Es war nicht immer so ... - Eva-Maria Horn - E-Book

Es war nicht immer so ... E-Book

Eva Maria Horn

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Beschreibung

Die Familie ist ein Hort der Liebe, Geborgenheit und Zärtlichkeit. Wir alle sehnen uns nach diesem Flucht- und Orientierungspunkt, der unsere persönliche Welt zusammenhält und schön macht. Das wichtigste Bindeglied der Familie ist Mami. In diesen herzenswarmen Romanen wird davon mit meisterhafter Einfühlung erzählt. Die Romanreihe Mami setzt einen unerschütterlichen Wert der Liebe, begeistert die Menschen und lässt sie in unruhigen Zeiten Mut und Hoffnung schöpfen. Kinderglück und Elternfreuden sind durch nichts auf der Welt zu ersetzen. Genau davon kündet Mami. »Was willst du hier allein? Deine Idee ist doch schwachsinnig. Wir haben zehn herrliche Tage gehabt, wir haben viel gesehen, aber das war's. Die Reise ist zu Ende.« Anita Krüger musterte ihre Freundin ärgerlich, nervös sah sie auf die Uhr. »Einfach hierbleiben, aus der Reihe tanzen, allein hierbleiben, das ist doch eine Schnapsidee, einfach verrückt. Ich habe beinahe das Gefühl, Monika, du hast Angst, nach Hause zu kommen. Ja, das ist es. Dein Entschluß ist Feigheit.« Monika saß auf der Fensterbank des unpersönlich eingerichteten Hotelzimmers. Ihre blauen Augen musterten die Freundin gereizt. Aber die energische Anita ließ sich dadurch nicht aus dem Konzept bringen, im Gegenteil, sie redete sich immer heftiger in Rage. »Jawohl, Feigheit. Funkele mich ruhig so entrüstet an. Diese Fahrt mit der Reisegesellschaft in die neuen Bundesländer hast du überhaupt nur so spontan gebucht, weil dir die Aufmerksamkeit deines Chefs auf die Nerven ging. Jawohl! Du hast mir selbst gesagt, wie sehr dich sein Interesse belastet.« Monika Reber fuhr sich mit allen zehn Fingern durch ihr braunes Haar. Im Licht der geschmacklosen Stehlampe bekam es einen rötlichen Schimmer. »Du hast wirklich den richtigen Beruf, Anita. Du kennst es ja, du bohrst und bohrst, bis du den Nerv triffst. Ja, ja, Richard Steiners Benehmen paßt mir einfach nicht. Ist es das, was du hören willst? Ja, er geht mir auf den Geist, oder muß ich mich noch deutlicher ausdrücken? Ich arbeite wahnsinnig gern in der Firma. Meinst du, ich merke nicht, wie die anderen hinter meinem Rücken tuscheln? Und wie sie mitten im

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Seitenzahl: 127

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Mami – 1902 –Es war nicht immer so ...

Mutterliebe war für Malte fremd

Eva-Maria Horn

»Was willst du hier allein? Deine Idee ist doch schwachsinnig. Wir haben zehn herrliche Tage gehabt, wir haben viel gesehen, aber das war’s. Die Reise ist zu Ende.«

Anita Krüger musterte ihre Freundin ärgerlich, nervös sah sie auf die Uhr. »Einfach hierbleiben, aus der Reihe tanzen, allein hierbleiben, das ist doch eine Schnapsidee, einfach verrückt. Ich habe beinahe das Gefühl, Monika, du hast Angst, nach Hause zu kommen. Ja, das ist es. Dein Entschluß ist Feigheit.«

Monika saß auf der Fensterbank des unpersönlich eingerichteten Hotelzimmers. Ihre blauen Augen musterten die Freundin gereizt. Aber die energische Anita ließ sich dadurch nicht aus dem Konzept bringen, im Gegenteil, sie redete sich immer heftiger in Rage.

»Jawohl, Feigheit. Funkele mich ruhig so entrüstet an. Diese Fahrt mit der Reisegesellschaft in die neuen Bundesländer hast du überhaupt nur so spontan gebucht, weil dir die Aufmerksamkeit deines Chefs auf die Nerven ging. Jawohl! Du hast mir selbst gesagt, wie sehr dich sein Interesse belastet.«

Monika Reber fuhr sich mit allen zehn Fingern durch ihr braunes Haar. Im Licht der geschmacklosen Stehlampe bekam es einen rötlichen Schimmer.

»Du hast wirklich den richtigen Beruf, Anita. Du kennst es ja, du bohrst und bohrst, bis du den Nerv triffst. Ja, ja, Richard Steiners Benehmen paßt mir einfach nicht. Ist es das, was du hören willst? Ja, er geht mir auf den Geist, oder muß ich mich noch deutlicher ausdrücken? Ich arbeite wahnsinnig gern in der Firma. Meinst du, ich merke nicht, wie die anderen hinter meinem Rücken tuscheln? Und wie sie mitten im Gespräch aufhören zu reden, wenn ich zu ihnen komme?«

Anitas Ärger schmolz. Sie konnte nie lange böse auf Monika sein. Sie war allerdings nur zwei Jahre älter als die Freundin, aber als Monika eine Klasse im Gymnasium übersprungen hatte und in ihre Klasse kam, hatte sie das schüchterne Mädchen sofort unter ihre Fittiche genommen. Wehe, jemand trat der Neuen, die auch in dieser Klasse bald die Beste war, zu nahe. Dann bekam man es mit Anita Kürger zu tun, die tonangebend war. Nicht nur darum, weil sie einen reichen Vater hatte und immer die neueste Garderobe trug, sie war einfach Anita, die den Mut hatte, den Mund aufzumachen, sogar beim Direktor. Und außerdem stiegen in der Villa Krüger die tollsten Feten, und natürlich rissen sich alle drum, bei ihr eingeladen zu werden.

»Man ist eben nicht ungestraft so hübsch wie du, Kleine. Wir können ja unsere Figur tauschen, meine Liebe. Du nimmst die Rettungsringe, die sich in meiner nicht vorhandenen Taille angesiedelt haben, dafür ist mein Busen zu mickerig, da könnten ruhig ein paar Pfunde mehr sein. Aber nein, sie müssen sich zu dem Fett auf meinen Hüften gesellen. Und du futterst, was dir schmeckt und bleibst schlank und rank. Wirklich, das Schicksal kann schon ungerecht sein.

Ist doch kein Wunder, daß dich Friedrich Lohse mit den Augen verschlingt und am liebsten in deiner Nähe ist. Ich frage mich überhaupt, was macht d e r mit seinem Aussehen und in seinem Alter in dieser Reisegruppe, in der es von Senioren wimmelt? Ihr nennt euch ja schon beim Vornamen. Ich wette, der hatte auch einen besonderen Grund, diese Reise zu machen.«

»Laß doch diesen Mann aus dem Spiel«, Monika wandte den Kopf, damit die Freundin nicht in ihrem Gesicht lesen konnte. Denn Anita hatte nicht nur scharfe Augen, es war auch leider so, daß man in Monikas Gesicht lesen konnte wie in einem Buch. Das behaupteten jedenfalls Freunde.

»Er ist an den wunderschönen Dingen, die wir hier sehen konnten, genauso interessiert wie ich, während du ja schon nach der zweiten Kirche gestöhnt hast und wir dich in einem Café auflesen mußten. Er weiß besser Bescheid als unsere Reiseleiterin, die kennt sich nur mit den hiesigen Baudenkmälern aus, während Friedrich in der Geschichte zu Hause ist und sofort das Ganze sieht.«

»Oh, Himmel«, Anita ließ sich auf den Rand des kleinen Tisches sinken, der unter ihrem Gesicht ächzte. »Warum bist du bei deinen Interessen und deinem Wissen nur Sekretärin geworden?«

»Das weißt du ganz genau«, antwortete Monika gelassen. »Weil ich meiner Tante nicht länger auf der Tasche liegen wollte. Natürlich hätte ich gern studiert, aber dazu braucht man nun mal Geld.«

Schon schwammen Tränen in Anitas braunen Augen. Wenn es um Monika ging, war Anitas Herz weich wie Butter.

»Das war der Grund, warum ich dich sofort unter meine Fittiche nahm, als du in unsere Klasse kamst. Eltern verunglückt, das Mädchen lebt bei seiner Tante. Damals wußte ich ja noch nicht, daß deine Tante eine ganz patente Person ist. Ich hatte nur Mitleid mit dir.«

Monikas Gesicht entspannte sich. Anita musterte die Freundin wie immer voll Bewunderung. Monika hätte nicht in einem nüchternen Büro arbeiten sollen, sie hätte als Fotomodell oder Mannequin mit Leichtigkeit viel mehr Geld verdienen können. Sie war … ja, sie war einfach schön. Die großen blauen Augen, umrahmt von dichten schwarzen Wimpern, beherrschten das schmale ausdrucksvolle Gesicht. Bei Monika stimmte einfach alles. Der Mund war nicht zu groß, die Augen hatten den richtigen Abstand. Vielleicht waren die Wangenknochen ein wenig zu hoch, aber gerade das gab ihrem Gesicht die aparte Note. Viel wichtiger jedoch war wohl einfach Monikas Ausstrahlung. Sie war sich ihrer Schönheit offensichtlich gar nicht bewußt, sie war das bescheidenste Mädchen, das Anita kannte. Und sie besaß einen umwerfenden, warmherzigen Humor. Es war wirklich kein Wunder, daß sich die Männer in Monika verliebten und keine Frau neben ihr bestehen konnte.

»Jedenfalls hat dein Friedrich den Marktplatz von Wismar weniger häufig gefilmt als dich. Er ist zu deinem Schatten geworden und geht mir langsam auf die Nerven.«

Mit einem amüsierten Lachen setzte sie hinzu: »Ich hätte allerdings nichts dagegen einzuwenden, wenn er mir so schöne Augen machen würde wie dir. Ich könnte langsam wirklich ein wenig männliche Bewunderung vertragen. Aber wenn du an meiner Seite bist, verwandele ich mich sofort in eine Null.«

»Sag so etwas nicht«, Monikas Augen weiteten sich erschrocken. »Du hast doch wirklich keinen Grund, unter Minderwertigkeitskomplexen zu leiden. Du hast das erreicht, was du wolltest. Du bist Zahnärztin, hast eine eigene Praxis. Du bist auf keinen Menschen angewiesen…«

»Nur auf meine Patienten«, warf Anita spöttisch ein.

»Die werden sich schon einstellen. Deine Praxis ist supermodern, du bist tüchtig… Jedes berufstätige Mädchen muß dich beneiden. Du bist du… du hast es geschafft.«

»Hab’ ich. Und ich leide auch nicht unter Komplexen. Meine Sorgen drehen sich nur um deine Person. Du bist zwar von Mutter Natur überreich gesegnet worden. Aber du verstehst überhaupt nicht, aus deiner Schönheit Kapital zu schlagen. Im Gegenteil. Wenn mehr als zwei Männer sich um dich bemühen, hast du schon das Gefühl, es ist ein Gedränge. Statt es zu genießen, möchtest du dich am liebsten verkriechen. Ich will dir etwas sagen, Kleine.«

»Nenn mich nicht immer Kleine. Ich bin drei Zentimeter größer als du.«

»Dafür bin ich zehn Pfund schwerer. Das hebt sich also auf. Und für mich bist du immer die Kleine gewesen und geblieben, die ich beschützen muß. Weißt du noch, Moni?« Anitas braune Augen glänzten. »Deine Tante war wirklich nett. Aber in puncto Kleidung furchtbar altmodisch. Ich bin einfach mit Klamotten bei euch aufgekreuzt und hab’ behauptet, daß ich die Sachen nicht mehr tragen könnte. Und deine Tante ist auf den Schwindel hereingefallen und war froh, daß sie kein Geld ausgeben und sich nicht den Kopf zerbrechen mußte, was ihre Nichte anziehen sollte. Mir hat es Spaß gemacht. Und seitdem bist du für mich das Mädchen, um das ich mich kümmern muß.«

»Ach, du armer Kümmerer.«

»Du weißt genau, daß ich diese Aufgabe brauchte. Mich erstickte man ja mit Fürsorge. Es lebten ja nicht nur meine Eltern in unserer Villa, sondern auch die Eltern meiner Mutter und die von meinem Vater. Zwei Großväter und zwei Großmütter – und ich das einzige Kind!«

Sie schüttelte sich in der Erinnerung und meinte treuherzig: »Ein Wunder, daß ich bei so viel Liebe überhaupt normal geblieben bin. Aber das habe ich dir zu verdanken. Du hast mir gezeigt, wie die andere Seite des Lebens ist. Das hat mir gutgetan, und darum bin ich nicht abgehoben wie so einige andere.

Du siehst also, daß ich die Verantwortung für dich übernommen habe. Eigentlich kannst du es dir wirklich leichtmachen und alles mir überlassen. Und darum meine ich, laß diesen verrückten Gedanken. Pack deinen Koffer und fahr mit uns zurück. Bitte.«

Monika hockte noch immer auf der Fensterbank. Hinter ihr geisterte eine Lichtreklame über den Himmel. Das rote Licht wetteiferte mit dem Licht der Stehlampe, bizarre Schatten huschten über die Tapeten.

»Nein, bitte, sei nicht sauer. Ich möchte hierbleiben. Allein. Die Gegend hier ist so wunderschön, so geschichtsträchtig. Ich will sie in Ruhe genießen. Ich habe noch vierzehn Tage Urlaub. Warum soll ich sie in meiner Wohnung verbringen? Geld habe ich auch in der Tasche, so viel kostet das Leben hier nicht. Sieh mich nicht an, als wäre ich ein Aussteiger«, versuchte sie zu spotten. »Ich will nur den Rest meiner Ferien genießen, bevor ich wieder das Joch der Arbeit auf mich nehme. Dann werde ich auch Richard Steiner und seiner penetranten Aufmerksamkeit besser gewachsen sein.«

»Richard Steiner ist ein Mann, der Karriere machen wird, meine Liebe. Außerdem sieht er gut aus. Er wird seiner Frau einiges bieten können.«

Monika machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich werde nie heiraten, um versorgt zu sein. Die Zeiten sind zum Glück vorüber, ja, früher hatten die meisten Mädchen gar keine andere Wahl. Aber heute ist es glücklicherweise anders. Ich will überhaupt nicht heiraten. Ich möchte so viel wie möglich von der Welt sehen, und da fange ich mit Mecklenburg-Vorpommern an. Ich habe mir gestern ein Buch gekauft«, erzählte sie eifrig. »Die Insel Poel muß ein wahres Naturparadies sein. Eigentlich ist es schade, daß du nicht auch noch bleiben kannst.«

Anita wehrte resigniert ab. »Meine Praxis-Eröffnung ist am Ersten, da werde ich schon dasein müssen. Und eigentlich hatte ich gehofft, du würdest wie ein Fels an meiner Seite sein.«

Monika lachte, wie nur Monika lachen konnte, und sogar Anita verzog amüsiert das Gesicht.

»Wie sollte ich bei dem Gedränge überhaupt bis zu dir vordringen, Anita? Du bist mit einer großen, beeindruckenden Verwandtschaft gesegnet. Und die bringt noch ihre Freunde mit. Ich könnte höchstens später die Sektgläser spülen, aber wie ich deine aktiven Großmütter kenne, haben sie auch das bestens organisiert.«

»Ich kann dich also wirklich nicht zur Vernunft bringen?«

»Zur Vernunft schon, Anita. Und vernünftig ist mein Entschluß. Ich bleibe. Ich verbringe meine restlichen Urlaubstage so, wie ich möchte. Ich lasse mich in den Tag hineinfallen und tue nur das, worauf ich Lust habe. Nur das, was ich will. Wenn ich darüber nachdenke, wird mir klar, daß ich das noch nie konnte.«

Anita rutschte von der Tischkante hinunter. Das Holz knarrte.

»Wenn du schon so stöhnst, du altes Holz, wie muß dann erst ein Mann jammern, der mich auf die Arme nimmt?«

Auch Monika war von der Fensterbank gerutscht und ging auf Anita zu.

»Ist das überhaupt noch modern, Anita? Welcher Mann macht sich schon die Mühe, ein Mädchen auf seine Arme zu nehmen?«

Anita zog weise die sorgfältig gezupften Augenbrauen hoch. »Wenn er eine bestimmte Absicht verfolgt, macht er das auch heute noch. Du besitzt eine engelhafte Ausstrahlung, meine Liebe. Dir rücken diese Männer nicht auf den Pelz. Lach ruhig, ich bin viel lebenserfahrener als du, du bist mit schlechten Menschen noch nie in Berührung gekommen.«

»Manchmal weiß ich nicht, ob ich über dich lachen oder den Kopf schütteln soll. Ach, Anita, wenn ich dich nicht hätte. Ich glaube, ich habe den Tod meiner Eltern nur so gut verkraftet, weil es dich gab. Ich weiß wirklich nicht, wie ich mich ohne dich entwickelt hätte.«

Anita legte die Hand auf die Türklinke; um ihre Rührung zu verbergen, lächelte sie spöttisch.

»Das weiß ich auch nicht. Ich habe wie ein guter Geist über dich gewacht. Aber jetzt bist du anscheinend flügge geworden und machst, was du willst. Ich werde mich auf dem Rückweg neben Friedrich setzen, meinen Charme versprühen und ihm schöne Augen machen. Wenn du nicht in der Nähe bist, gelingt es mir vielleicht, ihn in mich verliebt zu machen. Ich bin ja gar nicht anspruchsvoll, ich will nur seine Aufmerksamkeit – und vielleicht einen Kuß in allen Ehren. Aber versprich mir, mich auf dem laufenden zu halten. Und nimm den Rat einer besorgten Freundin an: Gehe allen Männern aus dem Weg, die bringen nur noch mehr Unruhe in dein Herz. Amüsiert habe ich mich, Monika, wie alle dir ihre Adressen aufdrängten, plötzlich hatte jeder der Reisegesellschaft das Gefühl, sich mit dir besonders gut verstanden zu haben.«

Monika gab eine witzige Antwort, sie lachten beide, leise natürlich. Schließlich war es schon spät und die restlichen Teilnehmer der Reisegesellschaft lagen längst in ihren Betten und schliefen hoffentlich.

Die Freundinnen verabschiedeten sich mit Küßchen rechts und links auf die Wange. Monika wartete nicht, bis Anita in ihrem Zimmer verschwunden war.

Sie schloß die Tür, lehnte sich an das warme Holz, sah durch das Fenster zum Himmel. Noch immer geisterte die Lichtreklame darüber.

Ganz still stand sie da. Eine einsame Gestalt in einem fremden Zimmer.

Fremd waren auch die Geräusche des alten Hauses. Die Mauern waren dick und hatten schon vielen Jahrhunderten getrotzt. Man könnte sich hier in diesem Haus unter dem alten reetgedeckten Dach wirklich wohl fühlen…

Wenn man nicht so schrecklich durcheinander wäre.

Ja. Monika löste sich langsam von der Tür, stand einen Moment verloren da und ging dann langsam zum Fenster hinüber. Wie sollte sie schlafen, wenn in ihrem Herzen so ein Aufruhr war?

Nicht einmal vor sich selbst mochte Monika es sich eingestehen, wie enttäuscht sie war.

Ja, alle wollten ihre Adressen haben, drängten ihr Visitenkarten auf. Nur einer nicht.

Friedrich Lohse hatte nur lächelnd, ein wenig geistesabwesend am Tisch gesessen. Er hatte ihr weder seine Adresse gegeben noch ihre verlangt.

Und gerade mit ihm, dem hochgewachsenen schlanken Mann mit den klugen Augen hatte sie sich verbunden gefühlt. Sie hatte wie selbstverständlich seine Nähe gesucht wie er die ihre. Sie hatten sich oft isoliert und wundervolle Gemeinsamkeiten entdeckt. Sie beide waren sich genug gewesen…

Du bist eine alberne, romantische Gans, verspottete sie sich. Ich war eine angenehme Reisebekanntschaft für ihn. Mehr nicht. Hämmere dir das in deinen dummen Kopf, Monika Reber.

Alle, alle hatten ihren Entschluß bedauert, fanden es schade, daß sie nicht mit der Reisegruppe die Heimreise antrat. Alle wollten ihre Adresse, sogar der griesgrämige Studienrat, der sich von ihrem Lachen so oft gestört gefühlt hatte…

Die Hand hatte Friedrich ihr geküßt und sie dabei angesehen…

In dem Augenblick hatte sie das Lächeln in seinen Augen für Zärtlichkeit gehalten. Aber vermutlich war es Spott gewesen. Wie hatte sie nur einen Moment denken können, daß er sich in sie verliebt hatte. O verflixt, hoffentlich hatte er nicht bemerkt, wie gern sie mit ihm zusammen war.

»Ich bin ja nicht in ihn verliebt«, flüsterte sie in ihr Kopfkissen hinein. Sie mußte es umdrehen, weil es naß von ihren Tränen war.

Wenn er glaubt, ich bin in ihn verliebt, dann ist er noch abscheulicher… jawohl. Eingebildet, arrogant ist er. Und ich bin froh, wenn ich ihn nie wiedersehe. Welch ein Segen, daß er sich bei mir nicht melden kann.

*