Erfahrungskompass - Benjamin Lange - E-Book

Erfahrungskompass E-Book

Benjamin Lange

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Beschreibung

Dieses Buch bietet Impulse für alle, die Menschen in Veränderungsprozessen begleiten - in Beratung, Coaching oder Therapie - und für jene, die sich mit der eigenen Lebensgeschichte auseinandersetzen möchten. Es zeigt, wie Krisen und Wendepunkte nicht nur Herausforderungen, sondern auch Chancen für Entwicklung sein können. Mit praxisnahen Methoden, Reflexionsfragen und unterschiedlichen Ansätzen lädt dieses Buch dazu ein, alte Muster zu erkennen, neue Perspektiven zu entwickeln und Veränderungen bewusst zu gestalten. Es bietet keine fertigen Lösungen, sondern ermutigt dazu, den eigenen Weg zu finden.

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Seitenzahl: 100

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

Kapitel 1: Unsere Lebensgeschichte als Schlüssel

Kapitel 2: Die Bühne unserer Psyche

Kapitel 3: Phase 1 – Das Vorgespräch als Grundlage der Zusammenarbeit

Kapitel 4: Die zweite Stunde oder „Wie möchten Sie Ihre Geschichte weitererzählen?“

Kapitel 5: Die dritte Stunde – Die eigene Geschichte hören und weiterdenken

Kapitel 6: Die Gedanken auf den Boden legen – Eine neue Perspektive gewinnen

Kapitel 7: Das Echo des Mitgefühls – Eine Übung zur Verbindung mit sich selbst und anderen

Kapitel 8: Der Weg geht weiter – Die nächsten Schritte in der eigenen Geschichte

Kapitel 9: Emotionale Intelligenz und Selbstregulation – Wie wir lernen, Gefühle bewusst zu steuern

Kapitel 10: Sinn finden in Übergängen – Wie wir Krisen als Wendepunkte nutzen können

Kapitel 11: Beziehungen neu gestalten – Arbeit mit Bindungsmustern und gesunder Kommunikation

Kapitel 12: Das Ende der Beratung, des Coachings oder der Therapie eröffnen – oder: „Die Zukunft bewusst schreiben“

Kapitel 13: Flexibilität im Prozess – Warum Techniken keine starre Reihenfolge brauchen

Kapitel 14: Die geheime Probe – Wie Sie Ihr inneres Theater neu inszenieren

Kapitel 15: Wie stolz können Sie auf sich sein?

Kapitel 16: Ihr Weg geht weiter – Ein Abschied voller Möglichkeiten

Danksagung

Über den Autor

Vorwort oder „Wer dieses Buch überhaupt für wen geschrieben hat“

Was tun Sie, wenn das Leben Ihnen ein Kapitel aufdrängt, das Sie nie schreiben wollten?

Vielleicht arbeiten Sie beruflich mit Menschen – als Therapeutin, Therapeut, Coachin, Coach, Beraterin oder Berater.

Oder Sie sind in einer anderen Rolle für die Geschichten anderer da: als Mutter, Vater, Bruder, Schwester, Kollegin, Kollege, Freundin, Freund, Partnerin oder Partner. Vielleicht begleiten Sie eine Person, die durch schwere Zeiten geht, oder Sie stehen selbst an einem Punkt in Ihrem Leben, an dem die Herausforderungen Sie innehalten lassen.

Wenn Sie jahrelang mit den Geschichten anderer Menschen arbeiten – sei es in einem beruflichen Kontext oder in einer persönlichen Beziehung –, dann glauben Sie vielleicht, dass Sie alles gesehen und gehört haben. Vielleicht denken Sie sogar, Sie wüssten, wie jede Erzählung enden könnte.

Das dachte ich zumindest lange Zeit.

Denn ich habe viele Jahre in Beratung, Coaching und Psychotherapie Menschen begleitet, ihre Probleme zu verstehen und zu bewältigen. Ich habe Ausbildungen geleitet und Menschen darin geschult, mit anderen zu arbeiten, die Krisen durchleben. Meine Tage waren gefüllt mit Gesprächen, Reflexionen und der unermüdlichen Suche nach Lösungen für die Brüche in den Lebensgeschichten anderer. Doch dann geschah etwas, das meine eigene Geschichte aus den Fugen riss.

Ein geplatztes Hirnaneurysma. Hirnblutung. Eine Notoperation am offenen Gehirn mit anschließendem Koma. Und danach: Ein Körper und Geist, die ich kaum wiedererkannte. Alles war anders, und nichts war sicher.

Doch, und das ist vielleicht das größte Geschenk: In meiner dunkelsten Stunde wurden mir auch Wunder geschenkt. Menschen, die mir auf eine Weise begegneten und mir Liebe schenkten, die ich nie für möglich gehalten hätte. Menschen, die so sehr für mich da waren, mich trugen und ja - auch ERtrugen, die mir zeigten, was Freundschaft, Familie und Partnerschaft WIRKLICH bedeutet, Momente, die sich wie Licht inmitten tiefster Dunkelheit anfühlten. Und eine Erkenntnis: Das Leben mag unvorhersehbar sein, doch es birgt immer auch eine tiefe, unerschütterliche Kraft – eine, die uns durch die schwierigsten Zeiten trägt und uns zeigt, dass hinter der Angst, der Trauer, dem Ärger und dem Schmerz oft ein neues Kapitel wartet, das zu schreiben sich lohnt.

Die Rehabilitationswochen zogen sich dahin, als wäre die Zeit stehengeblieben. Ich kämpfte mit Verlusten, die ich nie erwartet hatte, und lernte, mich in einem Leben zurechtzufinden, das ich mir nicht ausgesucht hatte. Diese Erfahrung hat mich gezwungen, mir selbst die Frage zu stellen, die ich meinen Klient*innen so oft gestellt habe: Wie möchten Sie Ihre Geschichte weitererzählen?

Während dieser Zeit merkte ich, dass ich dieses Buch schreiben wollte. Nicht, um Ihnen meine Geschichte zu erzählen, sondern um Sie einzuladen, Ihre eigene zu erkunden. Ich wollte einen Raum schaffen, in dem Sie sich mit Ihrer Lebensgeschichte auseinandersetzen können – ob als Therapeutin, Therapeut, Beraterin, Berater, als jemand, der in persönlicher Beziehung für andere da ist, oder als jemand, der sich selbst auf einer Reise des Verstehens und Heilens befindet.

Wenn Sie dieses Buch lesen, dann ist es vielleicht, weil auch Sie an einem Wendepunkt stehen. Vielleicht suchen Sie nach Werkzeugen für Ihre Arbeit mit anderen, vielleicht nach Orientierung für sich selbst. Vielleicht haben Sie auch den Eindruck, dass Ihre eigene Geschichte stockt oder dass ein Kapitel zu schwer geworden ist. Was auch immer Sie hierhergeführt hat: Dieses Buch ist für Sie.

Lassen Sie uns gemeinsam den Faden Ihrer Geschichte aufnehmen. Nicht, um sie zu reparieren, sondern um zu sehen, wie sie weitergehen kann – mit all dem Mut, der Kreativität und der Widerstandskraft, die Sie bereits in sich tragen.

Es ist nie zu spät, ein neues Kapitel zu schreiben.

Ein letzter Hinweis: Um der Vielfältigkeit der Personengruppen gerecht zu werden, die in diesem Buch genannt oder beschrieben werden, greife ich auf verschiedene Möglichkeiten der Gendersprache zurück. Sprache ist lebendig und jedes Wort kann unterschiedliche Bilder in unseren Köpfen erzeugen. Mit meiner Schreibweise meine ich alle Menschen – unabhängig von Geschlecht, Identität oder Hintergrund. Denn Geschichten gehören uns allen.

Einleitung

Es gibt Bücher, die aus einer Idee entstehen, andere aus einem Bedürfnis – dieses Buch ist aus beidem entstanden. Als Therapeut*in, Berater*in, Coach*in oder auch als Mensch, der anderen Menschen helfen möchte, begegnen wir jeden Tag Personen, die inmitten von Krisen, Wendepunkten oder scheinbar unlösbaren Herausforderungen nach Orientierung suchen. Gleichzeitig sind wir selbst Teil dieser Suche, denn auch Fachpersonen sind nicht frei von Fragen, Zweifeln und dem Wunsch, tiefer zu verstehen.

Dieses Buch richtet sich an alle, die mit Menschen arbeiten – sei es in Therapie, Beratung Coaching oder in sozialen Kontexten –, aber ebenso an diejenigen, die selbst Klientinnen, Klienten oder Patientinnen und Patienten sind. Denn eines ist sicher: Die Rolle des Fragenden, Suchenden und Gestaltenden ist keine Einbahnstraße. Wir alle schreiben unsere Lebensgeschichte jeden Tag aufs Neue, unabhängig davon, ob wir gerade die Perspektive des Begleitenden oder des Begleiteten einnehmen.

Das Anliegen dieses Buches ist es, eine Brücke zu schlagen – zwischen Theorie und Praxis, zwischen den unterschiedlichen Ansätzen in Therapie und Beratung, aber auch zwischen Fachpersonen und den Menschen, die von ihnen Unterstützung suchen. Es bietet keine endgültigen Antworten, sondern lädt dazu ein, die eigenen Fragen zu vertiefen, neue Perspektiven zu entdecken und die Arbeit mit der eigenen Lebensgeschichte als eine Quelle von Kraft und Orientierung zu verstehen.

In meiner eigenen Arbeit habe ich immer wieder erlebt, wie sich scheinbar festgefahrene Situationen lösen, wenn wir beginnen, unsere Erlebnisse als Teil einer größeren Geschichte zu betrachten. Diese Erfahrung möchte ich weitergeben. Das Buch ist nicht nur ein Werkzeugkoffer mit Ansätzen, Methoden und Reflexionsimpulsen, sondern auch eine Einladung, sich selbst und andere mit neuen Augen zu sehen.

Mögen die kommenden Kapitel Ihnen als Begleitung und Inspiration dienen – unabhängig davon, ob Sie dieses Buch in der Rolle eines Profis oder als Mensch auf der Suche lesen. Denn letztlich sind wir alle Teil einer großen, gemeinsamen Erzählung.

Womit beginnen wir?

Mit der Frage, warum manche Herausforderungen leichter werden, wenn wir sie als Teil unserer Lebensgeschichte begreifen. Doch bevor wir eintauchen, lade ich Sie ein, einen Moment innezuhalten: Welche Geschichte erzählen Sie sich gerade über sich selbst? Und welche Kapitel möchten Sie vielleicht neu schreiben?

Kapitel 1: Unsere Lebensgeschichte als Schlüssel

Die Macht der Erzählung

Es gibt Momente im Leben, die uns aus der Bahn werfen. Herausforderungen, Verluste oder Veränderungen scheinen wie unüberwindbare Hindernisse. Doch was, wenn wir sie nicht nur als isolierte Ereignisse betrachten, sondern als Kapitel einer größeren Geschichte? Unsere Lebensgeschichte ist mehr als eine Aneinanderreihung von Ereignissen – sie ist ein dynamisches Narrativ, das wir gestalten können. Dieser Gedanke findet sich in unterschiedlichen Schulen der Psychologie und Beratung, die uns dabei helfen, belastende Erlebnisse neu zu bewerten und sie in einen größeren Zusammenhang zu setzen.

Die narrative Perspektive

Die narrative Therapie, geprägt durch Michael White und David Epston, legt den Fokus darauf, wie Menschen ihre Lebensgeschichte erzählen. Diese Methode geht davon aus, dass unsere Erzählungen unsere Wahrnehmung der Realität formen. Indem wir unsere Geschichte umschreiben oder neu interpretieren, können wir unsere Erfahrungen in einem anderen Licht sehen und aus Herausforderungen Sinn schöpfen.

Quellen:

White, M., & Epston, D. (1990). Narrative Means to Therapeutic Ends.

Das Biografische als Ressource

Die tiefenpsychologisch fundierte Therapie, insbesondere durch Carl Gustav Jung beeinflusst, betrachtet das Leben als eine Reise mit archetypischen Themen. Jung sprach davon, dass jeder Mensch eine “individuelle Mythologie” besitzt – eine innere Geschichte, die sich in Träumen, Symbolen und Lebensentscheidungen ausdrückt. Wenn wir unsere Herausforderungen im Kontext dieser Reise sehen, können sie als notwendige Stationen auf dem Weg zu Wachstum und Ganzheit erscheinen.

Quellen:

Jung, C.G. (1961). Erinnerungen, Träume, Gedanken.

Die kognitive Verhaltenstherapie: Neue Gedanken, neue Geschichten

Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) zeigt uns, dass unsere Gedanken oft die Hauptrolle in unseren Lebensgeschichten spielen. Sie beeinflussen, wie wir Ereignisse interpretieren, welche Emotionen daraus entstehen und wie wir letztlich handeln. Aaron T. Beck, einer der Begründer der KVT, hat herausgearbeitet, wie sogenannte „kognitive Verzerrungen“ – automatische, oft negative Denkmuster – unsere Erzählungen prägen können.

Ein Beispiel: Wenn jemand den Gedanken „Ich mache immer alles falsch“ immer wieder wiederholt, wird dieser Gedanke zu einem Teil seiner Identität. Die KVT hilft, solche Muster zu erkennen und sie durch realistischere, hilfreichere Gedanken zu ersetzen. Statt „Ich mache immer alles falsch“ könnte jemand lernen zu sagen: „Manchmal mache ich Fehler, aber das bedeutet nicht, dass ich grundsätzlich unfähig bin.“

Diese neuen Gedanken verändern nicht nur das Selbstbild, sondern die gesamte Lebensgeschichte. Sie ermöglichen es, auf Herausforderungen mit mehr Zuversicht zu reagieren, anstatt sich von automatischen Annahmen bestimmen zu lassen.

Die KVT bietet darüber hinaus konkrete Werkzeuge, um neue Denk- und Verhaltensweisen zu erlernen, wie etwa das Hinterfragen belastender Überzeugungen oder das schrittweise Überwinden von Ängsten. Sie zeigt, dass wir nicht hilflos in unseren alten Geschichten gefangen sind, sondern aktiv die Richtung unserer Erzählung ändern können.

Quellen:

Beck, A. T. (1976). Cognitive Therapy and the Emotional Disorders.

Ellis, A. (1962). Reason and Emotion in Psychotherapy.

Die Psychoanalyse: Verborgene Geschichten ans Licht bringen

Die Psychoanalyse, wie sie von Sigmund Freud begründet wurde, sieht den Menschen als Erzähler*in unbewusster Geschichten. Viele dieser Geschichten sind in tiefen Schichten der Psyche verborgen und beeinflussen unser Denken, Fühlen und Handeln, ohne dass wir es bemerken. Freud betrachtete das Unbewusste als Archiv vergangener Erfahrungen – eine Sammlung von Erinnerungen, Konflikten und unerfüllten Wünschen, die unsere Lebensgeschichte auf unsichtbare Weise formen.

Ein zentraler Gedanke der Psychoanalyse ist, dass wir oft unbewusst alte Konflikte und Muster aus der Kindheit wiederholen. Diese „Wiederholungszwänge“ können uns in unseren Lebensgeschichten gefangen halten, ohne dass wir verstehen, warum wir bestimmte Situationen oder Beziehungen immer wieder erleben.

Die Psychoanalyse lädt dazu ein, diese verborgenen Geschichten zu erforschen und ins Bewusstsein zu bringen. Durch die Arbeit mit Träumen, freien Assoziationen und der Übertragung in der therapeutischen Beziehung werden unbewusste Dynamiken sichtbar. Wenn diese unbewussten Muster erkannt werden, entsteht die Möglichkeit, sie zu verändern – und so neue Kapitel in unserer Geschichte zu schreiben.

Ein Beispiel: Eine Frau, die immer wieder Beziehungen eingeht, in denen sie sich abgewertet fühlt, könnte durch psychoanalytische Arbeit erkennen, dass sie unbewusst versucht, eine alte Verletzung aus ihrer Kindheit zu „reparieren“. Indem sie diese Dynamik versteht, kann sie beginnen, sich aus diesem Muster zu lösen und Beziehungen anders zu gestalten.

Freuds Konzept des „Es, Ich und Über-Ich“ zeigt uns auch, dass unsere innere Welt aus verschiedenen Stimmen besteht. Die Psychoanalyse hilft uns, diese Stimmen zu hören und in Dialog zu bringen, um ein kohärenteres, stimmigeres Selbst zu entwickeln.

Quellen:

Freud, S. (1899). Die Traumdeutung.

Freud, S. (1923). Das Ich und das Es.

Die systemische Perspektive: Muster in der Geschichte erkennen