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Milula ist ein Fabelwesen. Um genau zu sein ein Hajumijo. Was du weißt nicht, was ein Hajumijo ist? Genau das ist Milulas Problem. Das weiß nämlich fast niemand. Als auch noch ihr Großvater krank wird, überschlagen sich die Ereignisse. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Nachsitzen eine wichtige Rolle bei der Suche nach einem Heilmittel spielt und Milula sogar in Köln landet.
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Seitenzahl: 143
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Für alle Bücherwürmer und Leseratten
1. Hajumijo
2. Schule
3. ÄRGER-Dich-Nicht
4. Kekse
5. Eichelburger
6. Jahreszeit
7. Regenbogen
8. Nachsitzen
9. Dampfnudel
10. Entschuldigung
11. Dunkelheit
12. Fremde Welt
13. Gute Nacht
14. Noch mehr Mathe
15. Köln
16. Das Buch
17. Guten Morgen
18. Wächter
Kennt ihr Einhörner?
Ich denke schon.
Wisst ihr auch, was ein Kobold ist?
Sicher.
Eine Elfe, eine Nymphe, ein Vampir und ein Werwolf?
Klar, alles schon mal gehört. Aber wisst ihr auch, was ein Hajumijo ist?
Nein? Keine Ahnung?
Genau das ist Milulas Problem. Denn Milula ist ein Hajumijo.
Aber fangen wir von vorne an.
Milula lebt mit ihren Eltern und Großeltern auf einer verzauberten Insel. Auf Fabuiris, um genau zu sein. Fabuiris liegt je nach Jahreszeit mal im Rhein, mal in der Themse, mal im Hudsonriver oder im Nil. Wie es so bei verzauberten Inseln ist, können Menschen sie nicht sehen. Das liegt daran, dass sie in einer Paralleldimension liegt und nur über eine Regenbogenbrücke mit der Menschenwelt verbunden ist. Das ist sehr praktisch, denn so schwimmt sie nicht immer den auf den Flüssen schippernden Schiffen im Weg herum. Außerdem ist Fabuiris auch ziemlich groß, denn es leben dort nicht nur die Hajomijos, sondern auch alle anderen bekannten Fabelwesen. Die Insel würde also über die Ufer hinausragen, wenn sie nicht in einer anderen Dimension liegen würde. Direkt neben Milulas Wohnhöhle im Zauberwald lebt zum Beispiel eine Fee.
Jeden Morgen bevor Milula zur Schule geht, bewundert sie die wunderschönen Flügel ihrer Nachbarin. Was ein bisschen schräg ist, denn Frau Tulpe war ihre Lehrerin. Aber egal ob Lehrerin oder nicht, Milula hätte auch gerne Flügel, um fliegen zu können.
Doch sie hatte keine, denn Hajumijos sind eher unscheinbar. Ihre Haut schimmert grünlich, damit sie zwischen den Pflanzen kaum zu sehen sind. Sie laufen auf zwei Beinen, die denen eines Kaninchens sehr ähnlich sind und bis zur Mitte der Taille haben sie auch dessen Fell. Sie besitzen einen geschuppten Schwanz mit einer türkisen Pinselspitze. Bei weiblichen Hajumijos läuft das türkis in ein leichtes Violett aus. Außerdem haben sie wunderschöne runde, rehbraune Augen und ihre Ohren sehen aus wie die eines Teddybären. Aber Hajumijos sind selten geworden, denn eine Legende besagt:
„Nur wenn sich die Menschen Geschichten über Fabelwesen erzählen, kann Fabuiris existieren.“
„Hey Milula, träumst du schon wieder?“
Milula schreckte aus ihren Gedanken auf.
Die schwere Erkältung ihres Pflanzenkundelehrers war zwar nicht ganz so schön für den Lehrer, aber ihnen bescherte es eine Freistunde, die sie auf der Treppe der Außensportanlage verbrachten.
„Was hast du gesagt?“
Sie sah Flix irritiert an.
Flix war ein Faun. Er hatte die Beine einer Ziege und trug Hörner auf dem Kopf.
Seine Familie stammte von einem altrömischen Waldgeist ab und er war Milulas bester Freund seit dem Kindergarten.
„Ach nichts Wichtiges. Seit wann ist es denn von Bedeutung, wenn ich dir etwas erzähle.“
Milula rollte mit den Augen, dass er immer so dramatisch sein musste.
„Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht ignorieren. Jetzt sag schon, um was ging es?“
„Na gut, aber nur weil du es bist, wiederhole ich mich. Ich habe ein neues Brettspiel von meiner Tante bekommen und ich wollte dir vorschlagen, am Samstag einen Spieleabend zu veranstalten. So mit frittierten Brennnesseln und Baumbrause.“
„Vielleicht könnten wir auch Marino dazu einladen“, sagte Milula verträumt und ließ ihren Blick wieder hinüber zum Schwimmbecken schweifen.
Flix verzog sein Gesicht.
„War klar, dass du mit deinen Gedanken schon wieder bei dem Meermann bist.“
Milula schien ihm schon wieder nicht zuzuhören. Er seufzte, schloss die Augen und legte seinen Kopf in den Nacken.
„Ihr zwei glaubt doch nicht ernsthaft, dass sich Marino mit euch Paarhufern abgibt.“
Vor ihnen stand Nila und warf ihr hellblondes Haar nach hinten. Natürlich nicht ohne ihren Fanclub.
Flix öffnete die Augen. „Was heißt hier Paarhufer? Erstens Milula hat Pfoten und zweitens, soll das etwa eine Beleidigung sein? Ich kann mit meinen durchtrainierten Ziegenbeinen problemlos jeden Felsen erklimmen. Das musst du mir erst einmal nachmachen.“
Nila schnitt Flix das Wort ab, in dem sie gebieterisch die Hand hob. Sie sah ihn abschätzig an und wandte sich dann an Milula.
„Wie dem auch sei, lass deine Pfoten von Marino. Er kommt am Samstag auf meine Party und nur damit es keine Missverständnisse gibt, ihr seid nicht eingeladen.“
Nilas Fanclub kicherte, dann zogen sie weiter und ließen Milula und Flix mit verblüfften Gesichtern zurück.
Flix schnaubte. „Typisch Elfen, die halten sich immer für was Besseres. Dabei haben sie noch nicht einmal Flügel. Was haben die denn schon vorzuweisen außer ihre spitzen Ohren?“
„Zum Beispiel sehen sie wunderschön aus und altern nicht. Da kann ich nicht mithalten.“
Milula schlug sich frustriert die Hände vors Gesicht.
„So ein Quatsch. Wenn ich die Wahl hätte zwischen dir und Nila, dann verbringe ich viel lieber Zeit mit dir. Schönheit liegt im Auge des Betrachters.“
Er zwinkerte seiner Freundin zu.
„Danke.“
Flix grinste.
Die Glocke läutete und kündigte das Ende der Freistunde an. Sie schnappten sich ihre Taschen und gingen zum Schulgebäude zurück.
„Hoffentlich schreiben wir keinen Überraschungstest in Inselkunde. Es interessiert mich nämlich reichlich wenig, wo das Klima für Einhörner am besten ist oder wie viel Wald auf der Insel wächst.“
Milula kicherte. Sie war in Inselkunde ganz gut. Sie fand es sogar richtig spannend.
Flix stellte seine Tasche neben die Schulbank und ließ sich auf seinen Stuhl fallen.
Milula setzte sich neben ihn und holte ihr Schreibzeug, Schulbuch und Heft hervor und legte alles zusammen auf dem Tisch bereit.
„Ach so, ich vergaß, dass du eine Musterschülerin bist. Du hängst ja förmlich an den Lippen von Frau Tulpe.“
„Ich finde einfach ihren Unterricht gut.“
„Ja, vor allem dieser leise Klang eines Glöckchens, wenn sie sich bewegt. Das ist ungemein entspannend. Mal ehrlich, nervt es nicht, dass sie neben euch wohnt? Ich stelle mir vor, ich schlafe gerade und Frau Tulpe holt sich in der Nacht ein Glas Milch aus dem Kühlschrank. Wirst du davon nicht geweckt?“
„Wie oft hast du jetzt schon bei uns übernachtet? Ich kann mich nicht daran erinnern, dass du jemals schlecht geschlafen hättest. Außerdem ist dein Geschnarche um einiges lauter als das zarte Klingeln.“
An der Vorderbank drehte sich Nila um.
„Vielleicht ist sie auch einfach nur in Frau Tulpe verknallt.“
„Nein, bin ich nicht. Ich ...“
Da betrat Frau Tulpe das Klassenzimmer.
„Guten Morgen. Bitte schlagt eure Bücher auf Seite 36 auf. Heute besprechen wir den Lebensraum der Einhörner.“
Flix seufzte und flüsterte Milula zu: „Siehst du, Einhörner. Habe ich es nicht gesagt? Kann ich mit in dein Buch rein-schauen? Ich habe meines vergessen.“
Milula grinste und schob ihr Buch in die Mitte des Tisches.
Frau Tulpe setzte sich an ihren Pult und sah lächelnd in die Klasse.
„Na, wer kann nochmal zusammenfassen, was wir in der letzten Stunde über Einhörner gelernt haben?“
Nilas Hand schoss nach oben.
Frau Tulpe nickte ihr zu, aber Nila sprang von ihrem Stuhl auf.
„Einhörner sehen aus wie Pferde, haben aber ein schneckenartig gedrehtes und spitz zulaufendes Horn auf der Stirn. Sie sind weiß mit silberschimmernder Mähne und so stark, dass sie es sogar mit einem Löwen aufnehmen können. Mein Vater hat gesagt, nächstes Jahr schenkt er mir eines.“
Milula lachte kurz auf und murmelte:
„Das glaube ich kaum.“
Nila drehte sich um und funkelte sie böse an.
„Milula, wieso glaubst du das nicht?“,
fragte Frau Tulpe in strengem Tonfall.
Milula lief rot an. Hatte sie das wirklich laut ausgesprochen?
„Weil Einhörner in Gefangenschaft sterben“, stotterte sie verlegen.
Frau Tulpes Gesichtsausdruck veränderte sich zu einem Lächeln.
„Das ist richtig und was weißt du noch über Einhörner?“
„Das sie mit ihrem Horn heilen können.“
„Wieder richtig, aber nächstes Mal melde dich bitte. Nila, du kannst dich übrigens wieder hinsetzen und Flix würdest du bitte aufhören, so schadenfroh zu lächeln und uns den ersten Satz aus dem Buch vorlesen?“
Flix wischte sich sofort das Grinsen aus dem Gesicht und zog das Buch näher an sich heran.
„Einhörner leben meist versteckt in den Wäldern bei Flüssen mit kristallklarem Wasser.“
„Sehr gut, danke. Was denkt ihr, wie viele Einhörner gibt es auf Fabuiris?“
Flix meldete sich. Frau Tulpe zeigte auf ihn.
„Das ist schwer zu sagen, wenn sie versteckt leben.“
Die anderen lachten.
„Stimmt, aber ab und zu führt die Inselbehörde eine Zählung beziehungsweise eine Schätzung auf Grundlage der erfassten Sichtungen durch. Die Zahl der Einhörner steigt im Moment an, woran könnte das denn liegen?“
Ein Vampir in der ersten Reihe meldete sich.
„Weil in der Menschenwelt mehr Leute an Einhörner glauben.“
„Sehr gut, Hämo. Und wieso wird ihr Lebensraum nicht zu klein, wenn sich doch die Anzahl der Einhörner erhöht?“
„Weil Fabuiris immer im Gleichgewicht mit der Anzahl der auf ihr lebenden Wesen ist“, antwortete Hämo.
Frau Tulpe nickte zustimmend.
„Genau, die Insel verändert sich ab und an in der Größe, bleibt aber immer im Gleichgewicht, sodass sich alle wohl-fühlen. Es gibt den sonnigen Tag sowie lichte Wälder und Wiesen für die Lichtwesen und die dunkle Nacht sowie finstere bergige Inselbereiche für die Schattenwesen. Außerdem gibt es Flüsse, Seen und Meeresbereiche für die Wasserbewohner und die trockene Wüste, in der sich zum Beispiel Mumien und Flaschengeister wohlfühlen.“
Nila flüsterte ihrer Banknachbarin zu: „Ich bin ja mal gespannt, was mit dem Teil des Waldes geschieht, wenn die Hajumijos ausgestorben sind.“
Milula, die gerade gelangweilt auf einem Blatt vor sich hinkritzelte, riss den Kopf nach oben. Ihr Gesicht spiegelte eine Mischung aus Erstaunen und Wut wieder.
„Das hast du gerade nicht wirklich gesagt“, zischte sie leise.
Nila lächelte, zuckte provokativ mit den Schultern und drehte sich wieder zurück Richtung Tafel.
Milula sprang von ihrem Stuhl auf, dabei wischte sie einen Teil ihrer Stifte vom Tisch, die nun quer durch das Zimmer rollten, und sagte noch einmal lauter: „Das hast du nicht wirklich gesagt.“ Sie ballte die Fäuste.
Frau Tulpe rief erschrocken: „Milula!“
„Ich will dass Nila...“, Milula schrie diesen Satz schon fast.
Doch Frau Tulpe ließ sie nicht ausreden:
„Hier wird weder herumgebrüllt noch eine Mitschülerin bedroht. Geh bitte vors Klassenzimmer, bis deine Wut verraucht ist, dann können wir noch einmal reden.“
„Aber ...“
„Kein aber. Und wenn du weiter schreien möchtest, können wir auch gerne sofort mit dem Direktor oder deinen Eltern darüber reden.“
Schnaubend schnappte sich Milula ihren Rucksack, das Blatt und die restlichen Stifte vom Tisch und preschte ohne ein weiteres Widerwort zur Tür. Sie öffnete diese mit einem kräftigen Ruck und schloss sie genauso schwungvoll mit einem lauten Knall. Das reichte leider noch nicht, um ihrer Wut freien Lauf zu lassen, also feuerte sie in vollem Zorn ihre Schultasche durch den Flur. Der Verschluss platzte auf und der Inhalt schlitterte über den grauen Steinboden. Sie hätte am liebsten geschrien, aber das würde ganz sicher dazu führen, dass sie zum Direktor musste. Es war so unfair. Was erlaubte sich Nila? Und warum musste sie jetzt das Klassenzimmer verlassen? Die Elfe hatte doch angefangen. Sie hatte sich darüber lustig gemacht, dass die Hajumijos am Aussterben waren. Auch wenn sie damit recht hatte. Milula schossen Tränen in die Augen, der Zorn verflog und schlug in Trauer um. Es war so ungerecht. Auf der ganzen Insel gab es Unmengen an Elfen, Feen, Einhörnern, Werwölfen, Meermännern und Meerfrauen aber Hajumijos gab es nur noch fünf. Sie, ihre Eltern und ihre Großeltern. Niemand wusste genau, woran das lag, aber anscheinend glaubten die Menschen nicht mehr an sie. Milula lehnte sich an die Wand, ließ sich leise schluchzend daran zu Boden gleiten und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen.
Nach wenigen Augenblicken hörte sie, wie sich eine Tür öffnete. Sicher war es Frau Tulpe, die nach ihr sehen wollte.
Aber Milula wollte sie nicht sehen, deswegen vergrub sie ihr Gesicht noch fester und unterdrückte ein Schluchzen.
„Oh, was ist denn hier passiert? Soll ich dir helfen, die Sachen einzusammeln?“
Das war nicht die Stimme von Frau Tulpe.
Zaghaft hob Milula den Kopf. Es war Marino.
Es war ihr peinlich, dass er sie so verweint sah. Er lächelte sie freundlich an.
Sie nickte zögerlich, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und rappelte sich auf. Gemeinsam sammelten sie die aus der Schultasche gerutschten Hefte und Bücher ein.
Marino zeigte auf die Tasche.
„Ich glaube, deine Trinkflasche ist ausgelaufen. Ich würde gerne nachschauen, aber es wäre hier kurz vor der Pause sehr unpraktisch, wenn ich nass werde und sich meine Beine in einen Fischschwanz verwandeln.“
Milula räusperte sich.
„Ähm ja. Den Rest schaffe ich dann alleine. Danke fürs Helfen, ich musste nur ein wenig meinen Frust rauslassen.“
„Ich weiß, man hat es bei uns im Klassenzimmer gehört. Die Wände sind hier sehr dünn“, er sah Milula direkt in die Augen, „Lass dich von Nila nicht ärgern, sie kann manchmal fast schon bösartig sein, aber sie hat auch ihre guten Seiten.“
Milula wollte ihn gerne fragen, welche das waren, aber da klingelte die Pausenglocke und ein Schwarm aus Schülern ergoss sich in den Flur. Marino zwinkerte ihr zu, drehte sich um und folgte der Menge Richtung Pausenhof. Milula drückte ihre Schultasche fest an sich und sah ihm hinterher.
„Ich habe deine restlichen Stifte.“
„Mmmmh?“
Milulas Blick war immer noch an den Punkt geheftet, an dem Marino in der Menge aus Schülern verschwunden war.
„Was beobachtest du?“
Erst jetzt nahm Milula wahr, dass Flix neben ihr stand und ihr ihre restlichen Stifte entgegenhielt.
„Ach nichts.“ Sie drehte sich zu ihm um.
Flix lächelte sie an.
„Dein Ausraster war wirklich vom Feinsten.
Ich glaube, Nila hat sich ein bisschen in die Hose gemacht, als du die Fäuste geballt hast.“
„Oh Mist. Frau Tulpe will doch sicher noch mit mir reden.“
„Heute nicht. Ich soll dir sagen, das holt ihr nach. Sie ist mit Nila, während du verträumt auf was auch immer gestarrt hast, in die andere Richtung zum Lehrerzimmer verschwunden. Sie war ganz schön empört, dass Nila so etwas zu dir gesagt hat. Auch wenn es Frau Tulpes Meinung nach nicht in Ordnung war, dass du so ausgeflippt bist. Aber jetzt bekommt Nila erst einmal einen Brief für ihre Eltern mit und auch eine Strafarbeit. Du übrigens wahrscheinlich auch.“
Milula war es egal, sie würde gerne eine Strafarbeit schreiben. Sie hatte Nila gezeigt, dass sie sich auch wehren konnte.
Noch war sie nicht ausgestorben.
„Und was machen wir jetzt?“, fragte sie Flix.
Der Faun überlegte kurz.
„Na, wir gehen rüber zum Kunstraum, das steht nämlich als Nächstes auf dem Stundenplan.“
Es war Samstagmorgen und Milula wusste immer noch nicht, welche Strafarbeit sich Frau Tulpe für sie ausgedacht hatte. Sie stand am Fenster und sah ihrer Lehrerin dabei zu, wie sie ihr Efeu im Garten neben ihrem Wohnbaum zurechtstutzte.
Am Anfang fand es Milula schon komisch, als sie festgestellt hatte, dass ihre Lehrerin neben ihnen eingezogen war, aber inzwischen hatte sie sich daran gewöhnt. Privat hatten sie, bis auf ein gelegentliches „Hallo“ über den Gartenzaun hinweg, nichts miteinander zu tun.
Milula überlegte.
Sie könnte den Müll nach draußen bringen und, wenn sie schon zufällig am Zaun war, ganz unauffällig nachfragen.
Nein, denn inzwischen war es Milula schon ganz schön peinlich, dass sie sich im Unterricht so benommen hatte. Nicht, dass es ihr leidtat, Nila angeschrien zu haben, aber sie hätte das auch außerhalb des Unterrichts machen können. Gut, dass Frau Tulpe nicht auch ihren Eltern einen Brief geschrieben hatte. Oder würde sie es ihren Eltern bei Gelegenheit am Zaun erzählen?
Diese wären sicher nicht allzu erfreut über das Benehmen ihrer Tochter. Ihr Vater predigte immer, dass Hajumijos die friedlichsten und freundlichsten Wesen auf der Insel waren.
Auf ihn traf das sicher zu.
Egal, wie viel er bei der Arbeit schikaniert wurde, er sagte kein Wort.
Ihr Vater arbeitete auf der Gemeindeverwaltung. Er war zuständig für den Papierkram ihres kleinen Wäldchens. Oft musste er Überstunden schieben. Als Hämos Vater zum neuen Bürgermeister der verzauberten Insel gewählt wurde, hatte man das ehemalige Büro ihres Vaters zum erweiterten Archiv gemacht und ihren Vater kurzerhand ausquartiert. Er hatte einen Schreibtisch in einer Besenkammer bekommen, die er jetzt mit dem Hausmeister teilte. Aber wie gesagt, ihr Vater beschwerte sich nicht. Er freute sich darüber, dass er jetzt so nette Gesellschaft in seinem neuen „Büro“ hatte und dies, seiner Meinung nach, ein Fenster vollkommen ersetzte. Außerdem wäre es total praktisch, den Wischmopp immer griffbereit zu haben, falls er mal wieder seinen Kaffee verschüttete.
Das Telefon klingelte. Milula konnte die Schritte ihrer Großmutter im Flur hören.
„Hallo?... Ja, die ist da ... Moment, ich gebe sie dir.“
Dann kam sie in die Küche und reichte Milula das Telefon.
„Es ist Flix.“
Milula nickte kurz und nahm den Hörer entgegen.
„Hallo Flix, was gibt es? ... Klar komme ich heute Abend zu dir? ... Ja, können wir machen ... Soll ich noch etwas mitbringen?... Ok, dann bis später.“
Sie legte auf.
„Was wollte er denn?“
„Oma, sei doch nicht immer so neugierig.“
Ihre Großmutter sah sie immer noch fragend an.
Milula lächelte. Sie konnte eine sture alte Frau sein und sie würde nicht aufgeben, bis sie eine Antwort bekam.