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Eva ist eine lebensfrohe, beruflich erfolgreiche Frau Anfang vierzig und die Hauptfigur dieses Wissen schaffenden Romans. Seit frühster Jugend verfolgt sie das Gefühl, etwas Geheimnisvolles beeinflusse ihr Leben, verbiete sich aber jede Offenbarung. Sie denkt, sie sei der Körper und habe ein Bewusstsein, sie weiß nicht, dass sie das Bewusstsein IST und für Körper, Emotionen und Verstand die Verantwortung HAT, seit Generationen bekannt, aber jeweils nur von Wenigen erkannt. Sie beginnt zu forschen, zunächst alleine, später mit einer kleinen Gruppe. Die klassische Wissenschaft kann nur bedingt mitwirken, die Gruppe muss selbst herausfinden, wie sie profundes Wissen zu schaffen vermag. Nach und nach gelingt es ihnen, die Schleier des Geheimnisses zu lüften und ein neues, ursächlicheres Verständnis menschlichen Lebens zu erlangen. Das Alleinstellungsmerkmal dieses Romans ist, modernen und in der Regel wissenschaftlich orientierten Menschen einen Weg aufzuzeigen, aus alltäglichen Erlebnissen entsprechende Einsichten und Kompetenzen zu gewinnen. Bitte nehmen Sie es als sehr ernst gemeinte Warnung: Allein das Lesen wird höchstwahrscheinlich bereits etwas in Ihnen verändern! Gegen Ende wagt Eva sogar einige vorsichtige Schritte in die Möglichkeiten rein geistigen Seins und stößt dabei auf verblüffende Parallelen zwischen uralten Weisheitslehren und modernster Kosmologie.
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Seitenzahl: 281
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Retep Lhok Brenner
mit einem Hauch von Samadhi
Information können Sie
kaufen, Wissen nur durch
persönliche Erfahrung
und Überlegung
erwerben.
Ein Wissen schaffender Roman
Die Frage des Bewusstseins hat mich immer interessiert.
Es begann mit der Frage:
Sind wir unser Körper oder unser Bewusstsein?
Was bildet uns?
Gene Roddenberry
Inhaltsverzeichnis
Prolog
Kapitel 1: Wer bin ich? Was bin ich?
Eva und die Genesis
Eva, der Körper
Eva, das Team
Einpflegen
Das Spiralprinzip
Eva, das Bewusstsein
Der Schlaf
Einschlafen
Erwachen
Bewusstsein und Wille
Schlaflose Nächte
Teetrinken
Zahnschmerzen
Tagesreste und Nachtreste
Träumen
Luzide Träume
Spiele mit Raum und Zeit
Dr. Jekyll and Mistress Hyde
Konklusion
Rückendeckung
Kapitel 2: Die wissenschaftliche Forschung
Vorgeschichte
Die Psychologie wird naturwissenschaftlich
Forschen als aktives Beobachten
Vom Eigentor der Wissenschaft
Addendum 1: Galilei versus Aristoteles
Addendum 2: Quantenphysik
Addendum 3: Statistik und Wahrscheinlichkeit
Addendum 4: Die Psychoanalyse
Addendum 5: Die christliche Kirche
Kapitel 3: Das Team 1. Teil
Der Status quo
Emotionales und rationales Gehirn
Körper und limbisches System
Der Terminus Bereiche
Emotionale Intelligenz
Mitspieler und Gegenspieler
Das unerzogene, innere Kind
Trauma und Ekstase
Subtile Verführung bis totale Überwältigung
Unerzogenes Kind oder wildes Tier?
Walther, andere Aufgaben, andere Methoden
Betriebssysteme
Gefühle und
Gefühle
Der Körper, träge, aber im Hier und Jetzt
Have a break
Kapitel 4: Das Team 2. Teil
Einheitlich wahrnehmen, individuell handeln
Lebendige und abstrakte Kommunikation
Lernen kann nur das Team selber
Bedeutungsvoll und bedeutungslos
Lernen als Nebenwirkung
Verlernen und Umlernen, das Unkraut jäten
Janina, willkommene Unterstützung
Wahrnehmungsfilter
Innere Anteile
Dissoziative Amnesie
Evas Geheimnis
Das Aufarbeiten emotionaler Erlebnisse
Aufarbeiten bedeutet praktizieren
Gemeinsamer Ausblick
Evas Rückblick
Kapitel 5: Theorie und Praxis
Mittlerweile
Das Booklet
Primäre, sekundäre, tertiäre Traumata und Stress
Just do it
Gut Ding will Weile haben
Multitasking, Time-Management und Disziplin
Das Ritual
Freche Weisheiten
Laudatio
Ausblick
Kapitel 6: Bewusstsein
Vor Jahren
Sobald es denkt, bist es nicht mehr du
Ein Hauch von Samadhi
Saccidānanda
Die Wurzel allen Übels
Aufmerksamkeitsdichte
Bewusstseinsraumzeit
Abenteuerliche Spiele
Die Frage aller Fragen
Physikalische Exkursion
Wunderliche Konsequenzen
Intuition versus Denken
Quo vadis
Epilog
Rückblick
Altes Wissen, bekannte Methode
Staatliche Angebote, persönliche Verantwortung
Weisheitslehren, Philosophien, Religionen
Geschichte der Hermetik
Von Lippe zu Ohr
Andere Zeiten, andere Sichtweisen
Zentrale Aussagen der Hermetik
Schöpfungsprinzipien
Fact oder Fake
Religionen
Schlusswort
Literatur
Autor
Dank – Hörbuch-Sprecherin
Prolog
Eva, eine lebensfrohe, beruflich erfolgreiche Frau Anfang vierzig und Hauptfigur dieses Wissen schaffenden Romans, hat seit frühster Jugend das Gefühl, etwas Geheimnisvolles beeinflusse ihr Leben, verbiete sich aber jede Offenbarung.
Ist Eva krank? Keineswegs, wohl aber ein sehr wacher Geist, den weder Eltern, Schule noch Hochschule ausreichend darauf vorbereitet haben, die Gesetzmäßigkeiten einer körperlichen Existenz zu verstehen und ursächlich zu nutzen.
Jetzt, in der Mitte ihres Lebens, nimmt sie etwas Nachhilfe in Medizin, Psychologie und sogar Physik. Sie beginnt systematisch zu recherchieren, zunächst alleine, später mit einer kleinen Gruppe, die Lebenserfahrung erlaubt ihnen, Möglichkeiten und Grenzen wissenschaftlich objektiver sowie persönlich subjektiver Methoden zu erkennen und vorurteilsfrei zu nutzen.
Die Gruppe muss selbst herausfinden, wie sie profundes Wissen zu schaffen vermag, denn die klassische Wissenschaft kann nur bedingt mitwirken: Eva ist nicht Körper und hat ein Bewusstsein, sie IST das Bewusstsein und HAT die Verantwortung für Körper, Emotionen und Verstand.
Eva, ein Einzelschicksal, steht stellvertretend für jede Frau und jeden Mann auf diesem Planeten, ihre Entdeckung ist seit Jahrtausenden bekannt, in jeder Generation finden aber immer nur einige Wenige den Zugang.
Das Alleinstellungsmerkmal dieses Romans ist, modernen und in der Regel wissenschaftlich orientierten Menschen einen Weg aufzuzeigen, aus alltäglichen Erlebnissen entsprechende Einsichten und Kompetenzen zu gewinnen. Information können Sie kaufen, Wissen nur durch persönliche Erfahrung und Überlegung erwerben, gleichgültig ob Bewusstsein und Wille nun von materieller oder rein geistiger Natur sind.
Eva wagt gegen Ende sogar einige vorsichtige Schritte in die Möglichkeiten rein geistigen Seins und stößt dabei auf verblüffende Parallelen zwischen uralten Weisheitslehren und modernster Kosmologie.
Bitte nehmen Sie es als sehr ernst gemeinte Warnung: Allein das Lesen wird höchstwahrscheinlich bereits etwas in Ihnen verändern! Wollen Sie mehr, wollen Sie Eva und ihren Freundeskreis begleiten, müssen Sie vom Lesen zum Erleben kommen, müssen Sie ins Tun kommen, müssen Sie selbst Ihren ganz eigenen Weg beschreiten. Voraussetzung ist, eine solche Persönlichkeitsentwicklung anzustreben, über eine offene und aufgeschlossene Einstellung zu verfügen, die Bereitschaft, sich selbst kritisch und ehrlich gegenüberzutreten, Engagement und ein weit überdurchschnittliches Durchhaltevermögen.
Bitte prüfen Sie zuvor sehr gewissenhaft, ob Sie eine solche Weiterentwicklung wirklich möchten, und überdenken Sie sorgfältig, ob und wie weit ihre Umgebung das mittragen würde. Es ist ganz allein Ihre Entscheidung und auch allein Ihre Verantwortung, es ist Ihr Leben.
Retep Lhok Brenner, Mai 2023
Tipp
Manchmal, wenn ich etwas nicht verstehen kann, hilft mir der Versuch, es selbst erleben zu wollen. Ich versuche, mich hineinzudenken, mich hineinzufühlen, es sodann mit eigenen Worten zu erfassen und schriftlich zu formulieren. Manchmal gewinne ich so weitere Eindrücke, die nun ein Verstehen ermöglichen, manchmal lösen sich so Blockaden, die bisher ein Verstehen verhindert haben. Wie gesagt, manchmal …
Wer mit dem Strom schwimmt,
landet irgendwann im Meer.
Wer sich gegen den Strom bewegt,
gelangt sicher zur Quelle.
Autor unbekannt
Kapitel 1: Wer bin ich? Was bin ich?
Eva und die Genesis
Eva musste von Zeit zu Zeit immer wieder einmal an die Genesis denken, die biblische Schöpfungsgeschichte. Zum einen natürlich wegen ihres Namens, und dann war da noch die Sache mit dem Baum der Erkenntnis: … von den Früchten des Baumes, der mitten im Garten steht … dürft ihr nicht essen … sonst müsst ihr sterben. … Gott weiß gar wohl: sobald ihr davon esst, da werden euch die Augen aufgetan, dass ihr werdet, wie Gott, erkennend … (1)
Eva war nicht religiös, zumindest nicht im üblichen Sinne, aber persönliche Erlebnisse ließen diese Zeilen immer wieder einmal in ihr aufsteigen. Seit frühster Kindheit hatte sie manchmal urplötzlich ein nebulöses, nicht näher beschreibbares Gefühl, irgendetwas in ihrem Leben bliebe vor ihr verborgen, mehr noch, würde vor ihr verborgen gehalten. Sie hatte die düstere Ahnung, Opfer einer tiefgreifenden, unerklärlichen Fremdbestimmung zu sein, zugleich nahm sie eine bedrohliche, dunkle Präsenz wahr, welche ihr entsetzliche Furcht einflößte. Sie verstand dies als Warnung, auf keinen Fall nachzuforschen, was sie dann auch lange Zeit nicht tat.
Jetzt aber, in der zweiten Hälfte ihres Lebens, beschloss sie alles zu versuchen, um dieses Mysterium endlich zu lüften, selbst wenn sie dabei gegen ein Verbot verstieße und mit Vergeltung rechnen müsste. Sie hatte sich mittlerweile mit dem Gedanken vertraut gemacht, sowieso einmal sterben zu müssen, dann sollte das doch lieber früher und mit erkennenden Augen als später und in Unwissenheit geschehen. Und sie beschloss, in dieser Zeit ein Tagebuch zu führen, Familie und Freunde wären so im schlimmsten Falle informiert und zugleich gewarnt.
Eva, der Körper
Wer war sie? Was war sie? Welches dunkle Geheimnis umgab ihre Person? Eine Freundin hielt ihr einen Spiegel, eine andere den Personalausweis vor Augen, beide sagten: Sieh, und deine Fragen sind beantwortet! Eva sah ihr Bild, Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Geburtsort, Nationalität, aktuellen Wohnsitz und einige körperliche Merkmale, augenscheinlich war sie dieser Körper. Der Gedanke war keineswegs unangenehm, sie war stolz auf ihren Körper und ihr Aussehen, hatte viel dafür getan und damit zeitweise als Bikini-Model ihr Studium finanziert.
Sie wusste aber auch aus der Zeit nach dem Studium, der Phase der Bewerbungen und der Suche nach einem interessanten und gut bezahlten Job, dass, ein angemessenes Äußeres vorausgesetzt, emotionale und mentale Fähigkeiten ausschlaggebender waren. War die Person teamfähig? Verfügte sie über emotionale Intelligenz? Konnte sie ihren eigenen Gefühlszustand und den anderer Menschen erkennen, den natürlichen Ablauf von Gefühlen verstehen, die eigenen Gefühle und die anderer Menschen richtig deuten, beurteilen sowie angemessen damit umgehen?
Welche Ausbildung hatte die Person? Hauptschule, Abitur, abgeschlossenes Studium, vielleicht promoviert oder gar habilitiert? Welche Berufserfahrung? Konnte sie analytisch denken, komplexe Zusammenhänge erfassen, neue und kreative Lösungen entwickeln, vorausschauend denken, verfügte sie über Beharrlichkeit und Ausdauer?
Wichtiger als die rein körperliche Beschaffenheit war offensichtlich, wie ein Mensch emotional und mental agierte, seine Eigenarten und Fähigkeiten im Umgang mit entsprechenden Herausforderungen. Das aber hatte wenig damit zu tun, ob der Körper hinsichtlich Muskulatur durchtrainiert und bezüglich Aussehens perfekt gestylt war oder ob er eher schlaff und ungepflegt, schön oder nur mittelmäßig wirkte, korpulent oder eher schlank. Man sprach von äußeren und inneren Werten, per medizinischer und psychologischer Auffassung handelte es sich im emotionalen Bereich um Auswirkungen des limbischen oder emotionalen Gehirns und im mentalen Bereich um Aktivitäten des Neocortex oder des rationalen Gehirns. Es handelte sich somit um Körperorgane, Spiegel und Personalausweis hatten offensichtlich doch recht: Eva war dieser Körper.
Eva, das Team
Sie hatte mittlerweile einen abwechslungsreichen und sehr gut bezahlten Beruf, der sie erfüllte und ihrem Tun und Leben einen Sinn gab. Allerdings erwies er sich auch als anstrengend und fordernd, der permanente Ansturm teils belastender Gedanken und Gedankenbilder wühlte die Emotionen auf und zog den Körper in Mitleidenschaft. Eva wusste, manche Kolleginnen und Kollegen griffen als Abhilfe zu Medikamenten, Alkohol, Psychopharmaka oder gar Drogen. Die Hausärztin hatte gewarnt, sie würde damit zwar die Wahrnehmung ihrer Beschwerden, zugleich aber auch die Wahrnehmung ihrer selbst unterdrücken, weshalb sie regelmäßige Yoga- und Entspannungskurse bevorzugte.
Wie andere Kursteilnehmerinnen war auch sie der Ansicht, in diesen Treffen durch ein geistiges Loslassen wieder mehr zu sich selbst zu kommen, sich selbst wieder mehr zu spüren. Lange Zeit fand sie diese Beschreibung zutreffend, nun aber, auf der Suche nach jenem düsteren Geheimnis, das ihre Person umrankte, fiel ihr plötzlich auf: Wenn sie dieser Körper war, damit auch dessen Emotionen und Gedankengänge war, wenn sie jetzt so vieles loswerden musste, was sie letztlich ausmachte, einen Teil ihrer selbst loswerden musste, um wieder mehr sie selbst zu sein … das war widersprüchlich, das konnte nicht funktionieren! Warum aber erlebte und verspürte sie dennoch genau das in ihren Yoga- und Entspannungsstunden? Wie war das möglich? Was war da los?
Sie hatte schon oft beobachten müssen, wie unzureichend geprüfte Annahmen in der Folge zu falschen Sichtweisen führten, war das möglicherweise auch hier der Fall? Ohne Zweifel hatte sie etwas mit ihrem Körper, ihren Emotionen, Gedanken und Gedankenbildern zu tun, wieso aber war sie auf die Idee gekommen, damit identisch zu sein? Sie hatte auch etwas mit ihrer Wohnung und ihrem Sportwagen zu tun, aber war sie deswegen damit identisch? Woher stammte diese seltsame Sichtweise? Aus dem Bild im Spiegel? Aus den Daten des Personalausweises? Eva erkannte, sie hatte diese Betrachtung bereits in frühster Kindheit von Eltern und Verwandten einfach übernommen, später mit medizinischwissenschaftlichen Argumenten weiter untermauert und einfach als Tatsache akzeptiert. Selbst hinterfragt hatte sie das niemals, bis heute!
Sie dachte an ihre Arbeit, an ihre Kolleginnen und Kollegen, an den Freundeskreis, gab es da nicht Parallelen? Sie mochte sie alle sehr und verbrachte den Tag gerne mit ihnen, aber abends wollte sie dann doch einmal ihre Ruhe haben, wollte sie einfach einmal mit sich alleine sein. Wie, wenn das mit ihrem Körper, den Emotionen, den Gedanken und Gedankenbildern auch so war? Konnte es sein, dass sie nicht mit ihnen identisch war, sondern mit ihnen eine Art Gemeinschaft bildete, eine Art Partnerschaft, eine Art Familie? Ein Team, in dem jeder den anderen brauchte, in dem einer ohne den anderen nicht überleben konnte? Würde sich dann der Widerspruch auflösen?
Der Körper wäre gewissermaßen das Instrument der Ausführung, das Werkzeug, womit sie ihre Absichten und Ziele sichtbar in der Welt manifestierte. Emotionaler und mentaler Bereich würden sich dabei als zwei Mitstreiter oder Adjutanten erweisen, die sie mal beraten, mal unterstützen und manchmal auch bekämpfen würden. Sie alle pflegten möglicherweise unterschiedliche Verhaltens- und Vorgehensweisen, unterlagen möglicherweise unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten. Eva selbst wäre die Teamleitung, alle vier wären sie bestens miteinander vernetzt, kommunizierten und tauschten sich lebhaft untereinander aus. Und wie in jeder Familie oder jedem Team gäbe es auch einmal Streit, man würde sich hin und wieder mal ordentlich auf den Wecker gehen. Es erforderte dann eine Auszeit, besonders für das oft überstrapazierte Werkzeug Körper und auch für die genervte Teamleitung. Eine Phase des Rückzugs und der Ruhe, ein paar Stunden Schlaf oder eine Yoga- und Entspannungseinheit, um anschließend frisch und ausgeruht wieder freudvoll aufeinander zugehen zu können, wieder für alle da sein zu können.
Einpflegen
Eva schwirrte der Kopf. Das alles musste erst einmal verdaut werden, musste sich erst einmal setzen, an diesem Abend ging sie erschöpft schon sehr früh zu Bett. Am nächsten Morgen erwachte sie ausgeruht und erholt, auch das Durcheinander in ihrem Kopf war verschwunden, so als hätte jemand in der Nacht heimlich Ordnung geschaffen, während sie geruht hatte.
Sie kannte entsprechende Phänomene aus ihrem beruflichen Umfeld, das regelmäßig auf Neuerungen reagieren musste. Zeitweise war dann die Belegschaft nicht oder nur bedingt einsatzfähig, bis alle sich mit den Veränderungen vertraut gemacht und sie sorgsam eingepflegt hatten. Ein solches Einpflegen beinhaltete auch, vermeintliche Unstimmigkeiten aufzuklären, tatsächliche Fehler zu korrigieren und Überholtes auszusortieren. Wenn sie als Gesamtpersönlichkeit wirklich ein Team sein sollte, dann hatte sie dieses Team gestern Abend an seine Leistungsgrenzen geführt. Eine weitere Zusammenarbeit war nicht mehr möglich gewesen, jedes Mitglied des Teams war mit dem Verarbeiten der neuen Informationen vollauf ausgelastet gewesen.
Offensichtlich war dann diese Tätigkeit in der Nacht fortgeführt und erfolgreich abgeschlossen worden: Im Schlaf verlangsamten oder veränderten sich zwar einige Aktivitäten, glücklicherweise aber blieben Herz und Kreislauf aktiv. Ebenso die Verdauung, der Körper regenerierte und auch ihre beiden Adjutanten gingen weiterhin ihren Verpflichtungen nach, wodurch Eva nach dem Erwachen wieder eine einsatzbereite Mannschaft vorfand.
Beruflich an analytische Arbeitsweisen gewohnt, hatte sie privat dagegen immer ein intuitives und gefühlsmäßiges Vorgehen bevorzugt. Nun musste sie erkennen, damit allein würde sie nicht mehr ans Ziel gelangen. Sie begutachtete daher bei einer Tasse Kaffee nochmals den bereits zurückgelegten Weg: Verfolgt von dunklen Ahnungen war sie mit den beiden Fragen gestartet: Wer bin ich? Was bin ich? Körper, Emotionen, Gedanken, ja. Damit hatte sie etwas zu tun, verstrickte sich aber in Widersprüche, wenn sie annahm, identisch damit zu sein. Zum gegenwärtigen Stand ihrer Nachforschungen war sie als Gesamtpersönlichkeit wohl eher ein Team, so wie ein Unternehmen, das aus Einzelwesen bestehend, nach außen hin als Ganzes auftrat.
Ganz wohl war ihr dabei nicht, denn nun tauchten Gedanken wie Schizophrenie oder gar Besessenheit auf und verursachten neue Ängste. Andererseits, ihre Eingebung, die Gesamtpersönlichkeit als Team aufzufassen, löste manche Ungereimtheiten und ließ innere Zwiespalte nachvollziehbarer werden. Beispielsweise etwas zu wollen, das man nicht wollte: Der Körper gierte nach Süßigkeiten, obschon der Verstand Diät verordnet hatte, die emotionale Ebene präsentierte wütende oder depressive Gefühle, obschon sie gerade viel lieber fröhlich gewesen wäre, die Gedanken prognostizierten ihr mangelnde Eignung und wahrscheinliches Scheitern, obschon sie gerade jetzt für ein neues Projekt Mut und Zuversicht dringend gebraucht hätte. Es waren bei genauer Beobachtung nicht Zwiespalte in ihr, sondern Zwiespalte in und mit ihrem Team, für dessen Leitung und Organisation sie verantwortlich war.
Das Spiralprinzip
Warum war ihr all das nicht schon früher aufgefallen? Warum erst jetzt, warum erst bei einer wiederholten Betrachtung? Eine Erinnerung aus der Studienzeit stieg in ihr auf, die Erinnerung an eine Methode, welche sie ganz zu Beginn in einem Vorbereitungsseminar kennengelernt hatte: das Spiralprinzip nach Jerome S. Bruner, einem amerikanischen Entwicklungs-und Kognitionspsychologen (2).
Bereits Johann Wolfgang von Goethe wurde das Zitat zugeschrieben: Es hört jeder doch nur, was er versteht, manchmal auch in der Form: Man liest eh nur das, was man schon kennt. Die Neuropsychologie hatte mittlerweile herausgefunden, dass von all den über die Sinnesorgane aufgenommenen Informationen nur ein kleiner Teil ins Bewusstsein eingeladen wurde, wobei Lernprozesse die Auswahl regelten. Das ähnelte dem Aussortieren von Spam-Mails durch Einsatz eines Spam-Filters, man konnte so auf Unnötiges verzichten und sich auf das konzentrieren, was wichtig war oder zumindest derzeit für wichtig erachtet wurde.
Allerdings hatte es den Nachteil, dass neue Informationen, welche in der Regel ja noch keine Gelegenheit gehabt hatten, sich als wichtig zu qualifizieren, folglich nicht ins Bewusstsein gelangten und übersehen wurden. Erst eine wiederholte Präsenz dieser Daten verlieh ihnen jenes Mehr an Bedeutung, welches nun ein Modifizieren der mentalen Filter bewirkte. Eva hatte das selbst schon erlebt, wenn sie ein Buch erneut las und dabei feststellen musste, dass manche Passagen ihr beim ersten Durchgang gar nicht zu Bewusstsein gekommen waren.
Worte waren nicht immer alle gleich wichtig. Ein Gedicht auswendig zu lernen erwies sich deshalb als so mühsam, weil jedes einzelne Wort und jedes Satzzeichen von Bedeutung waren, hingegen konnte man sich beim Studieren eines Sachtextes, etwa einer Gebrauchsanweisung, auf die nur unbedingt notwendigen Informationen beschränken. Nur, was waren diese unbedingt notwendigen Informationen? Es war daher empfehlenswert, mit der praktischen Umsetzung möglichst frühzeitig zu beginnen. Diese würde scheitern, wenn wichtige Hinweise fehlten, wodurch man zwischen Hauptsachen und Nebensachen zu unterscheiden lernte. Misslang die praktische Umsetzung, erhöhte sich bei der Fehlersuche notgedrungen die Bereitschaft, bisher vermeintlichen Nebensächlichkeiten versuchsweise doch einmal eine größere Bedeutung einzuräumen.
Lernen und Studieren, das Sich-Auseinandersetzen mit bisher unbekannten Themen, unterlag so zwangsläufig der Gefahr, zunächst nur das aufzunehmen, was man eh schon kannte. Erst ein zweites, drittes und vielleicht sogar viertes Durcharbeiten des Lernstoffes bewirkte jene Bedeutungssteigerung, welche die mentalen Filter veränderte und ermöglichte, weitere Details zu erfassen. Man drehte sich beim Wiederholen also nicht im Kreise, sondern in einer Spirale, bei jedem weiteren Durchgang befand man sich auf einer höheren Ebene der Wahrnehmung.
Eva überlegte, ob Spiralprinzip und das Prinzip des Einpflegens nicht untrennbar miteinander verbunden waren. Ihr spontaner Gedanke, Jerome S. Bruner diesbezüglich zu kontaktieren, hatte sich nach einer kurzen Anfrage bei Google erledigt: Er war bereits 2016 verstorben. Sie gelobte aber, künftig beide Prinzipien besser beachten zu wollen, und gönnte sich erst einmal eine mehrtägige Pause.
Eva, das Bewusstsein
Mittlerweile fühlte sich das Konzept der Gesamtpersönlichkeit als ein Team nicht mehr so befremdlich an. Sie war mehr und mehr damit vertraut geworden, erste Bedenken waren verschwunden und machten einer zunehmenden Verwunderung Platz, warum ihr die Existenz dieses Teams, obschon immer vor Augen, so lange verborgen geblieben war?
Sie hatte in der Zwischenzeit einige Sachbücher zu Rate gezogen und herausgefunden, dass ihre Vermutungen hinsichtlich der nächtlichen Vorgänge von wissenschaftlicher Seite bestätigt wurden: Nacht für Nacht, wenn sie schlief, lag der Körper zwar relativ ruhig da, Atmung, Herz und Kreislauf, Verdauung, Regeneration und Reparaturprozesse liefen jedoch weiter. Auch die beiden Gehirne ruhten nicht, wie EEG (Elektroenzephalographie) und PET (Positronen-Emissions-Tomographie) in der Schlaf- und Traumforschung zeigten. Während also drei Teammitglieder kontinuierlich und rund um die Uhr arbeiteten, zog sich die Teamleitung irgendwie zurück und bemerkte daher auf direktem Wege nichts von den nächtlichen Aktivitäten ihrer Belegschaft, von gelegentlichem Träumen zunächst einmal abgesehen.
Körper, emotionaler Bereich und mentaler Bereich waren präsent, waren aktiv, und dennoch hatte Eva den Eindruck, selbst nicht da zu sein, selbst nicht dabei zu sein. Sie schlief, sie war wie in Narkose oder im Koma, sie war bewusstlos, ohne Bewusstsein … Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Bewusstsein! Das Bewusstsein, sie hatte es völlig übersehen, so wie sie einmal vor Jahren in einem Artikel des amerikanischen Molekularbiologen Ion Kabat Zinn gelesen hatte: Awareness is virtually transparent to us. We tend to be unaware of our awareness (3).
Wenn also während des Schlafes Körper, emotionaler und mentaler Bereich anwesend und in Funktion waren, sie selbst jedoch den Eindruck hatte, nicht da zu sein, sie erst dann den Eindruck hatte da zu sein, wenn auch das Bewusstsein präsent war, bedeutete das dann nicht: Sie war das Bewusstsein?
War das die Antwort auf die Fragen Wer bin ich? und Was bin ich? Die Gesamtpersönlichkeit Eva war ein Team, und sie selbst, das Bewusstsein, war die Leitung des Teams. Ja, die erste Frage fühlte sich für Eva beantwortet an. Nicht so die zweite, da kam es ihr so vor, als hätte sie nur den Begriff ich durch den Begriff Bewusstsein ersetzt. Was bin ich? war zu Was ist Bewusstsein? geworden.
Der Schlaf
Mehr noch als die Frage Was ist Bewusstsein? beschäftigte Eva mittlerweile die Frage, was genau Nacht für Nacht beim Schlafen mit ihr geschah, so dass sie plötzlich nicht mehr da war? Wenn sie nicht mehr da war, also nicht mehr hier, wo war sie dann? Die Frage ergab irgendwie keinen Sinn, selbst im Falle eines Ortswechsels hätte sie wenigstens den bemerken müssen, so ähnlich wie sie es beim gelegentlichen Träumen erlebte. Hörte sie vielleicht einfach auf zu existieren?
Die Medizin lehrte, das Bewusstsein würde vom Gehirn erzeugt werden. Während des Schlafens war ihre Anwesenheit nicht erforderlich, somit erwiese es sich als eine sinnvolle und energiesparende Maßnahme, wenn das Gehirn beim Einschlafen das Bewusstsein abschaltete, es nicht mehr erzeugte, vermutlich gesteuert durch biochemische Substanzen wie bei einer Vollnarkose. Später, wenn der Körper mit seinen Regenerations-und Reparaturarbeiten fertig war, wenn emotionaler und mentaler Bereich die Erlebnisse des letzten Tages eingepflegt hatten, oder aber wenn der Wecker summte, wenn ein Telefon klingelte, dann würde das Bewusstsein wieder eingeschaltet werden und sie wäre wieder präsent.
Ja, das klang logisch, aber wieso hatte sie dann gelegentlich Träume? Wenn ihr bewusst war, dass und auch was sie geträumt hatte, musste sie dazu nicht als Bewusstsein präsent sein? Was aber wäre daran so wichtig, dass das Gehirn sie extra aktivierte? Sollte sie möglicherweise als Teamleitung auf ein zu turbulentes Traumgeschehen beruhigend einwirken? Konnte das Gehirn das nicht selber machen? Schon zirka 850 v. Chr. sollen Homer und zirka 350 Jahre später Siddhartha Gautama im Schlaf den kleinen Tod und im Erwachen eine Art geistige Wiedergeburt gesehen haben. Warum freute sie sich dennoch auf ihre Nachtruhe oder auf ein Nickerchen am Wochenende? Welches bewusste Wesen würde sich darauf freuen, abgeschaltet zu werden, zeitweise seine Existenz zu beenden, gewissermaßen den Tod vorwegnehmen? Das war widersinnig, das passte nicht, einfach abgeschaltet zu werden, nein, das kam ihr bei näherer Betrachtung doch nicht mehr als die Wahrheit vor.
Die Annahme, das Bewusstseins sei eine Schöpfung des Gehirns, war zudem wissenschaftlich keineswegs bewiesen, es war nur eine Behauptung oder bestenfalls eine Arbeitshypothese. Sie wusste das und sie weigerte sich, schon wieder etwas nur zu glauben, so wie damals in der Kindheit, als sie sich von wichtig anmutenden Personen hatte überzeugen lassen. Es ging um sie, um Eva persönlich, warum sollte sie da der Ansicht anderer Menschen vertrauen? Menschen, welche meist ihre Person nicht einmal kannten? Was sollte sie mit dem Erfahrungs- oder Wissensschatz anderer, wenn sie selbst es in dieser Form nicht erleben konnte? Nein, wenn es um sie persönlich ging, dann wollte Eva es mittlerweile auch selbst erfahren, wollte sie Wissen aus erster Hand, durch eigenes Erleben.
Einschlafen
Inzwischen, seit sie sich intensiver damit auseinandersetzte, erlebte Eva den Schlaf nicht mehr als ein Gefühl der Nichtexistenz, es war mehr ein Gefühl, da zu sein und doch nicht da zu sein, am selben Ort zu sein, aber auch nicht. Ähnlich wie sie es in einem Roman über einen magischen Spiegel gelesen hatte, eine Art Dimensionen-Tor: Man trat durch den Spiegel und war in völliger Stille und Dunkelheit, nichts bewegte sich, nichts geschah, es war, als wäre die Zeit stehen geblieben. Machte man dann wieder einen Schritt zurück in die Wirklichkeit, waren hundert Jahre vergangen, man war die ganze Zeit über präsent gewesen, nur in einer anderen Dimension, nur einen Schritt weit entfernt.
In den kommenden Nächten war Eva sehr bemüht herauszufinden, was beim Einschlafen genau geschah, wohin genau sie dann gehen oder vielmehr gegangen werden würde. Aber, sosehr sie sich auch anstrengte, entweder konnte sie nicht einschlafen, oder aber, wenn sie einmal etwas in ihrer Wachsamkeit nachgelassen hatte, waren plötzlich Stunden vergangen und die Nacht vorüber. Immer wieder war es passiert, immer wieder war sie eingeschlafen, ohne den eigentlichen Vorgang genau erlebt zu haben. Sosehr sie sich auch anstrengte, Abend für Abend, es misslang, sie kam nicht weiter voran.
Gab es einen anderen Zugang? Aus Kriminalromanen war ihr geläufig, dass Entführungsopfer ebenfalls plötzlich verschwanden und unauffindbar waren, keiner hatte etwas bemerkt. Erst später, wenn nach der Lösegeldzahlung die Person wieder auf freien Fuß kam, ließ sich hie und da der Weg zurückverfolgen. Auf ihr Problem übertragen: Wenn sie schon nicht mitbekam, was beim Einschlafen passierte, nicht mitbekam, wohin sie entführt wurde, konnte sie vielleicht beim Erwachen herausfinden, wo sie dann herkam? Sie beschloss, mit Rücksicht auf Einpflegen und Spiralprinzip erst einige Tage zu pausieren und sich dann bevorzugt dem Erwachen zu widmen.
Und sie widerstand tapfer einem aufkeimenden Unmut: Anstatt das Geheimnis ihrer gefühlten Fremdbestimmung endlich zu lüften, tat sich ein Rätsel nach dem nächsten auf, so hatte sie sich das nicht vorgestellt. Andererseits wusste Eva sehr wohl, dass komplexe Themen oft zahlreiche Zusatzstudien in teils weit entlegenen Bereichen erforderten, bevor man sich dann endlich dem eigentlichen Hauptanliegen widmen und nun Erfolge erzielen konnte. Ein beliebter Professor aus Studientagen hatte das einst so formuliert: Leute, vergesst nicht, erst müsst ihr alle Zulieferer bedienen, bevor die Party steigen kann!
Erwachen
Zwei Wochen später misslang der erste Versuch kläglich. Sie war spät nach Hause gekommen und hatte zur Sicherheit statt des Radioweckers einen uralten Doppelglockenwecker mit dem Weckdienst beauftragt. Punkt sechs Uhr warf dieses Ungetüm Eva regelrecht aus dem Bett, das war kein Klingeln, das war ein so gnadenloses Getöse, dass sie mit Herzrasen augenblicklich aus dem Bett sprang und nach dem rettenden Stopp-Hebel tastete. Die Frage, ob und woher sie beim Erwachen gekommen war, hatte unter solchen Umständen jegliche Bedeutung verloren, für den nächsten Versuch programmierte sie wieder den geliebten Radiowecker.
So begann der nächste Morgen mit angenehm sanfter Musik, der sie sich sehr gern zuwandte und auf die sie sich genießerisch konzentrierte, die Augen noch immer geschlossen. Und nein, sie hatte keineswegs den Eindruck, kurz zuvor noch nicht existiert zu haben, also erst seit dem Hören der Musik präsent zu sein. Nein, sie hatte eher den Eindruck, sich irgendwie völlig zurückgezogen zu haben, sich in völlige Dunkelheit und Zeitlosigkeit gehüllt zu haben, erreichbar nur für geladene Gäste, eben ihren Radiowecker. Ein erstes Bewegen erinnerte sie schmerzlich an die Knieprellung, welche sie sich am Vortag beim Gegenangriff auf den randalierenden Doppelglockenwecker an der Bettkante zugezogen hatte. Sie fühlte erneut den Ärger über ihre Ungeschicklichkeit und bekam aus dem mentalen Bereich den tröstlichen Zuspruch, dass das auch schlimmer hätte ausgehen können und sie die Situation doch ganz gut gemeistert habe. Ein Geräusch vom Fenster her ließ sie die Augen öffnen, das Fenster war wie immer gekippt und die Störung kam offensichtlich von der Straße. Dabei fiel ihr auf, kaum hatte sie das Geräusch wahrgenommen und sich für seine Herkunft interessiert, waren Knie, Ärger und sogar Musik vergessen, wie weggewischt.
An einem anderen Morgen wurde sie vor dem Wecker wach, noch mit geschlossenen Augen realisierte sie das Bedürfnis ihres Körpers nach Erleichterung und suchte eilends die Toilette auf. Ein anderes Mal lag sie auf dem Rücken und erblickte zunächst die Zimmerdecke, wandte sich dann aber dem Fenster zu, dem Wunsch folgend, die Wetterlage zu erkunden. Lag sie beim Erwachen auf der rechten Seite, sah sie zuerst die Wand, lag sie auf der linken Seite, sah sie sich selbst in den Spiegeltüren des Schlafzimmerschrankes, offensichtlich erblickte oder hörte sie als Erstes immer das, was gerade in Blickrichtung oder Hörweite war. Heute war Sonntag, sie hatte wie fast immer der Musik gelauscht und dann plötzlich den Wunsch verspürt, noch etwas zu schlafen: Aus-Taste betätigt, auf die andere Seite gedreht, weg war sie, wieder eingeschlafen.
Bewusstsein und Wille
Sonntag, das bedeutete viel Zeit für sich selbst, bei einem gemütlichen Frühstück ließ sie die morgendlichen Erlebnisse der letzten Tage nochmals Revue passieren. Erwachend nahm sie zunächst wahr, was gerade in Blickrichtung kam oder in Hörweite war oder an körperlichen Empfindungen, Gefühlen und Gedanken auftauchte. Anschließend konnte sie sich aber auch umsehen, umhören oder neu orientieren und ihre Aufmerksamkeit auf etwas ganz anderes richten. Etwas wahrnehmen bedeutete offensichtlich, die Aufmerksamkeit darauf zu richten, wodurch es bewusst wurde, ins Bewusstsein kam, sinnbildlich Inhalt des Bewusstseins wurde.
Wollte sie, dass es längere Zeit im Bewusstsein blieb, so wie etwa die angenehme Musik, musste sie die Aufmerksamkeit darauf gerichtet lassen, sich darauf konzentrieren, sie durfte auf keinen Fall die Aufmerksamkeit auf etwas anderes lenken oder in der Konzentration nachlassen. Sollte das dennoch geschehen, erschien das neue Objekt der Aufmerksamkeit im Bewusstsein, hingegen löste sich das vorhergehende gewissermaßen auf, entfernte sich aus dem Bewusstsein, machte seinem Nachfolger Platz und war nicht länger bewusst. Sie konnte die Aufmerksamkeit wieder auf das alte Objekt lenken und es erneut ins Bewusstsein holen, oder aber ihre Aufmerksamkeit ersatzweise auf die mentalen Aufzeichnungen ihres Gedächtnisses richten und sich nur daran erinnern.
Wollte sie Details erkennen, etwa aus einem Orchester ein einzelnes Instrument heraushören, musste sie stärker fokussieren, musste sie die gesamte Aufmerksamkeit darauf reduzieren. Dies hatte allerdings die Nebenwirkung, dass alles andere außerhalb des fokussierten Bereiches verblasste, weniger oder fast gar nicht mehr bewusst war. Lachend fiel ihr die alte Volksweisheit ein: Vor lauter Bäumen den Wald nicht sehen.
Sie konnte sich also mit der passiven Rolle der Beobachtenden begnügen, sie konnte aber auch, wenn sie das wollte, aktiv in das Geschehen eingreifen oder, das hatte sie gerade heute erlebt, sie konnte sich sogar gegen das Wachsein entscheiden und wieder einschlafen.
Wenn sie das WOLLTE … das war es! So wie sie vor Wochen das Bewusstsein völlig übersehen hatte, so hatte sie jetzt die ganze Zeit über den eigenen Willen nicht beachtet, so sehr war sie in die Rolle einer passiven Beobachterin der Vorgänge beim Einschlafen und Erwachen vertieft gewesen. Sie hatte einfach vorausgesetzt, dabei Wirkung zu sein, einfach angenommen, dass da etwas mit ihr geschehen würde, sie war gar nicht auf die Idee gekommen, möglicherweise selbst die Ursache zu sein. Änderte sie das Objekt ihrer Aufmerksamkeit und entließ damit das vorhergehende aus dem Bewusstsein, nannte man das dann nicht vergessen? Holte sie es sich aus ihrem Gedächtnis heraus erneut ins Bewusstsein, war das nicht erinnern? Weigerte sie sich, etwas Unangenehmes oder gar Schmerzliches ins Bewusstsein zu holen, entsprach das dann nicht dem Verdrängen der Psychoanalyse?
Bisher hatte sie all diese ganz unterschiedlichen Vorgänge nie wirklich im Detail wahrgenommen, jetzt wurde ihr die Oberflächlichkeit und Auswirkung solch unpräziser Sichtweise bewusst. In manchen Büchern war zu lesen, man könne mit Sprache die Feinheiten der Psyche nicht erfassen. Eva fragte sich, ob möglicherweise die Autoren damit nicht ihre eigene Ungenauigkeit bezüglich Beobachtung und Wortwahl entschuldigen wollten? Sie erinnerte sich an ein Abendgebet aus Kindertagen, angelehnt an Psalm 31 Vers 6, … in deine Hände befehle ich meinen Geist … Was war hier mit Geist gemeint? Das Bewusstsein? Wer aber war dann das befehlende ich? Hätte … in deine Hände will ich mich begeben … die Zusammenhänge nicht besser beschrieben?
Wie, wenn nicht der Schlaf sie entführte, sondern umgekehrt SIE den Schlaf herbeirief? So wie am heutigen Morgen? Welcher Zusammenhang bestand zwischen Willen und Bewusstsein? Wille setzte Bewusstsein voraus, denn ein unbewusstes Wollen wäre letztlich ein reflex- oder maschinenartiges Reagieren. Umgekehrt, konnte sie willenlos bei Bewusstsein sein, willenlos beobachten, so wie beispielsweise eine Webcam? Nein, sie als Bewusstsein musste wohl schon den Willen haben, zu beobachten. Es sah so aus, als wären Bewusstsein und Wille untrennbar miteinander verbunden. Jetzt konnte sie auch verstehen, was sie irgendwo einmal in einem Buch über Yoga von Krishnamurti oder Sri Aurobindu gelesen und damals noch mit Unverständnis quittiert hatte: Bewusstsein hat zwei Qualitäten, die des bewussten Seins und die des bewussten Wollens.
Was würde passieren, wenn sie, das Bewusstsein, willentlich nicht mehr in das Geschehen eingreifen UND es auch nicht mehr beobachten wollte? Wäre das womöglich jener geheimnisvolle Schritt durch den Zauberspiegel, das Einschlafen? Wie Patanjali etwa 300 v. Chr. in der Yoga-Sutra 10, Samãdhi Pãda, geschrieben hatte: Der Schlaf ist ein Bewusstseinszustand, in dem der Gegenstand der Wahrnehmung abwesend ist (4). Und sollte dies tatsächlich möglich sein, später dann, wenn das Bewusstsein, also sie selbst, wieder beobachten und aktiv mitgestalten wollte, wäre das der Schritt zurück in die Welt, das Erwachen? Würde das nicht erklären, wieso sie umso weniger einschlafen konnte, je intensiver sie das unbedingt wollte?
Trotz Sonntag und gemütlichem Frühstück, Eva fühlte sich völlig erschöpft. Es war spürbar eine längere Pause notwendig, um sich mit all diesen neuen Erkenntnissen anfreunden, durch alltägliches Erleben mit ihnen vertraut zu werden und nicht mehr vor ihnen zurückschrecken zu müssen.
Schlaflose Nächte
Eva hatte mittlerweile akzeptiert: In den Schlaf fallen bedeutete, nichts mehr wahrnehmen zu wollen und nichts mehr wollen zu wollen. Das erwies sich aber als gar nicht so einfach, sie schaffte es nur höchst selten, erlebte aber umgekehrt, wie sie selbst tatsächlich die Ursache war, wenn Einschlafen misslang. Hingegen gelang es fast immer, wenn der Körper unendlich müde und so antriebslos war, dass er den Dienst verweigerte und sie mehr und mehr dazu brachte, sich mit diesem Ansinnen zu identifizieren und auch nichts mehr zu wollen. Es sei denn …
In jenen Wochen hatte ihre Firma einen großen und sehr wichtigen Auftrag übernommen, wodurch viele Kolleginnen und Kollegen, so auch Eva, die Nächte größtenteils nicht mit erholsamem Schlaf, sondern mit zermürbendem Grübeln und qualvollem Umherwälzen verbrachten. Todmüde wollten sie schlafen, konnten aber nicht, darüber waren sich alle einig, fast alle, bis auf Eva …
Ja, ihr Körper war oft völlig ausgelaugt und brauchte dringend Erholung, es kam bereits zu Aussetzern