Mein Papi soll kommen - Eva-Maria Horn - E-Book

Mein Papi soll kommen E-Book

Eva Maria Horn

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Beschreibung

Die Familie ist ein Hort der Liebe, Geborgenheit und Zärtlichkeit. Wir alle sehnen uns nach diesem Flucht- und Orientierungspunkt, der unsere persönliche Welt zusammenhält und schön macht. Das wichtigste Bindeglied der Familie ist Mami. In diesen herzenswarmen Romanen wird davon mit meisterhafter Einfühlung erzählt. Die Romanreihe Mami setzt einen unerschütterlichen Wert der Liebe, begeistert die Menschen und lässt sie in unruhigen Zeiten Mut und Hoffnung schöpfen. Kinderglück und Elternfreuden sind durch nichts auf der Welt zu ersetzen. Genau davon kündet Mami. »Du sollst nicht so viel Teig naschen, Hanna. Du willst dir wohl den Magen verderben.« »Nee, Mami, das will ich nicht. Mein Magen verträgt nämlich alles.« Blitzschnell fuhren zwei Finger noch einmal in den Teig, genußvoll leckte Hanna die Finger ab. Frau Dormann, die von ihrer kecken kleinen Tochter oft Pat oder Patricia genannt wurde, pustete eine Locke aus ihrer Stirn und schüttelte gleichzeitig tadelnd den Kopf. »Es gibt heute mittag Erbsensuppe.« Es klang fast wie eine Drohung. »Und dann sitzt du mit langem Gesicht vor dem Teller und behauptest, keinen Hunger zu haben.« »Warum mußt du denn auch Erbsensuppe kochen«, jammerte Hanna. »Wo es doch so viele andere Sachen gibt, die du toll hinkriegst.« Patricia knetete den Teig auf der mehlbestäubten Arbeitsfläche. Ihre blauen Augen blitzten belustigt. »Zum Beispiel Kaiserschmarren oder ein Omelett oder noch lieber Marillenklöße mit ausgelassener Butter. Wenn man auf dich nicht aufpaßt, ernährst du dich nur von Süßigkeiten. Erzähl mir lieber, was es heute in der Schule gegeben hat.« »Gegeben hat mir niemand was.« Wie ein Lausbub zwinkerte Hanna mit ihren blauen Augen. Im Gegensatz zu ihrer Mutter hatte sie krause pechschwarze Haare, nur die veilchenblauen Augen hatte sie mit Patricia gemeinsam. Hannas bester Freund Josef hatte einmal tiefsinnig erklärt: du siehst aus wie ein Zigeunerkind. So krause schwarze Haare, wie du hast, haben die Zigeuner. Vielleicht haben deine Eltern dich von den Zigeunern geklaut, oder sie haben dich denen abgekauft.« Und dann hatten sie herrlich »Rauben« gespielt. Aber das war vor langer Zeit, damals hatte Hanna noch nicht ihre Liebe für das

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Seitenzahl: 129

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Mami – 1911 –Mein Papi soll kommen

Eine schwere Zeit für die kleine Hanna

Eva-Maria Horn

»Du sollst nicht so viel Teig naschen, Hanna. Du willst dir wohl den Magen verderben.«

»Nee, Mami, das will ich nicht. Mein Magen verträgt nämlich alles.« Blitzschnell fuhren zwei Finger noch einmal in den Teig, genußvoll leckte Hanna die Finger ab.

Frau Dormann, die von ihrer kecken kleinen Tochter oft Pat oder Patricia genannt wurde, pustete eine Locke aus ihrer Stirn und schüttelte gleichzeitig tadelnd den Kopf.

»Es gibt heute mittag Erbsensuppe.« Es klang fast wie eine Drohung. »Und dann sitzt du mit langem Gesicht vor dem Teller und behauptest, keinen Hunger zu haben.«

»Warum mußt du denn auch Erbsensuppe kochen«, jammerte Hanna. »Wo es doch so viele andere Sachen gibt, die du toll hinkriegst.«

Patricia knetete den Teig auf der mehlbestäubten Arbeitsfläche. Ihre blauen Augen blitzten belustigt.

»Zum Beispiel Kaiserschmarren oder ein Omelett oder noch lieber Marillenklöße mit ausgelassener Butter. Wenn man auf dich nicht aufpaßt, ernährst du dich nur von Süßigkeiten. Erzähl mir lieber, was es heute in der Schule gegeben hat.«

»Gegeben hat mir niemand was.« Wie ein Lausbub zwinkerte Hanna mit ihren blauen Augen. Im Gegensatz zu ihrer Mutter hatte sie krause pechschwarze Haare, nur die veilchenblauen Augen hatte sie mit Patricia gemeinsam.

Hannas bester Freund Josef hatte einmal tiefsinnig erklärt: du siehst aus wie ein Zigeunerkind. So krause schwarze Haare, wie du hast, haben die Zigeuner. Vielleicht haben deine Eltern dich von den Zigeunern geklaut, oder sie haben dich denen abgekauft.« Und dann hatten sie herrlich »Rauben« gespielt. Aber das war vor langer Zeit, damals hatte Hanna noch nicht ihre Liebe für das Fußballspiel entdeckt.

Frau Dormann drehte den Kopf und sah auf die altmodische Küchenuhr, die herrlich in diese nostalgische Küche paßte. Diesen Augenblick nutzte Hanna natürlich blitzschnell aus. Ihre Finger fuhren in den Teig und dann in den Mund.

»Die Sauer ist ja so was von ­doof, Mami. Richtig dämlich ist sie.« Hannas Zungenspitze fuhr über ihre Lippen, um auch das letzte Krümchen zu genießen.

»Hanna, ich will nicht, daß du in diesem Ton von Fräulein Sauer sprichst.«

»Ja, ja. Sie ist eine sehr gewissenhafte Lehrerin, sie meint es gut mit euch. Ihr lernt nicht für sie, ihr lernt für euch«, leierte Hanna herunter. »Mami, das kenn’ ich alles schon auswendig. Trotzdem ist sie doof. Sie behandelt uns, als wären wir Babys, die noch in den Windeln liegen. Schließlich sind wir schon beinahe sieben Jahre. Warum sagt sie immer so was Dämliches? Jetzt nehmen wir die Hefte heraus… jetzt sehen wir alle auf die Tafel… jetzt gehen wir auf den Schulhof… immer wir, wir.

Sie geht überhaupt nicht auf den Schulhof, und sie nimmt auch nicht die Hefte raus. Das machen nur wir. Wirklich, Mami, so ein dummes Gequatsche kann dich krank machen.«

Frau Dormann setzte gerade zu einer energischen Antwort an, als die Türglocke mißtönend ihre Zweisamkeit unterbrach.

Entsetzt sah Patricia ihre Tochter an, die Hände walkten noch den Teig. Patricia trug eine vergammelte dreiviertellange Jeans und ein mehlverstaubtes Oberhemd, weiß der Kuckuck, wem es einmal gehört hatte.

»Nein, nur kein Besuch. Das wäre mehr, als ich heute morgen verkraften kann. Mich hat Frau Müller schon endlos aufgehalten. Über eine Stunde hat sie hier bei mir in der Küche gesesssen.«

»Selbst schuld. Warum bist du auch zum seelischen Mülleimer des ganzen Viertels geworden? Alle kommen zu dir, und du leihst ihnen dein mitleidiges Ohr. Ich mache schon auf. Mach du nur den Kuchen fertig, sonst können wir ihn erst Weihnachten essen.«

»Zum Glück ist es bis Weihnachten noch lange. Wir haben erst August, du dummes Gör. Du kannst die Tür öffnen, aber nur einen Spalt. Komme nicht auf die Idee, jemanden hereinzubitten.«

Hanna sprang von dem Hocker herunter.

Den mußte sie leider benutzen, wenn sie bequem über den Tisch greifen wollte.

»Und da predigst du mir ständig, höflich zu sein. Ihr Erwachsenen. Es ist verdammt schwer, es euch recht zu machen. Ja, ja, Mami, ich weiß, ich soll nicht verdammt sagen. Aber verdammt paßt so schön.«

Auf einem Bein hüpfte sie pfeifend zur Tür, während die Klingel noch einmal durchs Haus schrillte.

»Da hat es jemand aber eilig«, murmelte Patricia nervös. Sie wollte sich auf ihren Kuchenteig konzentrieren, aber es gelang ihr nicht. Sie ärgerte sich über sich selbst, aber sie horchte ins Treppenhaus, sie hörte eine Stimme, die deutlichen Ärger verriet. Und während sie rasch hinausging, den Türgriff mit dem Ellbogen hinunterdrückte, dachte sie seufzend: vermutlich wieder jemand, der sich über den Lärm, den die Kinder im Garten machen, beschweren will. Sie hatte zwar nur eine Tochter, aber wo Hanna war, tobten meistens viele Kinder.

Hanna zieht Kinder an wie das Licht die Motten, hatte sie oft lachend festgestellt.

Patricia war sich ihrer mehlverschmierten Hände, des zerzausten Haars, und ihrer saloppen Aufmachung sehr bewußt, als sie die Dame vor der Tür stehen sah.

Zum Glück hatte Hanna sie nicht hereingebeten. Die hagere Frau, die das graue Haar zu einem Knoten gebunden auf dem Hinterkopf trug, hatte die Hände in die Seiten gestemmt. Patricia überlegte angestrengt, wo sie dieser Person schon einmal begegnet war. Aber der Junge, der für sein Alter viel zu dick war und verlegen neben ihr stand, war ihr bekannt.

Patricia hob nur eine Winzigkeit die feingezeichneten Brauen.

»Guten Tag«, grüßte sie höflich. Aber die eisige Miene der Besucherin veränderte sich nicht. Im Gegenteil, sie richtete ihre hagere Gestalt noch höher auf, warf den Kopf in den Nacken und funkelte Patricia an.

»Sehen Sie sich den Jungen an. So hat Ihre Tochter ihn zugerichtet. Einfach so. Alexander ist kein Kind, das einen Streit anfängt. Aber was kann man schon von einem Mädchen, das Fußball spielt, erwarten? Sie sollten Ihre Tochter besser erziehen, Frau Dormann. Sie haben mein ungeteiltes Mitleid. Ein Kind wie Hanna ohne Vater zu erziehen, muß eine Sträflingsarbeit sein.«

Diese Frau mit dem selbstbewußten Gesicht und der Kälte in den Augen hatte Hanna an ihrer empfindlichsten Stelle getroffen.

Sie beherrschte sich wundervoll, aber was diese Ruhe sie kostete, das wußte nur Gott allein.

Sie sah auf die gerötete Wange des Jungen, deutlich waren Kratzspuren darauf zu sehen.

Die Miene des Jungen wechselte von Trotz zu Verlegenheit.

»Ja, sehen Sie sich das nur an, das ist das Werk Ihrer Tochter. Ich hielt es einfach für meine Pflicht, Sie darauf aufmerksam zu machen. Ihre Tochter tyrannisiert die Kinder, die nichts weiter wollen als in Frieden zu spielen.«

Hannas Gesicht sprach Bände, und zu jeder anderen Zeit hätte Patricia es mit Genuß studiert. Sie konnte in Hannas Mimik lesen wie in einem Buch.

Jetzt kräuselte das Mädchen nur spöttisch die Lippen, und für alle deutlich zu hören zischte sie: »Du alte Petze. Und lügen tust du auch.«

»Jetzt langt es aber, du ungezogenes Ding.« Die kreischende Stimme war bestimmt meilenweit zu hören. Brutal packte die Frau Hannas Arm, aber bevor Patricia energisch einschreiten konnte, stand ein Mann neben ihnen.

Niemand hatte ihn kommen gehört.

»Papa«, flüsterte der Junge. Er sah aus, als würde er am liebsten im Boden versinken. Sein Gesicht glühte, und er scharrte mit den Füßen wie ein Huhn über die Steine.

»Wollen Sie bitte den Arm des Mädchens loslassen.« Seine Stimme klirrte wie Eis, er warf der Frau einen ungeduldigen Blick zu. Den Jungen beachtete er gar nicht.

»Herr Moosbauer, lassen Sie sich erklären.« Die Frau reckte sich zu ihrer imponierenden Größe auf.

Der Mann beachtete sie nicht weiter. Er wandte sich Patricia zu, sein entwaffnendes Lächeln half ihrem Selbstbewußtsein wieder auf die Beine. Der Mann war hochgewachsen, mit seinem braunen Haar, dem markanten Gesicht, seiner sportlichen Figur sah er prächtig aus. Sie erinnerte sich, ihn bei der Einschulung der Erstkläßler gesehen zu haben. Schließlich war er der einzige Mann unter allen Müttern gewesen.

»Wir kennen uns noch nicht. Ich bin der Vater dieses viel zu verwöhnten Jungen. Moosbauer. Ich nehme an, Frau Wenzel hat sich noch nicht vorgestellt, sie verliert leider schnell die Nerven, wenn es um meinen Jungen geht. Frau Wenzel ist meine Hausdame und leider viel zu vernarrt in Alexander.«

»Herr Moosbauer«, protestierte Frau Wenzel. »Sehen Sie sich nur den armen Jungen an…«

Er warf nur einen ungeduldigen Blick auf seinen Sohn, einen Moment preßte er die Lippen zusammen. »Du hast dich also von einem Mädchen, das kleiner ist als du, kratzen lassen. Und was hast du getan?«

Patricias Ärger schwand, im Moment hatte sie nur Mitleid mit dem viel zu dicken Jungen. Trotz der Hitze trug der Arme eine blaue Leinenhose und ein Hemd, bei dem jeder Knopf geschlossen war. Sie sah die Angst in seinen Augen. Beruhigend legte sie ihre Hand auf den Arm des Mannes. Daß diese Bewegung auf dem grauen Stoff Spuren hinterließ, bemerkte sie nicht. Aber die Hausdame sah es und zuckte gepeinigt zusammen.

»Es ist ein Streit unter Kindern, Herr Moosbauer. Ich finde, den sollten die Kinder unter sich selbst austragen.«

Frau Wenzel war nicht zu bremsen. »Das finde ich nicht«, trompetete sie entrüstet. »Offensichtlich sind Sie nicht in der Lage, das Verhalten Ihrer Tochter kritisch zu beurteilen. Die Jungen spielten Fußball… das ist doch verständlich, daß ein normaler Junge sich dagegen wehrt, daß ein Mädchen mit ihnen Fußball spielen will.«

Patricias Nerven tanzten. Sie kräuselte spöttisch den Mund. Im Gegensatz zu der Hausdame sprach sie freundlich, leise, und trotz der Kleidung, die in Frau Wenzels Augen unmöglich war, spürte diese die Würde, die von dieser Person ausging, die im übrigen aussah, als wäre sie noch ein junges Mädchen.

»Sie meinen also, ein Mädchen hat zu stricken und zu sticken und sich für Haushaltsdinge zu interessieren, am besten schon, wenn es noch Windeln trägt. Das mag zu Ihrer Zeit üblich gewesen sein, heute zum Glück nicht mehr.«

»Da bin ich ganz Ihrer Meinung«, erklärte der Mann energisch. »Ich habe mich für das Auftauchen meiner Haushälterin zu entschuldigen, Frau Dormann. Aber da wir schon mal hier sind, hätte ich gern gewußt, wie dieser Streit zustande kam.« Er lächelte auf Hanna hinunter. Die stand wie ein Storch auf einem Bein und rieb mit der verschmutzten Sandale über die Wade.

»Ich sage nichts«, erklärte sie so würdevoll, daß der Mann ein spontanes Lächeln unterdrücken mußte. »Ich petze doch nicht.«

»Wenn man eine Sache richtig stellen soll, petzt man nicht, Hanna. Warum also hast du Alexander gekratzt? Du mußt im übrigen sehr spitze Fingernägel haben.«

Die selten sauber sind, hätte Patricia am liebsten eingeflochten. Der Mann gefiel ihr, und mit dem Jungen hatte sie Mitleid. Sie glaubte, von der Tragödie im Hause Moosbauer gehört zu haben. Die Frau war mit einem Schauspieler auf und davon und hatte Mann und Kind zurück gelassen.

Aber unter den eisigen Augen der Hausdame hielt sie besser den Mund.

Doch Hanna reckte ihr Näschen und schnupperte.

»Mami, riechst du nichts? Deine Erbsensuppe ist angebrannt. Juchhu, jetzt brauche ich sie nicht essen.«

Der Mann stutzte, dann lachte er wie befreit, er schien überhaupt nicht aufhören zu können.

»Daran haben wir Schuld.« Er wischte sich die Lachtränen aus den Augen. »Wie kann ich das wiedergutmachen, Frau Dormann? Ich habe eine glänzende Idee. Ich lade Sie und Ihre amüsante Tochter zum Essen ein. Wohin sollen wir gehen, Hanna? Zum Chinesen? Oder zu Ackermann? Du mußt mir sagen, wo du am liebsten sitzt.«

Hanna schwankte offensichtlich, aber Patricia nahm ihr die Entscheidung ab.

»Das ist sehr freundlich von Ihnen, Herr Moosbauer, aber wir lehnen dankend ab. Meine kratzwütige Tochter wird schon nicht verhungern.«

Es kostete sie Mühe, ein höfliches Lächeln zu zaubern.

»Seien Sie versichert, Frau Wenzel, wenn Hanna ohne Grund handgreiflich wurde, wird sie bestraft werden. Sie wird es mir erzählen, denn zu Hannas besten Eigenschaften gehört es, nicht zu lügen, weil sie eine Lüge zum Glück nicht nötig hat.

Entschuldigen Sie, daß ich Sie nicht ins Haus bitte.« Sie lächelte den Mann flüchtig an, mehr sagte sie nicht. Sie nahm Hannas Hand, ging energisch auf die Haustür zu und schloß sie.

Hanna musterte ihre Mutter unsicher.

»Bist du sauer, Mami?«

»Ich weiß es nicht. Aber du weißt, wie ich über Kratzen und Beißen und Schlagen denke. Ich hasse es, wenn Streitigkeiten mit der Faust ausgetragen werden.«

Das war keineswegs der Grund ihrer Verzweiflung. Die Bezeichnung »Alleinerziehende«, nagte an ihr, hatte eine wunde Stelle bei Patricia getroffen.

»Aber ich habe doch nicht angefangen!« Hanna war empört. Sie liefen in die Küche, Frau Dormann nahm den Topf vom Elektroherd.

»Puh, wie das stinkt.« Hanna sah ausgesprochen zufrieden aus. »Nicht mal Schweine würden etwas, was so stinkt, noch fressen.«

»Wir haben keine Schweine.« Patricia trug den Topf durch die geöffnete Küchentür in den Garten hinaus, sie stellte ihn auf die Steine, richtete sich auf und strich mit einer müden Geste eine feuchte Strähne aus der Stirn.

»Mami. Ich kann das nicht haben, wenn du so traurig guckst. Ich bin doch überhaupt nicht so schlimm, wie die Frau das sieht. Ich erzähle es dir auch, aber dann mußt du mir versprechen, nicht mehr traurig zu sein. Und wenn wir heute mittag nichts Warmes zu essen kriegen, das ist überhaupt nicht schlimm. Es ist im übrigen für eine warme Suppe sowieso viel zu heiß. Du kannst mir ein Butterbrot mit Käse machen. Und wir setzen uns in den Garten, trinken Saft und machen es uns gemütlich.«

»Hast du meinen Kuchenteig vergessen? Heute nachmittag bekommen wir Besuch, Kleines.«

Eng an die Mutter gedrückt gingen Hanna und Patricia in die Küche zurück. Ein wenig verloren blieb Patricia auf der Schwelle stehen.

»Hier sieht es wirklich gräßlich aus«, seufzte sie.

»Wie kann nur eine einzige Person aus unserer gemütlichen Küche einen solchen Saustall machen?«

Hanna lachte zärtlich.

»Mich stört das nicht. Ich finde es bei uns gemütlich. Wenn du willst, Mami, dann helfe ich dir.«

Patricia machte nur ein klägliches Gesicht.

»Ich glaube, das ist heute keine gute Idee, weil es schnell gehen muß. Und wenn wir beide arbeiten, dauert es doppelt so lange, weil wir uns immer so viel zu erzählen haben.

Ich mache uns jetzt rasch ein Omelett. Und heute abend, wenn ich dir gute Nacht sage, dann erzählst du mir, warum du den armen Jungen so zugerichtet hast. Hoffentlich hat die Hausdame die richtige Salbe. Solche Kratzer können sich leicht entzünden, zumal unter deinen ewig schmutzigen Fingernägel Bakterien sitzen.«

»Mami.« Wie ein Kätzchen sprang Hanna an der Mutter hoch und warf die Arme um sie. »Du bist die Beste aller Mütter. Für niemanden, für nichts würde ich dich eintauschen. Nicht mal für hundert Millionen Billiarden, oder wie das Zeug heißt.

Mach’ du den Kuchen fertig, Mami. Und ich stelle das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine. Wirklich, Mami, es ist lustig, wieviel Teller und Töpfe du immer schmutzig machst.«

*

»Warum sind wir geschieden, Mami?«

Patricia zuckte zusammen. Sie zog die lustig bunten Vorhänge vor das Fenster und atmete tief durch. Wie gut, daß ihre Stimme ruhig wie immer klang.

»Liebes, das habe ich dir schon hundert Mal erklärt, darüber brauchen wir doch jetzt nicht sprechen. Willst du von dem Thema ablenken? Ich denke, es steht noch eine Beichte aus.«

Hanna hatte das Kissen hinter ihren Rücken gestopft. Das dunkle Haar zeigte noch Spuren der abendlichen Wäsche. Patricia sah auf ihre kleine Tochter hinunter, ihr Herz war randvoll von Liebe.

»Du siehst aus, als könntest du kein Wässerchen trüben, und ganz sicher nicht deine Fingernägel in die Wangen eines Jungen krallen.«

Wie ein gemalter Engel von Raffael sah sie aus mit den pausbackigen roten Wangen, den klaren Augen, umrahmt von dunklen Wimpern.