeit davonlief. Eine spontane Eingebung hatte ihn hierhergetrieben, nachdem ihn die Violinisten der meisten anderen europäischen Orchester maßlos enttäuscht hatten.

Was anfangs wie eine leichte Aufgabe ausgesehen hatte, erwies sich inzwischen als Sisyphusarbeit. Dabei wollte er doch nur einen ganz besonderen Musiker finden, der den Bogen einer Violine auf ebenso elegante und emotionale Art und Weise schwang, wie es seine Großmutter zu ihren Lebzeiten getan hatte. Er war sicher, dass er es sofort heraushören würde, sobald er am Ziel war.

Und der ausgewählte Violinist würde anschließend die Ehre haben, auf der königlichen Gala die letzte Komposition von Talos’ verstorbener Großmutter zum Besten zu geben – begleitet von ihrem oder seinem Orchester.

Im Augenblick reihten sich schätzungsweise ein Dutzend Violinisten des Pariser Nationalorchesters auf der Bühne auf, um für Talos vorzuspielen. Und er wollte nur, dass die Probe schnell vorüber war. Deswegen beeilte er sich, den Flur des Theaters zu durchqueren, um ins Auditorium zu gelangen.

Der schwache Teil seines Charakters versuchte ihm einzureden, einfach irgendeinen Musiker zu engagieren. Immerhin waren sie alle Vollprofis mit musikalischer Ausbildung und einem sicheren Sinn für Töne. Allerdings berührten sie nicht sein Herz, und er war zum ersten Mal in seinem Leben wild entschlossen, eine emotionale Entscheidung zu treffen, anstatt sich ausschließlich von seinem Verstand leiten zu lassen.

Für den Ehrentag seines geliebten Großvaters kam nur das Beste vom Besten infrage. Und auch das Ansehen der ehemaligen Königin verdiente denselben Respekt.

Heute waren der Theaterdirektor, ein Dolmetscher und ein Assistent an Talos’ Seite, während er darauf brannte, dass die Violinisten endlich vorspielten. Die übrigen Musiker saßen ebenfalls im Auditorium.

Ihm ging ununterbrochen im Kopf herum, was er in den vergangenen zwei Monaten alles hatte schleifen lassen. Als hoch qualifizierter Anwalt war er gleichzeitig Chef der Rechtsabteilung seines Familienunternehmens – das er mit seinen beiden Brüdern führte – und musste als solcher sämtliche Käufe, Verkäufe und Fusionen überwachen.

Theseus, der mittlere Kalliakis-Bruder, hatte ein Internet-Start-up entdeckt, in das sie eventuell investieren wollten. Falls die bisherigen Berechnungen stimmten, würde sich ihr Investment innerhalb weniger Wochen vervierfachen. Talos selbst zweifelte allerdings an der Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit ihrer potenziellen Geschäftspartner …

Er hatte fast das Ende des Flurs erreicht, dicht gefolgt von seiner kleinen Entourage, als er plötzlich ein leises Geräusch hinter der Tür zu seiner Linken hörte.

Er blieb stehen und hob die Hand, was die Anwesenden sofort verstummen ließ, und legte ein Ohr an die Tür. Da war es wieder. Das einzige Klassikstück, das er beim Namen kannte.

Ein schwerer Klumpen formte sich in seiner Kehle und wurde mit jedem einzelnen Herzschlag größer und größer.

Einerseits wollte er das Lied klarer hören, andererseits wollte er auf keinen Fall den Musiker stören. Daher drückte er ganz langsam die Klinke hinunter und schob lautlos die Tür auf. Ein Spalt genügte, um die Töne lauter und deutlicher klingen zu lassen.

Seine Brust füllte sich mit Schmerz, und bittersüße Erinnerungen benebelten seinen Verstand.

Er war erst sieben Jahre alt gewesen, als seine Eltern starben. In den darauffolgenden Nächten – bevor seine beiden älteren Brüder aus dem Internat nach Hause kamen – war er untröstlich gewesen.

Königin Rhea Kalliakis, seine geliebte Großmutter, hatte ihn damals auf die einzige Weise beruhigt, die ihr in dieser schrecklichen Situation einfiel. Sie war in sein Kinderzimmer gekommen, hatte sich bei ihm auf die Bettkante gesetzt und ihm Méditation aus Thaïs von Jules Massenets vorgespielt.

An dieses Stück hatte er seit mindestens fünfundzwanzig Jahren nicht mehr gedacht. Das Tempo war anders als das seiner Großmutter, langsamer, doch der Effekt blieb derselbe. Schmerzhaft und tröstend zugleich, wie Balsam für die geschundene Seele … und für Talos fühlte es sich an, als würde er von innen heraus geheilt werden.

Dieser virtuose Musiker hatte es – das gewisse Etwas!

„Dies ist der Richtige“, beschloss er und sah dabei den ersten Konzertmeister des Orchesters an.

Der Dolmetscher übersetzte den Satz auf Französisch.

Ohne zu zögern, stieß der Dirigent die Tür ganz auf, und da stand … eine junge Frau. Die Geige hatte sie noch unter ihr Kinn geklemmt, doch der Bogen hing lose in ihrer rechten Hand. Und sie blickte den unerwarteten Besuchern entgegen wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Mit weit aufgerissenen Augen …

Es waren diese Augen.

Sie hatte noch nie etwas Derartiges gesehen. Diese intensive Art, wie er sie angestarrt hatte. Als würde er sie mit seinem Blick durchbohren.

Amalie zitterte immer noch deswegen.

Nervös trat sie aus dem Hintereingang des Theaters hinaus auf den verschneiten, matschigen Parkplatz. Ihren Geigenkasten hielt sie dabei fest umklammert, vor allem deswegen, weil sie den Tragegurt noch nicht hatte reparieren lassen.

Gerade zog sie sich ihre graue Strickmütze tiefer in die Stirn, als eine große schwarze Limousine neben ihr anhielt. Ein dunkler Hüne stieg aus, den sie erst auf den zweiten Blick als Talos Kalliakis erkannte.

Mit seinen aufmerksamen braunen Augen musterte er sie … schon zum zweiten Mal innerhalb der letzten Stunde. Und er löste damit bei ihr ein nervöses Kribbeln aus, genau wie beim ersten Mal!

Als die Tür zum Übungsraum aufgestoßen wurde und sie in lauter fremde Gesichter blickte, war ihr ganz anders geworden. Am liebsten wäre sie vor Scham im Erdboden versunken. Denn sie hatte sich extra nicht für das Vorspielen gemeldet, sondern in aller Abgeschiedenheit darauf gewartet, ob es noch erforderlich war, das gesamte Orchester spielen zu lassen.

Und sie hatte sich versteckt, weil ihre Anwesenheit im Theater zwar Pflicht war, sie der neugierigen Menschenmenge aber unbedingt ausweichen wollte.

Dieser unfassbar attraktive Grieche hatte sie stumm angestarrt, bis sie es kaum noch aushielt, und war dann einfach verschwunden.

Ihr war seine eindrucksvolle Größe gleich aufgefallen. Sie selbst war auch nicht gerade klein, doch er überragte sie noch um mindestens einen Kopf. Und er war extrem muskulös, das konnte nicht einmal sein wollener Wintermantel verbergen.

Ihr Mund wurde trocken.

Sein pechschwarzes Haar trug Talos Kalliakis etwas zu lang, es reichte fast bis auf seine Schultern und lockte sich. Und der dichte Bartschatten betonte sein kantiges Kinn.

Obwohl er bis hinunter zu seinen teuren Lederschuhen maßgeschneiderte Kleidung trug, umgab ihn eine animalische Aura, so als könnte er sich mühelos wie Tarzan im Dschungel von Ast zu Ast schwingen.

Und er sah gefährlich aus. Richtig gefährlich. An seiner rechten Augenbraue zeichnete sich eine Narbe ab, die gut zu seinem entschlossenen Gesichtsausdruck passte.

Mit zwei schnellen Schritten war er bei ihr und streckte ihr seine kräftige Hand entgegen, ohne dabei zu lächeln. „Amalie Cartwright, es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen“, sagte er in akzentfreiem Englisch.

Erschrocken fragte sie sich, was er wohl von ihr wollte?

Dann klemmte sie sich hastig ihren Geigenkasten unter den Arm und schüttelte seine Hand, die sich wunderbar warm und stark anfühlte, selbst durch ihren Wollhandschuh hindurch.

„Monsieur Kalliakis“, murmelte sie und überlegte verwirrt, in welcher Sprache sie sich unterhalten sollten: Englisch oder Französisch? Denn Griechisch beherrschte sie nicht …

„Ich müsste dringend mit Ihnen sprechen“, fuhr er fort. „Bitte steigen Sie ein!“

Seine tiefe, etwas heisere Stimme ging ihr unter die Haut. Er wollte, dass sie in sein Auto stieg? Amalies Verwirrung wurde größer, je länger sie darüber nachdachte, wer hier eigentlich vor ihr stand.

Immerhin war er ein königlicher Prinz. Bedurfte es da nicht einiger formeller Umgangsformen? Musste sie vor ihm knicksen? Schließlich war er vorhin verschwunden, ehe sie einander offiziell vorgestellt worden waren.

Schüchtern wich sie einen Schritt zurück und räusperte sich. „Entschuldigen Sie, Monsieur, aber ich glaube nicht, dass zwischen uns Gesprächsbedarf herrscht.“

„Ich versichere Ihnen das Gegenteil. Deshalb steigen Sie bitte in den Wagen! Es ist zu kalt, um sich hier draußen zu unterhalten“, sagte er entschieden.

„Geht es um das Solo? Ich habe Ihrem Assistenten vorhin schon erklärt, dass ich am Gala-Wochenende verhindert bin. Ein anderes Engagement hat leider Vorrang. Es tut mir leid, wenn Sie diese Nachricht nicht rechtzeitig erreicht hat.“

Der Assistent, ein Mann mittleren Alters mit einer unerbittlichen Ausstrahlung, war geradezu entsetzt gewesen, als sie ihm eine Absage erteilt hatte. Und der Konzertmeister hatte sie einfach nur mit flehenden Augen angestarrt.

„Die Nachricht hat mich erreicht, deshalb habe ich auch auf dem Weg zum Flughafen umgedreht und bin hergekommen. Ich muss diese Angelegenheit in Ruhe mit Ihnen persönlich besprechen.“ Er wirkte ärgerlich, so als wäre es ihre Schuld, dass seine Pläne durchkreuzt wurden. „Sie müssen Ihr Engagement absagen. Ich möchte, dass Sie auf der Gala zu Ehren meines Großvaters spielen.“

„Das würde ich auch gern“, log sie. Schon immer hatte sie sich gegen dominante Persönlichkeiten durchsetzen müssen, daher war sie auf diesen Moment gut vorbereitet. Kein Verhandlungspartner konnte schlimmer sein als ihre eigene Mutter! „Aber es bleibt bei einem Nein. Diese Verpflichtung kann ich unmöglich absagen.“

Irritiert runzelte er die Stirn, als hätte er das Wörtchen Nein noch nie zuvor gehört. „Sie wissen schon, wer mein Großvater ist, oder? Und dass dieser Auftritt eine Riesenchance für Ihre Karriere darstellt?“

„Ja, ich weiß, er ist der König von Agon. Und ich bin mir dessen bewusst, welche Ehre es bedeutet, ausgesucht zu werden, um für ihn zu spielen …“

„Außerdem werden bedeutende ausländische Staatsmänner und – frauen anwesend sein“, unterbrach er sie ungeduldig.

„Aber es gibt doch genügend andere Violinisten im Orchester“, ignorierte sie seinen Einwand. „Wenn Sie das Vorspielen nicht abgebrochen hätten, wäre Ihnen längst klar, dass die meisten viel talentierter sind als ich.“

Selbstverständlich wusste sie, was für eine gigantische Veranstaltung diese Gala werden würde. Ihre Musikerkollegen redeten seit Wochen von nichts anderem mehr. Jedes größere Orchester in ganz Europa war durch die Meldung aufgescheucht worden, Talos Kalliakis würde einen Solisten an der Violine suchen.

Und nachdem gestern verkündet worden war, dass er sich heute das Pariser Nationalorchester anschauen wollte, gerieten die weiblichen Mitglieder sofort in helle Panik. Es erfolgte ein blitzartiger Sturm auf Friseursalons und Kosmetikstudios, denn die drei Prinzen von Agon zählten ganz offiziell zu den begehrtesten Junggesellen weltweit. Und zu den attraktivsten!

Amalie hatte von Beginn an gewusst, dass sie nicht vorspielen würde, darum hatte sie sich auch keine Mühe mit ihrem Äußeren gegeben – was sie in diesem Moment zutiefst bereute. Wenn sie geahnt hätte, dass sie unter vier Augen mit dem berühmten Talos Kalliakis sprechen würde …

Aber es kam auf keinen Fall infrage, dass sie bei einer festlichen Gala auf der Bühne stand und für die ganze Welt spielte. Niemals! Das konnte sie einfach nicht. Allein die Vorstellung sorgte schon dafür, dass ihr der kalte Angstschweiß ausbrach.

Der Wind auf dem Parkplatz wehte eisig durch die Häuserschluchten, und Amalie krümmte ihre erfrorenen Zehen in den ausgekühlten Schuhen, die inzwischen halb durchnässt waren.

Das Innere von Talos’ Limousine sah warm und einladend aus, ganz im Gegensatz zu dem Ausdruck seiner dunklen Augen.

„Entschuldigung, Monsieur, aber ich muss jetzt wirklich nach Hause. Wir geben heute Abend noch ein Konzert, und ich muss in wenigen Stunden wieder herkommen. Viel Glück bei ihrer Suche nach einem geeigneten Solisten.“

Seine Miene wurde ein kleines bisschen zugänglicher, doch sein Blick blieb hart. „Wir unterhalten uns am Montag weiter, despinis. Bis dahin rate ich Ihnen, gut darüber nachzudenken, was Sie verpassen, wenn Sie mein Angebot ausschlagen.“

„Montag haben wir unseren freien Tag. Ich werde erst Dienstag wieder hier sein, wenn Sie mit mir sprechen möchten. Allerdings finde ich, es ist bereits alles gesagt.“

Er neigte den Kopf zur Seite. „Wir werden sehen. Oh, und bei unserer nächsten Begegnung reden Sie mich bitte mit meinem förmlichen Titel an: Eure Hoheit.“

Darauf konnte sie sich ein amüsiertes Lächeln nicht verkneifen. „Aber, Monsieur, wir befinden uns hier in Frankreich. Selbst wenn wir eine königliche Familie hätten, würden die männlichen Thronerben mit Monsieur angesprochen werden, demnach verhalte ich mich Ihnen gegenüber absolut korrekt. Und ich muss Sie wohl nicht daran erinnern, was in diesem Land mit den Menschen geschehen ist, die sich zu viel auf ihr blaues Blut eingebildet haben? Man hat sie geköpft!“

Amalie nahm auf ihrem Bühnenstuhl Platz – in der vorletzten Reihe, schön versteckt zwischen den anderen zweiten Violinisten des Orchesters. Genau dort fühlte sie sich am wohlsten. Weit weg vom Scheinwerferlicht.

Während sie auf Sebastian Cassel warteten, den Gastdirigenten, spürte Amalie plötzlich ein Kribbeln auf ihrer Haut.

Suchend ließ sie ihren Blick durchs Auditorium schweifen und erkannte sofort, dass der erwartete Kartenverkauf leider erfüllt, wenn nicht sogar unterboten worden war. Im besten Fall war der Saal etwa zur Hälfte besetzt.

Wie lange konnte das noch gut gehen?

Paris war eine Kulturhauptstadt, hier gastierten schon seit Jahrhunderten Orchester aus der ganzen Welt. Allerdings wurden sie wohl kaum in einem abgewrackten Musiktheater untergebracht, das seine pompösen Zeiten in Glanz und Gloria längst hinter sich hatte. Jahre der Vernachlässigung und fehlenden Investitionen hatten dem Gebäude schwer zugesetzt.

Rechts von ihr in der teuersten Loge des Hauses entdeckte Amalie einen großen Schatten, und sie musste zweimal blinzeln, ehe sie den Besucher erkannte. Das erklärte natürlich dieses unheimliche Kribbeln auf ihrer Haut!

Irgendetwas an diesem Prinzen und seiner bedrohlichen Ausstrahlung weckte in ihr den Wunsch zu fliehen. Und zwar stärker, als wenn hundert Scheinwerfer auf sie gerichtet wären. Seine rein körperliche Kraft und sein finstere Miene reichten schon völlig aus, um ihr einen Heidenrespekt einzujagen.

Juliette, ihre Kollegin direkt neben ihr, stieß ihr einen spitzen Ellenbogen in die Seite. Und Sebastien starrte sie mit aufgerissenen Augen an, während sein Bariton vibrierte.

Hastig heftete Amalie ihren Blick auf das Notenblatt vor ihr und betete, dass ihre Finger sie in diesem Moment nicht im Stich ließen. Zwischen achtzig anderen Musikern zu sitzen gab ihr normalerweise das Gefühl, unsichtbar zu sein. Nur ein weiterer Kopf unter vielen, der vom Spotlight übersehen wurde.

Sie konnte es nicht aushalten, irgendwo im Mittelpunkt zu stehen. Und sie vermied solche Situationen strikt … seit ihrem zwölften Lebensjahr.

Und genauso unangenehm fand sie es, die Augen dieses Mannes auf sich zu spüren, während sie spielte.

Für Talos würde es ein langer Abend werden. Das Orchester glänzte zwar mit einer außerordentlichen Leistung, aber er war nicht hier, um sich die Musik anzuhören. Direkt nach dem Konzert hatte er einen Termin mit dem Besitzer dieser heruntergekommenen Bruchbude. Dabei hatte er längst wieder im Privatflieger zurück nach Agon sitzen wollen, doch Amalie Cartwright hatte ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht!

Er beobachtete, wie flink sich die Finger ihrer linken Hand über die Saiten bewegten. Kaum zu fassen, wie rüde diese begabte, junge Frau sein konnte! Wenn man ihr schmales hübsches Gesicht mit den vereinzelten Sommersprossen betrachtete, ahnte man nichts von dem Temperament, das hinter der süßen Fassade lauerte.

Sie wirkte zierlich, fast zerbrechlich, und besaß dabei die klassische Eleganz einer waschechten Pariserin. Schon erstaunlich, wie sehr das Äußere einer Person täuschen konnte.

Indem diese Dame es ablehnte, auf der Gala zu Ehren seines Großvaters zu spielen, beleidigte sie den Familiennamen Kalliakis. Außerdem war sie mit ihrer Bemerkung über die Hinrichtung französischer Adeliger entschieden zu weit gegangen.

Amalie Cartwright musste dieses Solo spielen, dafür würde er sorgen! Ein Talos Kalliakis bekam immer, wonach er verlangte.

Immer.

2. KAPITEL

Amalie versteckte ihren Kopf unter dem großen weichen Kissen und ignorierte das penetrante Klingeln an der Haustür. Sie erwartete keine Besucher oder irgendwelche Lieferungen.

Ihre französische Mutter würde nicht im Traum daran denken, um diese Uhrzeit unangemeldet aufzutauchen, und ihr Vater – der Engländer war – befand sich gerade in Südamerika.

Aber wer immer dort vor der Tür stand, hatte offenbar nicht vor aufzugeben. Zusätzlich zur Klingel klopfte er jetzt sogar mit der Faust an!

Amalie fluchte gleichzeitig auf Englisch und Französisch, während sie aus dem warmen Bett kroch und sich einen Bademantel über ihren Pyjama zog. Dann lief sie die Treppe hinunter und riss ärgerlich die Tür auf.

„Guten Morgen, despinis.“

Mit diesen Worten drängte Talos Kalliakis an ihr vorbei in die Wohnung.

„Was zur …? Entschuldigung, aber Sie können hier nicht einfach hereinplatzen.“

„Ich sagte Ihnen doch, heute würden wir uns unterhalten.“

Sein Tonfall war neutral, als würde er ihre verständliche Wut überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen.

„Und ich sagte Ihnen, dass dies mein freier Tag ist. Darum gehen Sie jetzt bitte!“

Er betrat die Küche. „Das werde ich tun … gleich nach unserem Gespräch.“

Um seinen Standpunkt unmissverständlich klarzustellen, streifte er seinen schwarzen Mantel ab, hängte ihn über einen Stuhl und setzte sich an den Küchentisch.

„Was machen Sie denn da? Ich habe Sie nicht hereingebeten. Falls Sie ein Gespräch mit mir wünschen, wird das bis morgen warten müssen.“

Diesen Einwand tat er mit einer ungeduldigen Handbewegung ab. „Ich beanspruche höchstens zehn Minuten Ihrer kostbaren Zeit, danach bin ich verschwunden. Was wir besprechen müssen, wird nicht lange dauern.“

Sprachlos biss sie sich auf die Unterlippe und überlegte fieberhaft, was sie tun sollte. Auf keinen Fall durfte sie in Panik geraten. „Das ist Hausfriedensbruch“, begann sie so ruhig wie möglich. „Entweder verschwinden Sie sofort, oder ich rufe die Polizei.“

„Tun Sie das.“ Gleichgültig zuckte er die breiten Schultern, und Amalie bemerkte, wie sein schwarzes Hemd dabei über der Brust spannte. „Bis die hier sind, haben wir die Angelegenheit längst geklärt.“

Fassungslos starrte sie ihn an und wagte nicht einmal zu blinzeln. Ganz langsam wich sie ein paar Schritte zurück und überlegte, was sie im Notfall als Waffe benutzen könnte.

Immerhin war dieser Mann ein Fremder – noch dazu von einer einschüchternden Größe – und er war unaufgefordert in ihr Haus eingedrungen.

Sie fühlte sich hilflos … wie eine Maus, die von einem Panther belauert wurde.

„Sie brauchen nicht um Ihre Sicherheit zu fürchten“, sagte er schneidend, als könnte er ihre Gedanken lesen. „Schließlich bin ich kein Unmensch. Ich möchte nur mit Ihnen reden.“

Doch sie traute ihm nicht, obwohl sie in seinen Augen keine echte Gefahr erkannte. Das beruhigte sie etwas. Nein, dieser Prinz würde ihr nichts tun. Zumindest nicht gegen ihren Willen …

Mit einer Hand rieb sie sich die Augen. „Okay, zehn Minuten. Trotzdem hätten Sie vorher anrufen sollen. Es gehört sich nicht, mich einfach zu überfallen, während ich noch schlafe.“

Bei diesen Worten wurde ihr bewusst, wie sie aussehen musste in ihrem alten Baumwollschlafanzug, dem Bademantel und dem zerzausten Haar. Er dagegen war frisch geduscht und rasiert und duftete herrlich nach Aftershave.

Er warf einen Blick auf seine sündhaft teure Armbanduhr. „Es ist zehn Uhr vormittags. Eine durchaus angemessene Zeit für einen Besuch.“

Zu ihrem Entsetzen spürte sie eine erregende Hitze in sich aufsteigen. Und um ganz ehrlich zu sein, war dieser herrische Prinz auch verantwortlich dafür, dass sie in der vergangenen Nacht kaum Schlaf bekommen hatte. Egal wie energisch sie sich bemüht hatte, ihn aus ihren Gedanken zu verdrängen, er war jedes Mal wieder da gewesen, sobald sie die Augen schloss. Seit zwei Tagen plagte sie sich nun schon mit diesem Fluch herum.

„Ich habe heute eigentlich frei, Monsieur. Und wie ich meine Freizeit verbringe, ist ganz allein meine Privatangelegenheit.“ Sie räusperte sich. „Jetzt brauche ich erst mal einen Kaffee.“

„Ich trinke ihn schwarz.“

Sie antwortete ihm nicht, sondern ging zur Kaffeemaschine und drückte den Schalter. Das Pulver hatte sie schon abends eingefüllt.

„Haben Sie die Sache mit dem Solo noch mal überlegt?“, fragte er, während sie zwei Tassen aus dem Schrank holte.

„Ich sagte bereits, da gibt es nichts weiter zu überlegen. An dem betreffenden Wochenende bin ich beschäftigt.“

„Diese Antwort habe ich befürchtet.“

Er klang wie ein Lehrer, der von den Leistungen seines Schülers enttäuscht war. Und irgendetwas in seinem Tonfall sorgte dafür, dass sich ihr die Nackenhaare aufstellten.

Zischend floss das Wasser durch die Maschine, und die Küche wurde von einem angenehmen Kaffeearoma erfüllt.