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Die Familie ist ein Hort der Liebe, Geborgenheit und Zärtlichkeit. Wir alle sehnen uns nach diesem Flucht- und Orientierungspunkt, der unsere persönliche Welt zusammenhält und schön macht. Das wichtigste Bindeglied der Familie ist Mami. In diesen herzenswarmen Romanen wird davon mit meisterhafter Einfühlung erzählt. Die Romanreihe Mami setzt einen unerschütterlichen Wert der Liebe, begeistert die Menschen und lässt sie in unruhigen Zeiten Mut und Hoffnung schöpfen. Kinderglück und Elternfreuden sind durch nichts auf der Welt zu ersetzen. Genau davon kündet Mami. »Ihr Garten ist ja zauberhaft.« Constanze, die auf der Erde hockte und behutsam winzige Pflänzchen in den Boden steckte, erschrak sichtlich. Sie hob den Kopf und sah einen hochgewachsenen Mann hinter dem Gartenzaun stehen, schwarze, vom Wind zerzauste Haare. »Bitte, entschuldigen Sie. Ich wollte Sie nicht erschrecken.« »Ich hatte vergessen, daß das Nachbarhaus wieder bewohnt ist.« Constanzes Gesicht entspannte sich, sie stand auf und sah auf ihre erdverschmutzten Hände. Ihr Lächeln in dem fröhlichen Gesicht eroberte das Herz des Mannes im Sturm. »Es hat viele Monate leer gestanden.« Im Moment hatte der Mann keinen Blick für den Garten, der jeden Gartenfreund begeistern mußte. Er sah nur sie. Eine schlanke junge Frau, die trotz der verschmutzten Jeans und der roten Bluse bezaubernd war, ganz anders aussah als die jungen Damen, die er kannte. Das blonde Haar trug sie nachlässig zusammengebunden. Aber das Schönste in diesem Gesicht waren wohl ihre großen braunen Augen. »Da mußten Sie natürlich erschrecken, als plötzlich ein fremdes Wesen hinter dem Zaun stand.« Ihr Lachen war bezaubernd wie sie selbst. »Dabei erschrecke ich für gewöhnlich nicht so leicht. Eine Hand kann ich Ihnen nicht geben, sonst würden Sie mit Erde in Berührung kommen.« »Das werde ich noch oft«, erklärte er energisch. »Ich bin nämlich auch ein Gartenfreund. Aber ich bin ganz sicher, so eine Blütenpracht wie in Ihrem Garten bringe ich nie zustande.« »Es hat auch Jahre gedauert«, tröstete sie ihn. Sie hatte eine wunderbar offene Art, ihn anzusehen. »Ich heiße Volker Haupt, und Sie sind Frau Constanze Dornfeld.« Über den grünen Gartenzaun streckte er ihr die Hand
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Seitenzahl: 129
Veröffentlichungsjahr: 2017
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»Ihr Garten ist ja zauberhaft.«
Constanze, die auf der Erde hockte und behutsam winzige Pflänzchen in den Boden steckte, erschrak sichtlich. Sie hob den Kopf und sah einen hochgewachsenen Mann hinter dem Gartenzaun stehen, schwarze, vom Wind zerzauste Haare.
»Bitte, entschuldigen Sie. Ich wollte Sie nicht erschrecken.«
»Ich hatte vergessen, daß das Nachbarhaus wieder bewohnt ist.«
Constanzes Gesicht entspannte sich, sie stand auf und sah auf ihre erdverschmutzten Hände. Ihr Lächeln in dem fröhlichen Gesicht eroberte das Herz des Mannes im Sturm.
»Es hat viele Monate leer gestanden.« Im Moment hatte der Mann keinen Blick für den Garten, der jeden Gartenfreund begeistern mußte. Er sah nur sie. Eine schlanke junge Frau, die trotz der verschmutzten Jeans und der roten Bluse bezaubernd war, ganz anders aussah als die jungen Damen, die er kannte. Das blonde Haar trug sie nachlässig zusammengebunden. Aber das Schönste in diesem Gesicht waren wohl ihre großen braunen Augen.
»Da mußten Sie natürlich erschrecken, als plötzlich ein fremdes Wesen hinter dem Zaun stand.«
Ihr Lachen war bezaubernd wie sie selbst. »Dabei erschrecke ich für gewöhnlich nicht so leicht. Eine Hand kann ich Ihnen nicht geben, sonst würden Sie mit Erde in Berührung kommen.«
»Das werde ich noch oft«, erklärte er energisch. »Ich bin nämlich auch ein Gartenfreund. Aber ich bin ganz sicher, so eine Blütenpracht wie in Ihrem Garten bringe ich nie zustande.«
»Es hat auch Jahre gedauert«, tröstete sie ihn. Sie hatte eine wunderbar offene Art, ihn anzusehen.
»Ich heiße Volker Haupt, und Sie sind Frau Constanze Dornfeld.« Über den grünen Gartenzaun streckte er ihr die Hand entgegen. Sie nahm sie, ohne die ihre an der Hose abzuputzen.
»Richtig. Sie haben sich gut informiert. Ich finde es herrlich, wieder Nachbarn zu haben. Abends mache ich gern einen Spaziergang durch meinen Garten, und wenn ich zu Ihrem Haus hinübersah, lief mir manchmal ein Schauer über den Rücken. Ihre Fenster sahen wie tote Augen aus.«
»Sie sind also nicht nur eine vorzügliche Gärtnerin, sondern auch eine Romantikerin.«
Sie zog behutsam ihre Hand zurück. Etwas aus seinen grauen Augen traf sie, das ihr unbehaglich war. Solch ein Herzklopfen hatte sie schon lange nicht mehr gespürt.
»Wir sollten uns nicht hier am Zaun gegenüberstehen, Sie sollten zu mir ins Haus kommen und mit mir einen Kaffee trinken. Ich habe auch etwas Schärferes im Haus. Und natürlich müssen Sie Ihre Frau mitbringen, wenn sie auch anwesend ist.«
»Eine Frau kann ich nicht mitbringen.« Er schmunzelte dabei, weil sie sich wie eine Törin fühlte. »Ich habe leider keine. Das ist eine Geschichte, die ich Ihnen bestimmt einmal erzählen werde. Sie sehen nämlich aus, als könnte man bei Ihnen Sorgen und Kummer abladen. Aber einen Kaffee trinke ich gern mit Ihnen. Ich will nicht unbescheiden sein«, lachte er fröhlich, »wenn Sie mir ein Butterbrot vorsetzen, nehme ich es dankbar an. Ich bin nämlich mit Handwerkern im Haus und sage den Männern, was gemacht werden soll. Ich habe den Leuten Bier und Sprudel hingestellt, aber an mich selbst habe ich dabei nicht gedacht.«
»Dann steigen Sie einfach über den Zaun, dort hinten ist er heruntergetreten. Die Dame, die bis vor einigen Monaten in Ihrem Haus wohnte, war eine gute Freundin von mir, wir haben uns den Weg über die Straße erspart und lieber den Zaun gängig gemacht. Aber wenn Sie wollen, können wir ihn natürlich wieder richten.«
»Ich denke gar nicht daran«, schnaubte er empört. »Ich hoffe im Gegenteil auf gute Nachbarschaft. Und wenn ich abends nach Hause komme, und mir die Decke auf den Kopf fällt, wenn ich dann Licht in Ihrem Haus sehe, das so einladend unter den hohen Bäumen liegt wie eine satte, zufriedene Katze, dann möchte ich, ohne mir die Hosen zu zerreißen, über den Zaun steigen und an Ihre Tür klopfen.«
»Die Ihnen ganz sicher geöffnet wird«, nickte sie erleichtert. Sie sah ihm zu, wie er seine langen Beine ohne Mühe über den heruntergedrückten Zaun schwang und in einer schlaksigen Art auf sie zukam.
»Ich gestehe, ich hatte ein wenig Angst, wer das Haus kaufen würde.« Sie strich ihre Hände an der ohnehin nicht sauberen Hose ab und nahm die Hacke vom Boden. »Es stehen auf unserer Straße nur sehr wenig Häuser, und alle verstecken sich hinter Bäumen und hohen Sträuchern, man kann sie von der Straße aus kaum sehen. Sie dürfen nicht glauben, daß mich die Einsamkeit stört, aber Lichter können trotzdem sehr tröstlich sein. Kommen Sie, ich verspreche Ihnen nicht nur einen guten Kaffee, ich führe mich auch gut bei Ihnen ein. Um diese Zeit esse ich auch ein zweites Frühstück, und heute übertrumpfe ich mich selbst.«
Nebeneinander gingen sie über den Weg, es war noch früh im Jahr und nur vereinzelt wagten sich besonders mutige Blumen aus der Erde. Er machte keine Bermerkung darüber, vermutlich sah er sie nicht einmal. Er musterte das Haus. Unter dem Vordach standen schon die Gartenmöbel, auf den Scheiben des Wintergartens lag die Sonne.
»Es ist ein wunderschönes Haus. Einfach umwerfend schön. Ich bin gespannt, wie es eingerichtet ist. Von außen gesehen, ist es ein ganz besonderes Haus. Wenn ich den Auftrag bekomme, so ein Haus einzurichten, überschlägt sich mein Herz vor Freude. Sie müssen wissen, ich bin Innenarchitekt und außerdem besitze ich einen Antiquitätenhandel.«
Sie streifte die schmutzigen Schuhe von den Füßen. Er sah ihr zu und war lächerlich gerührt, als er das Loch an ihrem großen Zeh entdeckte.
»Da werden Sie enttäuscht sein. Aber nehmen Sie es bitte nicht tragisch. Einige Möbel habe ich aus meinem Elternhaus, viele andere habe ich mir selbst gekauft. Aber ich habe dabei nicht darauf geachtet, aus welchem Jahrhundert sie kommen, es war mir auch wurscht, ob in einem Sessel schon mal das Hinterteil eines berühmten Mannes saß. Ich kaufe das, was mir gefällt. Was zu mir und meinem Haus paßt. Da Sie mich sowieso für romantisch halten, kann ich Ihnen ja ins Ohr flüstern«, und sie lachte wie ein Lausbub dabei, »daß für mich der Garten eine Seele hat und Möbel beinahe lebendige Wesen sind, die ihre eigene Sprache sprechen. Aber keine Angst, verrückt bin ich nicht, Sie können also unbesorgt ins Haus gehen.«
Zu antworten brauchte er nicht, sie lachte so ungezwungen, schob die breite Glastür auf, lächelte ihn an, dabei schienen Kobolde in ihren Augen zu tanzen, und machte eine einladende Handbewegung.
Er betrat nur zögernd den sonnendurchfluteten Raum, und ihm war, als streckte das ganze Haus die Arme nach ihm aus. Und hieß ihn willkommen. Er stand auf der Schwelle, nahm mit einem Blick das Zimmer in sich auf.
Es waren einfache Korbmöbel mit bunten Kissen, die auf den gelben Fliesen standen. Auf dem Glastisch lagen neben der Glasvase, die mit roten Tulpen gefüllt war, Zeitungen und ein aufgeschlagenes Buch. Auf einem Stuhl lagen Gartenhandschuhe, und auf dem Tischchen, das neben der Tür stand, hatte man achtlos Tassen abgestellt. Es war ein Zimmer, das lebte, das Behagen und Schönheit ausstrahlte. In den Winkeln des Zimmers standen Blumen, die sie vermutlich selbst gezogen hatte.
»Sehen Sie sich in Ruhe um, setzen Sie sich. Mich müssen Sie ein paar Minuten entschuldigen. Aber ich verspreche Ihnen ein herzhaftes Frühstück. Mit dem im Magen können Sie allen Handwerkern begegnen.«
Ihr Lachen schwang noch im Raum, als sie längst hinter der Glastür verschwunden war.
Das ist wie ein Traum, dachte er beklommen. Wie ein Erwachen aus einem bösen Traum.
Heute morgen, als er sein neues Haus betreten hatte, wo die Handwerker auf seine Anweisung warteten, hatte sich die gewohnte, gefürchtete schreckliche Depression wieder über ihn gesenkt. Wie ein Ertrinkender war er in den Garten gestürzt, und hatte diese junge Frau getroffen. Wie alt sie war, war ihm gleichgültig. Aber es war tröstlich, sie als Nachbarin zu haben. Sie schien das Herz auf dem rechten Fleck zu haben, strömte eine wunderbare Ruhe aus. Der Mensch, der an ihrer Seite leben durfte, mußte ein glücklicher Mensch sein.
Aber er setzte sich nicht, er ging zögernd, als tue er etwas Unerlaubtes, in das angrenzende Zimmer hinein.
Auch hier strömte die Sonne unbehindert durch große Glasfenster. Er musterte staunend die Möbel, die vor den Wänden standen, als wären sie festgewachsen. Ein kostbarer, antiker Schrank stand neben einem modernen Teewagen. Das Zimmer war nur spärlich möbliert, und alte kostbare Möbel harmonierten wundervoll zu modernen Sachen. Bunte Bilder schmückten die Wände. Er glaubte, seinen Augen nicht zu trauen, als er zwischen den nachgedunkelten Stichen einen echten Modersohn entdeckte. Sprachlos betrachtete er das Bild, der appetitliche Duft nach Speck und Eiern hatte seine Nase erreicht, aber er beachtete es nicht.
»Ein schönes Bild, nicht wahr?« drang ihre Stimme an seine Verwirrung. »Ich habe oft darüber nachgedacht, ob Paula Modersohn ein blindes Mädchen liebte. Sie hat die beiden Kinder so lebensecht gemalt. Soll ich für uns im Wintergarten decken oder möchten Sie Ihr Frühstück im Eßzimmer?«
Er drehte sich um, sie hatte ihr Haar gebändigt, aber die Locken tanzten noch immer auf ihrer Stirn, sie trug eine weiße Schürze und hatte die schmutzige Bluse mit einer anderen vertauscht. Sie sah unerhört jung aus, es war nicht zu fassen, daß dieses junge Mädchen, die Herrin dieses Besitzes war. Für gewöhnlich war Volker nicht neugierig, die Schicksale anderer interessierten ihn nur wenig, er hatte genug mit seinem eigenen zu tun. Aber jetzt brannte er darauf, mehr von ihr zu erfahren.
»Wo decken Sie für Ihre Freunde?« wollte er mit einem herausfordernden Lachen wissen.
»In der Küche«, war ihre prompte Antwort. »Meine Freunde fühlen sich in meiner Kühe sehr wohl. Schließlich ist die Küche das Herzstück eines jeden Hauses.«
»Falls das Haus eine kluge, tüchtige Herrin hat«, nickte er und steuerte energisch der Küche zu. Die Tür war einladend geöffnet, mit Behagen zog er den köstlichen Duft ein.
Erst dann sah er sich um und stieß einen begeisterten Pfiff aus.
»Das ist ja… das ist ja unglaublich«, rief er überwältigt. »Das sieht ja aus wie eine Küche aus der Gründerzeit.«
Ihre Augen sprühten vor Freude, sie hatte den Mund ein wenig geöffnet, daß ihre weißen Zähne blitzten.
»Wundervoll, daß Sie das sofort erkennen. Ich habe die Küche sozusagen mit dem Haus übernommen. Ich konnte die Möbel einfach nicht entfernen, mir war, als gehörten die weißen Schränke zum Haus.«
Die Freude verschwand aus ihren Augen, jetzt sah sie wie ein verlegenes Mädchen aus. Was für ein sprechendes Gesicht dieses Wesen besaß.
Sie zeigte mit der Hand auf den hochlehnigen Stuhl, auf dem geflochtenem Sitz lag ein blaues Kissen.
»Bitte, setzen Sie sich.«
»Kann ich nicht helfen? Die Eier duften köstlich. Schinken und Eier! Seit meiner Studentenzeit gehört das zu meinem liebsten Frühstück. Als Student konnte ich das sogar nachts verputzen.«
Auf der weißgestrichenen Tischplatte lagen blaue Sets. Blau und weiß waren in dieser herrlichen Küche tonangebend. Sie goß den Kaffee in die dickbauchige Steinguttassen. Kostbares, zerbrechliches Geschirr wäre hier fehl am Platz gewesen.
Er aß mit bestem Appetit und zierte sich auch nicht, als sie ihm die Schinkenplatte hinüberschob.
»Erzählen Sie mir, wie Sie zu diesem Haus gekommen sind«, bat er, während er großzügig Butter auf das selbstgebackene Brot strich. Sie hielt die Kaffeetasse in beiden Händen, als wollte sie ihre Finger wärmen.
»Ich machte mit 18 Jahren mein Abitur und als ich neunzehn war, war ich schon verheiratet. Mit einem Professor, bei dem ich eigentlich in die Vorlesung gehen wollte.« Sie lachte leise. Ihr Lachen bezauberte ihn, wie alles an dieser Person. Nirgendwo konnte sie besser zu Hause sein als hier. Vielleicht hatte ihr das Haus seinen Stempel aufgedrückt.
»Was wollten Sie studieren?« Er fragte nicht aus Höflichkeit, er war begierig darauf, mehr von ihr zu wissen. Er hatte vergessen, daß in seinem Haus Handwerker warteten, daß er eigentlich längst in seinem Büro sein mußte. Es war, als hüllte eine traumhafte Verlorenheit ihn ein, die Zeit war wesenlos geworden, wichtig nur für sie.
»Ich wollte Architektur studieren, schon als Kind habe ich mich dafür interessiert.«
Ihre Augen waren ganz dunkel geworden, und die Sonne spielte auf ihrem Haar, das glänzte wie altes Gold.
»Mein Mann war einige Jahre älter als ich. Ich habe schon als junges Mädchen für ihn geschwärmt… ich konnte es gar nicht fassen, als er mir… nehmen wir die altmodische Bezeichnung, als er mir den Hof machte. Ich habe ihn sehr gern gehabt… Heute weiß ich, daß ich in ihm auch die Vaterfigur suchte, aber das ist eine andere Geschichte. Justus bat mich, für uns ein Haus zu suchen, von einem Studium für mich hielt er nichts.« Wieder das leise Lachen, das ihn an den Laut eines Vogels erinnerte.
»Ich habe mir viele Häuser angesehen…« Sie hatte die Tasse zurückgestellt, und malte mit dem Zeigefinger Kreise auf die weiße Platte. »Und dann sah ich dieses Haus.«
Keinen Blick ließ er von ihr. Er sah genau ihre verschleierten Augen. Vermutlich hatte sie in diesem Augenblick seine Anwesenheit vergessen, so nahe war die Vergangenheit gerückt.
»Der Garten war groß, aber nichtssagend… und die Zimmer des Hauses waren nicht besser oder schlechter als die Zimmer, die ich in anderen Häusern gefunden hatte. Aber dann kam ich in diese Küche.«
Sie hob den Kopf, aber sie sah ihn nicht an. Sie sah auf die hohen weißen Schränke, auf die gehäkelten Deckchen hinter den Scheiben, auf dem blauweißes Geschirr blitzte.Ihre Stimme war ein wenig heiser.
»Ich kann es nicht beschreiben, ich konnte es damals nicht, ich kann es immer noch nicht. Mir war, als wäre ich nach Hause gekommen, als wäre diese Küche ein Mensch, der mich in seine Arme nahm.«
Sie schwieg etwas verwirrt, schüttelte den Kopf und starrte ihn an, als erinnerte sie sich erst jetzt an ihn.
»Aber warum erzähle ich Ihnen das alles? Sie müssen mich ja für eine verdrehte alte Schraube halten.«
*
Constanze schob die alte Schubkarre über den Gartenweg, zur Hälfte war sie schon mit Laub gefüllt. Sie pfiff vergnügt vor sich hin, unterbrach manchmal das Pfeifen und summte die Melodie. Constance ging es ganz wunderbar. Bis mittags hatte sie mit dem neuen Nachbarn geplaudert. Es war schön gewesen, einfach schön. Von sich hatte er nur wenig erzählt, aber dafür mit viel Geschick alles aus ihr herausgelockt.
Sie lachte verhalten, stellte die Schubkarre ab und kniete auf dem Beet.
Er ist ein gefährlicher Mann, erklärte sie sich, er hat die Gabe, andere zum Sprechen zu bringen, sogar mich, und ich bin wirklich nicht mitteilungsbereit.
Aber nett ist er… schön, ihn als Nachbarn zu haben. Mit der kleinen Harke holte sie das Laub unter den Büschen hervor, häufte es auf, später würde es in der Karre landen.
»Morgen pflanze ich hier Buchsbaum«, murmelte sie vor sich hin. Wenn man so viel allein war wie Constanze, sprach man leicht mit sich selbst. »Ich mache aus dieser Ecke einen richtigen Bauerngarten.«
Das Taxi, das vor dem Tor hielt, hörte sie nicht. Sie legte den Kopf schief, hielt die Harke in der Hand und überlegte.
In diesen Teil des Gartens kam die Sonne kaum, nur am Abend und auch nur sehr mißmutig. Hier kann ich nur Blumen pflanzen, die sehr genügsam sind. Sie rieb mit dem Finger über ihren Nasenrücken, es störte sie nicht, daß die Haut mit Erde in Berührung kam.
Ich werde in meinem schlauen Buch blättern, sagte sie sich, das ist auch besser, als die Gedanken zum Nachbarhaus spazierenzulassen. Wie hatte ihre Mutter immer gepredigt?
Gute Nachbarschaft muß man dosieren: Immer da sein, wenn man sich braucht, aber sonst sollte man sich unsichtbar machen.