Erfahrungen - Gérard Schwyn - E-Book

Erfahrungen E-Book

Gérard Schwyn

0,0

Beschreibung

Erfahrungen ergeben sich durch Erlebnisse, durch Bildung, durch Übung, durch Kenntnisse oder Fertigkeiten. Der Mensch erfährt vieles durch Wahrnehmung, durch eigenes Erleben oder eben, indem er die Augen offenhält und aufnimmt, was in seiner Umgebung passiert. Was er erlebt kann einfach, bewegend, spannend oder sogar berührend sein. Die einfachen Geschichten in diesem Bändchen bewegen weder das Leben des Lesers noch den Lauf der Welt. Sie zeigen aber, dass selbst einfachste Erlebnisse oder Vorfälle da und dort unterhalten, ein Lächeln, eine Träne oder Gedanken hervorrufen können.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 110

Veröffentlichungsjahr: 2023

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Autopanne in Spanien

Mein erster Flug

Turbulenzen in den Ferien

Der Occasionswagen

Rufst Du mein Vaterland

Ferien im Burgund

Der Wohnungseinstieg

Die erste Liebe

Die Weihnachtsausstellung

Die Kleinen hängt man

Das tragische Ende

Leo wird verlassen

Beinahe ein diplomatischer Zwischenfall

Joseph glitt aus

Die Affäre mit Alice

Johnny Brugger, der Verkäufer

In der Schusslinie

Vom Pionier zur zweiten Generation

Erlebnisse auf Humboldts Spuren

Frau Neumann verkauft Waschmaschinen

Autopanne in Spanien

Wir fuhren in Palma de Mallorca in einem gemieteten kleinen Seat vom Einkauf nach Hause ins Hotel am Strand. Leichter Regen setzte ein und bedeckte die schlecht asphaltierte Strasse, die zur Stadt hinausführte mit einem seifenähnlichen Belag. Das kleine Auto mit abgefahrenen Reifen rutschte und touchierte einen vor uns fahrenden, ebenfalls kleinen Lieferwagen. Unser Seat drückte dem vor uns Fahrenden ein hinteres Schutzblech ein. Bei uns wurden die vordere linke Schutzbekleidung und ein Teil der Motor-Abdeckhaube eingedrückt. Zweifellos waren wir schuld, denn mit profillosen Pneus fuhr man selbst bei tiefem Tempo in Spanien nicht herum.

Geschockt standen wir zwei im ersten Moment vor dem Schaden, schimpften und sagten: «Warum muss so ein lapidarer Unfall gerade uns in den Ferien passieren? Vermiest uns der Vorfall die restlichen Ferientage? Wird uns der kleine Unfall teuer zu stehen kommen? Wir hatten keine Versicherung abgeschlossen, weil es beim Vermieter hiess, das sei nicht nötig. Missmutig begutachteten wir, zusammen mit dem Fahrer des Lieferwagens, den Schaden an beiden Fahrzeugen. Der Mann redete schnell und gestikulierte. Da wir Spanisch verstanden, schlugen wir vor, die Polizei zu verständigen und hielten auch fest, die Bremsen unseres Fahrzeugs hätten versagt. Nach dem Wort Polizei sagte der Fahrer des Lieferwagens sofort: «Bringen wir die Sache hier in Ordnung, damit Sie ihn weiter nach Hause fahren können». Aber wie? Unser Vorderrad links war durch das eingedrückte Schutzblech blockiert.

Doch schon stand der Fahrer des Lieferwagens mit einer Eisenstange bei unserem Vorderrad und würgte das dünne Schutzblech vom Vorderrad weg. Er ermutigte uns ebenfalls Hand anzulegen. Mit grosser Mühe drückten wir gemeinsam das Schutzblech vom Pneu weg bis der Fahrer erklärte: «So geht es. Auf diese Weise kommen Sie zum Hotel. Lassen Sie den Seat einfach beim Wagenverleiher stehen. Der weiss sich zu helfen. Adios»! Und er verschwand. Wie belämmert standen wir da. Wir hatten einen kleinen Auffahrunfall verursacht und wären bereit gewesen, für den Schaden aufzukommen. Nun diese Lösung! Der Geschädigte wollte keine Polizei, sondern half uns noch, den kleinen Seat nicht fahrtüchtig zu machen, aber doch so herzustellen, dass wir bis zum Hotel kamen. Er wünschte uns noch gute Fahrt und zukünftig viel Glück. Vorsichtig und langsam fuhren wir die beachtliche Strecke bis zum Hotel weiter. Beim Leihwagen-Verleih machten wir den Betreuer auf die abgefahrenen Reifen und die nur zeitweilig funktionierenden Bremsen aufmerksam. Er lachte und meinte zum Schaden: «Wenig Ursache. Es ist ja nichts passiert! Den Wagen hätte man eigentlich nicht mehr fahren sollen, aber er ist ja versichert. In Ihrem Fall, so denke ich, sass der Fahrer des Lieferwagens vielleicht in einem gestohlenen Fahrzeug oder hatte etwas auf dem Kerbholz. Auf jeden Fall fürchtete er sich vor der Polizei und zog eine gütliche Regelung einer Diskussion mit der Polizei vor».

Diese Erklärung befriedigte uns nicht. Bei schnellem Fahren wären wir vielleicht im Spital gelandet. Der Verleiher hatte uns ein Schrottfahrzeug vermietet und redete sich auf seine Art und Weise aus der Affäre heraus. Möglicherweise würde er auch noch eine Versicherungssumme kassieren. Der Mann sah nicht überaus vertrauenserweckend aus. Wir waren, ob der vermiedenen Unfall-Abklärung und der für uns günstigen Regelung froh, und gratulierten uns zu unseren Sprachkenntnissen. Noch während des Abends rätselten wir, ob wir einem extrem liebenswürdigen Menschen begegnet waren, der unsere unangenehme Lage nicht ausnützte, sondern uns half, sie zu beheben. Oder halfen wir einem schlauen Kerl die Polizei vom Leibe zu halten, der den kleinen Unfall im eigenen Interesse auf der Stelle löste, um nicht in die Finger der Polizei zu geraten? War so etwas in Spanien möglich? Auf alle Fälle betrachteten wir den Auto-Verleiher als durchtriebenen Kerl, der untaugliche Fahrzeuge an Touristen vermietete und keine Rücksicht auf mögliche Unfälle nahm? Wahrscheinlich kassierte der Mann zusätzlich Versicherungssummen? Wir selbst waren froh, den Ausflug nach Palma unfallfrei und ohne Polizeiverhör überstanden zu haben.

Mein erster Flug

Bei Bekannten traf ich Walter Braun, etwa 18 Jahre älter als ich. Ich kannte ihn als ehemaligen Leiter einer Jugendorganisation, der ich ebenfalls angehörte. Er galt als Individualist, als intelligenter, stiller Schaffer, der viel überlegte und versuchte, im Leben einen eigenen Weg zu gehen. Er war ein gelernter Mechaniker, hatte sich beruflich weitergebildet und beschäftigte sich auch mit der Weltgeschichte. Ebenfalls im Zuge von Weiterbildung nahm eine Stelle in Frankreich an, um sein in der Schule gelerntes Französisch zu vervollständigen. Er war ein sparsamer Junggeselle, gab wenig Geld aus und legte es lieber auf ein Bankkonto. Nach mehreren Jahren im Ausland kehrte er in die Schweiz zurück und nahm eine Stelle in einem Industriebetrieb in Thun an. In Frankreich hatte er als Hobby mit Kleinflugzeugen fliegen gelernt. Im Berner-Oberland bot sich anfänglich dazu wenig Gelegenheit. Was also? Zufällig stiess er auf eine sogenannte Gelegenheit und kaufte ein gebrauchtes, tschechisches Kleinflugzeug, obwohl alle in seiner Umgebung sagten, er spinne im höchsten Grad. In aufwändiger Arbeit renovierte er seinen einmotorigen Zweisitzer, bis er tadellos flog und ihm die Freizeit verschönerte.

Als stolzer Inhaber eines Kleinflugzeugs wollte er es auch seinen Bekannten vorführen. An einem Sonntagmorgen flog er zu Freunden in den Klettgau und landete auf dem Segelflugplatz Schmerlat. Ein Kollege erwartete ihn und fuhr ihm im Auto zu einigen Freunden in seiner Heimatgemeinde. Walter wollte seine Maschine vorführen und mit dem einen oder anderen Bekannten eine Runde drehen. Leider bekam er von allen eingeladenen Kollegen Absagen, da vermutlich alle Angst hatten, in ein gebrauchtes, tschechisches Kleinflugzeug zu steigen.

Ich traf ihn zufällig am Sonntagnachmittag bei Bekannten und wurde ebenfalls gefragt, ob ich Lust hätte, mitzufliegen. Als abenteuerlustiger, 24-jähriger, ohne Flugerfahrung, fand ich es sensationell, in einem kleinen Flugzeug neben dem Piloten zu fliegen und sagte sofort zu. Walter schlug vor, er fliege mit mir nach Thun, von dort aus könne ich per Bahn wieder zurück. Sofort war ich begeistert und sagte zu Hause, ich sei in einigen Stunden wieder zurück. Meine Eltern staunten und waren nicht beunruhigt, als ich erklärte, ich käme in drei Stunden rasch per Bahn zurück. Sie sagten nur: «Pass auf, stürz nicht ab»!

Auf dem Segelflugplatz stieg ich voller Erwartung in die Maschine. Wir schnallten uns an und Walter führte die notwendigen Kontrollen und erforderlichen Einstellungen gemäss einer Liste aus. Einmal startbereit, wartete ich aufgeregt auf den Abflug. Auf dem Flugfeld sagte ein Segelflugpilot, wir sollten uns beeilen, ein Gewitter sei in Anzug.

Einmal in der Luft fand ich es wundervoll auf meine Ortschaft und die bekannte Gegend aus relativ geringer Höhe herabzublicken. Dann lagen der Rhein und der Rheinfall unter uns, wunderbar Fluss und Wasserfall unter uns zu haben. Aus der Luft sah das Zürcher Weinland eben aus. Sensationell fand ich die Rebberge. Leider verschlechterte sich das Wetter, das vom Segelflugpiloten angesagte Gewitter näherte sich. Plötzlich blies der Wind stärker und Walter bekundete erste Mühe, seinen Zweisitzer gerade zu halten. Es ging aber gut. Das bisschen Schütteln störte mich nicht. Ich kannte die Gegend, die ich per Bahn, mit dem Velo oder im Auto oft durchfahren hatte. Nach Bülach flogen wir Richtung dem Aargau. Als der Wind heftiger wurde, erfasste er die kleine Maschine und drücke sie auf und ab. Walter blieb ruhig und sagte nur, er hoffe wir kämen gut durch das Gewitter. Erstaunlicherweise regnete es nur wenig. Hingegen drehte der Westwind auf und hob das kleine Flugzeug höher, fünf bis zehn Meter hoch. Der Wind drückte es zur Seite. Walter blieb ruhig und sagte nur, er hoffe, wir müssten nicht notlanden. Ich verspürte keine Angst und dachte, auf einer Strasse oder einem Acker gelänge bestimmt eine Landung. Nach einigen unangenehmen Momenten sagte ich zum Piloten, in der Nähe müsse sich doch der Sportflugplatz Birrfeld befinden. Walter gab keine Antwort, denn er versuchte fieberhaft, die kleine Maschine, die herumgewirbelt wurde, in den Griff zu bekommen. Der Wind drückte sie auf und ab. Ich empfand das Manöver wie auf einem Jahrmarkt. Ob das 5 oder 10 Minuten so weiterging, wusste ich nachher nicht mehr. Auf alle Fälle beherrschte ich mich, bekam aber plötzlich Angst, die Flügel würden wegbrechen oder die uns über dem Kopf schützende Haube fliege weg. Es ging hinauf, hinab, nach Westen und nach Süden. Walter atmete tief. Ich klammerte mich an den Sitz, als er sagte, wir müssen notlanden, und er kommunizierte mit dem Flugplatz Birrfeld. Plötzlich dachte ich an Gott, an den ich damals noch glaubte, ob er mich vor das letzte Gericht stellen würde. Obwohl es schrecklich stürmte, war das nicht der Fall. Der Mann am Funk rief, dringend zu landen. Dann gelang Walter das Kunststück, die Maschine rüttelnd nach unten zu bringen. Offenbar gab der Wind ein wenig nach, und wir flogen, gemäss den Anordnungen der Stimme am Funk, auf ein Stück Piste, landeten holperig, aber relativ gut und Walter brachte die Maschine zum Stehen.

Durchgeschüttelt stiegen wir aus. Einige auf dem Flugplatz Anwesende gratulieren uns, wir hätten Glück gehabt lebend zu landen. Mir kamen sofort die Raumschiffe in den Sinn, von denen man damals immer wieder hörte. Wurden jene Insassen, falls es Menschen waren, ebenfalls so durchgeschüttelt wie wir eine Viertelstunde zuvor?

Walter wollte unbedingt nach Thun weiterfliegen, denn er musste am Montag zur Arbeit. Er konnte kaum das Ende des Sturms abwarten und flog dann wie vorgesehen weiter. Mich brachte ein auf dem Flugfeld wartender Zuschauer im Auto nach Brugg. Noch leicht benommen bestieg ich den Zug und fuhr nach Hause. Alles in allem benötigte ich vom Abflug bis zur Rückkehr etwa die vier Stunden, die ich zu Hause in Aussicht gestellt hatte. Von Walter hörte ich lange nichts mehr, sondern vernahm nur zwei Monate später, er sei damals noch unbeschadet nach Thun weitergeflogen.

Turbulenzen in den Ferien

Als Junggeselle nahm ich mir vor, zwei Wochen aussergewöhnliche Ferien an der Wärme zu verbringen. Die Anzeige einer Fluggesellschaft aus Basel bot damals erstmals einen zweiwöchigen Urlaub auf den Kanaren zu einem Festpreis an. Ich meldete mich an und bemerke, dass der Hin- und Rückflug in zwei Etappen mit einer Zwischenlandung in Malaga in Aussicht gestellt wurde. Es hiess, die für Charterflüge benutzten Flugzeuge reichten nicht für einen Direktflug von Basel bis nach Las Palmas.

Eine bunt gemischte Gesellschaft fand sich zur vorbestimmten Zeit am Abflug in Basel ein. Jede Person erhielt einen Sitz in der Maschine, einige Instruktionen sowie eine kleine Zwischenverpflegung.

Nach 3 - 4 Stunden Flugzeit informierte der Pilot er lande in Kürze in Malaga und sagte, der Anflug erfolge vom Land her, wir sollten uns anschnallen. Neugierig schauten aus den Bullaugen, bemerkten, wie die Maschine an Höhe verlor und betrachteten die Gegend. Der Anflug verlief normal, bis der Pilot durch den Lautsprecher schrie: «Anschnallen, anschnallen, halten Sie sich fest! Festhalten»! Sogleich spürten wir, wie die Maschine in ihrem Flug nach rechts kurvte und wieder stieg. Nach kurzem Moment erblickten wir unter uns das Meer und bemerkten wie das Flugzeug über dem Wasser wieder an Höhe gewann und Richtung Westen flog. Erstaunlicherweise entstand in der Kabine keine Aufregung, denn der Pilot meldete durch den Lautsprecher: «Die Landepiste war leider noch nicht frei, doch wir landen jetzt in 10 Minuten. Die Maschine drehte eine grössere Runde über dem Meer, flog Richtung Marbella und setzte dann vom Land her erneut zur Landung an, die tadellos erfolgte Die Stimme im Lautsprecher kündigte eine Stunde Aufenthalt mit Kaffee und einem Gebäck an. Da wir vermutlich ausserhalb des Fahrplans ankamen, erhielten wir unseren Kaffee an einigen Tischchen vor dem Ausgang zur Piste. Wir waren begierig, etwas über das seltsame Landemanöver zu erfahren. Der Reiseleiter und der Pilot sagten nur, sie wüssten, es habe im Flugplan eine kleine Änderung gegeben. Ich gab mich mit der Antwort nicht zufrieden und fragte auf Spanisch einen älteren Angestellten, der mit einem Gepäckwagen beschäftigt war, warum wir beim Anflug nicht landen konnten

Treuherzig erklärte er, leider setzte fast gleichzeitig eine zweite Maschine vom Meer her zur Landung an. Wären wir nicht abgedreht und erneut gestiegen, hätte es einen Zusammenprall abgesetzt, eine Maschine aus England sei plötzlich angekommen. Um ein Unglück zu vermeiden, konnte man uns noch rechtzeitig warnen, wir drehten über dem Meer eine Runde und flogen nach Westen.

Ich fragte unseren Piloten, der mit uns Kaffee trank, der bestätigte den Vorfall, bat mich aber, den anderen Passagieren nichts zu verraten. Da alles ja gut gegangen sei, müsse man jede Aufregung vermeiden. Auch wolle er nicht, dass Passagiere aus Angst die Reise abbrachen, um nach Hause zurückzukehren. Ich versprach, bis Las Palmas niemandem etwas zu erzählen und hielt mein Versprechen, obwohl ich die Mitteilung gerne weitererzählt hätte. Ich dachte intensiv über den Vorfall in einem tschechischen Kleinflugzeug nach, in dem mich zwei Jahre zuvor ein Gewitter mich in arge Schwierigkeiten brachte.