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Arthur Wassermann kehrt nach Jahren als Berater in Afrika nach Schindellegi zurück. Er entwickelt ein kleines Zielgerät für Gewehre, das er im Goldenen Dreieck (Thailand) herstellen lässt. Der Doppelbürger Richard Sommer arbeitet als Instruktor bei der NATO und trifft in Zürich auf Miriam Spengler, die nach 4 Jahren in Südamerika zurückkehrte und in einer Anwaltskanzlei arbeitet. Sie klärt für das Ehepaar Marburg ab, ob ihr Name in den Panama Papers sie in Schwierigkeiten bringt. Die Marburgs betreiben in Hinterzarten eine Entzugsklinik und verkaufen ein Beruhigungsmittel, das auch als Designer-Droge einsetzbar ist. Die Personen in der Story berühren sich in verschiedenen Situationen und geraten dadurch in Schwierigkeiten. Sofia Marburg vertreibt von Schindellegi aus ihr Mittel und steht bald einmal mit einer Toten vor einem Problem. Wassermann wird beim Verkauf seines Zielgeräts von den Chinesen bedrängt. In der Kanzlei stösst Miriam Spengler auf Dokumente, die zeigen, dass eine italienische Finanzorganisation hinter der Kanzlei agiert. Richard Sommer und Wassermann werden in Mosambik in Geschäfte gegen die Chinesen verwickelt. Miriam Spengler gerät unter Druck der Mafia und Marburgs Beruhigungsmittel sorgt für Spannung.
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Veröffentlichungsjahr: 2022
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Kapitel 60
Kapitel 61
Kapitel 62
Kapitel 63
Kapitel 64
Kapitel 65
Kapitel 66
Kapitel 67
Kapitel 68
Kapitel 69
Kapitel 70
Kapitel 71
Kapitel 72
Kapitel 73
Kapitel 74
Kapitel 75
Kapitel 76
Kapitel 77
Kapitel 78
Kapitel 79
Kapitel 80
Kapitel 81
Kapitel 82
Kapitel 83
Kapitel 84
Kapitel 85
Kapitel 86
Kapitel 87
Kapitel 88
Kapitel 89
Kapitel 90
Kapitel 91
Kapitel 92
Kapitel 93
Kapitel 94
Kapitel 95
Kapitel 96
Kapitel 97
«Hätte ich mich bei weiteren Firmen bewerben sollen» dachte Miriam Spengler, als sie nach mehreren Jahren im Ausland eine Stelle in der bekannten Anwaltskanzlei Steinemann + Bauer in Zürich antrat? Nach dem Vorstellungsgespräch war sie unsicher, sagte dann aber zu. Ihr zukünftiger Chef, Dr. Rudolf Märki, hingegen war überzeugt, er habe mit Miriam Spengler die beste Bewerberin mit guter Ausbildung, ausgewählt. In der Kanzlei würde sie in sein Team integriert. Er hatte eine vertrauenswürdige Person mit guten Sprachkenntnissen, mit Bank- und Sekretariatserfahrung gesucht. Nach weiteren Gesprächen überzeugte ihn ihre Intelligenz und Erfahrung. Er war sicher, sie würde eine zuverlässige Arbeitskraft.
Obwohl Miriam Spengler eine ausgezeichnete Ausbildung genossen hatte, war sie keine Anwältin. Trotz mangelndem Titel gratulierte sich Dr. Märki schon nach wenigen Arbeitstagen. Er hatte eine gute Mitarbeiterin eingestellt. Miriam Spengler kehrte kurz zuvor nach einem längeren Aufenthalt in Lateinamerika nach Zürich zurück. Als sie vier Jahre zuvor aus der Schweiz privat nach Südamerika zog, arbeitete sie in bevorzugter Stellung bei Banken in Paris, in London sowie in einer Kanzlei in Zürich. Jetzt suchte sie eine interessante Anstellung in einer seriösen Firma, in der sie während Jahren bleiben und ihren Lebensunterhalt verdienen konnte. Unredlichkeiten und Unstimmigkeiten hatte sie zur Genüge in Lateinamerika erlebt. In der Schweiz wollte sie gutbürgerlich mit möglichst wenigen Problemen leben.
Der zwei Jahre über die 60 gehende Rudolf Märki hätte lieber einem Mann mit Anwaltspatent angestellt. Er nahm die Kandidatin Miriam Spengler, weil sie den besten Eindruck machte, intelligent redete und er sie als vertrauenswürdig empfand. Bereits nach kurzer Zeit in seinen Diensten, war er von seiner Auswahl überzeugt. Miriam Spengler beherrschte Sprachen besser als er, begriff die Arbeiten und verblüffte durch umfangreiche Kenntnisse im Bankwesen. Nach kaum einem Jahr avancierte sie in seinem Team von sechs Personen zu seiner Stellvertreterin. Die anderen Mitarbeitenden, die einerseits dankbar für jemanden mit viel Sprach- und Bankerfahrung waren, nahmen sie anfänglich als Eindringling wahr, akzeptierten sie dann bald einmal. Besonders der etwa 56-jährige Anwalt Peter Camenisch, den Dr. Märki bis zum Eintritt von Miriam Spengler als Stellvertreter betrachtete, zeigte wenig Freude an der viel jüngeren Frau mit Temperament und vielen Kenntnissen. Ihr gutes Verhältnis zum langjährigen Vorgesetzten Rudolf Märki ärgere ihn. Miriam Spengler kam sehr rasch mit allem 34 Personen der mittelgrossen Kanzlei gut aus, da sie freundlich sowie distanziert blieb und sich mit niemandem privat einliess.
Der leichte Vorhang, der sich zwischen sie und Peter Camenisch geschoben hatte, bedrückte sie nur anfänglich. Als Frau mit Ausland-Erfahrung wusste sie, dass in der Regel Ungerades nach einiger Zeit wieder normal wurde. Nach relativ kurzer Zeit fühlte sie sich im Büro akzeptiert. Die leichte Unstimmigkeit zwischen ihr und Peter Camenisch störte nicht. Von Ihrem Arbeitsplatz aus blicke sie auf den Zürichsee bis ans andere Ufer. Beneidete er sie vielleicht wegen ihrem Arbeitsplatz mit bevorzugter Aussicht? Wahrscheinlich hätten auch andere ihren Arbeitstisch in der Kanzlei gerne gehabt. Sie sah die Schiffe und Boote auf dem See und fragte sich oft, wer wohl in den Häusern auf der gegenüberliegenden Seeseite wohne und wer auf den Schiffen einen Ausflug mache? Das Wasser in wechselnden Farben und in Bewegung sowie die Bäume und die grünen Flecken auf der anderen Seeseite werteten ihren Arbeitstag auf.
Als sie mit ihrem Vorgesetzten auf Peter Camenisch zu sprechen kam, meinte dieser, leider laufe der Weg im Leben nicht immer gerade aus. Die verschiedenen Wegstrecken seien auch ein Grund dafür, dass Anwälte ständig mit Arbeit versorgt würden. Sie hätten Differenzen zu bearbeiten und müssten sie auch lösen. Sie solle keine Gedanken über den Junggesellen Camenisch verlieren. Er sei ein guter Mitarbeiter, sehr belesen und gehöre zu einem Zweig von Herrn Steinemanns Familie, dem obersten Inhaber der Kanzlei. Dann fuhr er fort: «Herr Steinemann, unser Boss, ist liiert mit einer finanzstarken, international agierenden Organisation. Ihr gehört ein Teil seines Besitztums in der Toskana, aus diesem Grund ist die Finanzorganisation leicht mit unserer Kanzlei verbunden, die wir aber selbständig führen. Wir dienen höchstens dann und wann als Relaisstation, wenn es um Finanzen geht»
Dr. Märki fuhr weiter: «Peter Camenisch hat sich in den letzten Jahren leicht verändert. Sehr oft ist nicht ersichtlich, ob er Mann oder Frau oder beides zusammen ist. Er ist gebildet, vor allem belesen, oft ein Schöngeist und befasst sich seit mehr als einem Jahrzehnt mit den alten Griechen, vor allem mit Pythagoras. Pythagoras war auch der Grund, warum er ein Sabbatical in Kalabrien verbrachte und sich seither mit der dortigen Gegend abgibt. Ebenfalls seit seiner Rückkehr aus dem südlichsten Teil Italiens arbeitet er nur noch zu 80% in der Kanzlei und beschäftigt sich nebenbei privat. Er macht seine Arbeit gut, lebt ein eigenes Leben, verkehrt nur mit wenigen Freunden und Bekannten».
Dazu erklärte Dr. Märki weiter: „Peter Camenisch betreut seit mehreren Jahren die Kunden Marburg, mit der ihnen gehörenden Entzugsklinik in Hinterzarten im Schwarzwald. Seit einiger Zeit lebt Frau Sofia Marburg im schwyzerischen Schindellegi. Peter Camenisch steht vor allem mit ihr in Verbindung. Kürzlich erhielt ich von den Marburgs eine neue Aufgabe. Damit möchte ich Peter nicht belasten, denn ihm fehlen sprachliche- und tiefere Kenntnisse im Finanzwesen. Es geht im neusten Auftrag um die Panama-Papers. Dazu sind Englisch und Spanisch erforderlich. Aus diesem Grund sind sie gefordert Frau Spengler“.
Er schilderte den Marburg-Fall mit den Panama Papers und erklärte: «Herr Marburg ist ehemaliger Slowake und medizinisch ausgebildet. Er führt seine Entzugsklinik für Alkohol-, Drogen-, Nikotin- und Arbeitsgeschädigte. Seine Frau, Sofia Marburg, ist Russin mit deutscher Mutter. Sie ist intelligent, selbstbewusst bis rechthaberisch. Sie wohnt seit geraumer Zeit in einer Villa in Schindellegi und wird von Peter Camenisch betreut. Er kommt mit Sofia Marburg und ihrem Mann bestens aus. Ich selbst bin glücklich, wenn jemand wie er selbständig arbeitet. In einigen Jahren werde ich pensioniert, dann übernimmt er den Karren ».
Dr. Märki fuhr weiter: „Ich denke, der jetzige Fall ist für Peter Camenisch nicht geeignet, da es um Geldverschiebungen geht, mit denen vor allem Jakub Marburg zu tun hat. Er teilte uns mehrfach mit, seine Frau und er hätten Dollarbeträge in mehreren Steueroasen wie Panama, auf den Bahamas und den Cayman-Inseln parkiert. Als er von den Panama-Papers in den Medien hörte, bat er mich, sämtliche Nachrichten zu sammeln und diskret zu behandeln. Zurzeit wissen wir noch wenig. Es ist Aufgabe der Kanzlei, ihre Kunden zu schützen sowie mögliche Anklagen von ihnen abzuweisen. Peter Camenisch steht, wie ich sagte, mit Frau Sofia Marburg regelmässig in Kontakt. Sie residiert und arbeitet in Schindellegi und verkauft ein eigenes Heilmittel, das nicht ganz bewilligungskonform ist. Mir scheint, Peter Camenisch betreut sie gut, denn sie überträgt ihm immer wieder neue Aufgaben, die wir verrechnen können».
Er trank seinen Kaffee aus und erklärte weiter: «Zu dem, was ich jetzt sage, ist Vorsicht am Platz. Wie gesagt, Frau Marburg lebt allein in der Schweiz, ihr Mann in Hinterzarten im Schwarzwald. Sie kontaktiert Ärzte und Kliniken, die Patienten in die Klinik schicken. Daneben verkauft sie zusätzlich ihren besonderen Wirkstoff an kleine Pharmahersteller, Labors, Spitäler Apotheken und auch an Ärzte. Es handelt sich um ein pulverförmiges Beruhigungsmittel mit dem Namen «Calmdown». Sie beliefert Kunden in Europa und nur einige in Übersee. Als Verkäuferin ist sie sehr tüchtig. In ihrer Tätigkeit gibt es ein Problem. Bei Kontrollen heisst es da und dort, ihr als handelsüblich deklariertes Pulver enthalte so etwas wie Amphetamin und sei in letzter Konsequenz nicht drogenfrei. Unsere Kundin stellt sich auf den Standpunkt, sie verkaufe nur handelsüblichen Wirkstoff, keine Drogen. Wenn ihre Kunden im Labor das Pulver veränderten, so habe sie damit nichts zu tun. Ich weiss nicht, wie weit sie sich damit aus dem Fenster lehnt».
Arthur Wassermann legte sein Telefon zur Seite, schmunzelte und nahm einen Schluck Whisky aus dem Glas, das er bereits vor dem Anruf neben sich gestellt hatte. Das Gespräch verlief positiv, sehr positiv sogar. Er telefonierte mit einem Gewährsmann in Montenegro, der versprach, ihn in einer Woche mit einem Türken zu besuchen, es gehe um die Vorbesprechung eines delikaten Geschäfts. Arthur Wassermann plante seit längerer Zeit einen eigenen Deal, führte Gespräche und klärte ab, wer als Partner für Neues in Frage kommen könnte. Seine Bemühungen würden jetzt durch das an ihn unverhofft herangetragene Zwischengeschäft nur unterbrochen, aber nicht ausgeschlossen. Beim Anruf suchte ein hoher Beamter Montenegros, zusammen mit der CIA, die ihn vermutlich kontrollierte, jemanden mit Kenntnissen im Waffenhandel, eine Person, die bereit war, sich finanziell zu engagieren. In der Branche hiess es, Wassermann eigne sich für solche Geschäfte. Arthur Wassermann war clever genug das delikate Zusatzgeschäft anzunehmen. Als Profi wusste er wie man mit Situationen diese Art umging. Seinem eigenen Vorhaben schadete ein Zwischenhandel nicht. Die Anfrage aus Montenegro tönte interessant, bei Zusage musste er lediglich die vorgesehene Reise nach Thailand verschieben. Aus diesem Grund teilte er seinem Bekannten, Jakub Marburg mit, dem Inhaber einer Entzugsklinik im Schwarzwald, die Reise nach Thailand werde für kurze Zeit verschoben. Er traf Jakub Marburg früher einmal auf bei einem Aufenthalt nach Hongkong und versprach, ihn nach Thailand zu begleiten. Die Marburgs besassen nur unweit von seinem Haus in Schindellegi ebenfalls eine von Frau Sofia bewohnte Villa. Sie durfte vom Vorhaben der Männer nichts erfahren.
Der Ingenieur Arthur Wassermann, 49jährig, gebürtig aus Aarau, einmal kurz verheiratet, dann geschieden, lebte als Einzelgänger in einem feudalen Haus im schwyzerischen Schindellegi. Er genoss die Aussicht auf den Zürichsee durch die Panoramascheiben und dachte, bei sonnigem Wetter könnte er an keinem anderen Ort schöner wohnen. Sein Haus hatte er zu einem beachtlich hohen Preis einer Erbengemeinschaft abgekauft. Die hohe Kaufsumme von drei Millionen Franken betrachtete er als hoch, doch sein finanzieller Hintergrund in der Grössenordnung von 30 Millionen Franken, liess das zu. Auch betrachtete er sein Vermögen als hoch genug, um sich einiges leisten zu können und um zurückgezogen das nächste Geschäft zu planen, das ihm seit einiger Zeit keine Ruhe liess. Er war ins steuergünstige Schindellegi gezogen, um nach turbulenten Jahren in Afrika, sich Zeit für Neues zu gönnen. Er lebte so quasi in einer angenehmen Warteposition, denn das Vorhaben, das ihm vorschwebte, würde ihn aktiv beschäftigen und sein Vermögen erhöhen.
Für ihn war das Zwischengeschäft in Montenegro mit zweifelhaftem Hintergrund keine moralische Frage. Nach langen Jahren in Afrika begeisterte ihn eine Anfrage dieser Art. Sein eigenes Vorhaben konnte ruhig für einen Monat zuwarten, Zeit stand genügend zur Verfügung. Während einer ersten Besprechung erfuhr er, in Montenegro lägen 60 Kisten mit Kalaschnikow-Munition. Auf Druck der CIA drängte die Regierung des Kleinstaates, die Fracht loszuwerden. Wassermann erfuhr nicht, ob die Kisten irgendwo gestohlen oder illegal von einer Russen-Lieferung abgezweigt wurden. Es hiess, legal verkaufen könne man sie nicht, ohne dass die Medien davon erführen. Da niemand bereit war, sich die Finger mit Waffen zu verbrennen, landete die Anfrage bei Arthur Wassermann, dem man zutraute, den Fall lösen zu können. Er überlegte, telefonierte und sondierte bis ein Plan und die Teilnehmer vorlagen, die er einsetzen konnte.
Zusammen mit einem hohen Beamten und einem türkischen Händler fädelte er einen fiktiven Export der Kisten von Montenegro nach Mosambik ein. Die CIA plus ein hoher Beamter Montenegros erteilten die Bewilligung für den Export der Fracht. Um sie aus dem Depot zu nehmen und wegzubringen, wurden Dokumente gefälscht und umdatiert. Für die Beteiligten lag Mosambik weit weg und nur wenige wussten etwas über die dort von Kriegshandlungen verwüsteten Verhältnisse. Da Mosambik in der Vergangenheit Waffen in Russland gekauft hatte, passte der CIA die Destination. Auf diese Weise nahm man an, die Munition gehe zur Armee in Maputo, vielleicht auch zu den Rebellen oder verschwinde irgendwo in Afrika. Für Montenegros Regierung musste das Zeug so oder so aus dem Land. Der türkische Händler, den Wassermann einspannte, lud mit seinen Gehilfen, unter den Augen von Montenegros Administration, die Kalaschnikow-Munition im albanischen Durres auf ein Schiff mit Destination Mosambik. Arthur Wassermann und der Türke fälschten abermals Dokumente und fuhren mit Hilfsgütern Richtung Türkei. Der Spediteur brachte die Ladung bei Nacht und Nebel in der Nähe von Dalarman an der türkischen Mittelmeerküste an Land und schleuste sie als Hilfsgüter auf dem Landweg in verschiedene nahöstliche Kriegsgebiete. Der türkische Händler bezahlte zwar schleppend, erledigte die Ausstände aber nach Ablieferung der Munition an die Abnehmer. Er arbeitete gut und verwischte gleichzeitig die meisten Spuren. Die Dokumente für Montenegro, die Frachtbriefe in Durres, sowie die weiteren Fracht- und Bankunterlagen verschwanden kurze Zeit später und waren nicht mehr auffindbar. Für Arthur Wassermann lief das Geschäft gut und zeigte, dass er bei Waffengeschäften nach wie vor mithalten konnte. Dass abgelaufene Geschäft signalisierte Erfolg für das vorgesehene neue Business.
Miriam Spengler parkte ihren Mini in der Tiefgarage des Mehrfamilienhauses, in dem sie eine 3,5 Zimmer-Wohnung bewohnte. Sie und eine Bekannte warteten auf den Lift, der vor ihnen von anderen Bewohnern des Hauses benützt worden war. Die 35jährige Miriam Spengler hatte mit einer Bekannten ein Konzert besucht und war noch erfüllt vom Klang des Symphonie-Orchesters und der stupenden Technik des Pianisten. Aufgewühlt und begierig darüber zu sprechen, lud sie ihre Bekannte zu einem Kaffee in ihre Wohnung ein. Diese hatte ihren Wagen auf einem der Kundenparkplätze abgestellt.
Im Korridor öffnete Miriam Spengler die Wohnungstüre, hiess ihre Begleiterin eintreten und sagte: «Leider vergass ich meinen Briefkasten zu leeren. Warte im Wohnzimmer, ich komme sofort nach». Sie fuhr ins Erdgeschoss zurück, kurz darauf wieder hinauf und bemerkte beim Verlassen des Aufzugs ihre offene Wohnungstüre. Sie schloss sie doch! Gleichzeitig hörte sie, wie jemand hastig das Treppenhaus hinab eilte. Im Wohnzimmer lag ihre Bekannte mit blutendem Kopf am Boden. Miriam bückte sich, bemerkte, dass sie atmete und stammelte. Sie legte sie in Seitenlage, schob ein Kissen unter den Kopf und telefonierte der Polizei.
Dort hiess es, man komme sofort. Im Wohnzimmer standen alle Schubladen offen. Auf und neben dem Schreibtisch lagen Papiere, Büromaterial und weitere Gegenstände durcheinander. Schon stand auch ein Ehepaar aus einer Nachbarswohnung im Korridor des Hauses. Es klingelte und trat in die Wohnung. Der Mann sagte, er habe Lärm im Treppenhaus gehört und die offene Türe gesehen. Ob etwas passiert sei?
Die Polizei war relativ rasch zu Stelle, avisierte den Notfall, kümmerte sich um die Verletzte und begann zu fragen. Miriam Spengler schilderte kurz den Hergang des seltsamen Überfalls und zeigte auf die offenen Schubladen und die herumliegenden Dokumente im Wohnzimmer. Mit dem Öffnen der Wohnungstüre musste sie einen Einbrecher überrascht aber nicht bemerkt haben, denn sie fuhr mit dem Aufzug ins Erdgeschoss zurück und leerte den Briefkasten. Offenbar überfiel in dieser Zeit jemand ihre Bekannte und verletzte sie am Kopf. Sie blutete. Schrecklich! Was hatte der Dieb gesucht? Bald war ihr klar, worum es ging. Sie nahm zwei Tage zuvor Dokumente in spanischer Sprache aus dem Büro mit nach Hause, um sie am Abend zu lesen. Der Chef meinte, vielleicht enthielten die Papiere Zusätzliches zur gemachten Übersetzung. Denn seit einigen Tagen bearbeitete sie mit ihrem Chef die Panama Papers. Dr. Märki erklärte, Miriam Spengler solle zu Hause in Ruhe die Übersetzung mit dem Spanischen und Englischen vergleichen. Beim Anblick der Unordnung dachte Miriam: «Jemand war hinter den Panama-Dokumenten her. Wurde meine Bekannte, an Stelle von mir von einem Einbrecher attackiert»?
Die Polizisten schrieben auf was sie hörten, zweifelten zuerst an der Geschichte vom Gang zum Briefkasten. Als die Nachbarn bestätigten, sie hätten Lärm im Treppenhaus gehört, fotografierten sie den Tatort mit der Unordnung und notierten ihre Aussagen. Der Rettungswagen kam in Kürze und nahm die Überfallene mit ins Spital. Die Helfer erklärten, die Wunde am Kopf sei nicht schlimm, man behalte die Frau für einen oder zwei Tage, um sie zu untersuchen. Als die Polizisten abzogen, begann Miriam Spengler aufzuräumen. Die Polizisten baten sie, sich morgen auf dem Polizeiposten zu melden, man werde auch ihre Begleiterin einvernehmen.
Miriam Spengler räumte auf und prüfte, was fehlte. Die wenigen Banknoten in einer Schublade, die persönlichen Dokumenten in einer Hängemappe sowie ihre eigenen Verträge in einem Dokumentenordner wurden nicht angetastet. Beim Allgemeinen fehlte kaum etwas. Die Unterlagen, die sie tags zuvor aus dem Büro mit nach Hause genommen hatte, lagen versteckt zwischen zwei leeren Kuchenblechen im Backofen, den sie nie benützte. Der Boss sagte tags zuvor, vielleicht finde sie zwischen den verschiedenen Übersetzungen Zusätzliches für eine Abklärung. Sie las die Dokumente tags zuvor, fand aber wenig. Jetzt studierte sie die halbe Nacht den Papieren nach und bedauerte ihre verletzte Bekannte. Sie nahm sich vor, am Morgen im Geschäft mit ihrem Chef zu sprechen und noch vor Mittag einen Besuch im Spital zu machen. Auch mit dem Schloss der Wohnungstüre musste sie sich befassen. Es wurde ohne Aufbruch geöffnet, also musste es ausgetauscht werden.
Richard Sommer weilte für einige Tage in seiner Heimatstadt Zürich. Gewöhnlich lebte er als NATO-Funktionär in Brüssel, reiste zu Sitzungen in die Hauptstädte Europas, besuchte Regierungsstellen, kontaktierte Militärs und Funktionäre in Staaten auf der halben Welt. Erstaunt vernahm er, seine Cousine Beatrice sei von einem Einbrecher attackiert worden und liege für einige Tage im Spital. Als Junggeselle mit nur wenigen Familienangehörigen nahm er sich vor, sie zu besuchen. Er liess sich zum Spital chauffieren und traf Cousine Beatrice mit einem Kopfverband im Bett. Sie lächelte und sagte, sie habe nur wenig Schmerzen, obwohl sie einen Schlag auf den Kopf erhalten habe. Offenbar hatte sie nichts Schlimmes abbekommen, denn sie sprach und erzählte lückenlos. Sie schildere den Hergang des Vorfalls und erklärte, die Ärzte meinten, sie habe Glück gehabt.
Im Spital traf Richard Sommer auch Miriam Spengler die Beatrice gleichzeitig aufsuchte. Sie und Beatrice hatten gemeinsam das Konzert besucht. Miriam schlug vor, bei ihr zu Hause noch Kaffee zu trinken.
Das Gespräch am Krankenbett tröpfelte dahin, bis Richard Sommer bemerkte: „Ich sehe, im Spital wird das Essen verteilt. Ich gehe ebenfalls zum Mittagessen, darf ich sie, Frau Spengler, dazu einladen“? Sie war einverstanden und sie setzten sich in der Nähe in ein Restaurant. Nach einigen allgemeinen Fragen und Antworten floss das Gespräch und sie unterhielten sich glänzend. Mit Erstaunen vernahm er einiges aus ihrem Leben und erzähle auch dass er als Doppelbürger für die NATO arbeite und viele Orte kenne, die sie ebenfalls erwähnte. Ebenfalls wollte er wissen, wie der Einbruch ablief, warum sie zum Briefkasten ging, und was gestohlen wurde. Als sie erklärte, es gehe um Dokumente aus Panama, deren Übersetzung und Inhalt sie prüfen müsse, meinte Richard Sommer er denke, beim Namen Panama handle es sich um Steuerhinterziehung, Schmuggel oder Geldwäsche, vielleicht auch um Industriespionage. In jedem Fall sei das Geld schwarz, das in der Karibik liege, wahrscheinlich nicht ehrlich erworben, auf alle Fälle nicht versteuert. Erstaunt zeigte er sich, dass der Täter über ihre Abwesenheit informiert war und so spät am Abend die Wohnungstüre öffnete. Der müsse informiert gewesen sein. Möglicherweise wusste der Einbrecher, er nehme an es sei ein Mann gewesen, dass niemand zu Hause war. Bei ihrer Anwesenheit hätte er sie bedroht, vielleicht sogar attackiert, um die Dokumente auf diese Weise zu stehlen. Sie solle auf jeden Fall eine Türsicherung anbringen, denn heute sässe bei vielen Halunken ein Messer locker in der Scheide. Er meinte auch, daran hatte Miriam ebenfalls gedacht, der Täter wusste, dass sie Dokumente mit nach Hause nahm. Arbeitete der Einbrecher in der Kanzlei oder bekam er von einem dort Anwesenden einen Hinweis. Standen vielleicht der Chef oder Peter Camenisch dahinter?
Richard Sommer fand Miriam sei eine interessante Frau, charmant, viel wissend, mit erstaunlichem Background. Mit ihr hatte er sich bei Essen gut unterhalten. Da er sich nur während einigen Tagen in Zürich aufhielt, lud er sie zu einem Nachtessen ein. Sie lächelte, sagte zu und meinte, er solle sie abholen, damit ihr Mini in der Garage bleibe. Zu Hause befasste sie sich nochmals mit der Türverriegelung. Da die Verwaltung nichts unternommen hatte, bemühte sie sich selbst um einen Schlosser. Sie wollte keinesfalls einem Einbrecher nochmals Gelegenheit geben, ihre Wohnungstüre zu knacken. Auch nahm sie sich vor, zukünftig keine geschäftlichen Dokumente mehr mit nach Hause zu nehmen
Miriam Spengler wuchs in einer Akademikerfamilie als behütetes Mädchen auf. Sie war vor allem Vaters Liebling, der ihr jeden Wunsch erfüllte. Er förderte sie, wechselte ihre Schule als es am Wohnort nicht gut ging und brachte sie in einer Privatschule unter. Er investierte einiges, um aus Miriam eine junge, begehrliche Frau zu machen, die ihre ersten Schritte im Leben selbstbewusst gehen konnte. Französisch lernte sie in Lausanne, Englisch in einer Privatschule in London, absolviere zwei Semester an der Sorbonne und arbeitete anschliessend für zwei Jahre beim Crédit Lyonnais in Paris.
Nach Bankaufenthalten in London und Madrid, nahm sie einen Job in einer grossen Anwaltskanzlei in Zürich an. Irgendwann erlebte sie ein Amour Fou, verliebte sich Hals über Kopf in einen Lateinamerikaner, heiratete ihn zum Leidwesen der Familie und landete anschliessend in Quito. Sie lebte dort als begüterte Señora bis die Geschäfte ihres Mannes nur noch abwärts zeigten. Sie musste den Gürtel enger schnallen und bemerkte, wie ihr Mann sie betrog. Er erteilte, grossartig redend, die Schuld am Missgeschick den landesweiten schlechten Umständen und der Politik, die nicht die seine war. Pausenlos besuchte er Amigos und rechtfertigte sich mit allem, was ihm in den Sinn kam. Zum Glück blieben Kinder aus. Als es nur noch abwärts ging, wurde ihr das Leben in Quito zu bunt. Sie packte die Koffer und kehrte in die Schweiz zurück.
Zurück in der Schweiz, bemühte sie sich um eine Stelle. Da sie in Zürich geheiratet hatte, fand sie bald einen Weg für eine Scheidung. Dank ihrer Ausbildung und ihren Auslandkenntnissen fand sie die Stelle im international tätigen Anwaltsunternehmen Steinemann + Bauer. Dabei lernte sie, sich im Geschäft wie auch im neuen Privatleben durchzusetzen. In Zürich gab es, im Gegensatz zu Quito, keine Dienstboten für den Haushalt. Alles musste selbst organisiert und gemacht werden. In ihrer Arbeit in der Anwaltskanzlei kam sie mit internationalen Geschäften und seltsamen Verträgen in Kontakt, die in der Kanzlei bearbeitet wurden. Die internationalen Probleme waren oft kompliziert, erzeugten hohe Kosten sowie erforderten Mitarbeiter mit guter Bildung Sprachkenntnissen und allgemeinen Kenntnissen Trotz grossem Gerechtigkeitsbewusstsein stellte Miriam die Arbeit der Kanzlei nie in Frage. Sie verstand, dass man Aufträge im Sinne der Kunden ausführte und im Detail nicht fragte, ob etwas bis ins Letzte gerecht war. Besonders bei finanztechnischen Fragen und Aufträgen arbeitete man für einen Kunden und beachtete grundsätzlich die Gerechtigkeit nicht. Da Miriam vier Sprachen beherrsche, schätzte sie Dr. Märki als eine besondere Assistentin. Irgendwann landete der Marburg-Fall, der mit den Panama Papers zu tun hatte, bei ihrem Chef. Es ging um grössere Geldbeträge. Da Dr. Märki bei diversen finanziellen Unklarheiten nicht weiterkam, bat er die Kundin zu einer Besprechung mit ihrem Sachbearbeiter Peter Camenisch und Miriam Spengler. Der Kontakt brachte keine Klärung. Frau Marburg argumentierte nur allgemein, wusste bei Fakten keine Antwort und zeigte, dass sie nicht über jedes Geschäft ihres Mannes informiert war. Miriam Spengler kam abermals in Kontakt mit ihr, als sie Fragen zu den Panama Papers beantworten sollte. Miriam Spengler verstand, dass das Ehepaar Marburg gemeinsam viel Geld verdient und Beträge im Ausland auf diversen Konten deponiert hatte.
Im Rahmen von Besprechungen fiel ihr auf, dass Dr. Märki und ihr Kollege Peter Camenisch nie fragten, ob vom Kunden aus gesehen etwas im Sinne von Gesetz oder Vorschriften richtig oder falsch war.
Das Ehepaar Marburg betrieb in der Nähe von Hinterzarten im Schwarzwald eine moderne Entzugsklinik mit zeitgemässer Infrastruktur für Erwachsene. Die Marburgs behandelten Menschen, die mit Alkohol, Tabak, Drogen, Medikamenten oder anderen Substanzen belastet waren. Jakub Marburg wurde in der Slowakei in einem Labor ausgebildet, besuchte medizinische Vorlesungen und arbeitete auch in Prag und Berlin als Assistent. Seine Gattin, gebürtige Russin mit deutscher Mutter, absolvierte einige Semester Medizin und lernte in der Slowakei durch praktische Anwendung Schönheitschirurgie.
Die Marburgs führten mit 10-20 Mitarbeitern, inkl. Ärzten und Krankenschwestern, eine modern eingerichtete Klink. Sie boten ihr gut ausgelastetes Haus international in den Sprachen deutsch, englisch, französisch, italienisch, slowakisch und russisch an. Da die Inhaber nicht sämtliche Sprachen selbst beherrschten, arbeiteten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus den Sprachregionen bei ihnen. So hiess es in der Werbung, man behandle Patienten in ihrer Sprache nach neusten Methoden und Erkenntnissen. Der Betrieb lief gut, brachte zufriedenstellende Umsätze, aber offenbar nicht genug, um das bedeutende Projekt zu finanzieren, das ihnen vorschwebte und auf das sie hinarbeiteten.
Durch ihre Tätigkeit kamen sie mit Spitälern, Kliniken und Ärzten in Kontakt. Viele von ihnen überwiesen Patienten oder machten auf die Klinik aufmerksam. Die Marburgs setzten werbetechnisch verschiedene Mitteln ein und halfen, wie in gewissen Ländern üblich, bei Überweisung von Klienten mit Geld und Geschenken nach. Ihre Tätigkeit brachte sie ebenfalls mit Produkteherstellern, Labors und Lieferanten in Berührung. Da sich Jakub Marburg für Medikamente interessierte, auch Neues ausprobierte, entstanden zu Lieferanten gute Kontakte. Er konzentrierte sich auf Produkte zur Beruhigung von überlasteten Menschen und probierte als Tüftler Veränderungen an Kunden mit Medikamenten sowie Wirkstoffen aus. Er versuchte auch Eigenes herzustellen. Nach vielen Proben stiess er auf ein Verfahren, das einen gewissen Wirkstoff durch Erhitzen in eine drogenähnliche Substanz umwandelte. Diese Veränderung eines Stoffs in Richtung Designerdroge eröffnete ein neues Geschäft. In der Entzugsklinik befreite er Patienten von gewissen psychischen Leiden und machte gleichzeitig Spitäler und andere Kliniken auf sein Erzeugnis aufmerksam. Das Pulver war bei ihm beziehbar und verkaufte sich gut.
Leider verfehlte Frau Sofia Marbach mehrmals Resultate bei Schönheitsoperationen und geriet in Schwierigkeiten. Als selbstbewusste, oft rechthaberische Frau machten ihr die Fehler zu schaffen. Aus diesem Grund entschied das Ehepaar, Sofia solle den Verkauf des neuen Produkts übernehmen. Sie entpuppte sich als exzellente Verkäuferin und platzierte den neuen Wirkstoff mit dem Namen «Calmdown» überall bei ausgewählten Kunden. Sie bot ihn als sicheres, beruhigendes Medikament an, das vor allem bei Schlafstörungen wirke. Nur bei besonderen Kunden betonte sie, bei übermässigem Gebrauch entstehe eine drogenähnliche Wirkung, Vorsicht sei am Platz. Sie besuchte Kliniken, Spitäler, Apotheken und auch den Handel. Sie wies oft exotische Atteste vor und überzeugte Interessierte, Calmdown zu probierten. Es gingen Bestellungen ein. Die Marburgs verdienten zusätzlich Geld. Beim Verkauf an spezielle Kunden zeigte sie ihnen auch die praktische Anwendung. Der ausgewählte Kunde konnte den pulverförmigen Stoff durch eine Veränderung der Dossierung und durch Hitze in eine Droge umwandeln, die sich zu einem interessanten Preis verkaufen liess. Bei ihrer Einführung gab sie nie eine schriftliche Anleitung ab, damit niemand auf sie zurückzugreifen konnte. Nach der Ablieferung musste jeder Kunde die Droge selbst herstellen und die Verantwortung für sein Handeln selbst übe-nehmen.
Um die Entzugsklinik im Schwarzwald und den Verkauf des Wirkstoffs zu trennen, erstanden die Marburgs in der Schweiz eine Villa im steuergünstigen Schindellegi. Vordergründig führte Sofia Marburg das Leben einer einsamen Gattin mit eigener Tätigkeit und mit Kundenkontakten.
Richard Sommer wurde in London als Sohn einer schweizerischen Mittelstandsfamilie geboren, durchlief eine Anzahl Schulen in England. Als sein Vater eine Stelle in Frankreich antrat, zog die Familie nach Versailles, und er lernte als 13jähriger Französisch. Vier Jahre später kam er in die Schweiz, besuchte eine Mittelschule und machte die Matura. Dann studierte er an der ETH, absolvierte beim Unternehmen BBC einen zweijährigen Stage und durchlief seinen Militärdienst. Er arbeitete erneut beim Grossunternehmen und avancierte zum Hauptmann in der Schweizer Armee. Aus einer Laune heraus bewarb er sich um einen Job bei der NATO, den er dank seiner Geburt in England erhielt. Man war dankbar für einen in England geborenen, sprachbegabten und militärisch ausgebildeten Mann in den besten Jahren. Dank seinen Sprachkenntnissen setzte man ihn für spezielle internationale Aufgaben ein, die ihn vom Hauptquartier in Brüssel aus in alle Mitgliedstaaten und ebenfalls nach Afrika brachten.
Er diskutierte über militärische Ausbildung, Organisation, Bewaffnung, Verteidigung und allgemeine Sorgen der Offiziere. Physisch war er bei bester Gesundheit, lief Marathon, spielte Fussball in einer Nato-Mannschaft, schwamm ohne weiteres zwei Kilometer in annehmbarer Zeit und bewältigte per Fahrrad hin und wieder Pässe in den Alpen.
Bei Besuchen in Afrika hörte er mehrmals von Arthur Wassermann, traf ihn sogar zweimal bei militärischen Empfängen, einmal in Kenia, das andere Mal an der Elfenbeinküste. Sie sprachen als Landsleute interessiert miteinander, vermieden aber weiteren Kontakt, denn beide wussten, dass Wassermanns Geschäfte mit Richard Sommers Tätigkeit bei der NATO nichts zu tun hatten. Arthur Wassermann, geschult durch seinen langjährigen Aufenthalt und als Berater sowie Verkäufer in Afrika, seine militärischen Kenntnisse im schwarzen Kontinent sowie sein Verhandlungsgeschick mit Lieferanten und Unternehmern, machte Eindruck auf den hochgebildeten, praktisch veranlagten und fitten Ingenieur bei der NATO. Er bewundere den Landsmann, der wie ein Fisch im Wasser in Afrika überall umher schwamm. Im Gegensatz bewunderte auch Wassermann den gut ausgebildeten Mann, der über eine Anzahl Titel, eine feste Anstellung sowie ein festes Salär verfügte und eine hohe internationale Stellung bekleidete.
Irgendwann trafen Arthur Wassermann und Richard Sommer in Limasol auf Zypern aufeinander. Sie genehmigten ein langandauerndes Nachtessen und durchlebten einen Abend, der bis gegen den Morgen dauerte. In fröhlicher Runde kamen sie bereits vor Mitternacht beim Du an. Jeder erzählte aus seinem Leben, ohne auf Spezifisches einzugehen, denn beide waren klug genug, Berufliches und Hinweise auf persönliche Beziehungen für sich zu behalten. Gegen 2 Uhr morgens meinte Arthur Wassermann: «Wenn Du bei der NATO deinen Job verlierst, melde dich bei mir. Ich gebe dir die Möglichkeit, eine eigene Existenz aufzubauen und Geld zu verdienen.»
Richard Sommer lachte, antwortete, er denke daran, wenn er sich mit einem Wechsel befasse, dann sei es gut einen Weg zu kennen. Allerdings würde er bei einer beruflichen Änderung sein geregeltes Leben, sein Salär und seinen Status verlieren. Man würde ihn nachher nirgends mehr mit offenen Armen empfangen.
«Dafür könntest du Geld verdienen und dir ein gutes Leben auf Ibiza, auf Hawaii oder in Thailand mit vielen netten Girls leisten. Oder du könntest dir ebenfalls, wie ich, eine Villa in einer steuergünstigen Gemeinde kaufen oder bauen» entgegnete Arthur Wassermann. «Ich bin noch nicht soweit» gab Richard zur Antwort.
Wie niedergeschlagen stand der grossgewachsene Serbe Ivo vor Sofia Marbach, ein Mann aus ihrer weitverzweigten, Verwandtschaft aus dem Osten und gestand, er habe keine Dokumente gefunden, aber leider eine Person leicht verletzt, als er überrascht wurde. Entschuldigend erklärte er: «Ich war, wie man es mir auftrug, um 22 Uhr in die Wohnung von Frau Miriam Spengler, habe überall gesucht, aber die gewünschten Dokumente nicht gefunden. Ich fand einfach nichts, obwohl ich sogar im Kühlschrank, im Tiefkühler und im Backofen suchte, an Orten, an denen Frauen oft Schmuck verstecken.
Leider kamen bereits nach 22 Uhr zwei Damen nach Hause und öffneten die Wohnungstüre. Frau Spengler hiess die Begleiterin eintreten und sagte, sie gehe noch rasch zum Briefkasten, sie solle im Wohnzimmer warten. Sie fuhr mit dem Lift ins Erdgeschoss. Die zweite Frau überraschte mich im Wohnzimmer. Da sie mich sah, blieb mir nichts anderes übrig, als sie mit einem Schlag auf den Kopf ausser dem Gefecht zu setzen. Als ich den Aufzug erneut hörte und im Treppenhaus Geräusche vernahm, konnte ich nichts anderes tun als flüchten».
Sofia Marburg schalt ihn einen Idioten, sie werde das seiner Frau mitteilen. Als er entrüstet erklärte, man hätte ihn besser informieren können und übrigens könne er den Raubzug wiederholen, meinte sie: «Man führt eine negativ verlaufene Aktion nicht ein zweites Mal gleich durch, das ist doof und gefährlich. Die Frau holte zweifellos die Polizei und wechselte das Türschloss aus».
Sofia Marburg war wütend und liess den Serben Ivo stehen, der sich davonschlich. Ihr Plan ging wegen diesem Idioten oder wegen Peter Camenisch daneben. Dieser hatte ihr mitgeteilt, das Konzert finde zwischen 20 und 22 Uhr statt. Jemand verwechselte die Zeit. Wer kam im Nachhinein für die Verwechslung in Frage? Peter Camenisch, sie selbst, ihre entfernte Cousine Olga oder deren Mann Ivo? Sofia Marburg fühlte sich unschuldig. Sie hatte sich darauf versteift, an die Dokumente heranzukommen, obwohl sie keine Ahnung hatte, was ihr Inhalt sein könnte. Peter Camenisch teilte ihr mit, er denke, es handle sich um Dokumente, die in der Kanzlei im grossen Haufen Papier verschwinden könnten. Weg sei dann weg. Er teilte ihr auch mit, seine Mitarbeiterin, Frau Miriam Spengler, nehme das Panama-Dossier mit nach Hause. Bei dessen Verschwinden könne sich der Fall um Jahre verzögern oder man breche ihn ganz ab. Sofia plante den Überfall kurzfristig und offenbar schlecht oder der Serbe Ivo führte ihn schlecht aus. Peter Camenisch, der sie juristisch betreute, war Konsument ihres Beruhigungsmittels Calmdown. Hatte er eine zu grosse Dosis eingenommen oder war er im weiteren Sinne bereits davon abhängig?
Sofia Marburg dachte nach und setzte sich mit einem Glas Gin-Tonic in der Hand in ihren Eames-Chair und blickte frustriert auf den Zürichsee hinab, der sich wundervoll vor ihren Augen ausbreitete. Die Aussicht war wunderbar. Die Sonne beleuchtete den See, auf dem nur wenige Kursschiffe und einige Segelboote langsam dahinglitten. Sofia Marburg aber ärgerte sich. Warum verlief der Einbruch in die Wohnung von Frau Spengler so amateurhaft? Warum nur hörte sie auf Peter Camenisch, der sie bevorzugt behandelte und - wie es schien - in sie verliebt war oder ihr imponieren wollte. Leider nahm der in die Jahre gekommene Junggeselle ihre Pillen ein, die ihn wohl beruhigten, ihm aber auch eine gewisse, lächerliche Männlichkeit verliehen. So wie er sich benahm könnte er vielleicht nach acht Jahren in einer Abhängigkeit von Calmdown landen. Mehr als einmal dachte sie: «Hoffentlich gleitet er nicht in die Drogenszene ab, solange ich mit ihm arbeite». Sofia Marburg wohnte nur einen Katzensprung von Arthur Wassermanns Objekt entfernt. Sie hatte ihn einige Male gesehen, war mit ihrem Mann einmal zum Essen bei ihm. In der Nähe beider Villen lebte vor einigen Jahren die berühmte Paris Hilton im Haus eines österreichischen Geschäftsmanns. Nach einem Jahr empfand das Girl aus Malibu das ländliche Schindellegi als zu wenig sexy und kehrte in die Party-Szene nach Kalifornien zurück. Einige Häuser daneben, in einer Gegend mit teuren Gebäuden wohlhabender Leute, stand Marburgs stattliches Einfamilienhaus. Sie wählten beim Kauf, ähnlich wie Arthur Wassermann, den Ort der günstigen Steuern wegen.
Im anspruchsvoll aussehenden Haus wohnte die 45jährige Sofia Marburg, die Schönheit aus Deutschland, wie es in der Umgebung hiess. Ihr Mann lebte im Schwarzwald in Hinterzarten und besuchte seine Gattin nur einmal im Monat. Sofia Marburg sah gut und gepflegt aus, war modisch gekleidet und zeigte ihre Sportlichkeit. Man sah ihr an, dass sie bestimmend und unerschrocken war. Es hiess, als sie sich bei der Gemeindeverwaltung anmeldete, sie lebe getrennt von ihrem Mann in Schindellegi, er in ihrer gemeinsamen Entzugsklinik im Schwarzwald. Beide seien medizinisch ausgebildet, führten geschäftlich, so quasi auf einem zweiten Standbein, einen Handel mit einem Medikament, das sie als Beruhigungsmittel bezeichneten. Ihr Mann mit medizinischer Ausbildung und Erfahrung betreibe die Entzugsklinik und besuche Schindellegi regelmässig. Auch ging ein Gerücht um, neben ihrem Handel spekuliere sie mit Wertpapieren und geniesse das Leben.
In der Umgebung wusste man auch, dass sie für Aufgaben in Haus und Garten sowie für Botengänge die Dienste von externen Handwerkern und Dienstleistern in Anspruch nahm. Böse Zungen zwitscherten auch, sie habe bei ihrem Umzug einen Millionenbetrag in die Schweiz gebracht. Sie arbeite auf ihre eigene Art und betreibe ihren Handel mit Medikamenten unauffällig, man wisse eigentlich nicht, um was es gehe. Auch bemerkte niemand Warentransporte. Einmal erzählte jemand, sie handle mit Diamanten, dann hiess es mit Gold und später waren es eben Medikamente. Auch ihr Mann mit seiner Entzugsklinik bot Stoff für Gerüchte. So zeigte sich einer der Nachbarn besorgt, er hoffe Marburg bringe keine Alkoholiker und Drögeler nach Schindellegi.
Bei den wenigen Leuten, mit denen sie verkehrte, sickerte später durch, offenbar laufe ihre Tätigkeit gut, sie besuche andauernd Bankinstitute in der Umgebung. Offenbar erhöhe sie ihre Konten regelmässig. In der Umgebung wusste niemand Bescheid. Bei Abwesenheit betreue ein externer Hauswart das Anwesen.
Sie traf ihren Nachbarn Arthur Wassermann einige Male bei Empfängen und einem gesellschaftlichen Apero. Als Nachbarin war sie mit ihrem Mann einmal in seiner Villa, gab sich aber keine Mühe ihn oft zu sehen, denn ihr Mann hatte Wassermann vorgängig alleine in Hongkong getroffen. Wassermann half ihm mit seinen Englischkenntnissen bei einem Immobilien-Geschäft. Auch für Wassermann war Sofia einfach eine Nachbarin.
War vom Mittel Calmdown die Rede, so schwärmte Sofia Marburg begeistert von ihrem Medikament. Die Bezeichnung Droge war tabu. Nur sie und ihr Mann wussten, was hinter dem Medikament steckte. Jakub Marburg hatte selbst herausgefunden, wie es sich in eine synthetische Droge umwandeln liess. Aus Sicherheitsgründen stellte er das Pulver anfänglich nur für den Eigenbedarf und für eingeweihte Abnehmer her. Er wollte und durfte keinesfalls als Drogen-Hersteller identifiziert werden. Da es seine Frau ausdrücklich zur Beruhigung verkaufte und nur gewisse Kunden über das Verfahren zur Herstellung einer Droge anleitete, blieb er ruhig. Nur er und Sofia kannten die Umwandlung des Pulvers. Es änderte seinen Zustand nach kurzem Prozess in eine designerähnliche Droge. Kliniken und Entzugszentren schätzten die kurze Umwandlung und liebten auch, es an Patienten abzugeben, denn es wirkte. Über drogenähnliche Wirkungen redete man höchstens hinter vorgehaltener Hand. Kliniken und Ärzte gaben keinen Kommentar ab.
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