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In diesem geistreichen Salon-Roman gerät der Ich-Erzähler in ein verwirrendes Netz aus erotischen Abenteuern, deren Fäden in einer Person zusammenlaufen, über deren Existenz der Leser nur über Dritte erfährt: der berühmte Therapeut Trockeneisz, der das Leben seines Patienten Bob Puder literarisch ausschlachtet und damit zu einigem Ruhm gelangt. In einer eleganten und rhythmischen Sprache verführt Viktoras Pivonas den Leser in eine Welt zügelloser Neurosen. Der hinterhältige Witz und die pointierten Dialoge, durch die die (Un-)möglichkeiten der Verführung anschaulich werden, hätten auch Oscar Wilde zum Lachen gebracht. Am Ende der Abenteuer und Turbulenzen stellt sich die Frage nach wahrer und falscher Autorschaft, die Frage, wer von wem klaut, wer wen betrügt und wer wessen Identitäten annimmt.
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Seitenzahl: 289
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Viktoras PivonasESEL
FRÜHLINGSMONDRoman
1. Die schwarze Grille klebt am Baum
2. Der Zopf in der Achsel
3. Der Drache friert im Feuer
4. Taumelnde Falter
5. Die hinkende Ente
6. Erträumtes Delta mit Flamingo
7. Die Ziege im Gehölz
8. Der Vogel im Regenwald
9. Die Milch der Eselinnen
Von neun Betten, die in dieser Romanze eine Rolle spielen, stolperte ich in fünf. In eines musste mir geholfen werden. Die Erinnerung an die beiden anderen meine ich meinen Bemühungen zu verdanken. Eines blieb erträumt. Also: Zweihundert Seiten Beschreibungen fremder Häute und Laute. Ein leichter Ton. Wie wenig bedarf es, über den Druckpunkt hinweg zu gelangen. So dachte ich, wenn ich an Bob erinnert wurde. Als Lebender war er stumm. Über die Lippe wäre ihm keine Klage gekommen. Er schob mir nur Zettel zu. So, über den Schreibtisch. Da stand dann in seiner disziplinierten Schrift:
Natürlich kann ich verstehen, dass manche Ärzte den Leiden ihrer Patienten nicht gewachsen sind. Anstatt über Jahre hinweg die Disziplin aufrechtzuerhalten, mit der sie ihre Laufbahn begonnen hatten, versuchen sie nun, dem Druck zu entfliehen. Im Gewande der Wissenschaft zitieren sie den Ruhiggestellten. Und dann spielt ihnen die Phantasie einen Streich. Während sich noch das Vorwort um Erklärungen bemüht, wie man die Anonymität des Betroffenen zu wahren versucht, hämmert der folgende Text, Zeile um Zeile, ein Bild in das Gedächtnis des Lesers, ähnlich den Fahndungsfotos, die zusammengesetzt werden aus Erinnerungsfetzen von Augenzeugen.
Kennen Sie Doktor Trockeneisz? notierte er einmal.
Ich schüttelte den Kopf: Nicht persönlich.
Trockeneisz hatte Bob zum Fall gemacht; bei lebendigem Leib. Natürlich mit dem Einverständnis seines Patienten, wie Bob zu betonen nicht müde wurde. Alle Kanäle geöffnet, die Gedächtnisgärten umbrochen, alle Träume notiert und die Wucherungen der Phantasie sauber zurückgeschnitten, hatte Bobs zergliederte Seele, nach Wiederherstellung lechzend, »Ja« gemurmelt. Ein Bund fürs Leben. Der neue Bob wurde broschiert. Als die zweite Auflage seiner Person erschien, war er längst verstummt.
Als ich das erste Mal eine seiner Notizen vorgelegt bekam, wusste ich damit nicht mehr anzufangen als mit einem beliebigen Geschenk, das Sympathie voraussetzt, um nicht zurückgewiesen zu werden. So hatte er sich auch beworben. Aber erst, als er vor meinem Schreibtisch stand, verstand ich, dass er nicht sprechen konnte. Ein seltsamer Vogel. So muss er auch Trockeneisz erschienen sein.
Bob hatte notiert: Wie wollen Sie lesen? Von vorn oder von hinten? Oder durcheinandergewürfelt, Zeiten und Orte? Den Anfang vom Ende?
Jetzt war ich meiner Sache nicht sicher. Ich beobachtete mich dabei, wie ich Bobs Geschichte zu meiner machte. Gelegentlich auch, wie ich versuchte, Verwandtes zu meiden. Schon nach der ersten Veröffentlichung seines Falls galt er als geheilt. Er war fast berühmt. Manchmal warb er sogar mit Trockeneisz’ Werk für seine Person, signierte die Widmungen mit seinem wirklichen Namen. Später ließ er auch das.
Dachte ich an Bob, dann auch an Ines Puder, seine Frau, die ihm die Treue hielt, die soziale. Die Asoziale. Theoretisch hatten sein Arzt und er sich immer darüber verstanden: neue Frau, neues Buch. War’s dies Urteil, das Trockeneisz über Bobs Produktion abgab, das die Katastrophe voraussagte, das Formtief, falls die nächste Frau ausfiele? Und sie fiel aus.
Später, viel später, als ich schon die Zusammenhänge zu verstehen meinte, wusste ich, dass es Ines war, die Bob in die erste Liebschaft trieb. Indirekt natürlich. Aber sobald er zu wissen meinte, dass sie ein lebhaftes eigenes erotisches Leben führte, hatte er sich den nächsten, ihm offenstehenden Möglichkeiten zugewandt. Weiblichen. Woher wusste ich das? Natürlich nicht nur aus Bobs Notizen. Auch Ines versprach sich gelegentlich, redete länger oder lauter als nötig. Dennoch wunderte ich mich, wie lange ich brauchte, bis ich begriff, in welche Situation ich geraten war. Jetzt, wo es nur darum geht, den zeitlichen Ablauf der Geschichte darzustellen, brauche ich lediglich zu fragen, was mich – der sich so viel auf seine soziale Intelligenz zugutehielt – vor sofortigem Verstehen schützte?
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