Diese Ehe darf nicht scheitern - Gert Rothberg - E-Book

Diese Ehe darf nicht scheitern E-Book

Gert Rothberg

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Beschreibung

82 Seiten dramatische Handlungsverläufe, große Emotionen und der Wunsch nach Liebe und familiärer Geborgenheit bestimmen die Geschichten der ERIKA-Reihe - authentisch präsentiert, unverfälscht und ungekürzt! Langsam ging Joachim Bran­kows riesige Gestalt durch die Fabrikräume. Seine großen dunklen Augen glitten prüfend über die Maschinen und die Leute, die diese Maschinen bedienten. Immer weiter schritt der Fabrikherr, sprach weder einen Tadel noch ein Lob aus. Aus einer Abteilung in die andere führte sein Weg. Endlich stand er wieder in seinem Privatbüro – und hier starrte er eine ganze Weile vor sich hin. Wußte er doch nur zu genau, daß er mit diesem Gang durch die Fabrik lediglich seiner inneren Unruhe hatte Herr werden wollen. Seine Gedanken aber waren bei Rena Lindhoff. Wie würde sie seine Werbung aufnehmen? War er überhaupt den richtigen Weg gegangen, als er sich zunächst einmal hinter ihren Vater gesteckt hatte? Mußte Rena ihn deswegen nicht verachten, mußte sie nicht das Gefühl haben, gekauft zu werden? Zunächst wäre es doch wohl nötig gewesen, daß sie einander lieben lernten, würde sie vielleicht sagen. Wenn er dann mit seinem Geld dem Vater beigesprungen wäre, hätte er nicht den falschen Eindruck gemacht, den er so machen mußte. Ja, er wußte das selbst! Aber er hatte gefürchtet, daß sie stolz und unnahbar geblieben wäre, daß sie sich ihm mit jenem Hochmut genähert hätte, der auch bei ihrem Vater deutlich spürbar gewesen war. Die Familie von Lindhoff blickte auf eine stattliche Reihe von Ahnen zurück. Das bekam ihr leider nicht sehr gut. Es machte die Herrschaften etwas überheblich – sie verloren dabei den gesunden Sinn für die Wirklichkeit. Das heißt, so ganz stimmte das nicht. Herr von Lindhoff hatte jedenfalls sehr schnell begriffen, welche ungeahnten Geldquellen sich

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Erika Roman – 7–

Diese Ehe darf nicht scheitern

Gert Rothberg

Langsam ging Joachim Bran­kows riesige Gestalt durch die Fabrikräume. Seine großen dunklen Augen glitten prüfend über die Maschinen und die Leute, die diese Maschinen bedienten.

Immer weiter schritt der Fabrikherr, sprach weder einen Tadel noch ein Lob aus. Aus einer Abteilung in die andere führte sein Weg.

Endlich stand er wieder in seinem Privatbüro – und hier starrte er eine ganze Weile vor sich hin. Wußte er doch nur zu genau, daß er mit diesem Gang durch die Fabrik lediglich seiner inneren Unruhe hatte Herr werden wollen.

Seine Gedanken aber waren bei Rena Lindhoff.

Wie würde sie seine Werbung aufnehmen? War er überhaupt den richtigen Weg gegangen, als er sich zunächst einmal hinter ihren Vater gesteckt hatte? Mußte Rena ihn deswegen nicht verachten, mußte sie nicht das Gefühl haben, gekauft zu werden?

Zunächst wäre es doch wohl nötig gewesen, daß sie einander lieben lernten, würde sie vielleicht sagen. Wenn er dann mit seinem Geld dem Vater beigesprungen wäre, hätte er nicht den falschen Eindruck gemacht, den er so machen mußte.

Ja, er wußte das selbst!

Aber er hatte gefürchtet, daß sie stolz und unnahbar geblieben wäre, daß sie sich ihm mit jenem Hochmut genähert hätte, der auch bei ihrem Vater deutlich spürbar gewesen war. Die Familie von Lindhoff blickte auf eine stattliche Reihe von Ahnen zurück. Das bekam ihr leider nicht sehr gut. Es machte die Herrschaften etwas überheblich – sie verloren dabei den gesunden Sinn für die Wirklichkeit.

Das heißt, so ganz stimmte das nicht. Herr von Lindhoff hatte jedenfalls sehr schnell begriffen, welche ungeahnten Geldquellen sich ihm da erschließen sollten.

Und so war er, Joachim Brankow, eben diesen Weg gegangen, weil er ihm als der sicherste erschien.

Rena von Lindhoff!

Wie er sie liebte, diese schöne, blonde Aristokratin, die so stolz auf ihren Namen war, und über die doch Not und Armut hereinbrachen, wenn sie seinen Antrag nicht annahm.

Wie er sie liebte!

Wie er sich danach sehnte, diesen blassen, stolzen Mund zu küssen! Wie er sie einhüllen wollte in Zärtlichkeit und Liebe!

Wie ein gefangenes Tier lief Brankow plötzlich in seinem Zimmer auf und ab. Er wußte ja, daß er in ihren Augen nur ein Emporkömmling war, einer, den sie niemals lieben würde. Dennoch begehrte er sie – um so heißer, je mehr er darüber nachdachte, daß sie seinen Antrag wahrscheinlich ablehnen würde.

Brankow wußte, daß er überall hätte anklopfen können, ohne befürchten zu müssen, einen Korb zu bekommen. Aber er dachte nur an Rena von Lindhoff. Seit er sie auf einem Wohltätigkeitsfest gesehen hatte, war ihm die innere Ruhe abhanden gekommen, ihm, der bisher über Liebe doch gespottet hatte.

Rena von Lindhoffs zarte, feine Gestalt, das Goldhaar, das süße Gesicht mit den Veilchenaugen! Er kam nicht wieder los von ihr, er war ihr verfallen mit Leib und Seele. Als er sogleich Erkundigungen eingezogen hatte, erfuhr er, daß sie nicht verlobt war, daß ihr Vater sich in großen Schwierigkeiten befand und seine Familie davon vorläufig noch keine Ahnung hatte. Ihm schien es wie ein Gnadengeschenk, daß der Freiherr von Lindhoff Geld brauchte. Nun sah Brankow doch eine Möglichkeit, sich der blonden Rena zu nähern. Doch mit welcher Geringschätzigkeit hatte sie über ihn hinweggesehen, als er das erstemal auf Lindhoff zum Tee weilte!

Ihr Vater hatte ihr nur gesagt, daß ihn mit Herrn Brankow Geschäfte verbänden.

Das erschien Rena nicht wichtig genug, sich aus diesem Grund besonders zuvorkommend gegen den Mann zu benehmen, dessen riesige Gestalt ihr Unbehagen einflößte, und vor dessen machtvollen Augen sie sich fürchtete.

Obwohl Brankow auch das wußte und fühlte, entbrannte er dennoch in immer heißerer Liebe zu dem blonden Mädchen. Rena wußte ja nicht, welcher Art die Geschäfte waren, die ihren Vater mit Joachim Brankow verbanden. Sie wußte nicht, daß Schloß Lindhoff in den Besitz Brankows überzugehen hatte, sobald er es nur wollte.

Damals wußte sie das alles noch nicht. Heute würde sie es wissen.

Wie aber würde sie sich entscheiden?

Auf einmal überlief es Brankow siedendheiß. Sie würden sie zwingen wollen daheim in Lindhoff! Der Vater würde sie zwingen! Das durfte nicht sein, niemals durfte das sein!

Freiwillig mußte sie ihm gehören, sonst war alles sinnlos. Wertlos war es für ihn, wenn sie ihn als Last betrachtete.

Wohl hatte er durch sein Geld die Wege ebnen wollen, aber dieses Geld durfte schließlich nicht entscheidend sein. Rena sollte ihn finden können, ihn genauso heiß und innig lieben wie er sie.

Er ärgerte sich jetzt fast, daß er sein Geld hatte. Fing auch er an, daran zu glauben, daß man mit Geld alles erreichen konnte?

Aber es war zu spät, sich darüber Gedanken zu machen. Und es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn Rena nicht sehr bald den fragwürdigen Anfang ihres Bundes vergessen würde und ihn lieben lernte!

Trotzig sah Joachim Brankow vor sich hin. Dann jedoch meldeten sie sich wieder, die alten Zweifel. War er nicht selbst sicher genug, machte er sich nicht etwas vor?

Wieder lief Brankow auf und ab. Gewißheit haben, endlich Gewißheit haben! Wann endlich würde sie ihm werden?

Draußen klopfte es bescheiden. Ein kurzer Ruf Brankows, und Seifert, der alte Bürodiener, trat über die Schwelle. Er hielt seinem Herrn einen Brief entgegen. Brankow sah sofort, daß er das Wappen und die Schriftzüge Lindhoffs trug.

Die Hand Brankows faßte nach dem Schreiben, ein Wink schickte den Diener hinaus. Mit hastigen Händen riß er den Brief auf.

Lieber Brankow! Wir erwarten Sie heute abend. Haben Sie Geduld mit Rena, es kam ihr eben doch zu unerwartet.

In Freundschaft Ihr Lindhoff.

Brankows Hand krampfte sich um das Schreiben, zerknüllte es.

Das hatte er ja gewußt!

Sie konnte ihn nicht lieben. Etwas Hartes, Grausames war plötzlich in seinem Herzen. Vor einigen Minuten war es ihm unmöglich erschienen, daß er Rena an sich riß, wenn sie ihn verabscheute. Jetzt stieg auf einmal etwas ganz anderes in ihm empor. Zwingen wollte er die stolze Aristokratin, ihn zu lieben.

Ah!

Brankow dehnte seine riesige Gestalt.

Geld ist Macht! Was bedeutet dagegen ein Name, wenn dessen Träger verarmt war? Nichts? Er, aber, war mächtig, reich, oh, so reich – und Rena Lindhoff sollte ihm gehören.

Wenn er sie nicht heiratete, würde eines Tages ein anderer in ihr Leben treten. Ein anderer?

Wie eine Flamme sprühte es um seine Augen: »Niemals ein anderer! Rena von Lindhoff gehört mir!«

Laut, gebietend hallten die Worte durch das hohe Zimmer.

Heute abend!

Noch heute abend würde er sie im Arm halten, die süße blonde Rena! Sie würde abwehrend zusammenzucken. Allein, er war der Sieger. Sieger, wie er eben jederzeit Sieger über alles im Leben geblieben war.

Arm war er gewesen, bettelarm!

Dann kam der lange, lange Weg, auf dem nur Dornen waren. Er aber bezwang es! Vom Lehrling zum Fabrikherrn. Schmutz war nicht auf diesem Weg gewesen. Nur Arbeit, nichts als Arbeit. Und dann kam das Glück. Ganz langsam kam es, und dann blieb es bei ihm. Er wurde reich, immer reicher. War er auch zufrieden? Er wußte es nicht.

Vielleicht war er mit diesem arbeitsreichen Leben zufrieden gewesen – bis er Rena von Lindhoff gesehen hatte!

Da war alle Ruhe aus seinem Leben entschwunden!

Frauen!

Viele waren auf seinem Wege gewesen. Geliebt hatte er sie nicht. Sie waren eine Zeitlang da, dann war er wieder allein. Fort, vorbei …! Rena!

Sie würde er niemals vergessen können, das spürte er.

Brankow lehnte am Fenster, sah hinab in den blühenden Garten, sah nicht die reizvolle Schönheit eines bunten Blumenflors, sah nur immerfort Renas blonde Schönheit.

»Ich liebe dich, Rena, ich liebe dich!«

*

»Kind, du weißt ja nicht, was diese Werbung für dich bedeutet, für uns alle! Zudem: Brankow kommt heute abend, du kannst nichts mehr rückgängig machen und Papa ertrüge das auch nicht. Es hätte doch viel schlimmer kommen können, Rena. Brankow ist ein vornehmer Charakter, du findest doch vielleicht das Glück mit ihm!«

»Niemals!«

Rena sprang von dem kleinen Sofa in die Höhe, ihre großen blauen Augen waren mit zornigen Tränen gefüllt.

»Daß er es gewagt hat, dieser – oh, wie durfte Papa mich in diese entsetzliche Lage bringen! Ich hasse Joachim Brankow, werde ihn täglich mehr hassen.«

Frau von Lindhoffs feines Gesicht wurde blaß. Zärtlich strich ihre schmale Hand über den Blondkopf Renas.

»Viele schlossen schon eine Vernunftehe, und sie ging gut aus. Warum sollte es die deine nicht?«

Die wunderschönen, dunkelblauen Augen Renas schlossen sich.

Wie in Furcht und Abscheu hoben sich die schmalen Schultern. Im Geiste sah Rena eine riesige Gestalt, machtvolle, dunkle, gebietende Augen, sah einen harten Mund, der selten lachte.

Ein schluchzender Laut klang plötzlich durch das Zimmer. Rena stöhnte: »Ich bin jung, ich habe ein Recht auf das Leben – sonst – oh, wenn ich es doch von mir werfen könnte. Nie war ein Mensch unglücklicher als ich.«

»Sage das nicht, Rena! Joachim Brankow würde nirgends einen Korb bekommen. Er ist ungeheuer reich. Du wirst beneidet werden, wirst dir jeden Wunsch erfüllen können, ist das nichts wert?«

Rena von Lindhoff trat nahe zur Mutter hin. Seltsam hart war der Blick, mit dem sie zu ihr aufsah.

»Liebe Mama, sprich nicht gegen deine innerste Überzeugung. Du weißt ganz genau, daß mir mit dieser Ehe mein Glück und mein Selbstbestimmungsrecht genommen wird. Ich werde von da an eine Kreatur sein, die Joachim Brankow in seine Dienst stellt. Er liebt mich nicht, er will mich nur haben, das ist alles. Weil es nichts auf der Welt gibt, was dieser Mann sich versagen müßte, deswegen macht es ihm Spaß, auch mich fühlen zu lassen, daß er in allem und jedem seinen Willen durchsetzt. Fühlst du denn das nicht? Und deswegen hasse ich ihn!«

In diesem Augenblick trat Herr von Lindhoff ein. Er hatte diese letzten Worte seiner Tochter noch gehört, und über sein gerötetes Gesicht legte sich Zorn. Doch er sagte vorerst nichts, sondern blieb abwartend stehen, die Augen mit finsterem Vorwurf auf seine Frau geheftet.

Die kannte diesen Blick, hatte ein ganzes Leben lang vor diesem Despotenblick gezittert.

Lindhoff trat mit wuchtigem Schritt zu seiner Tochter.

»Bist du fertig mit den Versicherungen deines Hasses? Du wirst gehorchen, Rena. Brankow wird dir ein guter Mann sein, was haderst du mit dem Schicksal? Oder wäre es dir lieber, wir würden aus Lindhoff gejagt? Ich sage dir, du wirst es mir noch einmal danken, daß ich dich zu deinem Glück gezwungen habe.«

Renas blonder Kopf richtete sich stolz auf.

»Würdest du auch so denken, wenn wir nicht so bettelarm geworden wären, Vater?«

Lindhoff senkte einen Moment lang die Augen vor dem fragenden Blick seines Kindes.

»Das blieb abzuwarten. Was weiß man wohl, was man in diesem oder jenem Fall tun würde? Mit Idealen im Leben kommt man nicht weit, das Reale ist besser. Ich sage dir nur soviel, Rena: Ich hätte es nicht überlebt, wenn man uns aus Lindhoff gejagt hätte.«

Rena wandte sich ab, während Frau von Lindhoff die Lippen ganz fest zusammenpreßte.

Cuno von Lindhoff sah, daß man sich seinem Willen fügte, wie er es ja seit Jahren gewohnt war und es jetzt auch nicht anders erwartet hatte.

»Liebe Olga, daß du am heutigen Abend deine Hausfrauentalente im üppigen Licht erstrahlen läßt. Brankow soll nicht das Empfinden haben, daß wir uns nur einer Tatsache beugen.«

»Gewiß, Cuno, ich werde deinem Wunsch nachkommen. Rena ist noch jung, sie wird bald genug erkennen, daß man es gut mit ihr gemeint hat«, sagte Frau von Lindhoff sanft.

Ihr Worte verfehlten die beabsichtigte Wirkung nicht, Herr von Lindhoff lächelte befriedigt.

Er wandte sich zum Gehen, rief noch von der Tür zurück: »Rena, ich hoffe, daß du Brankow die Werbung leicht machst. Bringe ihn in keine fatale Situation. Ich meine, nichts von Bedenkzeit, keine reifliche Überlegung und wie diese schönen hinhaltenden Worte sonst noch heißen mögen, es hat ja doch keinen Zweck.«

»Gewiß, Papa, Herr Brankow soll zufrieden sein.«

Renas sonst so warme, junge Stimme klang kalt, tonlos.

Herr von Lindhoff zuckte die Achseln.

»Frauen müssen über derartig selbstverständliche Dinge stets zetern. Sei froh, daß er dich will. In Gold wirst du wühlen können – und ich mit. Was ist das Leben ohne Geld! Nichts! Rein gar nichts! Du wirst das bald genug erkennen müssen. Jetzt also auf Wiedersehen. In zwei Stunden kommt Brankow.«

»In zwei Stunden kommt Brankow!«

Aus den Ecken des Zimmers schienen es höhnende Stimmen zu rufen. Rena preßte beide Hände an den schmerzenden Kopf.

»Ich hasse ihn, ich hasse ihn mehr, als ich es sagen kann.«

Frau von Lindhoff trat zu ihrem Kind. Ihre Arme legten sich fest um den zuckenden jungen Körper.

»Rena, alle Frauen sind zum Leiden da. Es gibt kein wahres großes Glück. Die Männer selbst sorgen dafür, daß das Märchen vom Glück eben nur ein Märchen ist. Alle Frauen müssen das erkennen, früher oder später.«

Renas Augen weiteten sich.

»Es gibt kein Glück, Mama? Wozu lebt man dann?«

Frau von Lindhoffs Blick ging in die Ferne.

»Es gibt Pflichten, Rena. Wenn man Pflichten zu erfüllen hat, wird man nie ganz unglücklich sein.«

»Pflichten, Mama? Ich – hasse Brankow, ich will keine Pflichten gegen ihn erfüllen.«

»Du mußt es, Rena! Sonst ist ein Zusammenleben, ein friedliches Nebeneinander unmöglich, und dann hat das Leben den Wert verloren.«

»Wenn Joachim Brankow noch in dieser Stunde stürbe, dann brauchte ich nicht seine Frau zu werden.«

Rena von Lindhoff flüsterte es unbewußt. Die Mutter sah sie entsetzt an.

»Rena, komm doch zu dir. So sehr haßt du Brankow, daß du einen solchen Wunsch haben kannst?«

Rena lächelte plötzlich. Dieses Lächeln tat der Mutter mehr weh als vorhin der Tochter verzweifelte Tränen.

Rena sagte: »Verzeih, Mama, eine Entgleisung. Aber sie ist wohl verständlich.«

Frau von Lindhoff sagte gar nichts mehr. Sie wußte es ja am besten, was es hieß, Ehefesseln mit Seufzen tragen zu müssen. Dennoch schien ihr eine Ehe Re­nas mit Brankow kein Unglück. Sie achtete den finsteren, stolzen Mann, es schien ihr nicht ganz unmöglich, daß ihn Rena eines Tages lieben könnte.

Freilich, wenn sie in das junge, stolze Gesicht sah, dann schwand diese geheime Hoffnung. Rena sah an der Mutter vorüber, als sie sagte: »Was soll ich heute abend anziehen? Herr Brankow wird zweifelsohne Ansprüche stellen. Lisette mag mir aus dem gelben Spitzenkleid die Ärmel heraustrennen. Dann werde ich frische Blumen dazu nehmen, vielleicht Veilchen. Dazu meine Perlenkette.«

Ganz sachlich und gleichgültig klang das alles. Frau von Lindhoff sagte leise: »Perlen, Rena? Gerade Perlen?«

Renas schmerzliches Lachen antwortete ihr, dann sagte eine bedrückt klingende Mädchenstimme: »Was können Perlen mir noch schaden? Ich wüßte es nicht.«

Die Mutter trat zurück, ihre Augen ruhten unentwegt auf dem blassen, schönen Gesicht Renas. Dann sagte sie: »Ich kann es nicht länger mit ansehen, wie dich diese Sache quält. Ich werde deinem Vater jetzt zum erstenmal während unserer Ehe widersprechen. Es muß ein anderer Ausweg gefunden werden. Ich will lieber arm sein, als dich unglücklich wissen.«

Renas Augen strahlten die Mutter in aller Liebe und Zärtlichkeit an. Sie schmiegte ihr weiches Gesicht an das der Mutter.

»Wir wollen nicht mehr davon sprechen, Mama. Papa würde es nicht überleben, wenn er aus Lindhoff fort müßte. Und es gehört ja doch alles längst Herrn Brankow. Also hat Papa wohl recht – und es ist ein großes Glück, daß Brankow mich will. Die Welt hat sich geändert. Unser alter Name ist nichts mehr wert. Viel Wert besitzt Joachim Bran­kows vieles, vieles Geld.«

Der Mutter Hände streichelten das blonde Haar.

Zu sagen wußte sie nichts mehr…

*

Brankow stand vor Rena von Lindhoff.

Es war ihm nicht recht, daß sein zukünftiger Schwiegervater so offen dazu Gelegenheit gab, seine Werbung bei Rena vorzubringen. Aber es war ja schließlich auch gleich. Rena würde an einem anderen Tage genauso denken wie heute, würde ihn an einem anderen Tage genauso verächtlich und stolz zugleich mustern.

Trotz stieg in ihm hoch, brutaler Trotz des Siegers. Er nahm ihre Hand.

»Wollen Sie meine Frau werden?«

Rena blickte ihn mit weit geöffneten Augen an. So als König, so vollkommen als Herrscher fühlte sich dieser Mann, der seine Laufbahn als armer Lehrling begonnen hatte, daß er es nicht einmal für nötig fand, in einer anderen Form um sie anzuhalten.

Ein Lächeln glitt über sein Gesicht. Kaum merkbar war dieses Lächeln, doch Rena sah es, und sie verglich es mit dem befriedigten Aussehen eines satten Raubtieres.

Furcht krallte sich in ihr Herz, atembeklemmende und haltlose Furcht.­ Sie wich zurück, ihre Augen sahen ihn an mit einem Ausdruck, der ihm ins Herz schnitt. Mehr denn je liebte er sie, begehrte er sie.

Er streckte die Hand aus.

»Ich warte noch immer auf Ihre Antwort.«

Unwillkürlich duckte sich Rena. Es war ihr, als könne er sie mit ein paar Fingern zermalmen. Sein glattrasiertes, dunkelgebräuntes Gesicht war ihr finster zugewandt.

Rena raffte sich auf. Ganz fest die Hände ineinander krampfend, sagte sie tonlos: »Ich – ich nehme Ihren Antrag an.«

Brankows Arme hoben sich, er bemerkte ihr ängstliches Zurückweichen und ein wilder Triumph war in ihm. Er riß sie an sich, küßte den kleinen, herb geschlossenen Mund in ausbrechender Leidenschaft. Aber er sagte ihr kein Wort von seiner großen, heißen Liebe.

Rena lag ganz still in seinen Armen. Die Würfel waren gefallen, sie wurde Brankows Eigentum, wie alles andere sein Eigentum geworden war. Der ganze Haß, den sie gegen diesen Mann empfand, lag in dem Blick, mit dem sie ihn jetzt ansah.

Brankows Arme lockerten sich. Ungläubig, spöttisch glitt sein Blick über das blasse, schöne Mädchengesicht. In diesem Augenblick wurde es ihm wohl zum erstenmal klar, daß es etwas gab auf der Welt, was selbst sein vieles Geld nicht herbeizwingen konnte: Renas Liebe!

Er ließ sie plötzlich aus seinen Armen und trat zurück. Renas Herz schlug bis in den Hals hinauf.

»Sie hassen mich? Warum?«

Seine tiefe, ruhige Stimme klang an ihr Ohr. Sie kämpfte mit sich. Sollte sie ihn jetzt, in dieser Minute, bitten, ihrem Vater anders zu helfen?

Nichts verriet den Sturm, der in ihm tobte. Ruhig abwartend stand er da. Nur seine dunklen Augen brannten auf ihrem Gesicht. Rena fand plötzlich nicht den Mut, ihm zu sagen, wie sehr sie ihn haßte. Ganz stolz hob sie den blonden, rassigen Kopf und sah den hochgewachsenen Mann fest an.

»Hassen ist wohl nicht der richtige Ausdruck. Es kam alles so überraschend, sicher würde jede andere junge Dame anfangs genauso gedacht haben wie ich. Aber wir wollen uns doch nichts vormachen. Sie haben mich gekauft! Ich bin der Kaufpreis, wofür mein Vater Lindhoff behalten darf. Auf mein Empfinden kommt es nicht an, man hat ja auch gar nicht danach gefragt.«

Zorn wallte in Brankow auf, doch noch drückte die große, heiße Liebe den Zorn in ihm nieder.

Seine Stimme klang plötzlich weich.

»Sie werden anders denken lernen, Rena. Ich will mir gewiß Mühe geben, damit unsere Ehe eine gute wird.«

Rena schauerte zusammen. Ehe, Pflichten, Dankbarkeit, lauter Begriffe, die mit Liebe nichts zu tun hatten, wohl aber ihre Rechte geltend machen würden.

Brankows Augen sogen sich fest an dem großen Veilchenstrauß, der die schmale, schneeweiße Schulter zierte. Es zwang ihn eine innere Macht, diese weiße Schulter zu küssen. Der Duft der Blumen und der Geruch der zarten Haut vermischte sich miteinander und betäubte seine Sinne.

Rena kämpfte mit den Tränen.

Pascha, dachte sie zornig.

Scheu ruhte ihr Blick auf der athletischen Figur im tadellosen Smoking. Brankow trat zurück, nestelte an der Blume, die das Knopfloch schmückte.

»Wir müssen zu den Eltern hinübergehen, Rena. Bist du bereit?«

Ganz ruhig klang seine Frage zu ihr herüber.

Sie nickte und legte den Arm in den seinen. So gingen sie hinüber, wo Lindhoff neben seiner Frau wartete. In Rena war ohnmächtiger Zorn, der ihr das bisher blasse Gesicht rötete.

Wie selbstverständlich dieser Mann sie mit Du ansprach! Alles schien ihm selbstverständlich.

Als sie eintraten, atmete Herr von Lindhoff erleichtert auf. Es war ihm doch nicht ganz wohl gewesen. Rena war nicht so gefügig wie seine Frau. Aber nun schien ja alles gut. Ein paar Worte Bran­kows an die Eltern – dann saß man bei Tisch, und alles schien in bester Ordnung. Man plauderte gemütlich. Die Hauptkosten dieser Unterhaltung trug allerdings der Hausherr.

Einmal fing Brankow einen Blick seiner Braut auf. Ganz verloren ruhte dieser Blick auf ihm, doch was er darin las, das war Kälte und Abscheu. Eine Falte grub sich in seine Stirn, tief, seltsam. Rena sah es, und eine wilde Angst schnürte ihr die Brust zusammen.

Beim Abschied beugte er sich über ihre Hand, ohne sie zu küssen. Sie begleiteten ihn alle hinaus. Kein Blick traf mehr Rena. Er nickte dem Hausherrn freundlich zu.

»Auf Wiedersehen!«

Dann verbeugte er sich noch einmal tief gegen die beiden Damen. Das Auto fuhr davon. Herr von Lindhoff wandte sich zu Rena, strich ihr wie liebkosend über die Wange.

»Kind, nun kann ich doch endlich wieder ruhig schlafen.«

»Gewiß, Vater, es ist alles in Ordnung.« War wirklich alles in Ordnung?

Das fragte sich Rena, als sie allein in ihrem Zimmer stand. Sie hatte das Mädchen hinausgeschickt. Sie mußte allein sein mit ihren wirren Gedanken.

Nun war es endlich soweit! Jetzt war sie Joachim Brankows Braut!