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Sie sind Kinder in einer seltsamen Stadt. Doch sie sind weit mehr: Sie sind die Erben der Menschheit. Ein SF-Bestseller von Will A. Travers.
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Seitenzahl: 137
Veröffentlichungsjahr: 2023
Erben der Menschheit
Will A. Travers
Impressum
Copyright: Novo-Books im vss-verlag
Jahr: 2023
Lektorat/ Korrektorat: Chris Schilling
Covergestaltung: Hermann Schladt
Verlagsportal: www.novobooks.de
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie
Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheber-rechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verfassers unzulässig
Der alte Mann schlurfte mühsam über den Kiesweg des Centralparkes. Sein Atem ging rasselnd. Er musste sich einen Moment lang ausruhen.
Er blickte an der knorrigen Eiche empor, gegen die er sich gelehnt hatte. Oben war das fröhliche Zwitschern eines Vogels, aber es gelang dem Alten nicht, den Piepmatz auszumachen.
Sein Blick ging weiter, über die weiten, gepflegten Rasenflächen, die kunstvoll angelegten Blumenrabatten mit den vielen Farbtupfern, die sich im Wind leicht hin und her bewegten, und die nur scheinbar so wahllos gepflanzten Bäume, in deren Wipfeln es leise rauschte. Des Alten Augen suchten das Ende des Parkes, ohne dieses erreichen zu können. Der Park war zu groß. Mehrere Quadratkilometer Bodenfläche bedeckte er inmitten der Stadt. Er war sozusagen das Zentrum des Lebens!
Der alte Mann lächelte über diese Formulierung und stieß sich von der knorrigen Eiche ab, um seinen Weg fortzusetzen.
Einer der Gärtner, die ständig damit beschäftigt waren, den Park in Ordnung zu halten, winkte ihm freundlich zu. Der alte Mann erwiderte den Gruß. Er musste fast lachen, wenn er daran dachte, dass der Gärtner in Wirklichkeit. . .
Die Bäume lichteten sich. Hier, wo der Park unterbrochen wurde, befand sich die Schule. Dahinter erhoben sich, wie von einem Riesen hingestreut, die würfelförmigen Wohnhäuser. Doch die meisten der Kinder, die diese Schule besuchten, wohnten in der Stadt.
Immer wieder zog es den alten Mann hierher. Die Schule wirkte mit ihrem quirlenden Leben wie ein Magnet auf ihn.
In Sichtweite des Hintereingangs platzierte er sich auf eine Parkbank. Eine relativ dicht stehende Buschreihe befand sich zwischen ihm und dem großen Schulhof. Der Alte lauschte.
Es war ein warmer Frühlingstag. Die Fenster der einzelnen Klassenzimmer standen teilweise offen. Hin und wieder drang die Stimme eines Kindes an das lauschende Ohr des Mannes.
Er schaute auf seine altmodische Taschenuhr, die er in dem zerschlissenen Sakko stecken hatte. Bald musste es soweit sein.
Und da war es auch schon: das schrille Klingeln der Schulglocke. Sekunden später ergoss sich eine wilde Flut von Kindern durch den Hintereingang auf den großen Schulhof. Es war Pause.
Der Alte sah das junge, noch unverbrauchte Leben, und Tränen verschleierten seinen Blick. Es war keine Trauer, die ihn erfüllte, sondern Rührung.
Und seine Gedanken kehrten zurück - zurück in die Vergangenheit, wo alles ganz anders war - die Vergangenheit, die so unglaublich fern war und ihm doch oft genug greifbar nahe erschien.
Sten Lorel zog den Kragen seines Mantels höher. Er fror. Es wäre für ihn leichter gewesen, wenn er eines der vollklimatisierten Kleidungsstücke angezogen hätte, doch er lehnte diese Dinge ab. Er lehnte alles ab, was die Natur zu sehr entfremdete.
Die Straße, die er betrat, leuchtete von innen. Dennoch waren da feuchte Stellen, die von Regen zeugten, der erst vor Minuten weitergezogen war.
Regen - ein unglaubliches Wort für viele seiner Zeitgenossen. Gab es denn noch Stadtviertel ohne Kraftfeld - Stadtviertel, die den natürlichen Witterungsschwankungen unterworfen waren? Es gab sie, und hier fühlte sich Sten Lorel am wohlsten! Und nicht nur bei ihm war das so.
Er blickte die verlassen wirkende Straße hinunter und überquerte sie mit schnellem Schritt. Niemand beobachtete ihn, als er das schmale, alt wirkende Haus betrat. Das war auch gut so. Was er hier vorhatte, das stempelte ihn als Außenseiter innerhalb der Gesellschaft - einer Gesellschaft, die mit Außenseitern nicht gerade glimpflich verfuhr.
Jiulio Ganetti öffnete ihm persönlich. Sie begrüßten sich mit einem Kopfnicken. Kein Wort fiel zwischen den beiden, als Jiulio die Tür hinter seinem späten Gast schloss und ihn in das Innere des Hauses geleitete.
»Was ist mit Frederik?« erkundigte sich Sten Lorel erstaunt, als er den großen Salon betreten hatte.
Die fünf Anwesenden blickten betroffen zu Boden.
»Er ist nicht gekommen«, sagte Jiulio an seiner Seite.
»Aber warum nicht?«
Mile Sonus sah auf. Erst jetzt gewahrte Sten die Tränen in ihren Augen.
»Er wird nie mehr zu uns kommen können«, schluchzte sic auf.
Sten spürte, wie ihm die Knie weich wurden. Er angelte sich eine Sitzgelegenheit und ließ sich schwer darauf nieder.
»Wie — wie konnte das geschehen?«
Kandus Brental, der tröstend seinen Arm um Miles Schultern gelegt hatte, zuckte die Achseln.
»Wir wissen es nicht genau. Frage Jean, Frederiks Bruder.«
Als Sten in dessen Richtung sah, barg Jean sein Gesicht in den Händen.
»Heute morgen war das.« Er brachte die Worte mühsam hervor und rang mit seiner Beherrschung. »Wir waren zusammen in Bront gewesen.« Kurz sah er auf. »Auch dort haben sie jetzt ein Kraftfeld!«
. »Aber dann-aber dann wird Bront ja überwacht!« rief Sten Lorel aus.
Jean Astair nickte.
»Wem sagst du das«, meinte er bitter. »Es war schließlich unser Verhängnis. Wir kamen an «einem Trupp von Arbeitsrobotem vorbei, die gerade Energiekabel in die Erde verlegten. Die Straße von Bront soll an das automatische Stadtnetz angeschlossen werden.«
Er ballte die Hände zu Fäusten. In seinen Augen loderte ein fanatisches Feuer auf.
»Frederik bekam einen Wutanfall, als er das mit ansehen musste. Für ihn war Bront so was wie eines der letzten Bollwerke des freien Menschen gewesen. Er begann, die Arbeitsroboter zu beschimpfen. Aber damit nicht genug. Es gelang ihm, einen der Roboter lahmzulegen! Irgendwie waren die Dinger bereits mit der Zentrale verbunden. Jedenfalls tauchten plötzlich Polizisten auf. Frederik drehte vollends durch. Ich wollte eingreifen, wirklich, aber er führte sich auf wie ein Wahnsinniger. Er kappte das Energiekabel, ohne zu wissen, dass es bereits unter Strom stand.
Den Rest habe ich nicht miterlebt, da mich die angesammelte Menschenmenge abdrängte. Jedenfalls habe ich einen schrillen Schrei gehört, als die Polizisten mit ihren Automaten endlich bis Frederik vorgedrungen waren. Es war die Stimme meines Bruders gewesen!«
Wieder barg er sein Gesicht in den Händen.
Ana Inatovic sprang auf.
»Wir dürfen nicht mehr länger mit ansehen, wie Maschinen die Rechte der Menschen untergraben. Wir müssen handeln!«
Jiulio Ganetti lehnte gegen den Türpfosten.
»Du bist unvernünftig wie gewöhnlich, Ana. Mit einem dicken Schädel allein kommt man nicht durch eine massive Wand. Man muss den Schädel erst einmal ein wenig anstrengen.«
Carlos Varese meldete sich zu Wort: »Woher wollen wir wissen, ob Frederik tot ist? Die ganze Erzählung erscheint mir mehr als vage.«
Man gönnte ihm einen erstaunten Blick. Jean wollte aufbrausen.
Jiulio Ganetti unterband seinen Wutausbruch mit einer energischen Handbewegung.
»Wie dem auch sei, wir müssen mit allem rechnen. Wenn man Frederik lebend in die Hände bekommen hat, sitzen wir hier in der Falle. Man wird ihn verhören, und wir wissen alle, wie perfekt die Verhörmethoden heutzutage sind.«
In den Augen Miles glomm ein Hoffnungsschimmer auf. Sie dachte mit bebendem Herzen daran, dass Frederik möglicherweise doch noch unter den Lebenden weilte. An die Gefahren für sich und die anderen, die daraus erwuchsen, dachte sie nicht.
Sie stand auf. Die anderen sahen sie mitfühlend an. Sie wussten, was sie für Frederik empfand. Nur dieser selbst hatte nie etwas bemerkt.
Carlos runzelte die Stirn.
»Ich glaube, es ist das beste, wenn wir die Versammlung auf der Stelle auflösen.«
Eine wilde Debatte entstand. Jiulio brauchte mehrere Anläufe, bis es ihm endlich gelang, wieder Ruhe herzustellen.
»Wartet einen Augenblick; wir müssen einen neuen Treffpunkt ausmachen.« Erwartungsvolle Blicke. »Ich mache den Vorschlag, dass wir uns in Stens Wohnung zusammenfinden.«
»Bei mir?« Sten Lorel war fassungslos. »Ausgerechnet da, wo es am gefährlichsten ist!«
Jiulio Ganetti lächelte hintergründig.
»Wir müssen dort sein, wo man uns am wenigsten erwartet: mitten in der Stadt, unter den Augen des Zentralgehirns!«
»Aber über dem Eingang zu meiner Wohnung befindet sich eine Kamera, die jeden Ankommenden registriert!« protestierte Sten.
Jiulios Lächeln vertiefte sich.
»Es wird nur einen registrieren: dich! Nicht wahr, Carlos?«
Carlos Varese, der ehemalige Ingenieur, erwiderte das Lächeln.
*
»Ben, er ist wieder da«, flüsterte Karina. Ihr ausgestreckter Arm deutete auf die Büsche, die zwischen den lichten Bäumen standen.
Ben nickte. Er winkte Simon herbei, der in der Nähe stand.
»Ich habe ihn bereits gesehen«, sagte dieser sofort.
Ben spitzte den Mund gegen den erhobenen Zeigefinger und zischte.
»Nicht so laut, Mensch! Bist du von allen guten Geistern verlassen?«
Simon verzog das Gesicht.
»Glaubst du, wir sind die einzigen, die ihn bemerkt haben?«
»Spielt ja keine Rolle. Wir müssen einfach vorsichtig sein.«
»Was gibt es denn wieder Geheimnisvolles?« Die ewig lächelnde Ellen stand plötzlich neben ihnen. Sie fuhren erschrocken zusammen^
»Du hast vielleicht eine komische Art«, versetzte Ben. Aus seiner Stimme klang deutlich Abneigung.
»Es gibt keine Geheimnisse«, meinte Simon leichthin.
Die kleine Gruppe setzte sich in Bewegung. Ellen blieb achselzuckend zurück.
»Die ist mir nicht ganz geheuer«, murmelte Karina, als Ellen außer Hörweite war.
»Kurt mir auch nicht«, fügte Simon bedeutsam hinzu. Er schaute sich vorsichtig um. Auf einmal wirkte er sehr nervös.
»Ich habe gestern nach Schulschluss versucht, ihn die Treppe hinunterzustoßen!«
Die anderen zeigten sieh entsetzt.
»Du hast - was?« machte Karina entgeistert.
»Er ging direkt vor mir durch den Flur. Am obersten Treppenabsatz tat ich so, als würde ich ins Stolpern kommen.«
»Und da hast du ihn einfach . . .« Ben konnte den Satz nicht vollenden.
Simon nickte heftig.
»Nun, lass mich doch erst einmal erzählen!« Er räusperte sich. »Also, ich habe ihm einen ungeheuren Schubs gegeben. Das wollte ich gar nicht Aber das Stolpern sollte echt wirken. I Dabei verlor ich tatsächlich das Gleichgewicht.
»Na und? Was dann?« drängte Karina.
»Es hat ihm nichts ausgemacht«, sagte Simon einfach.
Er registrierte das Stimrunzeln der anderen und hob in einer fast hilflos anmutenden Geste die Arme.
»Ich sage euch, der hat nur für den Bruchteil einer Sekunde sein Gleichgewicht verloren. Seine Bewegungen waren so schnell, dass man sic kaum mit den Augen verfolgen konnte.«
»Du spinnst!« kommentierte Ben knapp.
»Was sollen diese Ammenmärchen, Simon?« blies Karin,i in dasselbe Horn.
Simon flehte fast: »lhr müsst es mir glauben. Ich wollte den Kerl hinunter stoßen, aber es ging nicht. Niemandem gelingt das!«
Ben zog verächtlich die Mundwinkel herab.
»Jeder weiß, wie unsportlich Kurt ist. Wenn ich an den letzten Hundertmeterlauf beim Sportfest denke . . .«
»Das ist noch nicht alles.« Simon ging gar nicht auf die Worte Bens ein. »Er ist deshalb nicht gestürzt, weil ich ihm dabei unweigerlich gefolgt wäre! Ich sagte schon, dass ich mein Stolpern falsch berechnet hatte. Es gab kein Halten mehr. Kurt hat verhindert, dass die Sache ein schlimmes Ende genommen hat.«
Ben verlor die Geduld.
»Wechseln wir das Thema. Zugegeben, Kurt ist ein wenig seltsam, ebenso wie Ellen; was mich aber im Moment stärker interessiert, ist der alte Mann.«
Tanja trat zu ihnen.
»Was ist los, ihr alten Flüsterhasen«, fragte sie fröhlich.
Ben deutete mit dem Daumen in Richtung Parkbank.
Tanja nickte und wurde ernst.
»Ich habe ihn auch schon entdeckt. Gehen wir!«
Ehe die anderen reagiert hatten, war sie auf dem Weg. Sie hielt genau auf die Bank zu.
Die anderen standen da, wie vom Donner gerührt. Simons skurrilen Bericht hatten sie schon wieder vergessen.
Ben holte das Mädchen ein.
»Wohin gehst du, Tanja?«
»Zu dem alten Mann natürlich. Was hast du denn gedacht?«
Ben hieb sich mit der flachen Hand gegen die Stirn.
»Ist denn heute alles verrückt?«
»weißt du, ich habe die Sache langsam satt. Seit Wochen rätseln wir herum, was der Alte von uns will. Dabei gelange ich mehr und mehr zu der Überzeugung, dass sein regelmäßiges Kommen einen bestimmten Zweck verfolgt. Nun, was liegt denn näher, als ihn selbst danach zu fragen?« Tanja blickte auf ihre Armbanduhr. »Die Pause geht bald zu Ende. Wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir uns sputen.«
Ben und die anderen zögerten einen Moment, ehe sie folgten. Nein, das durften sie sich nicht entgehen lassen.
*
Sie durften ihren Treffpunkt nicht auf einmal verlassen. Einer nach dem anderen ging, während sich Sten Lorel, Jiulio Ganetti und Carlos Varese in einen Nebenraum zurückzogen. Sten erfuhr, was er tun musste, um die Überwachungsanlage an seiner Wohnungstür zu täuschen.
Es war keine Überwachungsanlage im eigentlichen Sinne, sondern mehr eine Art automatischer Türöffner. Allerdings war er direkt an den Zentralcomputer angeschlossen, der die Steuerung übernahm. Jeder Besucher wurde registriert.
Kandus Brental trat ein.
»Ich bin der letzte«, sagte er. »Bleibt nicht zu lange zusammen. Das könnte gefährlich werden.«
Er ging.
Sten spürte Unruhe in sich aufsteigen.
»Ich weiß nicht, ob ich jemals begreifen werde, was ich tun muss. Schließlich bin ich Biologe und kein Techniker.«
Carlos wandte sich an Jiulio, ohne auf Sten einzugehen.
»Geh am besten an die Haustür und halte die Augen offen. Wir wollen kein unnötiges Risiko eingehen.«
Jiulio nickte und stand auf. Im Hinausgehen hörte er Sten sagen: »Wenn er
die Gefahr sieht, ist es bereits zu spät. Diese Automaten sind sehr schnell.«
Carlos ging auch darauf nicht ein und fuhr statt dessen in seinen Lektionen fort. Jiulio hörte ihre Stimmen Zurückbleiben, als er zur Haustür ging.
Er spähte durch den Spion. Aber nach ein paar Minuten machte ihn das nervös. Durch das Guckloch konnte er nur einen kleinen Ausschnitt der Straße sehen. Kurzentschlossen öffnete er die Haustür und löschte das Licht. Er blieb im Schatten des Flures und schaute neugierig die Straße hinunter. Sie lag ruhig und verlassen da. Die Stille wirkte fast unheimlich.
Jiulio grübelte. Etwas war anders als sonst.
Da blickte er nach oben, zum klaren Sternenhimmel. Die Regenwolken waren längst nicht mehr über der Stadt. Jiulio erstarrte.
Einer der Lichtpunkte am Firmament blinkte und bewegte sich. Dieses Licht gehörte zu einem Gleiter. Daran gab es keinen Zweifel. Und dieser Gleiter hielt genau auf Jiulio Ganetti zu!
Mit hämmerndem Herzen drückte sich Jiulio in den Hausflur. Er hatte das Gefühl, eine eiserne Faust schnüre ihm die Kehle zu.
Er warf die Tür ins Schloss und eilte zurück.
Ein Gleiter - das konnte nur Polizei bedeuten! Natürlich, es gab genügend Flugapparate in Privatbesitz, aber ein solcher musste die vorgeschriebene Höhe einhalten und wurde automatisch gesteuert. Jiulio wusste, dass es über seinem Haus keine Luftstraße gab, also normalerweise auch keine Gleiter.
Es hatte keinen Sinn, zu fliehen. Die Polizei besaß Detektoren, die jedem Bluthund tausendfach überlegen waren.
Sie mussten hierbleiben und abwarten, wollten sie keinen Verdacht erregen.
Jiulio rannte in den Salon, nahm sich Spielkarten und eilte zu Carlos und Sten nebenan, die von der drohenden Gefahr noch nichts ahnten.
»Wir sind entdeckt!« stieß Jiulio schweratmend hervor.
»Zu spät, um zu verschwinden!« Damit hielt er die beiden Gefährten zurück, die wie ein Mann zur Tür gesprungen waren. Er knallte die Karten auf den Tisch.
»Spielen wir - irgendwas! Das fällt nicht auf.«
»Was sollen wir denn spielen?« In Stens Augen stand die nackte Angst.
»Skat! Etwas anderes fällt mir im Moment nicht ein.«
Carlos überlegte blitzschnell.
»Nein, das wäre ein Fehler. Wir kennen uns offiziell nicht und treffen uns hier, von völlig verschiedenen Stadtteilen kommend, nur zu einer gemütlichen Skatrunde? Kein Mensch nimmt uns das ab, geschweige denn seelenlose Automaten. Los, Geld auf den Tisch - alles, was ihr habt! Wir pokern!«
»Aber das ist doch verboten!« warf Sten erschrocken ein.
»Eben drum«, belehrte ihn Carlos. »Das wird die vom eigentlichen Thema ablenken.«
Jiulio konnte plötzlich wieder lächeln.
»Eine Strafe wegen verbotenen Glückspiels wird ein Kinderspiel gegen das sein, was passiert, wenn die Automaten herausbekommen, was wir wirklich Vorhaben!«
Sten resignierte.
»Also gut, einverstanden. Ich teile aus.«
Die Karten flogen einzeln auf den Tisch. Jeder gab seinen Einsatz.
»Jetzt wissen wir wenigstens, dass Frederik noch lebt. Wie sonst hätten die uns finden können?« sagte Jiulio Ganetti verbittert.
Er hatte die Worte etwa fünf Sekunden vor dem Eintritt des Polizeileutnants von sich gegeben, der in der Begleitung dreier Roboter war.
Mit einem Menschen hatten die drei weiß Gott nicht gerechnet. Das verschlimmerte ihre Situation noch.
*
Der alte Mann erschrak. Seine Gedanken verließen die Vergangenheit, verließen Sten Lorel, Jiulio Ganetti und Carlos Varese, übersprangen die Ewigkeiten, die seitdem vergangen waren und wandten sich den vier jungen Menschen zu, die direkt auf ihn zu schritten.
Ein Mädchen war die erste, die den Alten erreichte. Er schätzte sie auf vierzehn, wusste aber gleichzeitig, dass er damit nicht danebengegriffen hatte. Sie waren alle vierzehn - auf den Tag genau.