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Baruch Spinoza

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Beschreibung

Dieses eBook: "ETHIK" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Das erste Buch hat das Problem des Wesens Gottes zum Thema. Spinoza versucht das wahre Wesen Gottes darzulegen. Für ihn ist Gott nicht anthropomorph zu verstehen, d.h. als ein Wesen, das denken, wollen oder gar Gefühle haben könnte. Außerdem ist Gott nicht als eine Instanz zu verstehen, die die Welt durch ein fiat geschaffen hätte. Das zweite Buch ist dem Wesen und dem Ursprung des Geistes gewidmet. Hier beginnt er mit Definitionen der Begriffe Körper, Geist, Idee, Realität. Das dritte Buch: Über den Ursprung und Wesen der Affekte. Hier entwickelt Spinoza seine Psychologie der Emotionen. Er definiert am Anfang die Begriffe Handeln, Leiden und Affekt. Das vierte Buch: Über die Abhängigkeit von den Kräften der Affekte. Hier eröffnen sich die eigentlichen ethischen Annahmen Spinozas im Sinne einer angewandten Psychologie. Zunächst zeigt Spinoza die unumgehbaren Schranken, die dem Menschen durch seine psychische Affekte auferlegt sind. Streben nach Wahrheit ist nichts anderes als ein Selbsterhaltungsdrang des Geistes. Das fünfte Buch: Von der Macht der Vernunft und der menschlichen Freiheit. Die wahre Macht der Vernunft ist ein sich Einlassen auf die göttliche Notwendigkeit des Seins der Dinge. Erkennen ist Freiheit, Tugend und Glückseligkeit. Baruch de Spinoza (1632-1677) war ein niederländischer Philosoph. Er wird dem Rationalismus zugeordnet und gilt als einer der Begründer der modernen Bibelkritik sowie Religionskritik.

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Baruch Spinoza

ETHIK

Deduktive Folgerungen aus dem Gedanken des Ineinsfalls von Gott und Natur
Übersetzer: Berthold Auerbach
e-artnow, 2016 Kontakt: [email protected]
ISBN 978-80-268-6592-6

Inhaltsverzeichnis

1.   Über Gott
2.   Über die Natur und den Ursprung des Geistes
3.   Über den Ursprung und die Natur der Affekte
4.   Über die menschliche Unfreiheit, oder die Macht der Affekte
5.   Über die Macht der Erkenntnis, oder die menschliche Freiheit

1. Über Gott

Inhaltsverzeichnis

Definitionen

1. Unter Ursache seiner selbst verstehe ich etwas, dessen Wesen die Existenz einschließt, oder etwas, dessen Natur nur als existierend begriffen werden kann.

2. Endlich in seiner Art heißt ein Ding, das durch ein anderes von gleicher Natur begrenzt werden kann. Ein Körper z.B. heißt endlich, weil wir stets einen andern größeren begreifen. Ebenso wird ein Gedanke durch einen andern Gedanken begrenzt. Dagegen wird ein Körper nicht durch einen Gedanken noch ein Gedanke durch einen Körper begrenzt.

3. Unter Substanz verstehe ich das, was in sich ist und durch sich begriffen wird; d.h. etwas, dessen Begriff nicht den Begriff eines andern Dinges nötig hat, um daraus gebildet zu werden.

4. Unter Attribut verstehe ich dasjenige an der Substanz, was der Verstand als zu ihrem Wesen gehörig erkennt.

5. Unter Modus verstehe ich eine Erregung (Affektion) der Substanz; oder etwas, das in einem andern ist, durch welches es auch begriffen werden kann.

6. Unter Gott verstehe ich das absolut unendliche Wesen, d.h. die Substanz, welche aus unendlichen Attributen besteht, von denen ein jedes ewiges und unendliches Sein ausdrückt.

Erläuterung

Ich sage absolut unendlich, im Gegensatz zu: in seiner Art. Denn was nur in seiner Art unendlich ist, dem können wir unendliche Attribute absprechen. Was dagegen absolut unendlich ist, zu dessen Wesen gehört alles, was Sein ausdrückt und keine Verneinung in sich schließt.

7. Dasjenige Ding wird frei heißen, das bloß vermöge der Notwendigkeit seiner eigenen Natur existiert und bloß durch sich selbst zum Handeln bestimmt wird; notwendig oder vielmehr gezwungen wird ein Ding heißen, das von einem andern bestimmt wird, auf gewisse und bestimmte Weise zu existieren und zu wirken.

8. Unter Ewigkeit verstehe ich die Existenz selbst, sofern sie aus der bloßen Definition des ewigen Dinges als notwendig folgend begriffen wird.

Erläuterung

Denn ein solches Dasein wird als ewige Wahrheit, wie das Wesen des Dinges, aufgefaßt und kann daher durch die Dauer oder die Zeit nicht erklärt werden, wenn man auch unter Dauer »ohne Anfang und ohne Ende« versteht.

Axiome

I. Alles, was ist, ist entweder in sich oder in einem andern.

II. Was durch ein anderes nicht begriffen werden kann, muß durch sich selbst begriffen werden.

III. Aus einer gegebenen bestimmten Ursache folgt notwendig eine Wirkung, und umgekehrt: wenn keine bestimmte Ursache gegeben ist, kann unmöglich eine Wirkung folgen.

IV. Die Erkenntnis der Wirkung hängt von der Erkenntnis der Ursache ab und schließt dieselbe ein.

V. Dinge, welche nichts miteinander gemein haben, können auch nicht wechselseitig auseinander erkannt werden oder der Begriff des einen schließt den Begriff des andern nicht ein.

VI. Eine wahre Idee muß mit ihrem Gegenstand übereinstimmen.

VII. Was als nicht existierend begriffen werden kann, dessen Wesen schließt die Existenz nicht ein.

Erster Lehrsatz

Die Substanz ist von Natur früher als ihre Erregungen.

Beweis

Derselbe erhellt aus den Definitionen 3 und 5.

Zweiter Lehrsatz

Zwei Substanzen, welche verschiedene Attribute haben, haben nichts miteinander gemein.

Beweis

Derselbe erhellt gleichfalls aus Definition 3. Denn jede Substanz muß in sich sein und muß durch sich begriffen werden, oder der Begriff der einen schließt den Begriff der andern nicht ein.

Dritter Lehrsatz

Von Dingen, welche nichts miteinander gemein haben kann nicht das eine Ursache des andern sein.

Beweis

Wenn sie nichts miteinander gemein haben, so können sie (nach Axiom V) nicht wechselseitig auseinander erkannt werden. Daher kann (nach Axiom IV) das eine nicht die Ursache des andern sein. – Was zu beweisen war.

Vierter Lehrsatz

Zwei oder mehrere verschiedene Dinge unterscheiden sich voneinander entweder durch die verschiedenen Attribute der Substanzen oder durch die verschiedenen Erregungen derselben.

Beweis

Alles, was ist, ist entweder in sich oder in einem andern (nach Axiom I), d.h. (nach den Definitionen 3 und 5), außer der Erkenntnis gibt es nichts als Substanzen und deren Erregungen. Es gibt folglich außer der Erkenntnis nichts, wodurch mehrere Dinge voneinander unterschieden werden können, als die Substanzen oder, was dasselbe ist (nach Definition IV), ihre Attribute und ihre Erregungen. – W.z.b.w.

Fünfter Lehrsatz

In der Natur kann es nicht zwei oder mehrere Substanzen von gleicher Beschaffenheit oder von gleichem Attribut geben.

Beweis

Gäbe es mehrere verschiedene Substanzen, so müßten sie sich entweder durch die Verschiedenheit der Attribute oder durch die Verschiedenheit der Erregungen voneinander unterscheiden (nach dem vorigen Lehrsatz). Wenn bloß durch die Verschiedenheit der Attribute, so wird damit zugestanden, daß es nur Eine Substanz von gleichem Attribut gibt. Wenn aber durch die Verschiedenheit der Erregungen: da die Substanz von Natur früher ist als ihre Erregungen (nach Lehrsatz 1), so wird sie, von ihren Erregungen abgesehen und für sich betrachtet, d.h. (nach Definition 3 und Axiom 6) richtig betrachtet, als unterschieden von einer andern nicht begriffen werden können, d.h. (nach dem vorigen Lehrsatz), es kann nicht mehrere Substanzen geben, sondern nur Eine. – W.z.b.w.

Sechster Lehrsatz

Eine Substanz kann von einer andern Substanz nicht hervorgebracht werden.

Beweis

In der Natur kann es nicht zwei Substanzen von gleichem Attribut geben (nach dem vorigen Lehrsatz), d.h. (nach Lehrsatz 2) die etwas miteinander gemein haben. Darum kann (nach Lehrsatz 3) die eine nicht die Ursache der andern sein, oder eine kann nicht von der andern hervorgebracht werden. – W.z.b.w.

Zusatz

Hieraus folgt, daß eine Substanz nicht von etwas anderem hervorgebracht werden kann. Denn in der Natur gibt es nichts als Substanzen und deren Erregungen, wie aus Axiom I und den Definitionen 3 und 5 erhellt. Von einer Substanz aber kann sie nicht hervorgebracht werden (nach dem vorigen Lehrsatz). Folglich kann eine Substanz von einer andern Substanz überhaupt nicht hervorgebracht werden. – W.z.b.w.

Anderer Beweis

Noch leichter kann dies aus der Widersinnigkeit des Gegenteils bewiesen werden. Wenn nämlich eine Substanz von einer andern hervorgebracht werden könnte, so müßte die Erkenntnis derselben von der Erkenntnis ihrer Ursache abhängen (nach Axiom IV); dann aber wäre sie (nach Definition 3) keine Substanz.

Siebenter Lehrsatz

Zur Natur der Substanz gehört es, daß sie existiert.

Beweis

Die Substanz kann von etwas anderem nicht hervorgebracht werden (nach dem Zusatz zum vorigen Lehrsatz); sie ist daher Ursache ihrer selbst, d.h., ihr Wesen schließt notwendig die Existenz ein, oder zu ihrer Natur gehört das Dasein. – W.z.b.w.

Achter Lehrsatz

Alle Substanz ist notwendig unendlich.

Beweis

Es kann nicht mehr als eine einzige Substanz von gleichem Attribut vorhanden sein (nach Lehrsatz 5), und zu ihrer Natur gehört die Existenz (nach Lehrsatz 7); folglich muß sie ihrer Natur nach entweder als endlich oder als unendlich existieren. Als endlich aber nicht; denn sie müßte dann (nach Definition 2) von einer andern Substanz gleicher Natur, welche ebenfalls notwendig existieren müßte, begrenzt werden (zufolge Lehrsatz 7); es gäbe also zwei Substanzen von gleichem Attribut, was widersinnig ist (nach Lehrsatz 5). Somit existiert sie als unendlich. – W.z.b.w.

1. Anmerkung

Da endlich sein im Grunde genommen eine teilweise Verneinung, unendlich sein aber die absolute Bejahung des Daseins irgendeiner Natur ist, so folgt also schon aus dem Lehrsatz 7, daß jede Substanz unendlich sein muß.

2. Anmerkung

Ich zweifle nicht, daß es allen, welche über die Dinge unklar urteilen und nicht gewohnt sind, die Dinge nach ihren ersten Gründen zu erkennen, schwerfallen wird, den Beweis des 7. Lehrsatzes zu begreifen; weil sie nämlich keinen Unterschied machen zwischen den Modifikationen der Substanzen und den Substanzen selbst, und nicht wissen, auf welche Weise die Dinge hervorgebracht werden. Daher kommt es, daß sie den Substanzen einen Anfang andichten, weil sie sehen, daß die Naturdinge einen Anfang haben. Denn diejenigen, welche die wahren Gründe der Dinge nicht kennen, werfen alles durcheinander und lassen ohne Widerstreben ihres Geistes Bäume wie Menschen reden und Menschen aus Steinen wie aus Samen entstehen, oder bilden sich ein, es könne sich jede Form in jede beliebige andere verwandeln.

So schreiben auch die, welche die göttliche Natur mit der menschlichen verwechseln, ohne Bedenken Gott menschliche Affekte zu, namentlich solange sie auch nicht wissen, auf welche Weise die Affekte in der Seele entstehen.

Würden dagegen die Menschen auf die Natur der Substanz genau achten, so würden sie die Wahrheit des 7. Lehrsatzes keinen Augenblick bezweifeln; ja dieser Satz würde jedermann als Axiom gelten und zu den Gemeinbegriffen gezählt werden. Denn unter Substanz würden sie alsdann das verstehen, was in sich ist und durch sich begriffen wird, d.h. etwas, dessen Erkenntnis nicht die Erkenntnis eines andern Dinges nötig hat; unter Modifikationen aber das, was in einem andern ist und deren Begriff nach dem Begriff des Dinges, in welchem sie sind, gebildet wird. Daher auch können wir richtige Ideen von Modifikationen haben, welche nicht existieren, weil nämlich, obschon sie außerhalb des Geistes nicht wirklich existieren, ihr Wesen doch in einem andern so enthalten ist, daß sie durch dieses begriffen werden können. Die Wahrheit der Substanzen aber ist außerhalb des Geistes nirgends als in ihnen selbst, weil sie durch sich begriffen werden.

Wenn also jemand sagen würde, er habe eine klare und deutliche, d.h. wahre Idee von einer Substanz und zweifele trotzdem, ob eine solche Substanz existiere, so wäre das wahrlich ebenso, als würde er sagen, er habe eine wahre Idee und zweifele trotzdem, ob sie nicht falsch sei (wie jedem klar sein wird, der die Sache beim rechten Licht betrachtet). So wenn jemand behaupten würde, eine Substanz werde geschaffen, so behauptet er zugleich, daß eine falsche Idee wahr geworden sei. Widersinnigeres als dieses kann wahrlich nicht gedacht werden. Daher muß man notwendig zugeben, daß die Existenz der Substanz, ebenso wie ihr Wesen, ewige Wahrheit sei.

Wir können hier auch noch auf eine andere Weise den Schluß ziehen, daß es nur eine einzige Substanz von gleicher Natur geben könne, und ich halte es der Mühe wert, dies hier zu zeigen. Um ordnungsgemäß zu verfahren, bemerke ich folgendes:

1. daß eine richtige Definition eines jeden Dinges nichts in sich schließt noch ausdrückt als die Natur des definierten Dinges. Daraus folgt

2. daß keine Definition eine bestimmte Zahl von Individuen in sich schließt oder ausdrückt, da sie eben nichts anderes ausdrückt als die Natur des definierten Dinges. Zum Beispiel die Definition eines Dreiecks drückt nichts anderes aus als die einfache Natur des Dreiecks, nicht aber eine bestimmte Zahl von Dreiecken;

3. ist zu beachten, daß es von jedwedem existierenden Ding irgendeine bestimmte Ursache geben muß, weswegen es existiert; 4. endlich ist zu beachten, daß diese Ursache, weswegen ein Ding existiert, entweder in der Natur selbst und der Definition des existierenden Dinges enthalten sein muß (weil nämlich das Dasein zur Natur desselben gehört), oder daß diese Ursache außerhalb derselben liegen muß.

Aus diesen Sätzen folgt, daß, wenn in der Natur irgendeine bestimmte Anzahl von Individuen existiert, es notwendig eine Ursache geben muß, weshalb jene Individuen und weshalb nicht mehr oder weniger existieren. Wenn z.B. in der Natur zwanzig Menschen vorhanden wären (von denen ich, der größeren Deutlichkeit wegen, annehme, daß sie gleichzeitig existieren und daß keine andern vor ihnen existierten), so wird es nicht genügen (um nämlich den Grund anzugeben, weshalb zwanzig Menschen existieren), die Ursache der menschlichen Natur im allgemeinen darzutun, sondern es wird außerdem nötig sein, die Ursache darzutun, weshalb nicht mehr noch weniger als zwanzig existieren; da es (nach Punkt 3) von jedem notwendig eine Ursache geben muß, weswegen es existiert. Diese Ursache kann nun aber (nach Punkt 2 und 3) nicht in der menschlichen Natur selbst enthalten sein, da die wahre Definition des Menschen die Zahl Zwanzig nicht in sich schließt; es muß also (nach Punkt 4) die Ursache, weshalb diese zwanzig Menschen existieren und folglich auch, warum jeder einzelne existiert, notwendig außerhalb eines jeden liegen. Daher muß man unbedingt den Schluß ziehen, daß alles, von dessen Natur mehrere Individuen existieren können, notwendig eine äußere Ursache für sein Dasein haben muß. Da es nun zur Natur der Substanz gehört zu existieren (wie in dieser Anmerkung bereits gezeigt worden), so muß ihre Definition notwendige Existenz in sich schließen, und folglich muß aus ihrer bloßen Definition ihre Existenz geschlossen werden. Dagegen kann aus ihrer Definition (wie bereits aus Punkt 2 und 3 dargetan) nicht die Existenz mehrerer Substanzen folgen. Es folgt somit aus ihr mit Notwendigkeit, daß nur eine einzige Substanz von gleicher Natur existiert, wie im Lehrsatz behauptet wurde.

Neunter Lehrsatz

Je mehr Realität oder Sein jedes Ding hat, desto mehr Attribute kommen ihm zu.

Beweis

Es erhellt dies aus Definition 4.

Zehnter Lehrsatz

Jedes Attribut einer Substanz muß durch sich begriffen werden.

Beweis

Denn ein Attribut ist das, was der Verstand an der Substanz als zu ihrem Wesen gehörig erkennt (nach Definition 4), folglich muß es (nach Definition 3) durch sich begriffen werden. – W.z.b.w.

Anmerkung

Hieraus erhellt, daß, wenn auch zwei Attribute als tatsächlich verschieden begriffen werden, d.h. eines ohne Zuhilfenahme des andern, wir daraus doch nicht schließen können, daß sie zwei Wesen oder zwei verschiedene Substanzen bilden. Denn das gehört zur Natur der Substanz, daß jedes ihrer Attribute durch sich begriffen wird, da ja alle Attribute, die sie hat, immer zugleich in ihr gewesen sind und eines vom andern nicht hervorgebracht werden konnte; jedes einzelne drückt vielmehr die Realität oder das Sein der Substanz aus. Weit entfernt daher, daß es widersinnig wäre, einer Substanz mehrere Attribute zuzuschreiben, ist im Gegenteil nichts in der Natur klarer, als daß jedes Wesen unter irgendeinem Attribut begriffen werden muß und daß, je mehr Realität oder Sein dasselbe hat, es auch desto mehr Attribute hat, welche sowohl die Notwendigkeit oder Ewigkeit als auch die Unendlichkeit ausdrücken. Demzufolge ist auch nichts klarer, als daß das absolut unendliche Wesen notwendig definiert werden muß (wie schon in Definition 6 geschehen) als ein Wesen, das aus unendlichen Attributen besteht, von welchen jedes eine gewisse ewige und unendliche Wesenheit ausdrückt.

Fragt nun aber jemand, an welchem Zeichen wir hiernach die Verschiedenheit der Substanzen unterscheiden können, so möge er die nachstehenden Lehrsätze lesen, welche zeigen, daß in der Natur nur eine einzige Substanz existiert und daß dieselbe absolut unendlich ist; daß also ein solches Zeichen vergebens gesucht würde.

Elfter Lehrsatz

Gott oder die Substanz, welche aus unendlichen Attributen besteht, von denen jedes ewige und unendliche Wesenheit ausdrückt, existiert notwendig.

Beweis

Bestreitet man das, so nehme man an, wenn man kann, Gott existiere nicht. Es schließt also (nach Axiom VII) sein Wesen seine Existenz nicht ein. Nun ist aber das (nach Lehrsatz 7) widersinnig. Also existiert Gott notwendig. – W.z.b.w.

Anderer Beweis

Von jedem Ding muß eine Ursache oder ein Grund angegeben werden, sowohl warum es existiert als auch warum es nicht existiert. Zum Beispiel, wenn ein Dreieck existiert, so muß es auch einen Grund oder eine Ursache geben, warum es existiert. Existiert es aber nicht, so muß es ebenfalls einen Grund oder eine Ursache geben, welche hindert, daß es existiert oder welche seine Existenz aufhebt. Dieser Grund aber oder diese Ursache muß entweder in der Natur des Dinges enthalten sein oder außerhalb derselben. Zum Beispiel den Grund, warum ein viereckiger Kreis nicht existiert, gibt die Natur des Kreises selbst an, weil das nämlich einen Widerspruch in sich schließen würde. Weshalb aber hingegen die Substanz existiert, folgt ebenfalls aus der bloßen Natur derselben, welche nämlich die Existenz in sich schließt (s. Lehrsatz 7). Der Grund aber, weshalb ein Kreis oder ein Dreieck existiert oder nicht existiert, folgt nicht aus ihrer Natur, sondern aus der Ordnung der Natur aller Körper; denn aus dieser muß folgen, daß entweder das Dreieck mit Notwendigkeit bereits existiert oder daß es unmöglich ist, daß es bereits existiert. Dies ist doch wohl selbstverständlich. Hieraus folgt, daß dasjenige mit Notwendigkeit existiert, wovon kein Grund und keine Ursache vorhanden ist, welche es verhinderte zu existieren. Wenn es daher keinen Grund und keine Ursache geben kann, welche verhinderte, daß Gott existiert oder welche seine Existenz aufheben würde, so muß unbedingt gefolgert werden, daß er mit Notwendigkeit existiert. Gäbe es nun einen solchen Grund oder eine solche Ursache, so müßte sie entweder in der eigenen Natur Gottes liegen oder außerhalb derselben, d.h. in einer anderen Substanz von anderer Natur. Denn wäre sie von gleicher Natur, so wäre damit schon zugestanden, daß Gott ist. Eine Substanz aber, welche von anderer Natur wäre, hat nichts mit Gott gemein (nach Lehrsatz 2) und kann daher seine Existenz weder setzen noch aufheben.

Da es also einen Grund oder eine Ursache, welche die göttliche Existenz aufhebt, außerhalb der göttlichen Natur nicht geben kann, so müßte sie, wenn er nicht existieren würde, notwendig in der eigenen Natur Gottes liegen, welche mithin einen Widerspruch enthielte. Dies aber von dem absolut unendlichen und höchst vollkommenen Wesen zu behaupten, wäre widersinnig. Es gibt also weder in Gott noch außer Gott irgendeine Ursache oder einen Grund, welcher seine Existenz aufhebt. Folglich existiert Gott notwendig. – W.z.b.w.

Anderer Beweis

Nicht existieren können ist ein Unvermögen, existieren können dagegen ein Vermögen (was an sich klar ist). Wenn darum das, was schon notwendig existiert, nur endliche Wesen sind, so wären also endliche Wesen mächtiger als das absolut unendliche Wesen. Das ist (selbstverständlich) widersinnig. Somit existiert entweder nichts, oder das absolut unendliche Wesen existiert notwendig. Nun existieren wir selbst, entweder in uns oder in einem andern, welches notwendig existiert (s. Axiom I und Lehrsatz 7). Folglich muß das absolut unendliche Wesen, d.h. (nach Definition 6) Gott, notwendig existieren. – W.z.b.w.

Anmerkung

In diesem letzten Beweis wollte ich das Dasein Gottes a posteriori nachweisen, damit der Beweis leichter begriffen werde, nicht aber darum, weil das Dasein Gottes auf derselben Grundlage auch nicht a priori zu folgern wäre. Denn da existieren können ein Vermögen ist, so folgt, daß je mehr Realität der Natur eines Dinges zukommt, es um so mehr Kraft aus sich hat zu existieren. Daher muß das absolut unendliche Wesen oder Gott ein absolut unendliches Vermögen zu existieren aus sich haben, und er muß darum absolut existieren.

Vielleicht werden viele die Beweiskraft dieses Beweises nicht leicht einsehen, weil sie gewohnt sind, nur solche Dinge zu betrachten, welche aus äußern Ursachen entspringen; dabei machten sie die Wahrnehmung, daß Dinge, welche schnell entstehen, d.h. leicht existieren, auch wieder leicht untergehen, und umgekehrt meinen sie, daß diejenigen Dinge schwieriger zu machen sind, d.h. nicht so leicht existieren, zu welchen nach ihren Begriffen mehr erforderlich ist.

Indessen, um diesen Vorurteilen entgegenzutreten, habe ich nicht nötig, hier zu zeigen, in welchem Sinne der Satz: »Was schnell entsteht, vergeht schnell« wahr sei; noch auch, ob rücksichtlich der ganzen Natur alles gleich leicht sei oder nicht. Es genügt vielmehr die eine Bemerkung, daß ich hier nicht von Dingen rede, die durch äußere Ursachen entstehen, sondern nur von Substanzen, welche (nach Lehrsatz 6) von keiner äußern Ursache hervorgebracht werden können. – Denn Dinge, die durch äußere Ursachen entstehen, mögen sie aus vielen Teilen bestehen oder aus wenigen, verdanken alles, was sie an Vollkommenheit oder Realität haben, der Kraft der äußern Ursache, ihre Existenz entspringt daher lediglich aus der Vollkommenheit der äußern Ursache, nicht der eigenen. Was hingegen die Substanz an Vollkommenheit hat, verdankt sie keiner äußern Ursache; daher muß auch ihre Existenz aus ihrer eigenen Natur allein folgen, welche demnach nichts anderes ist als ihr Wesen. Die Vollkommenheit hebt somit die Existenz eines Dinges nicht auf, sondern setzt sie vielmehr; die Unvollkommenheit hingegen hebt dieselbe auf. Daher können wir über die Existenz keines Dinges mehr Gewißheit haben als über die Existenz des absolut unendlichen oder vollkommenen Wesens, d.h. Gottes. Denn da sein Wesen alle Unvollkommenheit ausschließt und absolute Vollkommenheit in sich schließt, so hebt es eben dadurch jeden Grund, an seiner Existenz zu zweifeln, auf und gibt darüber die höchste Gewißheit. Wer nur einigermaßen aufmerkt, wird dies, denke ich, einleuchtend finden.

Zwölfter Lehrsatz

Kein Attribut einer Substanz kann richtig begriffen sein, wenn aus dessen Begriff folgen würde, daß die Substanz geteilt werden könne.

Beweis

Denn die Teile, in welche die Substanz, so begriffen, geteilt würde, würden entweder die Natur der Substanz behalten oder nicht. Ist das erstere der Fall, so müßte (nach Lehrsatz 8) jeder Teil unendlich sein, er müßte auch (nach Lehrsatz 6) Ursache seiner selbst sein und (nach Lehrsatz 5) aus verschiedenen Attributen bestehen. So könnten aus Einer Substanz mehrere Substanzen sich bilden, was (nach Lehrsatz 6) widersinnig ist. Hierzu kommt noch, daß die Teile (nach Lehrsatz 2) nichts mit ihrem Ganzen gemein hätten und das Ganze (nach Definition 4 und Lehrsatz 10) ohne seine Teile sowohl sein als auch begriffen werden könnte; eine Widersinnigkeit, die niemand verkennen wird. Würde aber der zweite Fall angenommen, daß nämlich die Teile die Natur der Substanz nicht behalten, so würde folglich die Substanz, wenn sie in gleiche Teile geteilt würde, die Natur der Substanz verlieren und zu sein aufhören; was (nach Lehrsatz 7) widersinnig wäre.

Dreizehnter Lehrsatz

Die absolut unendliche Substanz ist unteilbar.

Beweis

Wäre sie teilbar, so würden die Teile, in welche sie geteilt würde, die Natur der absolut unendlichen Substanz entweder behalten oder nicht behalten. Im ersten Fall würden sich mehrere Substanzen von gleicher Natur ergeben, was (nach Lehrsatz 5) widersinnig wäre. Im zweiten Fall würde sich ergeben (wie oben gezeigt), daß die absolut unendliche Substanz aufhören könnte zu sein, was (nach Lehrsatz 11) gleichfalls widersinnig wäre.

Zusatz

Hieraus folgt, daß keine Substanz und folglich keine körperliche Substanz, sofern sie Substanz, teilbar ist.

Anmerkung

Daß die Substanz unteilbar ist, wird noch einfacher daraus allein erkannt, daß man die Natur der Substanz nicht anders denn als unendlich begreifen kann, während unter einem Teil der Substanz nichts anderes verstanden werden kann als eine endliche Substanz; was (nach Lehrsatz 8) einen offenbaren Widerspruch enthielte.

Vierzehnter Lehrsatz

Außer Gott kann es eine Substanz weder geben, noch kann eine solche begriffen werden.

Beweis

Da Gott das absolut unendliche Wesen ist, an dem kein Attribut, welches das Wesen der Substanz ausdrückt, verneint werden kann (nach Definition 6) und derselbe notwendig existiert (nach Lehrsatz 11), so mußte, wenn es eine Substanz außer Gott gäbe, dieselbe durch irgendein Attribut Gottes ausgedrückt werden, und so wären zwei Substanzen von gleichem Attribut vorhanden, was (nach Lehrsatz 3) widersinnig wäre. Somit kann es keine Substanz außer Gott geben, und folglich kann eine solche auch nicht begriffen werden. Denn könnte eine solche begriffen werden, so müßte sie notwendig als existierend begriffen werden, was aber (nach dem ersten Teil dieses Beweises) widersinnig ist. Folglich kann außer Gott keine Substanz vorhanden sein noch begriffen werden. – W.z.b.w.

Zusatz I

Hieraus folgt aufs deutlichste erstens: daß Gott einzig ist, d.h. (nach Definition 6), daß es in der Natur nur Eine Substanz gibt und daß dieselbe absolut unendlich ist, wie in der Anmerkung zu Lehrsatz 10 bereits angedeutet wurde.

Zusatz II

Es folgt hieraus zweitens: daß das ausgedehnte Ding und das denkende Ding entweder Attribute Gottes sind oder (nach Axiom I) Erregungen der Attribute Gottes.

Fünfzehnter Lehrsatz

Alles, was ist, ist in Gott, und nichts kann ohne Gott sein noch begriffen werden.

Beweis

Außer Gott gibt es keine Substanz und kann auch keine begriffen werden (nach Lehrsatz 14), d.h. (nach Definition 3) kein Ding, das in sich ist und durch sich begriffen wird. Die Daseinsformen (Modi) aber können (nach Definition 5) ohne die Substanz weder sein noch begriffen werden. Somit können sie nur in der göttlichen Natur sein und nur durch sie begriffen werden. Außer den Substanzen und ihren Daseinsformen gibt es aber nichts (nach Axiom I). Folglich kann ohne Gott nichts sein noch begriffen werden. – W.z.b.w.

Anmerkung

Es gibt Menschen, welche sich Gott wie einen Menschen vorstellen, aus Körper und Geist bestehend und den Leidenschaften unterworfen. Wie weit aber diese von dem richtigen Begriff Gottes entfernt sind, ergibt sich aus dem, was bereits bewiesen worden, zur Genüge. Doch lasse ich diese beiseite; denn alle, welche Über die göttliche Natur nur einigermaßen nachgedacht haben, verneinen die Körperlichkeit Gottes. Unter anderem beweisen sie das am besten damit, daß man unter Körper eine lange, breite und hohe Masse von bestimmter Form versteht, während es nichts Widersinnigeres geben könne, als dies von Gott, dem absolut unendlichen Wesen, zu sagen. – Indessen zeigen sie doch durch andere Gründe, womit sie dies zu beweisen suchen, deutlich, daß sie die körperliche oder ausgedehnte Substanz selbst von der göttlichen Natur ganz und gar fernhalten, und zwar behaupten sie, dieselbe sei von Gott geschaffen. Aus welcher göttlichen Macht aber dieselbe geschaffen werden konnte, darüber wissen sie nicht das geringste; was deutlich zeigt, daß sie das, was sie sagen, selbst nicht verstehen. Meiner Meinung nach wenigstens habe ich klar genug bewiesen (s. Zusatz zu Lehrsatz 6 und Anmerkung 2 zu Lehrsatz 8), daß keine Substanz von einer andern hervorgebracht oder geschaffen werden kann. Weiter habe ich (Lehrsatz 14) gezeigt, daß es außer Gott keine Substanz geben und keine begriffen werden kann, und daraus habe ich den Schluß gezogen, daß die ausgedehnte Substanz eines von den unendlichen Attributen Gottes sei.

Um jedoch die Sache vollständig klarzumachen, will ich die Beweisgründe der Gegner widerlegen, welche sämtlich auf folgendes hinauslaufen.

Erstens meinen sie, daß die körperliche Substanz, als Substanz, aus Teilen bestehe; daher verneinen sie, daß dieselbe unendlich sein und folglich auch, daß sie zu Gott gehören könne. Sie entwickeln das auch an vielen Beispielen, von welchen ich das eine oder andere anführen will. Gesetzt, sagen sie, die körperliche Substanz sei unendlich, so nehme man an, daß sie in zwei Teile geteilt würde; jeder Teil wird entweder endlich oder unendlich sein. Ist ersteres der Fall, so wäre das Unendliche aus zwei endlichen Teilen zusammengesetzt, was widersinnig wäre. Im letzteren Fall gäbe es ein Unendliches, das doppelt so groß wäre als ein anderes Unendliche, was gleichfalls widersinnig wäre.

Ferner: Wenn eine unendliche Größe mit einem Maß von der Größe eines Fußes gemessen wird, so muß sie aus unendlich vielen solchen Teilen bestehen und ebenso, wenn sie mit einem Maß von der Größe einer Fingerbreite (eines Zolls) gemessen würde. Demnach wäre eine unendliche Zahl zwölfmal größer als eine andere unendliche Zahl.

Endlich: Wenn man sich aus einem Punkte einer unendlichen Größe zwei Linien, wie AB und AC (s. Figur), gezogen denkt, die sich anfangs in einem gewissen und bestimmten Abstand voneinander entfernen und ins unendliche verlängert werden, so wird sicherlich der Abstand zwischen B und C fortwährend zunehmen und schließlich aus einem endlichen ein unendlicher werden.

Da also, wie sie meinen, dergleichen Widersinnigkeiten sich daraus ergeben würden, daß eine unendliche Quantität angenommen wird, so folgern sie, daß die körperliche Substanz endlich sein müsse und daß sie folglich nicht zum Wesen Gottes gehöre.

Ein weiterer Beweisgrund wird gleichfalls der höchsten Vollkommenheit Gottes entnommen. Gott, sagen sie, könne als höchst vollkommenes Wesen nicht leidend sein; die körperliche Substanz aber könne leidend sein, da sie ja teilbar ist, woraus folgt, daß sie zum Wesen Gottes nicht gehört.

Das sind die bei den Schriftstellern sich findenden Beweise, womit sie zu zeigen versuchen, daß die körperliche Substanz der göttlichen Natur unwürdig sei und nicht zu ihr gehören könne.

Wer indessen genau aufmerkt, wird finden, daß ich bereits darauf geantwortet habe; da ja alle diese Beweise sich nur auf die Annahme gründen, daß die körperliche Substanz aus Teilen zusammengesetzt ist, was aber von mir bereits (in Lehrsatz 12, verglichen mit Zusatz zu Lehrsatz 13) als widersinnig erwiesen wurde.

Wer ferner die Sache richtig erwägt, wird merken, daß alle jene Widersinnigkeiten (wenn es in der Tat solche sind, worüber ich jetzt nicht streite), aus welchen geschlossen werden will, daß die ausgedehnte Substanz endlich sei, keineswegs aus der Annahme einer unendlichen Quantität folgen, sondern aus der Annahme, daß die unendliche Quantität meßbar und aus endlichen Teilen zusammengesetzt sei. Aus den gefolgerten Widersinnigkeiten kann daher nur geschlossen werden, daß die unendliche Quantität nicht meßbar ist und nicht aus endlichen Teilen zusammengesetzt sein kann. Eben dies ist es nun aber, was ich oben (Lehrsatz 12 usw.) bereits bewiesen habe. Der Pfeil, welchen jene gegen mich abschnellen, trifft daher in Wahrheit sie selbst.

Wenn sie nun aber selbst aus dieser ihrer Widersinnigkeit schließen wollen, daß die ausgedehnte Substanz endlich sein müsse, so ist dies wahrlich ganz ebenso, als wenn jemand sich einbildet, der Kreis habe die Eigenschaften des Vierecks, und nun den Schluß daraus zieht, daß der Kreis keinen Mittelpunkt habe, dessen sämtliche nach der Peripherie gezogenen Linien einander gleich sind. Denn die körperliche Substanz, welche doch nur als unendlich, nur als einzig und nur als unteilbar begriffen werden kann (s. die Lehrsätze 8, 5 und 12), denken sie sich aus endlichen Teilen bestehend, vielfach und teilbar, umschließen zu können, daß sie endlich sei. So wissen auch andere, welche sich einbilden, eine Linie sei aus Punkten zusammengesetzt, viele Beweise dafür beizubringen, daß eine Linie nicht ins unendliche teilbar sei. Und in der Tat ist es nicht minder widersinnig zu behaupten, daß die körperliche Substanz aus Körpern oder Teilen zusammengesetzt sei, als zu behaupten, ein Körper sei aus Flächen, die Flächen seien aus Linien, die Linien endlich aus Punkten zusammengesetzt.

Alle, welche wissen, daß die klare Vernunft untrüglich ist, müssen das zugeben, besonders aber diejenigen, welche behaupten, es gäbe keinen leeren Raum. Denn wem, die körperliche Substanz so geteilt werden könnte, daß ihre Teile in der Wirklichkeit verschieden wären, warum sollte nicht ein Teil vernichtet werden können, während die andern Teile, wie zuvor, untereinander verbunden blieben? Warum müssen alle so zusammenpassen, daß es keinen leeren Raum gibt? Kann doch unter Dingen, welche tatsächlich voneinander unterschieden sind, eins sehr wohl ohne das andere sein und in seinem Zustand verbleiben. Da es also in der Natur keinen leeren Raum gibt (worüber anderwärts), sondern alle Teile sich derart miteinander vereinigen müssen, daß es keinen leeren Raum gibt, so folgt auch daraus, daß sie in Wirklichkeit nicht unterschieden sein können, d.h., daß die körperliche Substanz als Substanz nicht geteilt werden kann.

Fragt aber nun jemand, weshalb der Mensch von Natur aus so sehr geneigt sei, die Quantität zu teilen, so antworte ich, daß die Quantität auf zweifache Weise von uns begriffen wird, einmal abstrakt oder äußerlich, so nämlich, wie man sich dieselbe sinnlich vorstellt, und dann als Substanz, was vom Verstand allein geschieht. Richtet sich unsere Betrachtung auf die Quantität, wie sie die sinnliche Vorstellung auffaßt, was häufig und leichter von uns geschieht, so erscheint sie endlich, teilbar und aus Teilen zusammengesetzt; richtet sich aber unsere Betrachtung auf dieselbe, wie sie der Verstand allein auffaßt, und begreifen wir sie als Substanz, was sehr schwierig ist, dann erscheint sie, wie ich bereits zur Genüge bewiesen habe, unendlich, einzig und unteilbar. Dies wird allen, welche zwischen sinnlicher Vorstellung und Verstand zu unterscheiden wissen, hinlänglich klar sein; besonders wenn man noch bedenkt, daß die Materie überall dieselbe ist und daß Teile an derselben bloß unterschieden werden können, sofern wir sie auf verschiedene Weise erregt vorstellen; weshalb sich ihre Teile nur in bezug auf die Daseinsform, nicht aber gegenständlich unterscheiden lassen. Wir begreifen z.B., daß das Wasser, sofern es Wasser ist geteilt werden kann und daß sich seine Bestandteile voneinander trennen lassen; nicht aber, sofern es körperliche Substanz ist, denn als solche kann es weder getrennt noch geteilt werden. Ferner: Wasser als Wasser entsteht und vergeht, als Substanz dagegen entsteht es und vergeht es nicht. – Damit glaube ich auch auf den zweiten Einwand geantwortet zu haben, da sich derselbe gleichfalls darauf gründet, daß die Materie als Substanz teilbar und aus Teilen zusammengesetzt sein soll.

Indessen, auch davon abgesehen, sehe ich gar nicht ein, weshalb die Materie der göttlichen Natur unwürdig sein soll, da es doch (nach Lehrsatz 14) außer Gott keine Substanz geben kann, von welcher sie leiden könnte. Alles, sage ich, ist in Gott, und alles, was geschieht, geschieht einzig und allein durch die Gesetze der unendlichen Natur Gottes und folgt aus der Notwendigkeit seines Wesens (wie ich bald zeigen werde). Daher kann in keiner Weise gesagt werden, daß Gott von etwas anderem leide oder daß die ausgedehnte Substanz der göttlichen Natur unwürdig sei, selbst wenn ihr Teilbarkeit zugeschrieben würde, sobald ihr nur Ewigkeit und Unendlichkeit zugestanden wird.

Doch für jetzt genug hiervon.

Sechzehnter Lehrsatz

Aus der Notwendigkeit der göttlichen Natur muß Unendliches auf unendliche Weisen (d.h. alles, was von dem unendlichen Denken erfaßt werden kann) folgen.

Beweis

Dieser Lehrsatz muß jedem einleuchten, der erwägt, daß der Verstand aus der gegebenen Definition eines jeden Dinges viele Eigenschaften folgert, welche auch tatsächlich aus derselben (d.h. aus dem Wesen des Dinges selbst) notwendig folgen, und zwar um so mehr, je mehr Realität die Definition des Dinges ausdrückt, d.h. je mehr Realität das Wesen des definierten Dinges einschließt. Da aber die göttliche Natur absolut unendliche Attribute hat (nach Definition 6), von denen jedes gleichfalls ein unendliches Wesen in seiner Art ausdrückt, so muß folglich aus ihrer Notwendigkeit Unendliches auf unendliche Weisen (d.h. alles, was von dem unendlichen Denken erfaßt werden kann) notwendig folgen. – W.z.b.w.

Zusatz I

Hieraus folgt erstens, daß Gott die wirkende Ursache aller Dinge ist, welche von dem unendlichen Verstand erfaßt werden können.

Zusatz II

Hieraus folgt zweitens, daß Gott diese Ursache durch sich ist, nicht aber durch ein Nebensächliches (Hinzukommendes).

Zusatz III

Hieraus folgt drittens, daß Gott absolut die erste Ursache ist.

Siebzehnter Lehrsatz

Gott handelt nur nach den Gesetzen seiner Natur und von niemand gezwungen.

Beweis

Daß aus der Notwendigkeit der göttlichen Natur oder (was dasselbe ist) aus den bloßen Gesetzen seiner Natur Unendliches absolut folgt, habe ich soeben, im 16. Lehrsatz, gezeigt, und im 15. Lehrsatz habe ich bewiesen, daß ohne Gott nichts ist und nichts begriffen werden kann, daß vielmehr alles in Gott ist. Es kann daher nichts außer ihm sein, von dem er zum Handeln bestimmt oder gezwungen würde. Und daher handelt Gott nur nach den Gesetzen seiner Natur und von niemand gezwungen. – W.z.b.w.

Zusatz I

Hieraus folgt erstens, daß es keine Ursache gibt, welche Gott von außen oder von innen zum Handeln erregt, außer der Vollkommenheit seiner eigenen Natur.

Zusatz II

Hieraus folgt zweitens, daß Gott allein eine freie Ursache ist. Denn Gott allein existiert nach der bloßen Notwendigkeit seiner Natur (nach Lehrsatz 11 und Zusatz zu Lehrsatz 14) und handelt nach der bloßen Notwendigkeit seiner Natur (nach dem vorigen Lehrsatz). Daher kann (nach Definition 7) er allein freie Ursache sein. – W.z.b.w.

Anmerkung

Andere meinen, Gott sei deshalb freie Ursache, weil er, wie sie glauben, bewirken kann, daß das, wovon ich sagte, daß es aus seiner Natur folgt, d.h., was in seiner Macht steht, nicht geschehe oder von ihm nicht hervorgebracht werde. Das aber wäre geradeso, als ob sie sagten, Gott könne machen, daß aus der Natur des Dreiecks nicht folge, daß dessen drei Winkel zwei rechten Winkeln gleich wären oder daß aus einer gegebenen Ursache keine Wirkung folge, was widersinnig ist. Ferner werde ich unten ohne Zuhilfenahme dieses Lehrsatzes zeigen, daß zur Natur Gottes weder Verstand noch Wille gehört.

Ich weiß allerdings, daß viele meinen, sie könnten beweisen, daß zur Natur Gottes der höchste Verstand und der freie Wille gehöre; denn sie sagen, daß sie nichts Vollkommeneres kennen, das sie Gott zuschreiben können, als das, was bei uns die höchste Vollkommenheit ist. Ferner, obgleich sie Gott als den tatsächlich Höchstdenkenden begreifen, glauben sie doch nicht, daß er alles, was er tatsächlich denkt, auch ausführen könne, so daß es existiert, denn damit glauben sie die Macht Gottes umzustoßen. Wenn, sagen sie, Gott alles, was in seinem Denken ist, erschaffen hätte, so könnte er ja nichts weiter erschaffen, und dies widerstreitet nach ihrer Meinung der Allmacht Gottes. Daher behaupten sie lieber, Gott sei gegen alles indifferent, und er erschaffe nichts anderes als das, was er nach irgendeinem absoluten Willen zu schaffen beschlossen habe.

Ich glaube jedoch deutlich genug gezeigt zu haben (s. Lehrsatz 16), daß aus der höchsten Macht Gottes oder seiner unendlichen Natur Unendliches auf unendliche Weisen, d.h. alles, mit Notwendigkeit hervorgegangen ist oder stets mit gleicher Notwendigkeit folgte, wie aus der Natur des Dreiecks von Ewigkeit her und in alle Ewigkeit folgt, daß dessen drei Winkel zwei rechten Winkeln gleich sind. Daher ist die Allmacht Gottes von Ewigkeit her wirksam gewesen und wird in alle Ewigkeit in derselben Wirksamkeit verharren.

Auf diese Weise wird die Allmacht Gottes, nach meiner Ansicht wenigstens, als eine weit vollkommenere hingestellt. Ja, die Gegner scheinen die Allmacht Gottes (es sei mir verstattet, offen zu reden) eigentlich zu leugnen. Sie sind nämlich gezwungen einzuräumen, daß Gott Unendliches als erschaffbar denkt, was er doch niemals wird erschaffen können. Denn andernfalls, wenn er nämlich alles, was er denkt, erschaffen würde, würde er, nach ihrer Annahme, seine Allmacht erschöpfen und damit unvollkommen werden. Um also Gott als vollkommen hinzustellen, kommen sie dahin, daß sie zugleich behaupten müssen, Gott könne nicht alles bewirken, worauf seine Macht sich erstreckt. Ich kann mir nicht denken daß eine widersinnigere und mit Gottes Allmacht in stärkerem Widerspruch stehende Ansicht ersonnen werden könnte.

Nun möchte ich auch noch über Verstand und Wille (Denken und Wollen), die wir gewöhnlich Gott zuschreiben, etwas sagen. – Wenn dieselben, nämlich Verstand und Wille, zum ewigen Wesen Gottes gehören, so muß unter jedem dieser beiden Attribute sicherlich etwas anderes verstanden werden, als was man gewöhnlich darunter versteht. Der Verstand und der Wille, welche Gottes Wesen ausmachen würden, müßten von unserm Verstand und Willen himmelweit verschieden sein und könnten bloß dem Namen nach sich gleichen; nämlich nicht anders, als das Sternbild Hund und das bellende Tier Hund einander gleichen. Ich beweise das also:

Wenn der Verstand zur göttlichen Natur gehört, so wird er nicht, wie unser Verstand, später als die gedachten Dinge (wie die meisten annehmen) oder gleichzeitig mit ihnen von Natur aus sein können, da ja Gott ursächlich früher ist als alle Dinge (nach Zusatz I zu Lehrsatz 16); vielmehr ist die Wahrheit und das formale Wesen der Dinge darum so, wie sie sind, weil sie im Verstand Gottes also objektiv existieren. Daher ist der Verstand Gottes, sofern er als das Wesen Gottes ausmachend begriffen wird, in Wahrheit die Ursache der Dinge sowohl ihres Wesens als auch ihrer Existenz; was auch von denen bemerkt worden zu sein scheint, welche erklären, daß Gottes Verstand, Wille und Macht eins und dasselbe sind. Da also der Verstand Gottes die einzige Ursache der Dinge ist, nämlich (wie ich gezeigt habe) sowohl ihres Wesens als auch ihrer Existenz, so muß er selbst notwendig von den Dingen verschieden sein sowohl in Hinsicht ihres Wesens als auch in Hinsicht ihrer Existenz. Denn das Verursachte unterscheidet sich von seiner Ursache genau in dem, was es von der Ursache hat. So z.B. ist ein Mensch die Ursache der Existenz, nicht aber des Wesens eines andern Menschen, denn dieses ist eine ewige Wahrheit. Darum können sie dem Wesen nach vollständig einander gleich sein, in der Existenz aber müssen sie sich voneinander unterscheiden. Und darum, wenn die Existenz des einen aufhört, hört darum nicht die Existenz des andern auf; wenn aber das Wesen des einen zerstört wird und sich als falsch erweisen könnte, so würde auch das Wesen des andern zerstört werden. Deshalb muß das Ding, welches die Ursache sowohl des Wesens als auch der Existenz einer Wirkung ist, sich von dieser Wirkung unterscheiden sowohl in Hinsicht des Wesens als auch in Hinsicht der Existenz. Nun ist aber der Verstand Gottes die Ursache sowohl des Wesens als auch der Existenz unseres Denkens: folglich ist der Verstand Gottes, sofern er als das göttliche Wesen ausmachend begriffen wird, von unserem Verstand sowohl in Hinsicht des Wesens als auch in Hinsicht der Existenz verschieden, und er kann in nichts als nur im Namen ihm gleich sein, wie ich behauptete.

Bezüglich des Willens wird der Beweis ebenso geführt, was jeder leicht einsehen kann.

Achtzehnter Lehrsatz

Gott ist die innewohnende, nicht aber die überlegende Ursache aller Dinge.

Beweis

Alles, was ist, ist in Gott und muß durch Gott begriffen werden (nach Lehrsatz 15), und darum ist Gott (nach Zusatz I zu Lehrsatz 16) die Ursache aller Dinge, die in ihm sind. Damit ist das erste bewiesen. – Sodann kann es außer. Gott keine Substanz geben (nach Lehrsatz 14), d.h. (nach Definition 3) kein Ding, das außer Gott in sich ist. Damit ist das zweite bewiesen. – Somit ist Gott die innewohnende, nicht aber die übergehende Ursache aller Dinge. – W.z.b.w.

Neunzehnter Lehrsatz

Gott oder alle Attribute Gottes sind ewig.

Beweis

Denn Gott ist (nach Definition 6) die Substanz, welche (nach Lehrsatz 11) notwendig existiert, d.h. (nach Lehrsatz 7) zu dessen Natur die Existenz gehört oder (was dasselbe ist) aus dessen Definition folgt, daß er existiert, und also (nach Definition 3) ist er ewig. – Sodann ist unter Attribute Gottes das zu verstehen, was (nach Definition 4) das Wesen der göttlichen Substanz ausdrückt, d.h. das, was zur Substanz gehört. Eben dies, sage ich, müssen die Attribute selbst enthalten. Nun gehört zur Natur der Substanz (wie ich schon aus Lehrsatz 7 bewiesen habe) die Ewigkeit. Folglich muß jedes Attribut die Ewigkeit in sich schließen, und also sind sie alle ewig. – W.z.b.w.

Anmerkung

Dieser Satz erhellt auch sehr deutlich aus der Art, wie ich (in Lehrsatz 11) die Existenz Gottes bewiesen habe. Aus diesem Beweise, sage ich, ergibt sich, daß das Dasein Gottes wie auch sein Wesen eine ewige Wahrheit ist. – Ich habe übrigens (im 19. Lehrsatz der Prinzipien des Cartesius) die Ewigkeit Gottes noch auf andere Weise bewiesen und brauche dies hier nicht zu wiederholen.

Zwanzigster Lehrsatz

Die Existenz Gottes und sein Wesen sind eins und dasselbe.

Beweis

Gott und seine sämtlichen Attribute sind (nach dem vorigen Lehrsatz) ewig, d.h. (nach Definition 8), jedes seiner Attribute drückt die Existenz aus. Dieselben Attribute Gottes also, welche (nach Definition 4) das ewige Wesen Gottes darstellen, stellen zugleich seine ewige Existenz dar; d.h. eben das, was das Wesen Gottes ausmacht, macht zugleich seine Existenz aus. Daher ist diese und sein Wesen eins und dasselbe. – W.z.b.w.

Zusatz I

Hieraus folgt erstens, daß das Dasein Gottes ebenso, wie sein Wesen eine ewige Wahrheit ist.

Zusatz II

Hieraus folgt zweitens, daß Gott oder alle Attribute Gottes unveränderlich sind. Denn wenn sie sich hinsichtlich ihrer Existenz veränderten, müßten sie sich auch (nach dem vorigen Lehrsatz) hinsichtlich ihres Wesens verändern, d.h. (wie sich von selbst versteht) aus wahren zu falschen werden, und das wäre widersinnig.

Einundzwanzigster Lehrsatz

Alles, was aus der absoluten Natur eines Attributs Gottes folgt, mußte immer und unendlich existieren oder ist eben durch dieses Attribut ewig und unendlich.

Beweis

Man nehme (falls man dies bestreitet) womöglich an, daß aus der absoluten Natur Gottes etwas in einem Attribut Gottes erfolgt, was endlich ist und eine beschränkte Existenz oder Dauer hat, z.B. die Idee Gottes im Denken. Nun ist aber das Denken, da es ja als Attribut Gottes angenommen wird (nach Lehrsatz 11), seiner Natur nach notwendig unendlich. Sofern es dagegen eine Idee Gottes hat, wird es als endlich angenommen. Es kann aber (nach Definition 2) nur als endlich begriffen werden, wenn es durch das Denken selbst beschränkt wird. Dies kann nun aber nicht durch das Denken geschehen, sofern es die Idee Gottes ausmacht, denn insofern wird es als endlich angenommen. Also durch das Denken, sofern es die Idee Gottes nicht ausmacht, das aber (nach Lehrsatz 11) notwendig existieren muß. Es gibt also ein Denken, welches die Idee Gottes nicht ausmacht, weshalb aus seiner Natur, sofern es absolutes Denken ist, nicht notwendig die Idee Gottes folgt. (Denn es wird ein Denken begriffen, welches die Idee Gottes ausmacht, und ein Denken, welches sie nicht ausmacht.) Dies ist aber gegen die Voraussetzung. – Folglich, wenn die Idee Gottes im Denken oder irgend etwas (es ist einerlei, was genommen wird, da ja der Beweis allgemein gültig ist) in irgendeinem Attribut Gottes aus der Notwendigkeit der absoluten Natur dieses Attributs folgt, so muß es notwendig unendlich sein. Dies das erste, was zu beweisen war.

Ferner kann das, was aus der Notwendigkeit der Natur eines Attributs auf diese Weise folgt, eine beschränkte Dauer haben. Denn wenn man dies bestreitet, so nehme man an, in irgendeinem Attribut Gottes gäbe es ein Ding, das aus der Notwendigkeit der Natur irgendeines Attributs folgt, z.B. die Idee Gottes im Denken, und von dieser nehme man an, daß sie zu irgendeiner Zeit nicht existiert habe oder nicht existieren werde. Da aber das Denken als Attribut Gottes angenommen wird, so muß es sowohl notwendig als auch unveränderlich existieren (nach Lehrsatz 11 und Zusatz II zu Lehrsatz 20). Über die Grenzen der Dauer der Idee Gottes hinaus (da angenommen wird, daß sie zu irgendeiner Zeit nicht dagewesen sei oder nicht dasein werde) müßte daher das Denken ohne die Idee Gottes existieren. Dies ist aber gegen die Voraussetzung; da angenommen wird, daß aus dem gegebenen Denken notwendig die Idee Gottes folgt. Folglich kann die Idee Gottes im Denken oder sonst etwas, was notwendig aus der absoluten Natur irgendeines Attributs Gottes folgt, keine beschränkte Dauer haben, sondern ist durch eben dieses Attribut ewig. Dies das zweite, was zu beweisen war.

Man beachte, daß dasselbe von jedem Ding behauptet werden muß, welches in irgendeinem Attribut Gottes aus der absoluten Natur Gottes notwendig folgt.

Zweiundzwanzigster Lehrsatz

Alles, was aus einem andern Attribut Gottes folgt, sofern dasselbe durch eine solche Modifikation modifiziert ist, welche sowohl notwendig als unendlich durch dasselbe existiert, muß ebenfalls sowohl notwendig als unendlich existieren.

Beweis

Der Beweis dieses Lehrsatzes wird ebenso geführt wie der Beweis des vorigen.

Dreiundzwanzigster Lehrsatz

Jeder Modus, welcher sowohl notwendig als auch unendlich existiert, hat notwendig erfolgen müssen entweder aus der absoluten Natur irgendeines Attributs Gottes oder aus irgendeinem Attribut, das durch eine solche Modifikation modifiziert ist, welche sowohl notwendig als auch unendlich existiert.

Beweis

Denn der Modus ist in einem andern, durch welches er begriffen werden muß (nach Definition 5), d.h. (nach Lehrsatz 15), er ist bloß in Gott und kann bloß durch Gott begriffen werden. Wenn also ein Modus als notwendig existierend und unendlich seiend begriffen wird, so muß beides notwendig geschlossen oder erkannt werden durch irgendein Attribut Gottes, sofern dasselbe so begriffen wird, daß es Unendlichkeit und Notwendigkeit der Existenz oder (was nach Definition 8 dasselbe ist) Ewigkeit ausdrückt, d.h. (nach Definition 6 und Lehrsatz 19), sofern es absolut betrachtet wird. Also hat der Modus, welcher sowohl notwendig als auch unendlich existiert, aus der absoluten Natur eines göttlichen Attributs folgen müssen, und zwar entweder unmittelbar (worüber Lehrsatz 21) oder mittelbar durch eine Modifikation, welche aus dessen absoluter Natur folgt, d.h. (nach dem vorigen Lehrsatz), welche sowohl notwendig als auch unendlich existiert. – W.z.b.w.

Vierundzwanzigster Lehrsatz

Das Wesen der von Gott hervorgebrachten Dinge schließt die Existenz nicht ein.

Beweis

Der Satz erhellt aus Definition 1. Denn das, dessen Natur (nämlich an sich betrachtet) die Existenz einschließt, ist Ursache seiner selbst und existiert nach der bloßen Notwendigkeit seiner Natur.

Zusatz

Hieraus folgt, daß Gott nicht bloß die Ursache ist, daß die Dinge zu existieren anfangen, sondern auch, daß sie im Existieren verharren oder (um mich eines scholastischen Ausdrucks zu bedienen) daß Gott die »Seinsursache« der Dinge ist. Denn, mögen die Dinge existieren oder nicht existieren, sobald wir auf ihr Wesen achten, finden wir, daß dasselbe weder Existenz noch Dauer in sich schließt. Ihr Wesen kann daher die Ursache weder ihrer Existenz noch ihrer Dauer sein, sondern nur Gott, zu dessen Natur allein schon die Existenz gehört (nach Zusatz I zu Lehrsatz 14).

Fünfundzwanzigster Lehrsatz

Gott ist nicht nur die wirkende Ursache der Existenz, sondern auch des Wesens der Dinge.

Beweis

Verneint man dieses, so wäre also Gott nicht die Ursache des Wesens der Dinge. Es kann also (nach Axiom IV) das Wesen der Dinge ohne Gott begriffen werden. Das aber ist (nach Lehrsatz 15) widersinnig. Also ist Gott auch die Ursache des Wesens der Dinge. – W.z.b.w.

Anmerkung

Dieser Lehrsatz folgt deutlicher noch aus Lehrsatz 16. Denn aus diesem folgt, daß aus der gegebenen göttlichen Natur sowohl das Wesen der Dinge als auch ihre Existenz notwendig geschlossen werden muß; und, um es kurz zu sagen, in dem Sinne, in welchem Gott die Ursache seiner selbst heißt, muß er auch die Ursache aller Dinge heißen, was sich noch deutlicher aus dem folgenden Zusatz ergibt.

Zusatz

Die einzelnen Dinge sind nichts als Erregungen oder Daseinsformen (modi), durch welche die Attribute Gottes auf gewisse und bestimmte Weise ausgedrückt werden. Der Beweis erhellt aus Lehrsatz 15 und Definition 5.

Sechsundzwanzigster Lehrsatz

Ein Ding, welches bestimmt ist, irgend etwas zu wirken, ist notwendig von Gott also bestimmt worden, und ein Ding, welches von Gott nicht bestimmt worden ist, kann nicht sich selbst zum Wirken bestimmen.

Beweis

Dasjenige, wegen dessen man von den Dingen sagt, daß sie bestimmt sind, irgend etwas zu wirken, muß notwendig etwas Positives sein (was an sich klar ist); daher ist Gott aus der Notwendigkeit seiner Natur (nach den Lehrsätzen 25 und 16) die wirkende Ursache sowohl von dessen Wesen als auch von dessen Existenz. Damit ist das erste bewiesen. – Daraus folgt aber auch die zweite Aufstellung des Lehrsatzes aufs deutlichste. Denn wenn ein Ding, das von Gott nicht bestimmt ist, sich selbst bestimmen könnte, so würde der erste Teil dieses Satzes falsch sein; was widersinnig ist, wie gezeigt worden.

Siebenundzwanzigster Lehrsatz

Ein Ding, das von Gott bestimmt ist, etwas zu wirken kann nicht sich selbst zu einem nichtbestimmten machen.

Beweis

Dieser Lehrsatz erhellt aus Axiom III.

Achtundzwanzigster Lehrsatz

Alles Einzelne oder jedes Ding, welches endlich ist und eine bestimmte Existenz hat, kann nicht existieren und nicht zum Wirken bestimmt werden, wenn es nicht zum Existieren und zum Wirken von einer andern Ursache bestimmt wird, welche ebenfalls endlich ist und eine bestimmte Existenz hat. Und wiederum kann diese Ursache auch nicht existieren und nicht zum Wirken bestimmt werden, wenn sie nicht von einer andern, welche ebenfalls endlich ist und eine bestimmte Existenz hat, zum Existieren und Wirken bestimmt wird. Und so ins unendliche.