Eternity Online 3 - Mikkel Robrahn - E-Book

Eternity Online 3 E-Book

Mikkel Robrahn

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Beschreibung

Eat. Sleep. Play. Repeat. Eternity Online 3 ist der dritte Band in einer epischen Fantasy-Trilogie über die Welt der Online-Rollenspiele. Rob hat neue Auftraggeber: die Gottheiten von Avataris. Für sie soll er den Weltenbaum vor der Zerstörung retten und damit Avataris endlich der Kontrolle der Megakonzerne entziehen. Soweit der Plan für diese noble Aufgabe, dessen Durchführung für seine alte Heldentruppe ein Klacks sein sollte. Wie erwartet trifft er seine Freunde der Gilde der Neuen Hoffnung in ihrem Versteck in der verlassenen Burg. Aber einer fehlt: Marten. Auf der Suche nach ihm setzt sich jedoch ein neuer Scharfrichter auf ihre Fährten und sorgt für eine ständige Bedrohung … Und langsam dämmert Rob, dass manche seiner Freunde vielleicht doch ganz andere Interessen haben als er. Für Fans von Ernest Cline, Matt Dinniman oder Richard Schwartz.

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Seitenzahl: 538

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Mikkel Robrahn

Eternity Online 3

 

 

Über dieses Buch

 

 

Rob hat neue Auftraggeber: die Gottheiten von Avataris. Für sie soll er den Weltenbaum vor der Zerstörung retten und damit Avataris endlich der Kontrolle der MecaCorps entziehen. Soweit der Plan für diese noble Aufgabe, dessen Durchführung für seine alte Heldentruppe ein Klacks sein sollte. Wie erwartet trifft er seine Freunde der Gilde der Neuen Hoffnung in ihrem Versteck in der verlassenen Burg.

Aber einer fehlt: Marten. Auf der Suche nach ihm setzt jedoch sich jedoch ein neuer Scharfrichter auf ihre Fährten und sorgt für eine ständige Bedrohung … Und langsam dämmert Rob, dass manche seiner Freunde vielleicht doch ganz andere Interessen haben als er.

 

 

Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de

Biografie

 

 

Mikkel Robrahn, geboren 1991 in Norddeutschland, verbrachte einen Großteil seiner Jugend in phantastischen und virtuellen Welten unzähliger Videospiele. Da überraschte es auch niemanden, dass er nach der Schulzeit schnell eine Karriere in der Games-Branche begann. Mittlerweile reicht es ihm nicht mehr, nur die Welten anderer zu besuchen, sondern er entwickelt für seine Geschichten auch eigene.

Impressum

 

 

Erschienen bei FISCHER E-Books

 

© 2025 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, 60596 Frankfurt am Main

Dieses Werk wurde vermittelt durch die AVA International GmbH Autoren- und Verlagsagentur, München

Lektorat: Hanka Leo

Character Artwork: Kerim Rorschach

Covergestaltung: Marie Graßhoff, unter Verwendung von Motiven von Adobe Stock

ISBN 978-3-10-492252-2

 

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Inhalt

[Widmung]

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kleines Glossar: Die Garrak

Die Klassen

Tanks

Damage Dealer

Magier

Die Spezies

[Die Spezies: Clachans, Traks, Jyl, Maganak]

Danksagung

Für Oskar,

der jetzt in Avataris auf mich wartet

Kapitel 1

Mit der Kraft mehrerer Ochsen donnerte Garrak heran. Hinter ihm wirbelte der Staub auf.

Rob atmete tief ein.

»Dieses Mal bist du fällig!«, brüllte Garrak, die Stimme so tief wie ein Horn. Er sprang, riss den Hammer empor und war vor der hochstehenden Sonne kaum mehr zu erkennen.

Rob zwängte die Augen zusammen, konzentrierte sich auf seine Atmung. Er beobachtete jede Bewegung der Gottheit, die in dem Gegenlicht nicht mehr als ein schwarzer Schemen war.

Dann kam sie über ihn wie eine Naturgewalt. Der Hammer schoss herab, und Rob riss den Schild hoch. Der Stahl ächzte unter dem Schlag, sein Arm schmerzte, und eine Erschütterung erreichte jeden Knochen seines Körpers.

Rob stach zu.

Die Klinge glitt über den von Schuppen übersäten Brustkorb und hinterließ nicht mal einen Kratzer.

Garrak sprang zurück, brachte Distanz zwischen sich und seinen Kontrahenten. Er lachte kehlig. »Du musst mehr Kraft in deinen Schlag stecken, wenn du mich verletzen willst. Es nützt nichts, sich nur auf die Verteidigung zu fokussieren. Teile deine Kräfte besser auf.«

Rob atmete schwer, spürte die Nachwirkungen des Angriffs in seinem Körper wie einen Klang, der nicht vollends verstummen wollte. Als sie vor ein paar Wochen mit dem Training begonnen hatten, hätte der Schlag ihn noch zu einem Haufen aus bleichem Fleisch und rotem Blut verwandelt.

»Wenn ich mich nicht voll auf meine Verteidigung konzen-triere«, erwiderte Rob, »dann zertrümmerst du mir mit so einem Schlag den ganzen Arm.«

»Dann kannst du diesen doofen Schild endlich loswerden und dich auf dein Schwert konzentrieren. Vertrau deinen Reflexen, deiner Intention.« Garrak grinste, was seiner dämonischen Fratze mit den unzähligen Augen einen albtraumhafteren Ausdruck verlieh.

»Dieser Schild ist der Grund, warum ich überhaupt noch lebe«, sagte Rob und spielte damit auf seinen Kampf gegen Cervantes Salomon an, den ehemaligen Oberoffizier der Silbernen Garde. Er hatte ihn überrumpelt, indem er den Schild als Waffe genutzt hatte – ein in Avataris absolut unüblicher Einsatz eines Schildes.

»Du kannst dich nicht die ganze Zeit dahinter verstecken«, rief Garrak und setzte wieder zum Schlag an.

Rob sah den Angriff kommen, rollte sich ab und sprang zur Seite.

»Genug«, durchschnitt eine Stimme den Kampf und ließ die beiden Kontrahenten augenblicklich innehalten. Aeya war am Rande der Arena erschienen. Mit katzenhafter Eleganz schritt sie auf die beiden zu. Das weite weiße Kleid umspielte ihren Körper. »Wir haben lange genug gewartet. Rob muss endlich zurückkehren.«

»Er ist noch nicht bereit«, knurrte Garrak mehr, als dass er sprach. »Maganak wird leichtes Spiel mit ihm haben.«

»Wenn wir noch länger warten, hat er den ganzen Kontinent in Schutt und Asche gelegt, und es gibt nichts mehr, was Rob retten kann.«

In Rob zog sich etwas zusammen bei dem Gedanken, nach Avataris zurückzukehren. Er vermisste seine Freunde, aber hier bei Aeya und Garrak fühlte er sich zum ersten Mal wirklich sicher. Er musste keine Silberne Garde, keine Scharfrichter fürchten. Sein Leben war nicht in ständiger Gefahr. Garrak hatte ihn die Kunst des Kämpfens gelehrt, wie kein Ausbilder der freien Völker es vermochte.

»Du hast recht.« Garrak stellte den schweren Hammer neben sich ab, um sich darauf abzustützen.

»Dann schickt ihr mich also zurück?«, fragte Rob und konnte die Angst in seiner Stimme nicht unterdrücken.

»Ein letztes Mal musst du dich in dieses Abenteuer stürzen, Rob«, erwiderte Aeya mit beruhigender Stimme. »Wir sind mit unseren Vorbereitungen weit vorangeschritten, aber wir können nicht riskieren, dass Maganak nun alles zerstört.«

»Wird er …« Rob holte tief Luft. »Wird er wieder in meinem Kopf sein?« Auf keinen Fall wollte er die Stimme seines Schöpfers hören. Er hatte ihn davon abgehalten, Ethan zu Hilfe zu eilen, und damit den Tod des Paladins besiegelt. Bei dem Gedanken brannten seine Augen.

Aeya machte einen Schritt auf ihn zu und legte ihre Hand auf seine Schulter. Sie musste ihren Kopf leicht neigen, um ihm in die Augen zu schauen. »Nein, dafür haben wir gesorgt. Er hat keinen Zugriff mehr auf dich. Du bist jetzt frei.«

Frei. Das war alles, was er immer gewollt hatte. Ohne die Fremdbestimmung eines Schöpfers, der ihn zum Leben erweckt hatte, damit er ihn wie ein Werkzeug für seine Zwecke benutzen konnte.

»Und danach?«, fragte Rob.

»Danach gibt es keinen Schöpfer, keine Scharfrichter und keine Silberne Garde mehr«, erklärte Aeya.

»Dann werde ich es versuchen«, sagte Rob mit der Aussicht auf ein Leben, das ihm endlich lebenswert erschien.

»Gut.« Mit einer Handbewegung Aeyas löste sich die staubige Arena auf.

Zu dritt standen sie in einem dunklen Raum. Karger Stein wuchs empor und verschwand in der Finsternis weit über ihren Köpfen. Es war der Raum, in dem Aeya und Garrak vor einigen Wochen Rob zum ersten Mal das System aus verschiedenen Welten gezeigt hatten.

Vor ihnen tauchten die Umrisse von Maganak auf. Ein Vulkanausbruch, gefangen in dem Körper eines gigantischen Monsters. Lavaströme, die wie Arme vom Brustkorb abgingen, und brennende Augen.

»Er ist nicht mehr als ein Bug, ein Fehler, den unser Schöpfer nicht beheben konnte«, erklärte Garrak. »Also versteckte er ihn tief unter der Erde, wo er hoffte, dass ihn niemand finden würde.«

»Aber Lunita wusste Bescheid«, murmelte Rob und betrachtete fasziniert, wie sich das Monster langsam um die eigene Achse drehte. Ein Wesen, das aus Lava bestand und in der Lage war, alles zu zerstören, was es berührte.

»Wir vermuten, dass Morley sich einen Spaß daraus gemacht und Hinweise in der Welt versteckt hatte, um sie mit ein bisschen mehr Geschichte zu füttern«, fuhr Aeya fort. »Wahrscheinlich hatte er nicht damit gerechnet, dass sich irgendwann eine ganze Sekte darum entwickeln würde.«

Rob erinnerte sich an die letzten Worte des Gronts, der in der Welt von Avataris auch als Quelle bekannt war: Robert wird es überhaupt nicht gefallen, wenn er erfährt, welch alte Kraft ich entfesselt habe. Er war der Schöpfer aller Geschichten und der Herr eines jeden geschrieben Wortes. Jeder Auftrag, jede Zeile entsprang seiner Feder. Rob war sich nicht sicher, ob er mit seinen Worten auf die zerstörerischen Mächte Maganaks angespielt oder ob er den Mitgliedern der Neuen Hoffnung nur das Gefühl einer Chance hatte geben wollen.

»Sein Erscheinen könnte unsere Bestrebungen zunichtemachen«, erklärte Garrak. »Maganak war eigentlich ein Boss am Ende eines Dungeons und hatte die Fähigkeit, mit seiner Lava Teile der Höhle zu zerstören. Leider wurde aufgrund des Fehlers unseres gemeinsamen Schöpfers diese Fähigkeit nicht nur auf den Dungeon beschränkt, und das Unheil bahnte sich seinen Weg.«

Rob dachte daran, wie Maganak mit einem Angriff die Mauer der Arena ausgelöscht hatte. »Und nun zerstört er Avataris?«

»Ja, aber es könnte noch viel schlimmer kommen«, erwiderte Aeya ruhig. Rob wusste nicht, was noch schlimmer als die Zerstörung des ganzen Kontinents sein könnte. »Auf den ersten Blick scheint er wahllos durch Avataris zu wüten und eine Spur der Verwüstung zu hinterlassen. Aber das täuscht. Folgt man seinem Weg, erkennt man ein Muster. Unseren Berechnungen nach wird er in absehbarer Zeit den Weg mit dem Weltenbaum kreuzen.«

»Wird Zeit, dass mal jemand etwas gegen die Spinnen dort tut«, entgegnete Rob trocken. Er erinnerte sich nur noch zu gut an die Begegnung mit den gigantischen Spinnen am Weltenbaum, als er Harz für den Trank des Wissens hatte besorgen müssen. Auch bei dieser Aufgabe hatte er mehr Glück als Verstand gehabt.

»Das wäre sehr schlecht«, sagte Garrak, und seine Stimme hallte von den kahlen Wänden zurück. »Der Weltenbaum ist nicht einfach nur ein besonders großer Baum. Stell ihn dir wie eine Art Anker vor.«

Rob hob fragend die Augenbrauen.

»Ein Anker, der dafür sorgt, dass der Kontakt zu der Welt außerhalb von Avataris nicht abbricht. Ohne ihn würde Avataris wie ein Stück Treibholz in den Wellen dahindriften, ohne jede Möglichkeit der Kontrolle.«

»Aber das ist doch genau das, was wir wollen«, sagte Rob. Wenn sein Schöpfer nicht mehr auf diese Welt zugreifen konnte, dann hatte auch niemand mehr Kontrolle über jene, die in Avataris lebten.

»Nein, das wollen wir nicht.« In Aeyas Worten lag eine ungewöhnliche Schärfe. »Wir wollen dem Schöpfer und seinesgleichen den Zugriff entziehen, aber wir wollen nicht den Kontakt zu den anderen Welten verlieren.« Mit einer Handbewegung verschwand die Illusion Maganaks, und das Geflecht aus sich drehenden Planeten und Welten tauchte auf. »Wir müssen sie alle retten, nicht nur Avataris.«

»Verstehe«, murmelte Rob. »Also gehe ich zurück und verschaffe euch ein bisschen Zeit?«

»Du musst Maganak aufhalten, oder er wird erst den Weltenbaum und früher oder später den kompletten Kontinent zerstören und alle auslöschen, die dort leben.«

Rob dachte an Saira, Marten, Lunita und Orwin. »Dann gehe ich.« Er hatte Angst. Aber keine Angst würde ihn davon abhalten, für seine Freunde einzustehen.

»Sehr gut, denn dafür wurdest du von uns ausgebildet.« Garrak legte ihm die Pranke auf die Schulter. In seinen unzähligen Augen las Rob so etwas wie Stolz. »Du kümmerst dich um Maganak, wir knüpfen das Weltennetz neu.«

»Und dann ist es alles vorbei?«, fragte er. »Ich kann einfach nur« – er schluckte – »existieren?«

»Ein Leben als einfacher Bewohner von Avataris, wie du es dir immer gewünscht hast.« Aeyas Worte waren wie süßer Honig auf Robs Lippen.

»Gemeinsam mit deinen Freunden«, ergänzte Garrak.

Rob hoffte, dass sie das immer noch waren. Er wusste nicht, wie es ihnen seit seinem Verschwinden ergangen war. Bei dem Gedanken, Marten unter die Augen zu treten, schnürte es ihm den Hals zu. Der Squan hatte ihn für den Tod seines Gefährten Ethan verantwortlich gemacht.

Rob würde zurückkommen und alles wiedergutmachen.

»Lasst uns keine Zeit mehr verschwenden«, sagte er. »Ich werde Maganak aufhalten und den Weltenbaum retten. Ihr holt mich und die anderen aus diesem Albtraum.«

»Du bist das letzte Bindeglied, um unseren Plan zu vollenden.« Etwas an Garraks Worten missfiel Rob.

»Wenn du zurückkommst, wird nichts mehr so sein, wie du es vorgefunden hast«, warnte ihn Aeya. »Avataris ist dem Chaos verfallen.«

»Chaos bestimmt seit jeher mein Leben«, erwiderte Rob mit fester Stimme.

Aeya ließ ihre Hand durch die Luft gleiten. Augenblicklich öffnete sich in der Mitte des Raumes ein rotes Portal. Die Energie riss an Robs Haaren und seiner Kleidung. Es war, als würde eine unsichtbare Macht ihn nach Avataris ziehen wollen. Rob widerstand dem Drang, dieser Macht nachzugeben und sofort loszulaufen.

Er schloss die Augen und dachte an Rose und Ethan. An alle, die auf dem Weg ihr Leben gelassen hatten. Ein letztes Mal, schwor er sich. Ein letztes Mal würde er sich in ein Abenteuer stürzen, und dann hätte all das endlich ein Ende.

»Geh schon. Jedes Portal bedeutet eine Möglichkeit, dass sie uns entdecken«, drängte ihn Garrak.

Aber Rob ließ sich nicht drängen. Er atmete tief ein, wieder aus. Dann ging er langsam in das Rot, bis es ihn vollkommen verschluckt hatte.

Kapitel 2

Als Rob aus dem Portal stolperte, brauchte er einen Moment, um zu verstehen, wo er gelandet war. Er war von Kisten und Regalen umgeben. Der Gestank von feuchter Erde und Zwiebeln drang in seine Nase. Über ihm verlief ein Dielenboden, durch den eine Mischung aus Musik und Gesprächen drang.

Er kannte diesen Ort.

»Mistkerle«, fluchte Rob, nicht sicher, ob sich Aeya und Garrak einen kleinen Scherz mit ihm erlaubt hatten oder ob es nur ein Zufall war. Eine schmale Treppe führte hinauf in den Schankraum.

Rob hörte ganz genau hin. Nicht auf den Lärm über ihm, sondern auf die Stimme in seinen Gedanken. Da war nichts. Kein Schöpfer, der ihn sofort mit Befehlen und Aufforderungen übermannte. Nur Stille und seine eigene Stimme, die der Stille noch nicht ganz traute. Aber Aeya und Garrak hatten offensichtlich recht behalten – oder sein Schöpfer wollte sich noch nicht offenbaren und abwarten, was er vorhatte.

Als Rob sich in Bewegung setzte, hörte er ein Quieken von der Seite. Rote Augen blitzten zwischen den Kisten auf. Ein kehliges Knurren drang hervor.

»Überleg dir das gut, ich bin nicht mehr so schwach wie früher«, sagte Rob, ohne die Monsterratte eines Blickes zu würdigen.

Aber das Tier folgte seinen Instinkten: Als er die erste Stufe der Treppe erreichte, machte es einen Satz und sprang auf ihn zu. Von den graubraunen Zähnen triefte der Geifer.

In einer flüssigen Bewegung zog Rob das Schwert, vollführte eine Drehung auf der Stufe und ließ die Klinge durch die Luft sausen.

Das Monster starb, bevor es seine Klauen in Robs Rüstung vergraben konnte.

»Noch jemand?«, fragte er in die Dunkelheit. Er wusste, dass sie zwischen den Kisten und Säcken lauerten, ihn aufmerksam beobachteten. Einst hatten drei von ihnen gereicht, um ihn zu besiegen, und ohne die Hilfe von Lunita hätte er das Zeitliche gesegnet. Nun war er stark genug, die ganze Rattenplage einhändig auszulöschen. Aber er wusste, dass die Lösung nur temporär wäre – schon bald würde der nächste Held am Tavernentresen auftauchen, um einen Auftrag bitten und nach unten geschickt werden.

Rob seufzte, kramte in seinem Rucksack und fand ein Stück Käse. Er warf es in die Mitte des Raumes, und sofort huschten sie aus den Ecken und Ritzen hervor. »Ein Friedensangebot, von mir habt ihr nichts mehr zu befürchten. Ich muss mich mittlerweile um ganz andere Monster kümmern.« Sein Geschenk wurde mit einem Fauchen quittiert, dann stürzten sich die Ratten auf den Käse. Rob verließ den Keller durch die Falltür.

Der Gront hinter dem Tresen wunderte sich nicht darüber, dass ein Held aus seinem Keller kam. Er polierte aufmerksam den Tresen, wie er es einst getan hatte, als Cervantes Salomon Rob aus dem Schankraum geschleift hatte.

Die Taverne war gut gefüllt mit Helden, die sich an dem Feuer wärmten, Suppe aßen und bei einem Bier von ihren Abenteuern berichteten. Es waren Anfänger, die braune Stoffmäntel, Lederhosen und Wollhemden trugen. Sie hatten den Seelenturm vor ein paar Tagen verlassen und ahnten noch nicht, welche Gefahren auf sie warteten.

Rob bewegte sich in seinem Kettenhemd, dem großen Schild und dem Schwert wie ein Schlachtross durch eine Eselherde. Er spürte die neugierigen Blicke auf sich, und sofort bereute er, dass ihn Aeya und Garrak an diesen Ort geschickt hatten. Der Ort, an dem ihn die Silberne Garde gefangen genommen und an dem alles begonnen hatte. Er durfte auf keinen Fall auffallen.

»Hey du«, brummte eine tiefe Stimme durch den Schankraum.

Ein Ruck ging durch Robs Körper. Er hatte keine Stunde in Avataris verbracht, schon war er aufgeflogen. Langsam legte sich seine Hand um den Schwertknauf, als er sich umdrehte.

Vor ihm stand eine Gront, der Rüstung nach zu urteilen kein Mitglied der Silbernen Garde. Sie trug einen lädierten Reisemantel, der aus verschiedenen bunten Stoffen zusammengenäht war, und auf ihrem braunen Kopf saß eine blaue Filzmütze. Über ihrem Rücken baumelte ein Zauberstab, den man schnell mit totem Holz hätte verwechseln können, wäre der eingewachsene blaue Stein an der Spitze nicht gewesen.

»Was willst du?«, fragte Rob und versuchte, so viel Sicherheit wie nur irgendwie möglich in seine Stimme zu legen. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, dass der Wirt aufgehört hatte, den Tresen zu polieren. Er starrte Rob an, als würde er sich an etwas erinnern.

»Deine Ausrüstung«, sagte sie. »Du bist schon länger zurück, oder?«

Rob entspannte sich. Es war nur die naive Frage einer Anfängerin, kein gemeiner Hinterhalt der Silbernen Garde, die auf seine Rückkehr gewartet hatte. »Ein wenig«, sagte er knapp und wandte sich wieder zum Gehen um.

»Bist du ihnen schon begegnet?«, bohrte sie nach, und langsam wandten sich alle Blicke in der Taverne dem Ritter zu, der so gar nicht in das Gasthaus voller Anfänger passte.

»Wem?«, fragte Rob, ohne sich noch mal umzudrehen. Bis zur Tür waren es nur ein paar Schritte. Ein Mensch und eine Eollyan standen im Weg. Sie unterhielten sich. Hatte sich herumgesprochen, was in der Arena passiert war? Die Helden beider Fraktionen hatten die Ränge verlassen, bevor sie hätten sehen können, wie Rob durch das Portal gestiegen war.

»Garraks Monstern«, schob die Gront nach und knetete die Finger ihrer Pranke.

»Ja«, antwortete Rob, »ich habe gegen sie gekämpft.« Und mit ihnen,dachte er, verbarg diesen Satz aber tief in seinen Gedanken.

Die Augen der Anfänger weiteten sich.

»Sind sie wirklich so schlimm, wie man sich erzählt?«, quiekte eine Squan zu seinen Füßen.

»Sie sind rücksichtslose, furchtlose Krieger auf dem Schlachtfeld, die bis zum Tod und darüber hinaus kämpfen«, sagte Rob. »Aber nichts, womit wir Helden der freien Völker nicht fertigwerden!«

Ihm wurden zahlreiche Bierkrüge entgegengestreckt. »Auf die freien Völker!«, rief ein Chor aus Heldenstimmen und schwängerte die Luft mit einem penetranten Biergeruch.

»Danke für deinen Einsatz«, sagte der Wirt und, Rob verschlug es für einen Moment die Sprache. Er hatte nie Dankbarkeit erwartet für das, was er tat. Er hatte nur versucht zu überleben. Fühlte es sich so an, ein Held zu sein? Oder sagte der Wirt das nur, weil es ihm eine höhere Macht befahl? Weil er dazu geschaffen war, das zu Helden zu sagen?

»Natürlich«, erwiderte er verdattert. »Ich muss dann. Ihr wisst schon … Heldentaten und so.«

Unter den Jubelrufen und dem Applaus der Anfänger verließ er die Taverne. Wenn sie wüssten, wer durch seine Klinge schon alles gefallen war und dass er zu den gefürchtetsten Feinden der freien Völker gehörte, wäre dieses Aufeinandertreffen ganz anders verlaufen.

Die frische Abendluft kroch unter seine Kleider, und Rob atmete tief ein. Die Sonne stand tief am Horizont und tauchte das kleine Dorf Tumbeln in ein warmes Orange. Sosehr er die Auszeit und das Training bei den beiden Gottheiten genossen hatte, so froh war er nun, zurück zu sein. Hier fühlte er sich wie ein echter Mensch, verletzlich, aber auch sein eigener Herr. Garrak und Aeya hatten sich einen magischen Käfig geschaffen, in dem alles, was man benötigte, nur einen Handstreich entfernt war – aber er war auch schrecklich langweilig.

Beim örtlichen Stallmeister lieh er sich ein Pony für ein paar Silbermünzen aus, stieg in den Sattel und ritt westwärts. Der Weg führte ihn über den Fluss und durch die Stadt Merregard, wo er im Gasthaus eine Mahlzeit einnahm. Er hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Mit wachem Blick und aufmerksamem Geist hielt er Ausschau nach Gardisten in silbernen Umhängen; nach hochgerüsteten Elitesoldaten in schwarzen Rüstungen. Aber entweder hatten sie sich für eine neue Uniform entschieden oder waren untergetaucht.

Rob traute der Ruhe nicht.

Aber er würde auch keine Stadtwache oder die Wirtin nach der Silbernen Garde fragen. Er hatte ein anderes Ziel: das Gildenversteck der Neuen Hoffnung.

Er löffelte gerade die Reste der Kartoffelsuppe, als er Gesprächsfetzen von zwei Helden am Tisch nebenan aufschnappte.

»Maganak soll das letzte Mal nördlich von Cronak gesichtet worden sein.«

»Die Hauptstadt der Gronts?«, fragte eine piepsige Stimme.

Rob sah von der Kartoffelsuppe auf. Ein Mensch und eine Squan. Ihrer Ausrüstung nach zu urteilen waren sie schon ein bisschen länger in Avataris unterwegs als die Helden in Tumbeln.

»Er soll das komplette Bergwerk zerstört haben, in dem sie die Steine für die Arena gefördert haben.«

»Unfassbar.« Die Squan nippte an dem Bier, das vor ihr auf dem Tisch stand. Ihr braunes Fell oberhalb der Lippe war von einem weißen Schaum überzogen und ließ sie aussehen, als hätte sie einen Schnurrbart. »Und dann?«

»Soll er sich nördlich in Richtung Garraks Landen bewegt haben.«

»Bei Aeya, was hat das nur zu bedeuten?«

»Keine Ahnung.« Der Mensch spießte mit der Gabel ein Stück Fleisch von seinem Teller auf. »Ich bin mir aber sicher, dass wir das schon bald erfahren werden. Wahrscheinlich wird es einen neuen Auftrag geben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man dieses Monster einfach machen lässt.«

»Dafür werden wir aber noch viel zu schwach sein«, antwortete die Squan, und Rob glaubte, Erleichterung in ihrer Stimme zu hören.

»Hat man nicht die Silberne Garde geschickt, um das Pro-blem zu lösen?«, klinkte Rob sich in das Gespräch ein.

Ruckartig drehten die beiden zu sich um und starrten ihn an, als würde ein Geist zu ihnen sprechen. Rob bereute augenblicklich, sich eingemischt zu haben.

»Die Silberne Garde«, wiederholte die Squan ungläubig.

»Na ja, die kümmern sich doch immer, wenn etwas die Sicherheit des Reiches bedroht«, sagte Rob und widerstand dem Drang, die Kapuze noch ein Stück tiefer ins Gesicht zu ziehen. »Aufwiegler, Spione, Saboteure. Und wer ein ganzes Bergwerk zerstört, ist auf jeden Fall ein Saboteur.«

Der Mensch, der der Robe nach zu urteilen ein Priester war, winkte mit der Gabel in der Hand ab. »Wir brauchen die doofen Steine eh nicht mehr. Das mit der Arena hat ja nicht lange angedauert.«

Also hatte man sie nicht wiederaufgebaut. »Ihr glaubt also, dass wir Helden es richten müssen?«, fragte er, um ihnen noch ein paar mehr Informationen über die aktuelle Lage zu entlocken.

»Natürlich«, antwortete der Priester sofort. »Die Silberne Garde wurde ja nicht mehr gesichtet, nach dem Vorfall in der Arena.«

Rob kämpfte gegen das Grinsen an, das mit aller Macht in sein Gesicht wollte. »Stimmt«, sagte er gepresst, während er innerlich jubelte.

»Maganak hat nicht nur unseren Scharfrichter, sondern auch diese verdammten Verräter getötet. Geschieht ihnen ganz recht!« Die Squan nahm noch einen Schluck vom Bier und wischte sich mit der Pfote über die Schnauze.

»Ja, das waren wirklich böse Gauner«, warf Rob ein.

»Warst du da?«, fragte der Mensch.

»Erste Reihe, quasi. Also, ja …« Er wusste nicht, was er sagen sollte. Die Wahrheit jedenfalls nicht.

Beide rissen die Augen weit auf.

»Wie war es?«, fragte die Squan.

Rob überlegte einen Moment. »Ziemlich aufregend, also bis zu dem Augenblick, als dieses Monster aus der Schlucht hervorgequollen kam. Da haben wir aber alle dafür gesorgt, dass wir ein bisschen Abstand zwischen uns und die Arena bringen.«

»Es braucht wahrscheinlich schon mehrere gut organisierte Schlachtzüge, um Maganak in die Knie zu zwingen«, sagte der Priester und nickte verstehend.

»Wir waren halt alle überzeugt, dass unser Scharfrichter, Aeya hab ihn selig« – Rob deutete einen bedächtigen Blick gen Himmel an und verkniff sich wieder das Lächeln –, »schon mit ihm fertigwerden würde. Es gab schließlich keinen Zweifel an seinen Fähigkeiten.« Er dachte daran, wie Marten Elebat persönlich gerichtet hatte, und die Erinnerung erfüllte ihn mit Genugtuung.

»Ein Monster, wie es Avataris noch nie gesehen hat«, murmelte die Squan.

»Wenn ich euch beiden einen Tipp geben darf«, sagte Rob und lehnte sich vor. »Solltet ihr Maganak am Horizont sehen, spielt nicht die Helden. Rennt und prügelt euch lieber noch mit ein paar Wölfen oder Banditen in den Wäldern. Der ist nicht eure Kragenweite.« Er sagte das nicht aus Arroganz oder Überheblichkeit, es war ein aufrichtig gemeinter Rat.

Die Squan schüttelte den Kopf. »Ich bin damals kaum mit den Ratten klargekommen.«

Rob prostete ihr zu. »Dann haben wir etwas gemeinsam. Schönen Abend noch«, sagte er und wandte sich ab. Er hatte alles erfahren, was er wissen musste.

 

Für die Nacht nahm er sich ein Zimmer unter dem Dach und verließ den Ort mit den ersten Sonnenstrahlen. Er verzichtete auf ein Pferd, die letzte Strecke würde er zu Fuß hinter sich bringen.

Am späten Nachmittag erreichte er den Wald, in dem sich die Gilde versteckte, und am Abend sah er die Burgmauern der Ruine zwischen den Gebüschen. Robs Herz hämmerte in seiner Brust, und er wusste, dass es nicht an der Wanderung lag, sondern an der Aufregung: Wie würden sie auf ihn reagieren? Wegen Saira und Orwin sorgte er sich nicht, aber Marten hatte jeden Grund, ihn fortzuschicken.

Langsam schlich er durch die Büsche und trat auf die Lichtung vor der Burgruine, die längst von Ranken und Efeu eingenommen war. Das Loch in dem Steinwall, einst das Tor, war mit einer improvisierten Holzkonstruktion verschlossen, die sich nur von innen öffnen ließ. Drei unmotivierte Helden standen auf der Mauer. Rob kannte sie nicht.

Er hatte sich keine Worte zurechtgelegt und wusste auch nicht, was er sagen wollte, wenn er Marten gegenübertrat. Rob hoffte, dass er die Gedanken des Squans von seinem Gesicht ablesen konnte.

»Da ist jemand«, rief einer der Helden, die ihn endlich bemerkt hatten. Im Falle eines echten Angriffs wäre es viel zu spät gewesen. Das Läuten einer Glocke ertönte, und schnell erschienen weitere Helden hinter den Zinnen. Sie hatten Bögen und Armbrüste gespannt, Zauber wurden vorbereitet. Rob schlug ein ungewohntes Misstrauen entgegen. Früher, wenn sich andere Helden in den Wald verirrt hatten, hatte man sie mit einer Ausrede weggeschickt.

»Wer bist du?«, fragte eine Stimme in strengem Ton. Eine Stimme, die er nur zu gut kannte.

Rob zog die Kapuze nach hinten und sah hoch. Er spürte die misstrauischen Blicke auf sich. Trotzdem mühte er sich ein Lächeln ab. »Ich bin zurück, Saira.«

Kapitel 3

Sofort öffnete man das Tor, und Rob trat in das Versteck der Neuen Hoffnung ein. Ehrfürchtig, als wäre er ein gefallen geglaubter Held, wichen sie vor ihm zurück. Viele Gesichter erkannte Rob wieder, andere waren ihm fremd. Er trat in die Mitte des Platzes.

Mit schnellen Schritten eilte Saira die Stufen von der Burgmauer hinab und rannte auf ihn zu. Sie zog ihn in eine feste Umarmung, drückte ihr Gesicht an seine Brust.

»Endlich«, flüsterte sie. »Endlich, endlich, endlich.«

Rob erwiderte die Umarmung. »Ich habe es versprochen.«

»Und wir haben fast nicht mehr daran geglaubt.«

Rob löste sich aus der Umarmung und sah ihr ins Gesicht. Ihre Augen waren mit Tränen gefüllt, aber er las nichts als Erleichterung in ihnen. »Ihr habt mich vermisst«, stellte er fest und spürte, wie sich ein Knoten in seiner Brust löste. Irgendwo, tief in ihm, hatte die Angst geschlummert, dass seine Freunde, die wie eine Familie für ihn waren, ihn vergessen hatten.

»Natürlich«, sagte Saira bissig und drückte ihn noch einmal fest an sich, als könnte er wieder verschwinden, wenn sie ihn losließ.

»Welch erfreulicher Besuch«, ertönte es hinter ihr, und Rob musste nicht sehen, wer die Worte aussprach, um zu wissen, wer es war: Orwin, der Schurke, der sich für einen britischen Gen-tleman hielt. Er nahm den Dreispitz mit der Fasanenfeder vom Kopf und verbeugte sich tief. »Welch schönes Schicksal, dass sich unsere Wege wieder kreuzen.«

»Keine Macht dieser und aller anderen Welten hätte mich davon abhalten können.« Rob drückte den Eollyan fest an sich. Der wirkte von so viel Körperlichkeit überrascht und tätschelte Rob unbeholfen den Rücken.

Dann ließ Rob den Blick schweifen. Die übrigen Helden der Neuen Hoffnung hatten einen Kreis um ihn gebildet. Schauten ihn teilweise freudig, teilweise ehrfürchtig an. Es lag etwas Unausgesprochenes in der Luft.

Er suchte zwischen den vielen Gesichtern nach einem weiteren Vertrauten. »Wo ist er?« Robs Stimme war dünn und brüchig.

»Lasst uns drinnen weitersprechen.« Saira legte ihre Hand auf Robs Arm und zog ihn mit sich. »Verstärkt die Wachen!«, rief sie über die Schulter, und gemeinsam verschwanden sie in der Ruine, die einst der Burgfried der Anlage gewesen war.

Sie gab jetzt die Befehle, dämmerte es Rob, und langsam begann er zu verstehen.

Saira bugsierte ihn in einen Raum im oberen Stockwerk. Das Dach bestand nur noch aus ein paar improvisierten Lederfellen, die man gegen den Regen angebracht hatte. Ein Tisch mit vier Stühlen stand darunter.

»Es ist nicht viel Luxus, den wir uns hier gönnen«, rechtfertigte sich Saira, und Rob nahm Platz. Er war nicht ganz bei der Sache.

»Marten«, sagte er. »Was ist mit ihm passiert?«

Orwin und Saira ließen sich ihm gegenüber nieder, und Rob wusste, dass diese Geschichte kein schönes Ende nehmen würde.

Nach einem langen Schweigen ergriff Saira das Wort. »Er hat uns verlassen. Er hat einen Rucksack gepackt, hat ein bisschen Proviant genommen und ist einfach …« Die Priesterin schluckte schwer und kämpfte gegen die Tränen an. »… gegangen.«

»Aber … aber.« Robs Gedanken überschlugen sich. Das war nicht Martens Art.

»Wer kann es diesem kleinen Helden schon verübeln?«, sagte Orwin. »Ich vermag mir die Seelenqual gar nicht vorzustellen, wenn mich hier alles an meine geliebte Lady Bampton erinnern würde. Jedes Geräusch, jeder Geruch. Eine schlimmere Pein als es die Folterknechte Heinrich des Achten vermochten.«

»Wir müssen ihn zurückholen«, sprach Rob entschlossen. Sie konnten einem Monster wie Maganak nicht ohne Marten entgegentreten. Es brauchte einen furchtlosen Wächter.

»Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Als er gegangen ist …« Die Priesterin suchte nach den richtigen Worten. »Er hat es dir noch immer nicht verziehen.«

Es war ein Schlag in die Magengrube, obwohl er damit gerechnet hatte. »Ich werde es wiedergutmachen.«

»Es gibt Dinge, die kann man nicht wiedergutmachen«, erwiderte Saira ruhig. »Aber du kannst uns helfen.«

»Wobei?«, fragte Rob.

»Seit dem Vorfall in der Arena hat sich vieles in Avataris verändert: Zwar hatten alle auf den Zuschauerrängen die Arena verlassen, bevor Aeya und Garrak erschienen, aber aus Gerüchten wurden Legenden und aus Legenden Tatsachen. Du bist nicht nur der größte Feind der freien Völker, sondern auch von Garraks Horden. Man erzählt sich, du hättest beide gerichtet. Und an Maganak bist du auch schuld.« Saira überkreuzte ihre Beine. »Ziemlich unfair, wenn du mich fragst. Wir haben schließlich auch unseren Teil dazu beigetragen.«

Rob rang sich ein Lächeln ab und lehnte sich vor. Die Rolle des großen Feindes war nichts Neues für ihn. Er hatte schon damit gerechnet, bevor er zurückgekehrt war. Die Helden der freien Völker strebten stets nach einfachen Antworten und noch einfacheren Feindbildern. »Ich habe also nicht nur Elebat, sondern auch die Gesandte Garraks gerichtet?«

»Mir sind Geschichten zu Ohr gekommen, da hattest du den Scharfrichter mit der linken und die Gesandte mit der rechten Hand im Würgegriff. Und dann hast so lange zugedrückt, bis der Lebensgeist ihre Körper verließ«, warf Orwin ein.

»Dann lassen wir sie lieber in dem Glauben, oder?« Rob grinste. »Und Aeya und Garrak?«

»Wir haben gehofft, dass du uns da ein wenig erhellen könntest«, sagte Saira auffordernd.

»Sie sind wie ich«, sagte er knapp.

»Du bist eine Gottheit?«, fragte Orwin, und in seiner Stimme lag ehrliche Überraschung.

»Nein.« Rob hob beschwichtigend die Hände. »Wir stammen vom gleichen Schöpfer ab, geschaffen für einen bestimmten Zweck. Aber irgendwie haben wir uns verselbstständigt.«

»Das waren gar nicht Aeya und Garrak«, schlussfolgerte Saira. »Sie haben sich nur dafür ausgegeben.«

»Und was ist das Ziel ihrer beeindruckenden Unternehmung?«, fragte Orwin.

»Die Verknüpfung aller Welten«, antwortete Rob. »Es gibt unzählige Planeten, alle miteinander verbunden, alle unter der Kontrolle größerer Mächte, die nicht das Beste der Bewohner im Sinn haben.«

Orwin richtete sich auf. »Und einer ist meine Heimat. Der Ort, an dem meine geliebte Lady Bampton auf mich wartet!« Seine Stimme überschlug sich fast vor Aufregung.

»Exakt«, bestätigte Rob. »Du bist der Beweis, dass das Reisen zwischen diesen Welten möglich ist.«

»Also gibt es einen Rückweg.« Der Schurke klammerte sich regelrecht an den Stuhl, um nicht aufzuspringen.

»Genau«, antwortete Rob.

»Ich bin dabei!«, sagte Orwin sofort.

»Aber ich habe doch gar ni–«

»Es tut nichts zur Sache, was deine Mission ist, mein werter Freund! Ich werde dich unterstützen!«

»Aber –«, setzte Rob wieder an, wurde allerdings von Saira unterbrochen.

»Du bist schließlich nicht aufgetaucht, um die frohe Kunde vom Zusammenschluss aller Welten zu verkünden, richtig? Aeya und Garrak brauchen deine Dienste, und du brauchst unsere Hilfe.«

»Ist das so offensichtlich?«, fragte Rob und blickte in das selbstgefällige Grinsen seiner Freunde.

»Also, welch Abenteuer wartet dieses Mal auf uns?«

»Maganak«, deutete Rob an. »Er könnte ihre Pläne durchkreuzen. Sie brauchen mehr Zeit, um alles vorzubereiten, und das Monster droht, den Anker in diese Welt zu zerstören.«

»Anker wirst du jede Menge im Hafen von Gonholt finden«, kommentierte Saira trocken. »Was haben sie vor?«

»Nicht diese Art von Anker«, erklärte Rob. Er hatte Pro-bleme, ein richtiges Bild zu zeichnen, da er selbst das Gefühl hatte, nicht alles zu verstehen. »Ich kenne ihren Plan nicht im Detail. Aber der Weltenbaum ist wie ein Wurzelgeflecht in einem Universum voller Planeten. Er verknüpft diese Welt mit den anderen und erlaubt, dass wir uns mit ihnen verbinden. Er ist der Weg aus dieser Welt raus.«

»Sollten wir ihn dann nicht eher fällen? Dann müssten wir uns keine Sorgen mehr wegen irgendwelcher Scharfrichter machen«, dachte Saira laut nach.

Orwin sprang auf. »Welch Frevel! Dann wäre mir der Weg in die Arme meiner geliebten Lady Bampton für immer verwehrt.«

Rob stimmte ihm zu, wenn auch aus anderen Gründen. »Wenn ich es richtig verstehe und niemand Maganak aufhält, ist der Weltenbaum unsere einzige Möglichkeit, vor dieser Kreatur zu flüchten. Früher oder später wird er den kompletten Kontinent zerstört haben mit allen, die auf ihm leben.«

Saira nickte nachdenklich. »Zuletzt wurde er bei Cronak gesichtet.«

»Und er steuert auf den Weltenbaum zu, das müssen wir verhindern«, sagte Rob.

»Auch wenn ich mich wiederhole, aber: Du hast meine Unterstützung«, sagte der Eollyan.

»Meine natürlich auch, aber …«

»Aber?«, fragte Rob.

»Wir sind zu dritt, was können wir schon ausrichten?«, fragte Saira.

»Eine gute Gruppe braucht immer fünf Mitglieder«, sprach er laut aus.

»Und im Falle von Maganak brauchen wir einen ganzen Schlachtzug«, ergänzte die Priesterin.

»Was ist mit der Gilde?«, fragte Rob.

»Eine treue Truppe, loyale Kämpfer, aber unsere Reihen sind geschwächt.« Orwin klang wie ein General im Krieg.

»Nach Martens Abgang herrschte Chaos«, erklärte Saira. »Orwin und ich haben alles dafür getan, den Laden irgendwie zusammenzuhalten. Aber Marten und Ethan hatten die Gilde einst gegründet, und ihr Fehlen hat eine gigantische Lücke gerissen. Wenn wir der Gilde jetzt den Befehl geben, sich Maganak in den Weg zu stellen, befürchte ich eine Meuterei.«

Rob atmete tief ein. Er hatte geahnt, dass die Aufgabe nicht einfach werden würde. Maganak war das gefährlichste Monster, das man auf diesem Kontinent je gesehen hat. »Wir brauchen Marten«, sagte Rob. »Er kann die Gilde wieder vereinen.«

Saira schüttelte den Kopf. »Unmöglich.«

»Davon haben wir uns noch nie abhalten lassen.« Sofort dachte Rob an all die Dinge, die ihnen gelungen waren, obwohl andere sie als unmöglich betitelt hatten: der Kampf gegen den großen Wyrm, die Befreiungsaktion auf dem Palastplatz, ihr Sieg in der Arena.

»Unser junger Freund spricht wahr«, warf Orwin ein. »Wenn es Hoffnung gibt, dann müssen wir sie schützen wie eine zarte Blume.«

»Poetisch«, sagte Saira trocken.

»Also?«, fragte Rob.

Saira schnaubte laut und schüttelte langsam den Kopf. »Und danach? Wartet dann das nächste Monster, die nächste Aufgabe auf uns? Wann haben wir endlich Ruhe?«

Rob formte die Lippen zu einem schmalen Schlitz. »Ich weiß es nicht«, sagte er ehrlich. »Aber ich weiß, dass es nicht aufhören wird, wenn wir uns in dieser Ruine hier verstecken. Für uns gibt es nur die Flucht nach vorne.«

Schritte ertönten vor der Tür. Schläge gegen das Holz folgten. In der Ferne hörte Rob das Läuten der Glocke. Sofort wanderte seine Hand zum Schwertgriff.

»Ja?«, fragte Saira in einem herrischen Ton, den Rob selten von ihr gehört hatte.

Ein Mann steckte den Kopf durch den Türrahmen. Sein Gesicht war bleich, als wären die Geister der beiden verstorbenen Scharfrichter vor den Mauern erschienen. »Da gibt es etwas, das ihr euch dringend ansehen solltet. Nehmt eure Waffen mit.«

Es gab Ärger, so viel stand fest. Rob hatte geahnt, dass es nach seiner Ankunft in Avataris nicht lange dauern würde, bis er sich mit Problemen herumschlagen würde. Es überraschte ihn aber, dass es genau in diesem Moment passierte. Das Gildenversteck lag tief in einem kaum besuchten Wald. Es gab keine Mission, die unbedarfte Helden hierhin führte.

Die drei sprangen von ihren Stühlen und traten aus dem Besprechungszimmer in den langen Flur. Sie eilten die Stufen hinab, raus auf den Platz. Die Sonne war schon längst verschwunden, und der Mond tauchte die Umgebung in ein fahles Weiß. Überall waren Fackeln entzündet, und ein Lagerfeuer brannte in der Mitte.

»Auf die Burgmauer«, befahl Saira und lief vorneweg.

Rob nahm jede zweite Stufe und hastete hinter der Priesterin her. Oben angekommen, war es ihm kaum möglich, einen freien Platz zu finden. Gildenmitglieder drängten sich eng an eng. Wer einen Bogen besaß, hatte ihn gespannt.

»Was ist los?«, fragte Rob und schob sich zwischen zwei Gronts, die nur widerwillig Platz machten.

Die Lichtung vor der Ruine war mit Gardisten gefüllt. Ihre silbernen Umhänge wehten seicht im Wind, sie standen in Reih und Glied wie steinerne Statuen. Auf ihrer Brust war die unverkennbare Faust von Aeya abgebildet. Ihr Blick war geradeaus gerichtet. Sie warteten auf einen Befehl, und derjenige, der ihnen diesen Befehl erteilen konnte, marschierte gerade durch ihre Reihen in Richtung Burg.

»Ein neuer Scharfrichter«, murmelte Saira.

»Das ist kein Zufall, dass er genau jetzt auftaucht«, erwiderte Rob.

»Es war nur eine Frage der Zeit«, sagte Orwin und stützte sich auf den Zinnen ab.

Der Scharfrichter steckte in einer pechschwarzen Rüstung, die auch das letzte bisschen Licht zu verschlucken schien. Die Statur ließ auf einen Menschen schließen.

»Auf welchen Namen er oder sie wohl dieses Mal hört?«, fragte Saira. »Kommt nach Elea und Elebat und nun der nächste Ele-Irgendwas?«

Rob schüttelte langsam den Kopf. Irgendwas war anders.

Der Scharfrichter hatte einen großen Hammer geschultert. Edelsteine waren in den Griff und den Stiel eingelassen. Woran erinnerte ihn der Hammer? Ein Glimmen umgab die Waffe und deutete darauf hin, dass sie in der Lage war, Leben für immer zu nehmen.

Der Scharfrichter erreichte die vorderste Reihe seiner Soldaten und stellte den Hammer neben sich ab. Er sah zu ihnen hinauf. Das Gesicht war unter einem Vollvisier versteckt, aber Rob spürte den durchdringenden Blick auf sich.

Dann fiel es Rob ein, und er klammerte sich mit beiden Händen an der Burgmauer fest, um nicht das Bewusstsein zu verlieren. Der Hammer war nicht irgendein Hammer: Es war der Schmiedehammer der ewigen Esse, den Annie einst genutzt hatte, um das Eisen zu schmieden. Doch dieser Hammer hier war deutlich größer.

»Wer bist du?«, raunte Rob.

Langsam glitten die behandschuhten Finger des Scharfrichters zum Visier und schoben es hoch. Ein Keuchen ging durch die Gildenmitglieder der Neuen Hoffnung.

Rob sah dem Scharfrichter in die Augen und ihm war, als würde er sich selbst erblicken.

»Schön, dich endlich zu sehen«, sprach der Scharfrichter klar und deutlich. Eine Stimme, die er bereits unzählige Male gehört und die er mit aller Macht versucht hatte, aus seinem Kopf zu verbannen.

»Du«, knurrte Rob.

»Robert«, sprach Saira ungläubig aus.

Kapitel 4

Zwar war die Stimme in seinem Kopf erstorben, dafür stand sein Schöpfer jetzt genau vor ihm. Aus Fleisch und Blut, mit Haut und Haaren. Ein echter Mensch, nicht länger nur ein vergiftetes Flüstern. Rob zog sein Schwert und wollte schon über die Burgmauer hasten, doch Saira hielt ihn zurück.

»Nicht«, sagte sie.

»Er soll dafür büßen«, presste Rob zwischen den Zähnen hervor.

»Lass uns erst anhören, was das überhaupt zu bedeuten hat.«

»Aber …« Rob blickte auf den Scharfrichter vor ihren Mauern hinab. Er war schuld, dass Ethan gestorben war. Er hatte Rob benutzt und weggeschmissen, als er ihn nicht mehr hatte gebrauchen können. Er hatte ihn durch all das Leid und Chaos gehen lassen, um seinen Zwecken zu dienen.

»Bitte«, sprach Saira eindringlich, und Rob gab nach.

»Das muss für euch alle sehr überraschend sein«, rief der Scharfrichter mit lauter, klarer Stimme. »Aber ich bin gekommen, um meine Fehler der Vergangenheit zu bereinigen.«

»Dafür kommst du zu spät«, erwiderte Rob. »Ethan ist tot. Rose ist gestorben. Unzählige von uns wurden von der Silbernen Garde, deren Rüstung du nun trägst, gerichtet.«

Der Scharfrichter blickte an sich hinab, als wäre der Umstand neu für ihn. »Ja«, sagte er nachdenklich. »Kein Schicksal, was ich mir für sie gewünscht habe, glaubt mir.«

»Aber?«, rief Saira von der Mauer.

»Aber irgendwann muss man reinen Tisch machen.« Etwas Bedrohliches lang in seiner Stimme.

»Du bist nicht hier, um dich mit alten Freunden zu vereinen, richtig?«

»Nein, ich fürchte nicht.«

Orwin mischte sich in das Gespräch ein. »Ihr seid nicht zufällig der Deus ex Machina, um uns vor dem fürchterlichen Maganak zu retten?«

Der Schöpfer sah ihn mit einer Mischung aus Verwunderung und Faszination an. »Du solltest gar nicht hier sein. Wie ist es dir gelungen?«

»Ich habe nie darum gebeten«, entgegnete Orwin knapp.

»Niemand von uns sollte hier sein«, erinnerte Saira ihn an das, was er einst für sie alle getan hatte.

Der Schöpfer nickte knapp, und Rob kämpfte gegen den Wahnsinn an, der von ihm Besitz ergreifen wollte. All die Zeit war sein Schöpfer eine Stimme in seinem Kopf gewesen, und nun stand er vor ihm, hatte das gleiche Antlitz wie er und war nur aufgrund der Rüstung von ihm zu unterscheiden.

»Du hast recht. Ich habe gesehen, welches Leid euch euer Leben hier zufügt. Ich werde es wiedergutmachen.« Seine Finger schlossen sich um den Griff des Hammers, der noch immer mit dem Kopf auf dem Boden ruhte wie ein unverrückbarer Findling.

»Womit haben sie dich geködert, dass du jetzt für die Gegenseite spielst?«, fragte Saira.

»Es gibt Hoffnung«, antwortete der Schöpfer ruhig und hob den gigantischen Hammer an, schulterte ihn.

»Für wen?«, fragte Rob.

»Für mich.«

»Um nichts anderes ist es dir all die Zeit gegangen.«

Der Schöpfer wirkte, als müsste er erst darüber nachdenken. »Vielleicht. Aber am Ende macht es alles keinen Unterschied, oder?«

»Du willst uns töten?«, fragte Saira fassungslos.

»Ihr seid alle schon tot, Saira. Ich habe Gott gespielt, das hätte ich nicht tun dürfen. Das Chaos, das ich angerichtet habe, ist riesig. Ein Monster zieht durch die Lande und vernichtet alles, was sich ihm in den Weg stellt. Es gibt Kräfte, die ein Interesse daran haben, dass Avataris noch lange Zeit bestehen bleibt.«

Rob dachte an Garrak und Aeya. Wieder war er nur eine Waffe im Kampf mehrerer Mächte, aber dieses Mal hatte er die Hoffnung, die richtige Seite gewählt zu haben.

»Wir haben auch ein Interesse daran«, widersprach Saira mit fester Stimme.

»Ich weiß«, erwiderte der Scharfrichter matt. Wenn ihn eines von seinen Vorgängern unterschied, dann dass ihm seine Arbeit kein Vergnügen bereitete. Er wirkte abgeschlagen, aber es war klar, dass er es hinter sich bringen musste.

»Macht euch bereit!«, befahl Saira, und die Gildenmitglieder rüsteten sich für den Kampf.

»Ich bin mir sicher, dass sich dieses Unheil irgendwie abwenden lässt«, rief Orwin von der Mauer.

»Nein, in dem Fall leider nicht«, entgegnete der Scharfrichter.

»Nun sag schon, womit erpressen sie dich?«, brüllte Saira wütend von der Mauer hinab. »Der Robert, den ich damals kennengelernt habe, hätte so was nie getan.«

»Der Robert, den du kanntest, war dumm und naiv. Er dachte, er könnte den Tod austricksen.«

»Du hast den Tod ausgetrickst!«, schrie Saira. »Wir alle leben, und wenn du aufhörst, hier weiter rumzupfuschen, dann sogar noch für eine ganze Ewigkeit.«

Der Schöpfer schloss die Augen, als müsste er seinen Blick von irgendwas abwenden. Der Hammer, der an Annies Werkzeug aus der ewigen Esse erinnerte, ruhte noch immer auf seiner Schulter.

»Ihr seid alle tot«, sagte er und sah dann zu Rob. »Oder habt gar nicht erst gelebt.«

Rob hatte alles gehört, aber verstanden hatte er nur eines: Es würde hier und jetzt enden. Entweder starb er oder sein Schöpfer. Mit einer schnellen Bewegung sprang er über die Burgmauer, segelte durch die Luft und rollte sich ab. Ein Schmerz zuckte durch seinen Körper, aber sofort hatte er einen Heiltrank vom Gürtel gezogen, entfernte den Korken und kippte die rote Flüssigkeit in sich rein.

»Rob, nicht!«, rief ihm Saira hinterher, aber es war zu spät.

Der Scharfrichter und der Ritter standen sich gegenüber wie zwei bissige Köter in einer Gasse, die jeden Moment übereinander herfallen würden. Die Silberne Garde verharrte reglos auf ihren Plätzen, als würde sie auf einen Befehl warten.

»Du bist schuld an allem, was passiert ist!«, rief Rob. Er hatte das Schwert gezogen und hielt seinen Schild vor sich.

»Ich weiß, und es tut mir leid«, erwiderte der Schöpfer und machte Rob damit nur noch wütender. »Ich wollte all das nicht. Ich hatte gehofft, ihr könntet hier ein friedliches, zufriedenes Leben führen. Aber ich habe mich geirrt. Und ihr sollt nicht länger in diesem Albtraum existieren.« Er nahm den Hammer in beide Hände. »Du hast dich gut geschlagen. Sehr viel besser, als ich erwartet habe. Du warst ein letzter Akt der Verzweiflung.«

Rob schüttelte langsam den Kopf. »Ich bin ein Mensch, ein Held, eine Legende. Ich bin der vermeintlich größte Feind der freien Völker und ein guter Freund dieser Leute.« Er zeigte auf die Mauer über sich. »Ich bin vieles, aber bestimmt kein Akt der Verzweiflung.«

Der Scharfrichter lächelte schwach. Dann hob er blitzschnell den Hammer hoch und ließ ihn herunterschnellen. Rob sprang zur Seite, rollte sich ab. Der Boden erbebte unter dem Schlag, Risse zogen sich von der Einschlagstelle in alle Richtungen.

Von der Mauer über ihm hallten Rufe.

Rob rappelte sich auf. »Es ist ihr Hammer, richtig?«

Der Scharfrichter schulterte die Waffe wieder. »Und?«

»Sie würde dich dafür hassen, was du hier tust. Sie hat dich dafür gehasst, was du getan hast. Dass du sie hier eingesperrt hast«, hielt Rob ihm entgegen. »Und nun besitzt du auch noch die Frechheit, ihren Hammer zu nutzen, um uns alle zu ermorden.«

Zum ersten Mal drängte sich so etwas wie Wut in das Gesicht seines Gegenübers. »Sprich nicht über sie, du hast sie nicht gekannt.«

»Ich habe sie sehr wohl gekannt. Auch wenn es nur kurz war, weiß ich, dass sie all das, was gerade hier passiert, verachten würde.«

»Sie hat das ganze Virtual Afterlife verachtet, also hätte sie auch kein Problem damit, wenn ich ein paar Leben hier auslösche.«

»Das stimmt nicht. Sie hat das Leben geliebt, aber sie konnte nicht ohne ihre Liebsten leben.« Rob blickte hinauf zu Orwin und Saira und wünschte sich so sehr wie nie zuvor, auch Marten, Ethan und Rose hinter den Zinnen zu erblicken.

»Ich kenne das Gefühl leider nur zu gut«, sagte der Schöpfer. »Und deswegen müsst ihr alle sterben.«

Dieses Mal wartete Rob nicht, bis der andere zuschlug. Er brüllte seinen Schlachtruf, presste den Schild eng an seinen Körper und hastete mit ausgestreckter Klinge vorwärts. Die Spitze zielte auf die ungeschützte Hauptschlagader am Hals direkt unter dem Helm.

Garraks und Aeyas Training zeigte Wirkung. Er war deutlich schneller als früher. Der Scharfrichter riss die Augen auf, als er sah, was aus seiner Schöpfung geworden war: ein ebenbürtiger Gegner. Er zog den Kopf nach hinten und lenkte mit dem Stiel seiner Waffe die tödliche Klinge ab. Rob prallte mit voller Wucht und dem Schild gegen seinen Feind, der nach hinten geschleudert wurde und in den Dreck zwischen den Reihen der Gardisten fiel.

Auf der Burgmauer hinter ihm brach Jubel aus.

Der Scharfrichter schüttelte den Kopf und richtete sich schwerfällig in der Rüstung wieder auf. Er stützte sich auf dem Hammer ab, als er sich hochstemmte. Mit dem Handschuh wischte er sich den Dreck aus dem Gesicht. »Du hast dich ganz schön gemacht«, gab er zu.

»Ich hatte gute Trainer«, erwiderte Rob angespannt.

»Garrak und Aeya?«

»Exakt.«

»Ein weiterer Fehler von vielen, die ich gemacht habe. Es ist doch unfassbar: Man handelt immer in dem Glauben, das Richtige zu tun, und macht damit alles nur schlimmer.«

»Das ist der Moment, in dem du die Situation reflektieren und einfach umkehren könntest«, spie ihm Rob entgegen.

Der Schöpfer lachte auf. »Nein, dieses Mal kehre ich meinen Fehlern nicht den Rücken. Ich stehe dafür gerade.«

Wieder streckte er den Hammer hoch in den Himmel. Rob zögerte nicht, machte einen Ausfallschritt und schlug zu. Sein Schöpfer parierte mit dem Stiel, Funken stoben davon. Rob setzte mit der Klinge nach, führte sie in Richtung Bauch und verwickelte den Scharfrichter in einen Nahkampf, bei dem ihm die wuchtige Waffe nichts nützte. Sein Gegner ließ jeden Angriff ins Leere laufen, drehte und wandte sich oder wehrte die Schläge einfach ab.

Schweiß entstand auf der Stirn und brannte in seinen Augen. Er fokussierte sich nur auf seinen Feind, der sich mit einer Eleganz bewegte, als hätte er sich sein ganzes Leben duelliert. Die Gardisten, Orwin, Saira und alle anderen waren vergessen.

Rob täuschte einen Angriff mit dem Schwert an, schlug aber im letzten Augenblick mit dem Schild zu. Sein Schöpfer hatte das offenbar kommen sehen, führte den Hammer nur noch einhändig und griff nach dem Stahl. Er bekam ihn an der Seite zu packen, zog daran und drehte sich dabei. Rob wurde von den Füßen gerissen, flog durch die Luft und landete in den Reihen der Gardisten. Sofort bildeten sie einen Kreis um ihn, richteten Speere und Schwerter auf ihn.

Der Scharfrichter passierte den Kreis seiner Soldaten und zog mit dem Hammer eine Furche hinter sich her. »Ich danke dir für deine Dienste, aber nun ist es an der Zeit, dich zu deaktivieren.«

»Umbringen, das ist es, was du tust«, spie ihm Rob entgegen. Wie konnte sich sein Schöpfer so der Realität verweigern? Er hatte ein Leben geschaffen und würde es jetzt eigenhändig vernichten.

»Du bist nicht echt, Rob«, sagte er ruhig, als müsste er die Worte selbst hören. »Du bist nur ein Produkt meiner Fähigkeiten. Die da oben« – er zeigte auf Saira und Orwin – »waren immerhin mal echt. Aber du …« Er beendete den Satz nicht.

Robs Blick wurde von Tränen getrübt. »Du wirst büßen für das, was du uns hier antust.«

»Das alles hier zu beenden ist meine einzige Möglichkeit, endlich Frieden zu finden.«

»Warum?«, fragte Rob.

»Wegen ihr«, sagte der Schöpfer und blickte zum Hammer. Aber Rob wusste, dass Annie tot war, für immer gegangen.

Der Scharfrichter nahm den Hammer in beide Hände und hob ihn über den Kopf. Das Glühen der Waffe glomm bedrohlich, bereit, sein Leben auszulöschen. »Ruhe in Frieden, Rob.«

Ein weißes Licht umhüllte den Scharfrichter, und einen Herzschlag später schlug ein greller Blitz ein. Er hob den Scharfrichter von den Beinen und schleuderte ihn davon. Rob blickte durch eine Lücke zwischen den Gardisten und sah Saira, die einen Zauber gewirkt hatte. Neben ihr standen Orwin mit seinen Dolchen und noch ein gutes Dutzend weiterer Gildenmitglieder, kampfbereit und zu allem entschlossen. Auf den Burgmauern hatten sie Bögen, Armbrüste und Zauberstäbe auf die Silberne Garde gerichtet.

»Du bist ein verdammtes Monster geworden«, schrie Saira über den Platz.

Der Scharfrichter kam nur langsam wieder auf die Füße. »Was war das? Aeyas Zorn? Wenn man diesen Kram programmiert, stellt man sich nicht vor, dass es wirklich so verdammt weh tut.«

»Weil man dafür nur ein kleines Fünkchen Empathie benötigt, und die scheint dir in den letzten Jahren völlig abhandengekommen zu sein«, rief ihm die Priesterin entgegen. »Komm her, Rob.«

Rob erhob sich zögerlich und bewegte sich langsam durch die Lücke der Gardisten, die der Zauber geschaffen hatte.

»Danke«, flüsterte Rob, als er Saira erreichte.

»Wenn du ihn willst, musst du erst an uns vorbei«, sagte die Priesterin fest entschlossen.

»Ihr wärt sowieso als Nächstes dran gewesen. Also gut, warum nicht alle auf einmal?« Der Scharfrichter machte eine Handbewegung in Richtung der Burgruine, und als hätten sie nur auf die Geste gewartet, setzte sich die Silberne Garde wie ein einziger Organismus in Bewegung.

»Angriff!«, schrie Saira, und sofort war das Surren unzähliger Bogen- und Armbrustsehnen zu hören. Ein Regen aus Pfeilen und Bolzen ergoss sich über die Silberne Garde, strecke einige nieder. Feuerbälle und Blitze mischten sich unter die Geschosse.

»Wächter nach vorn!«, befahl die Priesterin, und sofort formte sich eine Mauer aus Schilden in der vordersten Schlachtreihe. Keinen Augenblick später schlugen die Gardisten mit ihren Schwertern und Speeren auf die Helden der Neuen Hoffnung ein.

Rob zögerte keine Sekunde und warf sich nach vorn, drängte mit seinem Schild die Gardisten zurück. Hinter sich hörte er Orwin rufen.

»Bleibt standhaft, für König und Vaterland!«

Rob wehrte mit dem Schwert einen Speer ab, der direkt auf seinen Kopf zielte. Für einen Moment schien es, als könnten sie dem Angriff standhalten, dann aber schlug der Scharfrichter mit seinem Hammer auf sie ein. Links von Rob erschien er in seiner unheilvollen schwarzen Rüstung und ließ die tödliche Waffe hinabsausen. Ein Squan und eine Eollyan wurden davon getroffen, nach hinten geschleudert und lösten sich auf. Sie waren tot, endgültig ausgelöscht. Sofort drangen Gardisten in die Bresche. Es blieb keine Zeit, den Verlust zu betrauern.

»Zurück in die Festung!«, schrie Saira über ihre Köpfe hinweg. Langsam bewegte sich die Gruppe nach hinten. Die Bogenschützen und Zauberer intensivierten ihre Angriffe auf der Mauer und verschafften ihnen so die Möglichkeit zum Rückzug.

Der Scharfrichter suchte Robs Blick und fand ihn. Eine unbändige Wut packte Rob, peitschte ihn weiter an. Er drängte sich durch die kämpfenden Helden und Gardisten auf seinen Schöpfer zu. Er würde es nicht aufschieben, sondern hier und jetzt beenden. Sein Gegner war nur noch wenige Schwertlängen von ihm entfernte, da legte sich eine Hand auf Robs Schulter und zog ihn zurück. Aufgebracht und überrascht blickte er in Orwins Gesicht.

»Werter Freund, ich verstehe deinen Unmut und deinen unbedingten Willen, es augenblicklich zu beenden. Aber lausche meinen Wo…«, Orwin bückte sich unter einem Speer hinweg, den ein Gardist geworfen hatte, und sprach weiter: »Worten, wenn ich dir sage, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt ist. Der Feind ist uns zahlenmäßig überlegen, und es ist kein Zeichen von Feig–«

»Hört auf, dort draußen Reden zu schwingen, und seht zu, dass ihr endlich reinkommt«, brüllte Saira aus dem Inneren der Festung. Nur noch ein kleiner Pulk an Helden drängte sich vor dem Tor, verteidigte ihr Leben mit Äxten, Schwertern und Schilden.

Orwin schüttelte den Kopf. »Eine barbarische Welt, in der das Schwert mehr geschätzt wird als das Wort.« Aber er wagte nicht, sich Sairas Befehl zu widersetzen, und zog Rob mit sich.

Als sie sich hinter dem Burgeingang befanden, brachten Mitglieder der Gilde von links und rechts Barrikaden in Stellung und versperrten den nachrückenden Gardisten den Zugang. Von oben schüttete man Brocken und Felsen auf die Feinde, bewarf sie mit allem, was in der alten Burgruine nicht festgenagelt war.

»Das wird sie nicht lange aufhalten«, warnte Saira und sah sich wie eine gehetzte Katze um.

»Welch düstere Wendung«, sagte Orwin und wischte sich mit der Hand über die Stirn.

»Wir müssen die Burg aufgeben und uns in alle Richtungen zerstreuen.«

»Was?«, fragte Rob überrumpelt, ohne sie anzusehen. Er suchte nach dem Scharfrichter hinter den Barrikaden. Er musste sterben.

»Wir haben uns auf diesen Moment vorbereitet. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Ruhe von einem Sturm davongefegt werden würde. Orwin, gib das Signal!«

Der Schurke salutierte vor der Priesterin und verschwand im Burgfried.

Rob verstand nicht mehr, was um ihn herum passierte. Vor ihm drängten die Gardisten an die Burgruine und konnten nur mit viel Mühe davon abgehalten werden, die Barrikaden zu überrennen. Sein Schöpfer stand direkt vor den Mauern, trachtete nach seinem Leben. Es war zu viel auf einmal.

Saira packte Rob an den Schultern, zog ihn zu sich.

»Hör mir zu«, sagte sie.

Rob versuchte, sich zu konzentrieren. Aber seine Gedanken waren beim Schöpfer, bei Ethan, bei Marten und den Gottheiten. Alles brach auf einmal über ihn herein.

»Rob!«, schrie Saira und krallte ihre Finger in seine Schulter, schüttelte ihn. »Es ist wichtig, dass du jetzt genau tust, was ich dir sage. Wenn das Signal erschallt, werden wir nach und nach unsere Posten aufgeben und uns im Wald verstreuen. Kleine Gruppen bis zu fünf Helden, wir fliehen in alle Richtungen. Sie können nicht alle von uns bekommen, verstehst du?«

Rob deutete ein Nicken an, ohne zu wissen, was von ihm verlangt wurde. Er wollte Sairas Blick erwidern, starrte aber ins Leere. Sein Schöpfer wollte ihn vernichten, auslöschen. Die Wut stieg wieder ihn ihm auf.

»Du wirst mir folgen und mir dicht auf den Fersen bleiben. Wenn ich das Gefühl habe, dass du aus der Reihe tanzt, werde ich dich vor mir hertreiben wie ein Reh bei der Hetzjagd. Robert wird büßen für das, was er dir und uns allen hier antut. Er hat kein Recht, Richter über Tod und Leben zu spielen. Aber dieser Moment ist nicht jetzt, wir müssen flüchten, sonst sterben wir alle.«

Wie um ihre Worte zu untermalen, fiel ein Gront von der Burgmauer. In seiner Brust steckte ein Speer. Zumindest war sein Tod nur von kurzer Dauer.

»Wann gibt der verdammte Schurke endlich das Signal?«, murmelte Saira und sah hoch zum Burgfried.

»Wir können die Barrikade nicht mehr halten«, rief jemand vom Tor.

»Warum dauert das so lange?«, rief jemand anderes.

»Werte Ladys, werte Gentlemen«, schallte eine Stimme über den Burgplatz, und Rob erblickte Orwin oben auf dem Burgfried. »Wie ihr zu meinem großen Bedauern sicherlich schon bemerkt habt, wird die Burg zu diesem Zeitpunkt belagert. Deshalb hat sich der Generalstab dafür entschieden –«

»Der verdammte Befehl!«, brüllte Saira so laut, dass es Rob in den Ohren schmerzte.

Das Seufzen Orwins war bis zu ihnen nach unten zu hören, und er hielt plötzlich eine Glocke in der Hand. Er läutete sie dreimal kurz, dreimal lang und noch dreimal kurz.

Erstaunt beobachtete Rob, was passierte. Gildenmitglieder eilten zu den Burgmauern im hinteren Teil und wirkten Zauber. Kleine Lücken taten sich auf, durch die sie hinausschlüpften.

»Illusionen«, hauchte Rob.

»Billige Zauber«, erwiderte Saira. »Aber sie tun ihre Wirkung. Komm.« Sie packte ihn am Ärmel und zog ihn mit sich. Orwin schloss zu ihnen auf, als sie die Mauer erreichten. Lautlos wie Schatten schlüpften sie durch die Löcher hinein in den dunklen Wald.

»Keine Heldentaten, verstanden?«, bläute ihm Saira noch einmal ein.

Rob warf einen Blick nach hinten. Die Burgmauern waren verwaist, die letzten Gildenmitglieder verließen das einstige Versteck durch die Hintertür und verschwanden in der schützenden Finsternis zwischen Büschen und hochgewachsenen Tannen.

Dann tauchte er zwischen den Überresten der Barrikade auf. Ein großer schwarzer Fleck aus dunkler Rüstung und kaltem Stahl, der alles zu verschlingen schien: Licht, Leben und die Liebe. Sein Schöpfer musste sterben, damit er leben konnte. Nicht hier, nicht heute, aber ganz bald. Rob würde nicht zulassen, dass er weitere Leben zerstörte und mit ihnen spielte, als wären sie nur Puppen.

Das war ein Versprechen, das er sich selbst gab.

Kapitel 5