Evas Spiel - Verena Schindler - E-Book

Evas Spiel E-Book

Verena Schindler

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Beschreibung

Was wäre, wenn ein Schauspieler auf der Bühne wirklich stürbe? Ein inszenierter, realer Bühnentod also. Die Grenzen zwischen Kunst und Realität scheinen – nicht nur im Theater – immer mehr zu verschwimmen. Auf dieser Ausgangsidee basiert "Evas Spiel": Die junge Star-Schauspielerin Eva Schuberth stirbt bei einer Theaterpremiere. Unfall, Mord oder Suizid? Stück für Stück werden Evas Leben und ihre inneren Konflikte sowie ihre Beziehung zum Regisseur Victor Hund rekonstruiert – ein Verhältnis, das sich als psychologisches Spiel um Abhängigkeit, Macht und Manipulation entpuppt. Wer ist nun Täter, wer Opfer, und wer trägt welche Schuld? Null Papier Verlag

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Verena Schindler

Evas Spiel

Eine tödliche Inszenierung

Verena Schindler

Evas Spiel

Eine tödliche Inszenierung

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019 1. Auflage, ISBN 978-3-962815-25-7

null-papier.de/630

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Pro­log

8. Ja­nu­ar

10. Ja­nu­ar

22. März

23. März

4. Fe­bru­ar

24. März

9. Fe­bru­ar

4. März

11. Fe­bru­ar

25. März

22. März

13. Fe­bru­ar

26. März

27. März

12. März

2. April

3. April

7. April

8. April

9. April

20. April

14. März

22. Mai

Hin­ter den Ku­lis­sen – An­mer­kun­gen und Dank der Au­to­rin

Prolog

Und wenn sie wirk­lich ster­ben wür­de? Ei­nen rich­ti­gen, wahr­haf­ten Büh­nen­tod? Den nie­mand ein­kal­ku­liert hat. Ein Ab­gang wie beim Blut spu­cken­den Mo­liè­re in sei­ner Glanz­rol­le des Ein­ge­bil­de­ten Kran­ken.

Vor­hang zu. Das war’s dann. Wei­ter ge­hen als an­de­re zu­vor. Selbst eine Ma­ri­na Abra­mo­vić hat die­se Gren­ze bis­her nie gänz­lich über­schrit­ten – die der auch phy­sio­lo­gisch mess­ba­ren Selbs­t­ent­gren­zung. Voll­stän­di­ge Authen­ti­zi­tät. Wür­de ihr ste­hen, oder?

Stellt sich nur die Fra­ge: Wer sind die an­de­ren Pro­tago­nis­ten die­ses, ih­res letz­ten Dra­mas? Wer mimt den Zeu­gen, wer spielt den Trau­ern­den und – vor al­lem – wer voll­streckt?

Ein Kon­flikt wird na­tür­lich auch noch be­nö­tigt oder ein Mo­tiv, wie der Kri­mi­na­list sa­gen wür­de. Ra­che? Ei­fer­sucht? Was sind die Trieb­fe­dern mensch­li­chen Han­delns, die uns in die Ab­grün­de füh­ren? Und wie bringt man einen Men­schen dazu, das Tor zu die­sen Ab­grün­den zu öff­nen?

Wie ver­hält es sich mit der Schuld? Wie viel wiegt die Idee ge­gen die Aus­füh­rung? Trägt der Re­gis­seur die Verant­wor­tung oder die Schau­spie­ler, wenn schlecht ge­spielt wird? Ist am Ende nicht auch je­der Schau­spie­ler Re­gis­seur? Je­der Pri­vat­mann Ins­ze­na­tor sei­nes ei­ge­nen Le­bens? Oder viel­leicht doch eher Au­tor? Am An­fang war das Wort …

Nein, die wohl größ­te Macht liegt beim Re­zi­pi­en­ten. Ob Le­ser, ob Zuschau­er. An ihm ist es, die Büch­se der Pan­do­ra auf­zu­tun und sich zu po­si­tio­nie­ren in der Flut der Deu­tun­gen, die sich mit al­lem Las­ter über ihn er­gie­ßen.

Der Vor­hang ist ge­öff­net. Die Kar­ten ge­legt.

Das Spiel möge be­gin­nen.

8. Januar

»Lam­pen­fie­ber?« Eva Schu­berth lä­chel­te. »Wahr­schein­lich lügt je­der Schau­spie­ler, der be­haup­tet, völ­lig frei da­von zu sein. Mal ist es mehr, mal we­ni­ger. Aber wenn die ers­ten Sät­ze ge­spro­chen sind, dann ist es vor­bei mit der Auf­re­gung. Dann lebe ich nur noch für das, was auf der Büh­ne pas­siert.« Sie blick­te zu Vic­tor, der links ne­ben ihr auf dem Po­di­um saß und sie auf­merk­sam be­äug­te. Vic­tor Hund, der nam­haf­te Re­gis­seur, der mit sei­nen Ins­ze­nie­run­gen re­gel­mä­ßig zum Ber­li­ner Thea­ter­tref­fen ein­ge­la­den wur­de und be­reits zahl­rei­che Aus­zeich­nun­gen für sein Schaf­fen er­hal­ten hat­te.

Der Ju­gend­li­che, der Eva die Fra­ge ge­stellt hat­te und of­fen­bar zu ei­ner Schul­klas­se ge­hör­te, war noch nicht zu­frie­den mit ih­rer Ant­wort. »Aber gibt es denn nicht auch Si­tua­tio­nen, in de­nen es schwie­rig wird? Ha­ben Sie zum Bei­spiel schon mal Ihren Text ver­ges­sen?«

»Nein«, ant­wor­te­te Eva amü­siert. »Das ist mir tat­säch­lich noch nie pas­siert. Und falls doch, ha­ben wir ja für den Not­fall eine Souf­fleu­se.« Vic­tor sah ge­nervt in Rich­tung Dra­ma­tur­gin. An­net­te Lud­wig war ver­ant­wort­lich für die Pub­li­kums­ge­sprä­che – so auch für die­ses im An­schluss an die Vor­stel­lung von »He­xen­jagd«. Sie hat­te zu­vor auf ihn ein­ge­re­det, dass es mal wie­der an der Zeit wäre, sich der Öf­fent­lich­keit zu prä­sen­tie­ren. Mit Wi­der­wil­len hat­te Vic­tor zu­ge­stimmt und be­reu­te es nun.

»Gibt es denn noch Fra­gen di­rekt zur Ins­ze­nie­rung?«, wand­te sich An­net­te di­plo­ma­tisch in Rich­tung Zuschau­er.

Ein bär­ti­ger Mitt­vier­zi­ger, of­fen­bar der Leh­rer der Schul­klas­se, wand­te sich an Vic­tor: »Herr Hund, Mil­lers Stoff ist doch ein his­to­ri­scher. Wa­rum ha­ben Sie das Stück nicht ent­spre­chend in­sze­niert? Den­ken Sie wirk­lich, so et­was wie He­xen­ver­fol­gung wäre auch in der heu­ti­gen Zeit denk­bar?«

Vic­tor nahm sich Zeit für sei­ne Ant­wort. »Es war mir ein An­lie­gen, den Stoff nicht in ei­ner be­stimm­ten Zeit zu ver­or­ten. Si­cher­lich ha­ben Sie be­merkt, dass wir so­wohl Ko­stü­me als auch Büh­nen­bild, vor al­lem aber die Sprach­ge­stal­tung so weit wie mög­lich zeit­los ge­hal­ten ha­ben. Mil­ler nann­te es He­xen­ver­fol­gung, spiel­te mit sei­nem Stück aber auf die Kom­mu­nis­ten­jagd in der McCar­thy-Ära an. Und ich wage zu be­haup­ten, dass sich der­ar­ti­ge Miss­stän­de, wie sie das Stück auf­zeigt, auch heu­te noch fin­den las­sen. Se­hen Sie doch hin­aus in die Welt …«.

Zwei der Schü­ler ki­cher­ten. Der Leh­rer wur­de rot. Da mel­de­te sich ein Herr zwei Rei­hen hin­ter ihm zu Wort: »Frau Schu­berth, warum ist Ihre Abi­gail so un­schul­dig? Fast be­kommt man Mit­leid mit ihr, sieht sie als Op­fer, ob­wohl sie doch Schuld trägt am Lauf der Ge­scheh­nis­se und den Hin­rich­tun­gen.«

Eva blick­te den Herrn auf­merk­sam an. Die ers­te ver­nünf­ti­ge Fra­ge an die­sem Abend. Ihr zu­vor fast mas­ken­haf­tes Lä­cheln ver­wan­del­te sich in ein Strah­len. In ih­rem dün­nen, wei­ßen Kleid­chen, das ihre Fra­gi­li­tät un­ter­strich, schi­en sie zwi­schen Dra­ma­tur­gin und Re­gis­seur, bei­de un­auf­fäl­lig in Schwarz ge­klei­det, förm­lich auf­zu­leuch­ten. Ihr röt­lich-blon­des Haar re­flek­tier­te gol­den das Schein­wer­fer­licht. Der Fra­ge­stel­ler rieb sich ner­vös hin­ter dem rech­ten Ohr, als er nicht so­fort eine Ant­wort er­hielt. Auch An­net­te Lud­wig blick­te in Evas Rich­tung, prü­fend, ob sie der Nach­wuchs­schau­spie­le­rin bei der Ant­wort zur Sei­te sprin­gen soll­te. Aber da be­gann Eva zu spre­chen: »Sie ha­ben recht. Wis­sen Sie, für mich war das der grund­le­gen­de Aspekt beim Er­ar­bei­ten die­ser Rol­le. Auf der einen Sei­te ist Abi­gail schul­dig. Na­tür­lich. Sie be­schul­digt an­de­re, nimmt so­gar de­ren Tod in Kauf – um ihre ei­ge­ne Haut zu ret­ten. An­de­rer­seits ist sie al­lei­ne, hat Angst, ist ja noch ein Kind. Mir ging es dar­um, zu zei­gen, dass Schuld und Un­schuld nahe bei­ein­an­der lie­gen. Ich wür­de so­gar be­haup­ten, dass es sel­ten klas­si­sche Tä­ter und Op­fer gibt. Wenn man sich die Krie­ge an­sieht, die tag­täg­lich da drau­ßen pas­sie­ren – kann man da wirk­lich noch be­stim­men, wer Schuld hat und wer nicht? Dort, wo ma­ni­pu­liert, un­ter­drückt, ge­fol­tert wird, nimmt fast je­der frü­her oder spä­ter bei­de Rol­len an. Wird er­nied­rigt und er­nied­rigt selbst. Wenn ich …«

Vic­tor leg­te ihr be­hut­sam, aber be­stim­mend, sei­ne Rech­te auf ih­ren lin­ken Arm. »Vie­len Dank, Eva. Ich den­ke, du hast un­se­rem Pub­li­kum sehr ein­drucks­voll un­se­re In­ter­pre­ta­ti­on dei­ner Rol­le er­klärt. Wenn kei­ne wei­te­ren Fra­gen mehr …« Eine Ant­wort war­te­te Vic­tor schon gar nicht mehr ab, son­dern er­hob sich und zog Eva mit sich. »Dann be­dan­ken wir uns für Ihr In­ter­es­se und bit­ten Sie, uns zu ent­schul­di­gen. Die Ar­beit …«. Ein­zel­ne Zuschau­er setz­ten zu ei­nem spar­sa­men Ap­plaus an. Vic­tor wink­te ab.

»Ja, dann vie­len Dank auch von mei­ner Sei­te. Und wir freu­en uns, Sie bald wie­der zu ei­ner un­se­rer Vor­stel­lun­gen be­grü­ßen zu dür­fen«, füg­te An­net­te schnell hin­zu.

Eva schluck­te. Gera­de, als es span­nend wur­de … Sie ver­such­te, den Herrn, der die letz­te Fra­ge ge­stellt hat­te, noch ein­mal aus­fin­dig zu ma­chen. Da! Er schi­en di­rekt auf sie zu­zu­kom­men. Sie ging ih­rer­seits zwei Schrit­te auf ihn zu, als sie von Vic­tor un­sanft am Arm ge­packt und in die ent­ge­gen­ge­setz­te Rich­tung zum Sei­ten­aus­gang ne­ben der Büh­ne ge­zo­gen wur­de. Sie spür­te sei­nen har­ten Griff. Ehe sie et­was sa­gen konn­te, schnitt er ihr schon das Wort ab. »So, Evi­ta, wäre doch scha­de, wenn wir un­se­ren schö­nen Abend mit die­sem ah­nungs­lo­sen Plebs ver­geu­den. Da fal­len mir doch ganz an­de­re Din­ge zum Zeit­ver­treib ein.« Er grins­te.

Eva lä­chel­te un­si­cher zu­rück.

»Siehst du. Es ist schon viel zu lan­ge her seit un­se­rem letz­ten Abend zu zweit.«

Ohne eine Ant­wort ab­zu­war­ten, fuhr er fort: »Dann zieh dich schnell um. Ich er­war­te dich am Büh­nen­ein­gang.« Die letz­ten Wor­te hat­te er ihr di­rekt ins Ohr ge­flüs­tert. Sie seufz­te.

Er hat­te ihr heu­te Blu­men in die Gar­de­ro­be ge­stellt. Das tat er nur sel­ten. Schon gar nicht zu ir­gend­ei­ner x-be­lie­bi­gen Vor­stel­lung, al­len­falls zur Pre­mie­re. Wei­ße Ro­sen. Eine schö­ne Ges­te. Den­noch war sie sich nicht si­cher, ob sie sich dar­über freu­en soll­te. Es war so an­stren­gend mit ihm ge­wor­den in letz­ter Zeit. Und wehe, sie mach­te nur einen klit­ze­klei­nen Feh­ler. Dann konn­te sei­ne Ver­zückung se­kun­den­schnell in ab­grund­tie­fe Ver­ach­tung um­schla­gen. Seit die­sem einen Abend im De­zem­ber ver­such­te sie, Vic­tor auf Ab­stand zu hal­ten. An­de­rer­seits: war es klug, ihn zu­rück­zu­wei­sen? Sie hat­te oh­ne­hin nichts vor heu­te Abend. Und das wuss­te er auch. Sie stand schon lan­ge in sei­ner Gunst. Das durf­te sie sich nicht ka­putt ma­chen. Zu viel stand auf dem Spiel.

10. Januar

22.10 Uhr. Der Se­kun­den­zei­ger der Uhr, die ei­ner Bahn­hof­suhr glich, be­weg­te sich un­er­bitt­lich ti­ckend vor­wärts. Über­haupt er­in­ner­te die At­mo­sphä­re stark an Bahn­hof. Ein Kom­men und Ge­hen, kur­z­es War­ten, flüch­ti­ge Be­geg­nun­gen. Stim­men­ge­wirr. Und nicht zu ver­ges­sen die Durch­sa­gen. »Letz­tes Bild. Aria­ne und Paul bit­te be­reit ma­chen. Drit­ter Auf­gang.«

Aus ei­ner Ecke in der Thea­ter­kan­ti­ne war ein ab­fäl­li­ges »So eine per­fi­de Gans!« zu hö­ren, vom Tisch ge­gen­über kam schal­len­des La­chen. Zwei Ti­sche wei­ter er­hob man das Glas und stieß an auf … Das wuss­te wahr­schein­lich nie­mand so ge­nau. Am Thea­ter gab es schließ­lich im­mer was zu fei­ern!

Ge­dan­ken­ver­lo­ren blieb der Blick ei­ner ca. 40-jäh­ri­gen, be­reits vom Le­ben ge­zeich­ne­ten Frau an der be­reits merk­lich ge­leer­ten Fla­sche ih­res Kol­le­gen hän­gen. Le­dig­lich ein Hauch Mas­ca­ra ver­lieh ih­rem Ge­sicht ein we­nig Aus­druck. Still in sich hin­ein­seuf­zend wand­te sie sich, kaum noch im­stan­de, den mü­den Blick ih­rer Au­gen zu ver­ber­gen, wie­der ih­rem Ge­gen­über zu: ei­nem grau­me­lier­ten, eben­falls in die Jah­re ge­kom­me­nen Möch­te­gern-Dan­dy mit zu kan­ti­gem Ge­sicht, zu fah­ri­gen Be­we­gun­gen und zu wolfs­ar­ti­gem Blick für eben­die­se Rol­le.

Vic­tor goss sich er­neut ein Glas Whis­ky ein. Um das to­xi­ko­lo­gi­sche Gleich­ge­wicht wie­der her­zu­stel­len, zün­de­te sich An­net­te im Ge­gen­zug die si­cher­lich zehn­te Zi­ga­ret­te des Abends an und pus­te­te Vic­tor den Rauch ganz un­ver­hoh­len ins Ge­sicht. Ohne den Blick ab­zu­wen­den, hüs­tel­te Vic­tor kurz und starr­te sie, wie schon mi­nu­ten­lang zu­vor, nach­denk­lich an. »Ich sage dir: der Faust ist eine Num­mer zu groß für uns.«

An­net­te seufz­te: »Vic­tor. Wer bit­te, wenn nicht du, wäre dem Stoff denn sonst ge­wach­sen? So vie­le ha­ben das Stück schon in­sze­niert.«

»Eben.«

»Du weißt ge­nau­so gut wie ich, dass du aus der Num­mer nicht mehr raus­kommst. Die Pre­mie­re ist lan­ge an­ge­kün­digt.«

Vic­tor leer­te sein Glas. »Im Faust, da ist so viel Kon­flikt. Das muss Schmer­zen be­rei­ten.«

An­net­te nick­te wort­los.

»Gleich­zei­tig ist da aber auch ganz viel Lust. Be­gier­de. Das liegt so nahe bei­ein­an­der.«

Wie­der nick­te An­net­te.

»Wenn ihr wirk­lich wollt, dass ich das ma­che, dann müsst ihr euch dar­über im Kla­ren sein, dass das die Zuschau­er po­la­ri­sie­ren wird.«

»Das tun dei­ne Ins­ze­nie­run­gen doch im­mer.«

»Ja, aber die­ses Mal wer­de ich wei­te­re Gren­zen spren­gen. An­ders kann ich den Faust nicht ma­chen.«

»Man wird aber schon noch er­ken­nen, dass es Goe­thes Faust ist, den du da in­sze­niert hast?«, grins­te An­net­te.

»Und wenn nicht, wäre das ein Ver­lust?«

»Na ja, an­dern­falls wür­de ich mich fra­gen, ob du über­haupt noch eine Dra­ma­tur­gin brauchst, wenn du so­wie­so al­les ganz an­ders ma­chen willst?«

Vic­tor um­fass­te An­net­tes Hand: »Du wirst mich nicht im Stich las­sen. Über­leg dir schon mal, wie wir die Gret­chen­tra­gö­die auch text­lich mehr in den Mit­tel­punkt stel­len kön­nen.«

»Geht’s dir um Gret­chen oder um Eva?« An­net­te rutsch­te auf ih­rem Stuhl zu­rück. Das hät­te sie bes­ser nicht sa­gen sol­len.

Vic­tor fun­kel­te sie an. »Um was es mir geht, ist mei­ne Sa­che. Ihr wollt, dass ich den Faust ma­che. Ich lie­fe­re euch mei­ne Ins­ze­nie­rung. Fer­tig.«

Er­neut goss Vic­tor sich Whis­ky ein und schüt­tel­te sich an­ge­wi­dert, nach­dem er das Glas in ei­nem Zug aus­ge­trun­ken hat­te.

»Du hast ja recht, Vic­tor. Ist auch schon spät. Zeit für mich …«

An­net­te er­hob sich, aber Vic­tor zog sie zu­rück auf ih­ren Platz. Völ­lig un­er­war­tet setz­te er zu ei­nem brei­ten Grin­sen an: »Wie? Das meinst du doch nicht ernst? Du kannst mich jetzt nicht al­lei­ne las­sen! Mit den bö­sen, bö­sen Men­schen … Guck, da kommt schon ei­ner!« Vic­tor wink­te John­ny her­bei, der eben die Kan­ti­ne be­tre­ten hat­te.

»Na, bö­ser Mensch, wie is­ses ge­lau­fen?«

»Hey, Vic­tor, es war ein­fach geil. Wir hat­ten so viel Spaß! Es war … die reins­te Ek­sta­se!«

Vic­tor blick­te tri­um­phie­rend zu An­net­te: »Siehst du, das ist, was un­se­re Schau­spie­ler brau­chen! Ek­sta­se, Eu­pho­rie! – Komm John­ny, setz dich, mein Freund.« John­ny ließ sich auf den frei­en Stuhl an der Qu­er­sei­te des Ti­sches nie­der.

Vic­tor schob ihm sein wie­der ge­füll­tes Whis­ky­glas hin­über, wel­ches John­ny mit has­ti­gem Zug hin­un­ter­stürz­te.

»Und wie schaut’s aus? Kön­nen wir beim Faust auch wie­der so rich­tig auf die Ka­cke hau­en?«

Vic­tor blick­te süf­fi­sant in An­net­tes Rich­tung. »Wenn un­se­re Frau Ge­ne­ral­feld­we­bel uns lässt …«

John­ny run­zel­te die Stirn. »Oh nee, aber nicht so ’ne Bie­der­mei­er-Num­mer …«

»Wer hat denn was von Bie­der­mei­er ge­sagt?«, kri­ti­sier­te An­net­te. »Dazu wäre Vic­tor doch gar nicht in der Lage.«

»In­ter­essant, lie­be Frau Dra­ma­tur­gin. Du glaubst also, ich wäre nicht im­stan­de, ir­gend­ei­ne die­ser aus­tausch­ba­ren Stadt­büh­nen-Ins­ze­nie­run­gen zu pro­du­zie­ren?«, hak­te Vic­tor nach.

»So war das doch nicht ge­meint. Aber du hast doch selbst ge­sagt, dass du es ganz an­ders ma­chen willst …«

»Ja, das wer­de ich. Ech­ter.«

»Ech­ter?« An­net­te blick­te ihn fra­gend an.

»Ja, wahr­haf­ter.«

An­net­te nick­te stumm.

Vic­tors Ge­sicht färb­te sich rot. »Was ist? Traust du mir das nicht zu?«

»Doch, doch. Na­tür­lich.«

»Ach ja? Und warum ist da so ein Zwei­fel in dei­nen Au­gen?«

An­net­te räus­per­te sich. »Na ja, in vie­ler­lei Hin­sicht sind dei­ne Ins­ze­nie­run­gen un­schlag­bar. Aber wenn ich was kri­ti­sie­ren müss­te, dann …«

»Ja, was? Dann?«

»Ich bin der Mei­nung, dass … Oft habe ich das Ge­fühl, du meinst nicht ernst, was du da auf die Büh­ne stellst.«

»Pah!« rief Vic­tor aus. »Habt ihr das ge­hört? Das las­se ich be­stimmt nicht auf mir sit­zen! Wer, wenn nicht ich, Vic­tor Hund, in­sze­niert denn bit­te Auth … Authen­ti­zi­tät?«

An­net­te blick­te Vic­tor ru­hig und ge­las­sen ins Ge­sicht. Nach ih­rer an­fäng­li­chen Un­si­cher­heit, fand sie all­mäh­lich Ge­fal­len an ih­rem klei­nen Zwist: »Wenn du glaubst, du er­reichst Authen­ti­zi­tät, in­dem du dei­ne Schau­spie­ler sich aus­zie­hen oder bei ih­ren rea­len Vor­na­men an­spre­chen lässt, hast du si­cher­lich recht. Trotz­dem stim­men dei­ne Ins­ze­nie­run­gen nicht. Der Kern, eben das Wahr­haf­te, das fehlt ein­fach.«

Vic­tor be­gann zu bro­deln: »Gut, Frau Dra­ma­tur­gin, dann sag du mir, wie ich das Wahr­haf­te in­sze­nie­re! Dann geh mor­gen mit mir zur Pro­be und er­klär mei­nen Schau­spie­lern, was sie tun müs­sen! Ich bin ge­spannt, wie du das an­stellst!«

John­ny, der sich das zwei­te Glas Whis­ky ein­goss, lenk­te be­schwich­ti­gend ein: »Hey, bleibt mal lo­cker! Das krie­gen wir schon ge­ba­cken. Ist doch schon spät heu­te … Stoßt lie­ber noch mal mit mir an! Prost.« Er trank auch die­ses Glas in ei­nem Zug aus.

Vic­tor und An­net­te je­doch lie­ßen sich nicht be­ir­ren und starr­ten sich wei­ter feind­se­lig an.

John­ny setz­te er­neut an, die ge­spann­te Si­tua­ti­on auf­zu­bre­chen: »Wie sieht’s denn ei­gent­lich mit der Be­set­zung aus?«

Vic­tor warf An­net­te einen letz­ten ein­dring­li­chen Blick zu, ehe er sich John­ny zu­wand­te: »Du kriegst den Faust!«

John­ny brach in La­chen aus. »Wie? Das ist ein Witz, oder? Ich mei­ne, klar, wir spie­len Faust. Aber auch klar, dass ich auf je­den Fall den Me­phi­sto spie­le, oder?«

An­net­te blick­te ihn an. »Kei­nes­wegs. Du wirst un­ser Faust-Dar­stel­ler.«

John­ny japs­te nach Luft. »Aber … das … wer von uns hat jetzt zu viel ge­trun­ken? Und wer bit­te spielt dann den Me­phi­sto?«

»Jo­han­nes!«, spra­chen An­net­te und Vic­tor un­ge­wollt ver­eint aus.

»Ich fass’ es nicht! Un­ser Kar­di­nal Jo­han­nes soll die­sen gei­len Bock dar­stel­len? Was hat euch denn da ge­rit­ten? Wie soll das denn ge­hen, wo der schon im wirk­li­chen Le­ben da­her­kommt wie die Betschwes­ter Eu­la­lia?«

»John­ny, es reicht«, kon­ter­te Vic­tor scharf. »Wir wer­den einen Faust ma­chen, der an­ders ist als all das, was du je auf der Büh­ne ge­se­hen hast. Es geht nicht dar­um, was du willst, son­dern um Kunst. Da muss man eben Op­fer brin­gen.«

»Kunst, Kunst, … Ihr geht mir lang­sam auf die Eier mit eu­rer Kunst!«, un­ter­brach John­ny wirsch. »Als ob es je­mals über­haupt dar­um ge­gan­gen wäre! Da­bei ver­su­chen wir doch ein­zig und al­lei­ne, un­se­re ses­sel­pup­sen­den Zuschau­er zu­frie­den­zu­stel­len, spen­die­ren ih­nen ein­ein­halb Stun­den lang ein ge­ruh­sa­mes Nicker­chen und be­cir­cen hin­ter­her die Pres­se, da­mit die Pub­li­ci­ty stimmt!«

Vic­tor, der trotz sei­nes Al­ko­hol­kon­sums von ei­nem Mo­ment auf den an­de­ren wie­der völ­lig klar schi­en, blick­te John­ny ent­setzt an. »Jetzt sag nicht, dass du das ernst meinst!« Die Män­ner blick­ten sich kamp­fes­lus­tig an. An­net­te wur­de zu­neh­mend ner­vö­ser.

Kurz be­vor die ge­la­de­ne Stim­mung vollends kipp­te, wur­den sie durch lau­tes La­chen un­ter­bro­chen. Die zwei jun­gen Frau­en, die so­eben die Kan­ti­ne be­tre­ten hat­ten, schie­nen sich köst­lich zu amü­sie­ren: die Schau­spie­le­rin Eva Schu­berth, zu­sam­men mit der In­spi­zi­en­tin Ka­thi We­ber. Es wur­de des Öf­te­ren ge­mun­kelt, ob nicht eine ge­wis­se Liai­son zwi­schen den bei­den be­stün­de … Ne­ben den an­de­ren Af­fä­ren mit zahl­rei­chen männ­li­chen Ver­eh­rern, die man der at­trak­ti­ven Schau­spie­le­rin nach­sag­te. So ge­nau ließ Eva sich al­ler­dings nie in die Kar­ten gu­cken, was sie wie­der­um noch in­ter­essan­ter mach­te.

Sicht­bar be­schwingt stol­per­ten die bei­den Frau­en Arm in Arm zwi­schen die rest­li­che Thea­ter­schar. Eva sah sich um, wink­te hier­hin, zwin­ker­te dort je­man­dem zu und ließ sich von ih­rer Beglei­te­rin an den Ne­ben­tisch des Drei­er­ge­spanns steu­ern.

So­gleich trat Un­ru­he zwi­schen Vic­tor und John­ny ein. John­ny beug­te sich kess über sei­ne Stuhl­leh­ne. »Na, Püp­pi, has­te ’ne or­dent­li­che Show ab­ge­zo­gen, da drau­ßen?«

»Na, das glaubs­te aber!«, misch­te sich Ka­thi so­gleich ein. »Kennst doch un­ser Ev­chen!« Eva ki­cher­te in sich hin­ein.

»Na, und bald wird das Ev­chen auch schon zum Gret­chen!«, schä­ker­te John­ny wei­ter. »Da hab’ ich doch recht, Vic­tor, oder?!«

»Ja, ja, das war der Plan«, brum­mel­te Vic­tor, sicht­lich an­ge­wi­dert von John­nys Flirt­ver­su­chen.

»Ach, Vic­tor, wirk­lich?«, säu­sel­te Eva dem Re­gis­seur zu. »Wa­gen wir wie­der einen Ver­such zu­sam­men?«

»Bleibt mir et­was an­de­res üb­rig, mein Gold­kehl­chen?«, kam es gön­ner­haft von Vic­tor zu­rück, in dem die Man­nes­kraft nun auch er­neut ent­facht war. »Da wür­de ich mir ja ins ei­ge­ne Fleisch schnei­den, wenn ich un­se­ren Kas­sen­schla­ger von der Bild­flä­che ver­schwin­den lie­ße …«

»Ich bin also nur da­für gut, dass der Ru­bel rollt, ja?!« gab Eva ge­spielt be­lei­digt zu­rück. »Wenn das so ist, soll­ten wir noch mal mei­ne Gage ver­han­deln!«

»Da­mit habe ich nichts zu tun!« Vic­tor lehn­te sich zu­rück. »Da­für wen­dest du dich am bes­ten an un­se­re Frau Dra­ma­tur­gin! Auf dass sie ein gu­tes Wort bei un­se­rem Finanz­chef ein­legt.«

»Tja, ich bei­ße bei ihm auf Gra­nit. Nur für den Fall, dass hier an­de­re Gerüch­te kur­sie­ren …«, ent­geg­ne­te An­net­te. »Aber ich bin si­cher, auch er ist für weib­li­che Rei­ze nicht ganz un­emp­fäng­lich …«, er­gänz­te sie in Evas Rich­tung. Die­ser Pfeil saß. Mit ei­nem Ruck rich­te­te Eva sich auf. »Du ver­stehst doch über­haupt nichts! Wenn du wüss­test …« Vic­tor warf Eva einen war­nen­den Blick zu. Sie ver­stumm­te. Die zu­vor schon im Raum lie­gen­de Span­nung schi­en sich aus­zu­wei­ten. Für einen Mo­ment herrsch­te ge­bann­te Stil­le. Sie wur­de von Ka­thi durch­bro­chen. Lo­cker-lus­tig frag­te sie in die Run­de: »Na, wie weit sind denn nun eure Plä­ne für den Faust? Eva spielt also das Gret­chen … Und die an­de­ren?«

»Ge­stat­ten, mein Name ist Faust. ›Ha­be nun, ach! Phi­lo­so­phie‹ …«, be­gann John­ny zu de­kla­mie­ren.

»Das ist nicht dein Ernst!«, prus­te­te Eva los. »Das wäre auch zu ko­misch!«

»Mei­ne Lie­be, das ist über­haupt nicht ko­misch«, blaff­te Vic­tor ag­gres­siv da­zwi­schen. »John­ny wird den Faust spie­len, Jo­han­nes Me­phi­sto und du Gret­chen. Ende der Dis­kus­sio­nen!«

Eva, die nun ganz ru­hig ge­wor­den war, ließ nur noch ein schnip­pi­sches »In­ter­essant!« ver­lau­ten. »Ma­chen wir end­lich mal Kunst, ja?!«, konn­te sie sich dann doch nicht ver­knei­fen.

Vic­tor pack­te sie am Arm und stieß zwi­schen den ani­ma­lisch ge­bleck­ten Zäh­nen her­vor: »Wehe, du fängst jetzt auch noch da­mit an … Wenn dir nicht passt, was ich ma­che, kannst du je­der­zeit ge­hen. Aber ver­giss nicht, wo du ohne mich wärst. Ver­giss das nicht.« Eva schluck­te und blick­te Vic­tor has­s­er­füllt an.

An­net­te zog ihn sanft von der schma­len Schau­spie­le­rin fort. »Komm, es reicht! Wir ha­ben alle zu viel ge­trun­ken …«

Vic­tor wand­te sei­nen star­ren­den Blick nicht von Eva ab. John­ny nutz­te die Gunst der Stun­de, er­hob sich ruck­ar­tig und streck­te Eva sei­ne Hand hin: »Komm, mein Gret­chen, ich bring’ dich nach Hau­se, ja?!« Eva nahm das An­ge­bot sicht­bar er­leich­tert an und ver­ließ mit John­ny den Raum, ohne ih­ren Blick noch ein­mal auf die üb­ri­gen An­we­sen­den zu rich­ten. Wie in Tran­ce starr­te Vic­tor ihr hin­ter­her, bis sie die Thea­ter­kan­ti­ne ver­las­sen hat­te.

»Da ist also im­mer noch mehr zwi­schen den bei­den«, dach­te An­net­te. Die Kar­rie­ren von Vic­tor und Eva wa­ren eng ver­knüpft, ihr je­wei­li­ger Er­folg war nur als Er­folg ei­ner Sym­bio­se zu se­hen. Was die bei­den al­ler­dings wirk­lich mit­ein­an­der ver­band, war nur be­dingt zu durch­schau­en.

Vic­tors star­ren­de Tran­ce ver­wan­del­te sich in Wut. Sein ei­si­ger Blick bohr­te sich in die re­gungs­lo­se Fassa­de der Dra­ma­tur­gin. In­ner­lich bro­delnd, äu­ßer­lich die Ruhe selbst, wand­te er sich an sie: »Gut, An­net­te, ich gebe dir hier­mit mein Wort, dass ich mit dem Faust wahr­haf­te Kunst ma­chen wer­de. Das wird die wahr­haf­tes­te Ins­ze­nie­rung, die Ber­lin, ach, was sag’ ich, die Welt je ge­se­hen hat! Dir wer­den die Au­gen über­ge­hen, das ver­spre­che ich dir!« Der letz­te Satz klang fast wie eine Dro­hung.

An­net­te ver­spür­te eine un­an­ge­neh­me Käl­te. »Zeit, dass ich nach Hau­se gehe«, mur­mel­te sie, ehe sie fast laut­los auf­stand und ging.

22. März

Da lag sie nun. Das Gret­chen ali­as Eva Schu­berth. 32 Jah­re alt, mit­ten im Le­ben. Die Wan­gen glänz­ten ro­sig. Es sah aus wie der per­fek­te Büh­nen­tod, hat­te et­was fast Ma­le­ri­sches an sich. Aber ir­gen­det­was stör­te. Das Blut, das da nicht en­den wol­lend aus ih­rem Ober­kör­per ström­te, der merk­wür­dig ab­ge­knick­te Arm, der ge­ra­de noch eine Pis­to­le ge­hal­ten hat­te. Nach zwei Stun­den dicht ge­dräng­ten Spiels um Sinn­su­che, Ge­wis­sens­kon­flik­te und tod­brin­gen­de Be­zie­hungs­dra­men hat­te sich das Ende er­staun­lich schnell auf­ge­löst. Die Zuschau­er hat­ten Mühe, die letz­ten Wor­te und Vor­gän­ge über­haupt so schnell zu be­grei­fen. Da dringt Faust in den Ker­ker ein, be­waff­net, will Gret­chen mit sich fort­neh­men, wird ge­drängt von Me­phi­sto. Plötz­lich er­tönt der Schuss. Mit­ten ins Herz. Gret­chen am Ab­zug. Sie schwankt, sie stürzt. Blut. Dann geht das Licht aus. Nach zwei Se­kun­den Stil­le be­gann das Klat­schen, das sich in Kür­ze in Joh­len, Fü­ße­trap­peln und Stan­ding Ova­ti­ons aus­wei­te­te. Nach den letz­ten, um­strit­te­nen Pre­mie­ren, wel­che die Zuschau­er­schaft in min­des­tens zwei La­ger ge­teilt hat­ten, herrsch­te nun Ei­nig­keit. Es war groß­ar­tig, was sich so­eben auf der Büh­ne er­eig­net hat­te. In den An­kün­di­gun­gen war nicht zu viel ver­spro­chen wor­den. Der Saal tob­te. Schau­spie­ler und Zuschau­er wur­den eins. Nach und nach ström­ten die Dar­stel­ler auf die Büh­ne, ver­sam­mel­ten sich um das im­mer noch still da­lie­gen­de Eva-Gret­chen, Glück in den Au­gen, eu­pho­risch. Sie setz­ten zur Ver­beu­gung an. Wa­rum aber er­hob sich die weib­li­che Haupt­dar­stel­le­rin nicht? Lä­chelnd streck­te John­ny-Faust sei­nen Arm nach ihr aus, war im Be­griff, sie hoch­zu­zie­hen. Erst jetzt wur­de nicht nur ihm, son­dern auch sei­nen Kol­le­gen auf der Büh­ne so­wie al­len knapp sechs­hun­dert Zeu­gen im Zuschau­er­raum be­wusst, was sich da wirk­lich vor al­ler Au­gen er­eig­net hat­te. John­ny-Faust fiel auf die Knie, ver­such­te ver­geb­lich, mit ei­nem Ta­schen­tuch den Blutstrom ein­zu­däm­men, Stim­men nach ei­nem Arzt wur­den laut, die Sa­ni­tä­ter, die für den Fall der Fäl­le, der nie ein­trat, hin­ter der Büh­ne sa­ßen, spran­gen mit ih­rem Ers­te-Hil­fe-Kof­fer her­bei, stie­ßen die um­ste­hen­den Schau­spie­ler bei­sei­te, ein äl­te­rer Mann, be­brillt, schwar­zer An­zug, dräng­te nach vor­ne. Of­fen­bar der ver­lang­te Arzt. Der Vor­hang wur­de ge­schlos­sen, um die Gret­chen-Dar­stel­le­rin nicht län­ger den voy­eu­ris­ti­schen Bli­cken des Pub­li­kums aus­zu­set­zen. Die Eu­pho­rie ver­wan­del­te sich in Tu­mult. Fas­sungs­lo­sig­keit brei­te­te sich aus wie ein Feu­er. Hek­tik mach­te sich breit. Ent­set­zen. Auch das Thea­ter­per­so­nal war of­fen­sicht­lich nicht auf solch ein Ge­scheh­nis ein­ge­stellt. Nach ei­ni­gen Mi­nu­ten, als der Saal sich schon um gut ein Drit­tel ge­leert hat­te, stol­per­te An­net­te Lud­wig auf die Büh­ne. Mit brü­chi­ger Stim­me ver­kün­de­te sie, dass es of­fen­bar einen Un­fall ge­ge­ben habe und die Zuschau­er den Saal ver­las­sen mö­gen. Sie dank­te für das Ver­ständ­nis, das nie­mand ihr ent­ge­gen­brach­te in die­sem un­er­hör­ten Au­gen­blick. Alle gin­gen, nach und nach, man­che wie be­täubt. Nur ei­ner blieb. Er konn­te den Blick nicht ab­wen­den vom rot-sam­ti­gen Büh­nen­vor­hang, hin­ter dem ge­ra­de die Schau­spie­le­rin, die er so sehr be­wun­der­te, um die letz­ten Se­kun­den ih­res kur­z­es Le­bens rang. Er hör­te das auf­ge­reg­te Ge­klap­per und Gera­schel der Ret­tungs­kräf­te. Spür­te die hilflo­sen Ver­su­che, Eva wie­der ins Le­ben zu­rück­zu­ho­len. Ver­nahm die auf­ge­reg­ten Stim­men, drau­ßen ein Mar­tins­horn. Ner­vö­se, lau­te Schrit­te. Wie in ei­nem Alp­traum zo­gen die un­sicht­ba­ren Er­eig­nis­se hin­ter dem Vor­hang an ihm vor­bei. Er spür­te in sei­ner Er­star­rung nicht, wie die Zeit ver­ging. Ir­gend­wann er­losch das Licht im Zuschau­er­raum, die Stim­men ver­klan­gen. Lang­sam fand auch er den Weg nach drau­ßen, sah das schwar­ze Fahr­zeug, die Män­ner, die einen Sarg tru­gen. Mit ih­rem Kör­per. Eine Welt brach für ihn zu­sam­men. Und gleich­zei­tig reif­te der Ent­schluss, sie nicht ein­fach so ge­hen zu las­sen.

23. März

Am nächs­ten Tag ging es durch alle Zei­tun­gen. »Thea­ters­kan­dal mit To­des­fol­ge« blitz­te es vom Ti­tel­blatt der BILD; »Tra­gi­scher Un­fall bei Faust-Pre­mie­re« hieß es im Ta­ge­ss­pie­gel. Der Tod von Eva Schu­berth über­schat­te­te jeg­li­ches Lob auf Ins­ze­nie­rung, Re­gis­seur und Schau­spie­ler.

Fra­gen wur­den laut – nach den ge­nau­en Um­stän­den, den Hin­ter­grün­den, ei­nem Mo­tiv? Tat­säch­lich ein Un­fall? Wie aber kann es pas­sie­ren, dass eine Schau­spie­le­rin mit ei­ner ge­la­de­nen Pis­to­le die Büh­ne be­tritt?

Für 14 Uhr wur­de eine Pres­se­kon­fe­renz ein­be­ru­fen. Von Sei­ten des Thea­ters wa­ren An­net­te Lud­wig, der Pres­se­spre­cher Leon Pe­ter­sen so­wie Wil­li Ma­ri­nus Klei­ber, der In­ten­dant per­sön­lich, an­we­send. Über 30 Jour­na­lis­ten hat­ten den Weg zum Thea­ter ge­fun­den, ei­lig wur­den wei­te­re Stüh­le her­an­ge­schafft – ein Zu­stand, wie man ihn sich für die Vor­stel­lung der neu­en Spiel­zeit wünsch­te, nicht aber für die­sen un­er­freu­li­chen An­lass. Zwei wei­te­re Her­ren, die in Thea­ter­krei­sen nicht be­kannt wa­ren, sa­ßen auf dem Po­di­um und flüs­ter­ten mit dem In­ten­dan­ten. Es han­del­te sich um Ver­tre­ter der Ber­li­ner Kri­mi­nal­po­li­zei, die so­gleich vor­ge­stellt wur­den, nach­dem das Ge­tu­schel ver­ebbt war und die Kon­fe­renz of­fi­zi­ell be­gon­nen hat­te: Al­fred Hüb­ner, Lei­ter der Mord­kom­mis­si­on, mit ei­nem sei­ner Kri­mi­nal­be­am­ten, Eber­hard Rich­ter.

»Mord­kom­mis­si­on?« hör­te man es aus ver­schie­de­nen Ecken.

»Es wäre zu früh, vor­ei­li­ge Schlüs­se zu zie­hen«, ver­such­te Al­fred Hüb­ner die ner­vö­se Men­ge zu be­schwich­ti­gen. »Wie sich der tra­gi­sche Tod von Eva Schu­berth im De­tail er­eig­net hat und wie die Hin­ter­grün­de aus­se­hen, wer­den wir schnellst­mög­lich auf­klä­ren. Be­vor wir je­doch zu ei­nem Er­geb­nis kom­men, möch­te ich Sie bit­ten, von ver­früh­ten In­ter­pre­ta­tio­nen Ab­stand zu neh­men.«

»Ar­bei­ten Sie im­mer mit ge­la­de­nen Schuss­waf­fen?« pro­vo­zier­te der Re­por­ter ei­nes lo­ka­len Fern­seh­sen­ders in der ers­ten Rei­he. Leon Pe­ter­sen setz­te zur Ant­wort an: »Selbst­ver­ständ­lich tun wir das nicht. Un­se­re Re­qui­si­ten un­ter­lie­gen ei­ner stren­gen Kon­trol­le und wer­den vor je­der Auf­füh­rung ein­ge­hend über­prüft.« Hüb­ner er­gänz­te: »Na­tür­lich un­ter­su­chen wir, wie es dazu kom­men konn­te, dass Frau Schu­berth trotz si­cher­heits­tech­ni­scher Über­prü­fun­gen mit ei­ner ge­la­de­nen Waf­fe die Büh­ne be­trat.«

»Stimmt es, dass Eva Schu­berth un­ter De­pres­sio­nen litt?«

»Im Mo­ment ha­ben wir kei­ne Hin­wei­se auf eine psy­chi­sche Er­kran­kung, aber auch das wer­den wir selbst­ver­ständ­lich prü­fen«, er­klär­te Eber­hard Rich­ter.

»Wo ist Vic­tor Hund? Wa­rum ist er nicht hier? Im­mer­hin ist er als Re­gis­seur ver­ant­wort­lich für das, was auf der Büh­ne pas­siert«, gab eine an­ge­grau­te Mitt­fünf­zi­ge­rin zu be­den­ken.

»Vic­tor lässt sich ent­schul­di­gen. Er ist – wie wir alle – sehr be­trof­fen vom Tod sei­ner Haupt­dar­stel­le­rin«, er­klär­te der In­ten­dant.

»Stimmt es, dass Herr Hund und Frau Schu­berth li­iert wa­ren?«

»Wir wer­den hier­zu kei­ner­lei Aus­sa­ge tref­fen und möch­ten Sie bit­ten, das Pri­vat­le­ben von Eva Schu­berth und al­len an­de­ren Be­tei­lig­ten aus dem Spiel zu las­sen«, ent­geg­ne­te Pe­ter­sen eine Spur zu hef­tig.

»Aber wenn es eine Be­zie­hungs­tat war?«, be­harr­te der Fra­ge­stel­ler auf sei­ner Theo­rie. »Dann spielt das Pri­vat­le­ben von Frau Schu­berth doch eine Rol­le. Oder sind Sie nicht dar­an in­ter­es­siert, den po­ten­ti­el­len Tä­ter mög­lichst schnell ding­fest zu ma­chen?«

»Wie be­reits dar­ge­legt, tun wir al­les Men­schen­mög­li­che, die­sen tra­gi­schen Un­glücks­fall schnell auf­zu­klä­ren. Sie wer­den ver­ste­hen, dass wir den­noch Zeit be­nö­ti­gen, um dies ge­wis­sen­haft und gründ­lich zu tun«, er­wi­der­te Hüb­ner pro­fes­sio­nell ru­hig, nach­dem er den er­reg­ten Pres­se­spre­cher mit ei­ner Be­schwich­ti­gungs­ges­te um Zu­rück­hal­tung ge­be­ten hat­te.

Als die Jour­na­lis­ten fest­stell­ten, dass ih­nen zu we­nig Fut­ter für ein Ei­fer­suchts­dra­ma, einen Mord aus Ra­che oder eine ähn­li­che Schlag­zei­le ge­lie­fert wer­den wür­de, such­te sich ei­ner der ge­wief­ten Pres­se­ver­tre­ter einen an­de­ren wun­den Punkt: »Was wird denn nun aus der groß an­ge­kün­dig­ten Faust-Ins­ze­nie­rung? Hieß es nicht, mit dem Er­folg die­ser Ins­ze­nie­rung ste­he oder fal­le auch die wei­te­re fi­nan­zi­el­le Si­tua­ti­on Ihres Thea­ters?«

Der In­ten­dant hat­te mit die­ser Fra­ge ge­rech­net: »Ich möch­te Sie bit­ten, zu Pro­to­koll zu neh­men, dass wir be­reits seit ein paar Mo­na­ten wie­der schwar­ze Zah­len schrei­ben. Von ei­ner an­ge­spann­ten fi­nan­zi­el­len Lage kann also kei­nes­wegs die Rede sein!«

Knar­zen­de Stüh­le, pe­ne­tran­tes Gehüs­tel und ent­nerv­tes Wis­pern mar­kier­ten die Un­ru­he un­ter den An­we­sen­den. Nach län­ge­rem Schwei­gen sprang ein glatz­köp­fi­ger Mann mit Drei­ta­ge­bart und hoch­ro­tem Kopf auf: »Wenn ich noch ein­mal zu­sam­men­fas­sen darf: Eine Schau­spie­le­rin stirbt bei der Pre­mie­re. Sie agiert mit ei­ner ge­la­de­nen Waf­fe, de­ren Her­kunft sich nie­mand er­klä­ren kann. Kei­ne An­zei­chen für Sui­zid. Mord­mo­tiv: nicht vor­han­den. Trotz­dem sit­zen Sie, die Her­ren von der Po­li­zei, hier oben. Und ha­ben nichts. Das er­zäh­le ich also mei­nen Le­sern, ja? Biss­chen dün­ne Sto­ry, mei­nen Sie nicht?« Zu­stim­men­des Rau­nen un­ter­strich den vor­ge­brach­ten Ein­wand.

Ge­las­sen er­griff Hüb­ner das Wort. »Sie ha­ben ganz recht. Eine Sto­ry ist das noch nicht. Wir sind eben nicht Hol­ly­wood. Mög­li­cher­wei­se han­delt es sich um einen tra­gi­schen Un­fall. Aber Sie kön­nen ver­si­chert sein: so­bald es neue Er­kennt­nis­se gibt, wer­den wir Sie das wis­sen las­sen. Zum jet­zi­gen Zeit­punkt kön­nen wir Ih­nen lei­der kei­ne wei­te­ren In­for­ma­tio­nen ge­ben.«

Ein pro­tes­tie­ren­des »Phh« aus­sto­ßend ver­ließ der Mann mit dem Drei­ta­ge­bart und ei­nem in­zwi­schen noch rö­te­ren Kopf das Sit­zungs­zim­mer des Thea­ters. Kopf­schüt­telnd folg­ten ihm ei­ni­ge Kol­le­gen.

Fra­gend blick­ten die rest­li­chen An­we­sen­den ein­an­der an.

Plötz­lich wur­de die Stil­le durch­bro­chen. Fast apa­thisch mur­mel­te ein se­ri­ös ge­klei­de­ter Mitt­vier­zi­ger mit Horn­bril­le: »Es war si­cher kein Un­fall.« Er hat­te lei­se ge­spro­chen, fast ge­nu­schelt, den­noch hat­te es je­der ge­hört. Mit ei­nem Mal war die Auf­merk­sam­keit wie­der da und es wur­de schlag­ar­tig still im Raum. Alle Bli­cke wand­ten sich zum äu­ßers­ten Platz, ganz rechts, in der vor­de­ren Rei­he. Bis zu die­sem Mo­ment hat­te es der Herr im grau­en Woll­pul­li ge­schafft, in der Jour­na­lis­ten­schar un­ter­zu­ge­hen. Es war der­sel­be Herr, der am Abend zu­vor als Letz­ter den Zuschau­er­raum ver­las­sen hat­te. Er räus­per­te sich und erst dann schi­en ihm klar zu wer­den, dass er, der sonst sel­ten be­merkt wur­de, mit ei­nem Mal im Fo­kus des all­ge­mei­nen In­ter­es­ses stand. Wie­der ein Räus­pern. »Ent­schul­di­gen Sie. Ich – nur ein Ge­dan­ke«, stieß er her­vor.

»Hey, was weißt du?«, stieß ihn der BILD-Re­por­ter von links in die Sei­te.

»Ich weiß, dass ich nichts weiß«, kam es so ent­rückt als Ant­wort, dass sich ei­ni­ge An­we­sen­de das La­chen nur mit Mühe ver­knei­fen konn­ten. Au­gen­rol­lend kon­ter­te der BILD-Re­por­ter: »Du hast ’ne Sto­ry, rückst sie aber nicht raus. Ka­piert. Für wel­ches Blatt schreibst du?«

Sein Sitz­nach­bar, der schon wie­der in eine an­de­re Welt ab­ge­taucht schi­en, mach­te kei­ner­lei An­stal­ten, zu ant­wor­ten. Um die er­neut auf­kei­men­de Un­ru­he zu un­ter­drücken, ging Pe­ter­sen ener­gisch da­zwi­schen: »Mei­ne Da­men und Her­ren, ich den­ke, es wur­de al­les ge­sagt. Wie Herr Hüb­ner Ih­nen be­reits mit­ge­teilt hat, wer­den wir Sie auf dem Lau­fen­den hal­ten. Die heu­ti­ge Pres­se­kon­fe­renz ist hier­mit be­en­det. Ich wün­sche Ih­nen noch einen er­folg­rei­chen Tag und be­dan­ke mich für Ihre Auf­merk­sam­keit.«

Nach und nach ver­lie­ßen die Pres­se­ver­tre­ter in klei­nen Grüpp­chen den Raum. Als sich mit ei­ni­ger Ver­zö­ge­rung auch der Horn­bril­len-Trä­ger von rechts vor­ne lang­sam aus sei­nem Stuhl er­hob, ging Hüb­ner auf ihn zu: »Möch­ten Sie uns et­was mit­tei­len?«

Wie aus ei­ner an­de­ren Welt blick­te sein Ge­gen­über den Po­li­zei­kom­missar an. Es war ein lan­ger, über­le­gen­der Blick aus trau­ri­gen Au­gen. »Es macht kei­nen Sinn mehr. Da­mit hat sich al­les er­le­digt.«

Hüb­ner war sicht­lich ir­ri­tiert von die­ser Ant­wort: »Das ver­ste­he ich nicht.«

»Ich war fast fer­tig. Und jetzt stirbt sie ein­fach. Da­mit ist al­les zu­nich­te.«

Hüb­ner ver­such­te, den Herrn am Ge­hen zu hin­dern: »Na­tür­lich ist ein Le­ben zu­nich­te, wenn je­mand stirbt. Ich ver­mu­te, Sie stan­den Eva Schu­berth nahe?«

»Mög­li­cher­wei­se. So rich­tig bin ich ihr erst drei­mal be­geg­net. Auch wenn ich das Ge­fühl habe, sie schon län­ger zu ken­nen. Ich habe jede Ins­ze­nie­rung mit ihr an die­sem Thea­ter ge­se­hen. In der Re­gel mehr­fach.«

Al­fred Hüb­ner glaub­te, zu ver­ste­hen. »Sie wa­ren also ei­ner ih­rer großen Fans?«

»Fan. Das klingt im­mer so pro­fan. Ich bin Jour­na­list. Ich habe viel­leicht das letz­te große In­ter­view mit ihr ge­führt.«

Nun wur­de Hüb­ner auf­merk­sam. »Das ist ja in­ter­essant! Könn­te even­tu­ell hilf­reich sein.« Neu­gie­rig blick­te er sein Ge­gen­über an. »Wie ist Ihr Name?«

Der Jour­na­list streck­te Hüb­ner sei­ne kno­chi­ge, hart zu­pa­cken­de Hand ent­ge­gen. »Ver­zei­hen Sie. Mein Name ist Bert­hold. Vol­ker Bert­hold. Ich ar­bei­te als frei­er Kul­tur­jour­na­list für die Mor­gen­post.« Er nes­tel­te ein Vi­si­ten­kärt­chen aus sei­nem Jackett, um Hüb­ner sei­ne Kon­takt­da­ten zu über­rei­chen.

»Wun­der­bar!«, quit­tier­te der Po­li­zei­kom­missar die über­ra­schend ent­ge­gen­ge­brach­te Auf­merk­sam­keit. »Sa­gen Sie, wa­ren Sie ges­tern Abend auch im Pub­li­kum?«

Vol­ker Bert­hold nick­te stumm.

»Umso bes­ser. Dann sind Sie ja auch Zeu­ge. Was hal­ten Sie da­von, Herr Bert­hold, wenn wir uns in Ruhe noch ein­mal über al­les un­ter­hal­ten, was Sie von Eva Schu­berth wis­sen?« Schmei­chelnd er­gänz­te er: »Ich könn­te mir vor­stel­len, dass Sie, als ihr In­ter­view-Part­ner, nicht we­nig zu un­se­ren Er­mitt­lun­gen bei­tra­gen könn­ten.«

Zwei­felnd blick­te Vol­ker Bert­hold ihn an: »Wenn Sie mei­nen … Wie ge­sagt, ich kann­te Eva noch nicht be­son­ders gut.«