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Soziale Faktoren wie Selbstdarstellung, Networking und politisches Geschick sind für die Karriere heute wichtiger als Fachkenntnis und Begabung. Industrieschauspieler beherrschen diese Disziplin perfekt und haben es damit in die höchsten Managementpositionen geschafft. In diesem Handbuch erfahren Sie schauspielerische Tipps und Tricks, die Sie für eine erfolgreiche Karriere benötigen: wie Sie perfekt in ihre Rolle schlüpfen, passendes Bühnenbild und Bühnenkleidung wählen, eine Intrige inszenieren, unbequeme Kollegen ausschalten, karriereoptimiert flirten, und kräfteschonend das Maximale für sich heraus holen.
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Veröffentlichungsjahr: 2016
Handbuch für Industrieschauspieler
„Handbuch für den Herren“
Todd Allington
Über das Buch
Dieses Buch verrät Geheimnisse. Die Erfolgsgeheimnisse der Industrieschauspieler. Todd Allington beschreibt vom Vorstellungsgespräch bis zur Chefposition die geheimen Spielregeln und Strategien der modernen Arbeitswelt: wie Sie u.a. perfekt in eine Rolle schlüpfen, Ihr passendes Bühnenbild und Ihre Bühnenkleidung wählen, eine Intrige inszenieren, Ihren Chef manipulieren, effizient Gerüchte streuen, unbequeme Kollegen ausschalten, karriereoptimiert flirten, Meetings steuern oder scheitern lassen und in den wichtigen Momenten das Meiste für sich herausholen.
E-Book-Ausgabe 2016 Open Publishing Verlag in der Verlagsgruppe Open Publishing Rights GmbH, München Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden. Umschlaggestaltung: Bilandia/Open Publishing GmbH, München ISBN 978-3-95912-191-0books.openpublishing.com
„Sei, was Du scheinen willst.“
Sokrates
Lieber Leser,
der nachfolgende Text könnte Ihr Verständnis und Ihren Glauben an die Arbeitswelt nachhaltig in seinen Grundfesten erschüttern. Dies schreibe ich vorweg als Warnung an Sie, denn wenn Sie nach dieser Lektüre wieder an Ihren alten Arbeitsplatz zurückkehren, wird die Welt für Sie eine andere sein. Sie werden Ihre Kollegen und Ihr Arbeitsumfeld in anderem Licht sehen und Sie werden feststellen, dass auch dort nicht alles Gold ist, was glänzt.
Lange habe ich mit mir gerungen, ob ich den Tarnmantel, der die Industrieschauspielerbranche umhüllt, so schamlos zerreißen darf. Nach vielen Einzelinterviews mit erfahrenen Industrieschauspielern, Geschäftsführern und Mitarbeitern des mittleren und gehobenen Managements kam ich jedoch zu dem Entschluss, dass ich mit diesem Werk einen wichtigen Beitrag zur Volksgesundheit und Armutsbekämpfung leisten kann. Denn die erfreuliche Erkenntnis nach meiner Recherche war, dass Industrieschauspieler einerseits von der sich immer mehr ausbreitenden Berufskrankheit „Burn-out“ verschont bleiben und andererseits auch viel seltener Opfer von Altersarmut werden. Zwei erfreuliche Aspekte, die Ihr zukünftiges Leben, lieber Leser, nach Studium der nachfolgenden Kapitel leichter und erträglicher gestalten wird.
Dieses Handbuch richtet sich vornehmlich an alle Angestellten und Beamten, die in den industrialisierten Ländern ca. fünfundachtzig Prozent der arbeitenden Bevölkerung ausmachen. Diese Betroffenen fristen ihr Dasein in Firmen, Behörden und Konzernmühlen, bis sie sich erschöpft und ausgebrannt in die Frühpension oder Rente retten. Doch auch der selbstständige Unternehmer mag in diesem Werk wertvolle Hinweise über das Innenleben solcher Beschäftigungsapparate finden, denn sie begleiten ihn als Auftraggeber oder Auftragnehmer, Aufsichts- oder Genehmigungsbehörde auf seinem geschäftlichen Weg in den angestrebten Unternehmer-Reichtum.
Da sich das Handwerkszeug der Industrieschauspielkunst bei Frauen und Männern in einigen Bereichen erheblich unterscheidet, habe ich mich entschlossen, das Handbuch geschlechterspezifisch jeweils für die Dame und den Herren zu verfassen. Es ist beiden Geschlechtern freigestellt, auch die jeweils andere Version zu studieren. Für ein holistisches Verständnis der Arbeitswelt empfehle ich es sogar, denn es verschafft dem Leser bisher unbekannte Einblicke in die perfiden Praktiken der geschlechtlichen Opposition.
Genug der Vorworte. Tauchen wir ein in die faszinierende Welt der Gaukler, Illusionskünstler und Business-Surfer, allgemein bekannt als Industrieschauspieler.
VORWORT
INHALTSVERZEICHNIS
TEIL 1: DIE METAMORPHOSE ZUM INDUSTRIESCHAUSPIELER
GEKOMMEN, UM ZU BLEIBEN
Ihr erstes Engagement
Wie im Sandkasten
Vorsprechen beim Vorstellungsgespräch
Überlebensstrategie in der Probezeit
PHASE 1: BEOBACHTEN
PHASE 2: MITSCHWIMMEN
INDUSTRIESCHAUSPIELER ALS ZWEITER BILDUNGSWEG
TEIL 2: VENI, VIDI, LODU
DAS KOSTÜM DES INDUSTRIESCHAUSPIELERS
Krawatte
Die „Weiße-Kragen“-Falle
Socken
Sommer-Sünden
DAS BÜHNENBILD DES INDUSTRIESCHAUSPIELERS
LIEBEN SIE IHREN CHEF
SOCIALIZING UND NETWORKING
HORIZONTALES ENGAGEMENT
DIE MEETING-STRATEGIE: MEET THEM AND BEAT THEM
Worum geht es überhaupt?
Teilnehmerkreis
Raum und Zeit
Aktive Teilnahme
Aktives Scheiternlassen eines Meetings: Ihr Werkzeugkasten
Herbeiführen des gewünschten Ergebnisses
Passive Teilnahme: Ihr Werkzeugkasten
TELKO-TIPPS
Ankerpunkt 1: Der Opener
Ankerpunkt 2: Das Interstitial
Ankerpunkt 3: Der Closer
DAS GESCHÄFTSESSEN
Austragungsort
Startzeit
Sitz und Platz
Jetzt wird bestellt
Jetzt wird gegessen
Verhaltenstipps am Tisch
PROFESSIONELLES VERHALTEN IM ETABLISSEMENT
Vorbereitung
Vollzug
Nach dem Einsatz
Nachbereitung
Wissens- und Beachtenswertes
DIE FIRMENFEIER
Die richtige Kleidung
Vorglühen vermeiden
Eröffnungsrede schadlos überstehen
Buffet-Verhalten
Party-Smalltalk
Chef-Dialog
Ausfallmanagement
Kontrolliertes Trinken
Amouröse Anbahnung und Triebkontrolle
Tanzverhalten
SPESEN- UND FAHRTKOSTENABRECHNUNG
Spesenposten ohne Gestaltungsspielraum
Kreative Spesenposten
Timing der Abrechnung
Firmenwagen
A2E
Online-Zweitjob
Schmiermittel
A2E-Formalien
Alternative Fortbildung
Camouflage
WISSEN IST MACHT
Der Flurfunker
Der Wichtigtuer
Der Intrigant
UNTER FEINDEN
VERSCHLEIERUNGSTAKTIKEN
COVER YOUR ASS – ERFOLGREICH SCHEITERN
WORK-LIFE-BALANCE
BETRIEBSRAT – KARRIEREFALLE ODER LETZTE ZUFLUCHT?
THE ONLY WAY IS UP – NACH OBEN FALLEN
AUSBLICK UND KÜR
FACH- UND FREMDWORTREGISTER
ÜBER DEN AUTOR
QUELLENVERZEICHNIS
Viele Wege führen nach oben. Je nach Kulturkreis und Region haben Menschen unterschiedliche Ansätze für ihre Zielerreichung entwickelt. In der westlichen Welt wurden „Ohne Fleiß kein Preis“ und „Von nichts kommt nichts“ zu unseren Karriere-Parolen. Für den Berufstyp „fleißiges Arbeitsbienchen“ hilfreich erscheinende Berufs-Mantras. Aber die Welt besteht nicht nur aus Arbeitsbienchen. Der Pragmatiker folgt den Regeln der Natur. Wie auch das Wasser sucht er den Weg des geringsten Widerstandes. Denn beruflicher Erfolg setzt nicht voraus, dass man dafür hart arbeiten muss. Mit Einfallsreichtum und Fantasie kann man das Ziel ressourcensparend erreichen. Vorausgesetzt, dass man weiß, wie der Karriere-Hase läuft und wo das Ziel ist. Es bedarf daher einer gut durchdachten Strategie, um mit minimalem Aufwand das Maximale herauszuholen. Gute Pferde springen knapp.
Nur wenige Menschen erfüllt ihre Arbeit voll und ganz, und einige verfolgen dabei sogar humanitäre, philosophische oder religiöse Ziele. Der gemeine Lohnsoldat verrichtet jedoch seinen Job, um einfach nur seine Rechnungen bezahlen zu können. Es ist sogar wissenschaftlich erwiesen (Quelle 1), dass die wenigsten Mitarbeiter einen Sinn in ihrer Arbeit sehen und sich zur Selbstverwirklichung in private Tätigkeiten flüchten. Statistisch gesehen beschäftigt sich ein Angestellter zwei bis drei Stunden am Tag mit rein privaten Dingen. Das bedeutet, dass fast ein Drittel aller Angestellten täglich mehrere Stunden Arbeitszeit zum Privatvergnügen nutzt. Daher ist es nicht überraschend, dass in den USA sechzig Prozent aller Online-Einkäufe und siebzig Prozent aller Besuche pornografischer Webseiten zu Bürozeiten stattfinden. Europa verzeichnet eine ähnliche Tendenz.
Sie müssen daher kein schlechtes Gewissen haben, wenn Sie ohne erkennbares Talent mit durchschnittlicher Motivation Ihr Karriereglück auf dem Arbeitsmarkt versuchen möchten. Dort ist jede Menge Platz für Sie. Leisten Sie nicht mehr als nötig, denn Erfolg ist ohne Burn-out möglich. Mit einer gesunden Work-Life-Balance dazu. Wie eine solche Karriere funktioniert, werden Sie auf den folgenden Seiten erfahren.
Egal, was Sie gelernt haben, eine Karriere als Industrieschauspieler ist auch für Sie möglich. Ihr Arbeitsvertrag enthält eine Rollenbeschreibung, in der formuliert ist, was Regisseur und Publikum von Ihnen auf der Unternehmensbühne erwarten. Der Regisseur ist Ihr Chef und das Publikum sind Ihre Kollegen. Ein Drehbuch gibt es nicht. Ihr Schauspiel erfordert Konzentration und Flexibilität, denn jeder teilnehmende Schauspieler folgt – wie auch Sie – seiner eigenen versteckten Agenda. Gespielt wird Improvisationstheater. Ihre Kollegen und Ihr Chef liefern täglich frische Themen, die Auslöser und Leitfaden für die spontan entstehenden Büro-Theater-Dramen sind. Ihr Chef hat als Regisseur die künstlerische und organisatorische Leitung. Das Bühnenbild der Büro-Inszenierung wird meist von fantasielosen und pragmatisch denkenden Innenarchitekten entworfen. Auf Spezialeffekte wird heute vorwiegend verzichtet. Der exzessive Einsatz von umherfliegenden Grafikobjekten und lustigen Soundsamples bei PowerPoint-Präsentationen gehört in die Mottenkiste der New Economy. Für den Einstieg in Ihre Industrieschauspielerkarriere müssen Sie zunächst die richtige Rolle und Bühne finden.
Sie fangen Ihren ersten Job leider nicht als Chef an. Auch wenn das am Schönsten wäre. Wie das Wort Karriereleiter befürchten lässt, beginnt Ihr Aufstieg bei der untersten Sprosse. Aber Augen auf beim Leiterkauf. Ihr Einstiegsjob stellt die Weichen für Ihre kommenden Dienstjahre. Daher müssen Sie bei der Auswahl von Ort und Branche besonders vorsichtig sein. Ihre berufliche Vorbildung ist hierbei nicht ganz unwichtig. Um schnell ein hohes Gehaltslevel zu erreichen, benötigen Sie nicht unbedingt ein abgeschlossenes Studium. Es schadet aber auch nicht. Sollten Sie ohne berufliche Vorbildung und Uni- oder Schulabschluss eine Karriere anstreben, empfehlen sich sogenannte Quereinsteigerbranchen wie z.B. Medien und Werbung. Unter dem Decknamen „Quereinsteiger“ operieren dort ganze Armeen von Industrieschauspielern in den unterschiedlichsten Positionen. Da diese Branchenzweige wenig etablierte Berufsbilder aufweisen, bieten sie talentierten Selbstdarstellern besonders fruchtbaren Boden.
Wenn Sie über den Luxus eines abgeschlossenen Studiums verfügen, stehen Ihnen zwei unterschiedliche Wege offen. Der mühsame Weg beginnt bei einer Unternehmensberatung. Dort erwarten Sie einige Jahre voller Leid und harter Arbeit. In dieser Zeit werden Sie unter Führung eines Sklaventreibers, verkleidet als Junior Berater oder Projektmanager, unzählige PowerPoint-Charts und Excel-Tabellen produzieren, ahnungslosen Kunden nebulöse Rettungs- und Zukunftsstrategien aufbinden, Nächte in trostlosen Hotelzimmern verbringen und völlig erschöpft und kraftlos Ihre Wochenenden rekonvaleszierend auf der Couch verbringen. So deprimierend diese Etappe auch klingen mag, sie ist eine fantastische Vorbereitung für Ihre spätere berufliche Laufbahn, denn Sie lernen, wie man aus Scheiße Kakao macht, Allgemeinwissen und Selbstverständlichkeiten als exklusives Branchen-Know-how verkauft. Ähnlich einem Ballon, steigen Sie immer höher und höher, je mehr heiße Luft Sie produzieren. Und das Großartige daran ist, dass für die Umsetzung Ihrer entwickelten Strategien der Kunde später selbst verantwortlich ist. Sollten Ihre ausgearbeiteten Beratungskonzepte in der Praxis nicht funktionieren, sind Sie schon längst zum nächsten Beratungsopfer weitergezogen. Wenn sich der enttäuschte Kunde später tatsächlich beschwert, hilft für Sie immer die Schutzbehauptung, das wurde alles ganz falsch umgesetzt. Als Berater trifft Sie keine Schuld. Sie haben über Hunderte von Seiten und Charts alles im Detail erklärt. Da muss Ihr Kunde im Katastrophenfall schwere Fehler bei der Umsetzung gemacht haben.
Spätestens im fünften Jahr Ihrer Beraterknechtschaft werden Sie aus einem laufenden Beratungsprojekt vom Kunden übernommen. Dann können Sie endlich wieder am sozialen Leben teilnehmen. Es erwarten Sie geregelte Arbeitszeiten, Schlafen im eigenen Bett und abends mal wieder mit Freunden ein Bier trinken gehen. Aber wie gesagt. Das ist die harte Tour.
Der andere Weg meidet die Knochenmühle der Beratungsfirmen und führt direkt in die Arme des umsorgenden Unternehmens. Wenn Sie wirklich keine Lust und Motivation für ein Unternehmensberaterzwischenspiel haben, können Sie ohne Vorbildung und Umwege die Unternehmensbühne direkt besteigen. Bedenken Sie aber immer, dass der Weg des geringsten Widerstandes nur am Anfang asphaltiert ist. Früher oder später müssen Sie sich die Beratungswerkzeuge effekthaschender Präsentationstechnik und Beratersprech aneignen, um sich langfristig im Unternehmenssattel halten zu können. Ihr Einstiegsgehalt wird auf diesem Weg auch deutlich geringer sein als mit Beratungsvorspiel.
Bei der Jobwahl gilt die Regel: Suchen Sie sich ein Umfeld und eine Einstiegsposition, die wenig Fachkenntnis erfordert, in der viel heiße Luft produziert und ordentlich bezahlt wird. Je größer das gewählte Unternehmen, desto besser ist es für Ihre Industrieschauspielerkarriere geeignet. Mangelnde Fachkenntnis und Unfähigkeit fallen in solchen Menschenansammlungen selten auf. Viele Nichtskönner profitieren in solchen großen Firmen von der Leistung weniger qualifizierter Mitarbeiter. Ein einzelner Leistungsträger mit Fachkenntnis ist in einem Großkonzern statistisch gesehen ein Wirt für zehn bis zwanzig parasitäre Kollegen.
Was Ihr neues Aufgabenumfeld anbelangt, sollte Ihr Fokus im kommunikativen, projektbezogenen und konzeptionellen Bereich liegen. Diese beruflichen Wohlfühloasen finden Sie bei den Stellenanzeigen unter den Bezeichnungen PR-Abteilung, Marketing, Brand, Kommunikation, Business Development, Social Media, Customer Service, Projektmanagement etc. Auf diesen Bühnen können Sie sich als Industrieschauspieler bestmöglich entfalten. Das hierfür erforderliche „gefährliche Halbwissen“ eignen Sie sich schnell an. Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit können Sie bereits im Business-Bullshit-Bingo die ersten Treffer landen. Vermeiden Sie alle Positionen, bei denen fachliche Leistungen abgerufen oder Umfang und Qualität Ihrer Arbeit direkt gemessen werden können. Diese Berufsfelder sind für Industrieschauspieler lebensgefährliche Minenfelder.
Auch Start-up-Unternehmen eignen sich für den schauspielerischen Berufseinstieg. Dort treffen Sie in der Regel auf unerfahrene Gründer, die nach Sympathie und nicht nach Können einstellen. Position und Titel können Sie hier frei wählen, und fast jeder ist dort Direktor oder Head of irgendwas. Das macht sich gut in Ihrem noch schlanken Lebenslauf, wenn Sie nach dem ersten Job-Zwischenspiel zu einem seriösen Unternehmen wechseln wollen. Die anfänglich gezahlten Gehälter sind im Start-up-Gründungsjahr ganz ordentlich. Im zweiten oder dritten Jahr merken die Investoren aber langsam, dass die Businessidee nicht so funzt, wie es die Gründer beim Geldeinsammeln versprochen hatten. In dieser Phase wird es hässlich, gespart werden soll an den Mitarbeitern, Obstteller, Masseur, Business-Class-Flüge, Essensgutscheine und sonstige wichtige Annehmlichkeiten werden gestrichen. Die Goldene Regel bei der Start-up-Berufskarriere ist daher: Sie steigen mit einem gutem Gehalt und aussagefähigem Titel ein und sehen sich nach wenigen Monaten schon nach einem neuen Job in einem etablierten Unternehmen um. Bei Ihrem nachfolgenden Arbeitgeber können Sie im Vorstellungsgespräch Ihren Wechselwunsch mit der Inkompetenz der Start-up-Gründer begründen. Sie hätten ja für das Start-up alles gegeben, aber bei solch mangelnder wirtschaftlicher Weitsicht der Gründer war einfach kein Blumentopf zu gewinnen.
Was den regionalen Faktor der Jobwahl anbelangt, gilt nur eine Regel: Karrieren werden in Städten gemacht. Es mag Firmen geben, die Sie mit tollen Jobaussichten in öde Landstriche locken wollen. Man gaukelt Ihnen rurale Romantik und vielversprechende Freizeitangebote vor. Widerstehen Sie! Wie wollen Sie in solch einem Umfeld ein branchennahes Kontaktnetzwerk aufbauen? Verraten und verkauft sind Sie dort und kommen nur schwer wieder weg. Ihr Suchprofil muss sich auf die wichtigen Städte konzentrieren. Es ist wie im richtigen Theater. Die großen Inszenierungen laufen nicht im Deutsch-Sorbischen Volkstheater in Bautzen, sondern im Friedrichstadt-Palast in Berlin.
Jeder Anfang ist schwer, und vor Ihrem ersten Auftritt als Industrieschauspieler ist ein bisschen Lampenfieber ganz normal. Lampenfieber ist eine natürliche Reaktion, die uns die Evolution in die Wiege gelegt hat. Seine ursprüngliche Funktion lag darin, uns in gefährlichen Situationen beim Überleben zu helfen. Im Lampenfieber-Moment befinden wir uns in körperlicher und geistiger Anspannung, denn eine anspruchsvolle Aufgabe erwartet uns. Der Körper pumpt Adrenalin ins Blut, um sich auf die Flucht oder den Kampf vorzubereiten. Flucht kommt als Handlungsoption für einen Industrieschauspieler nicht in Frage. Es bleibt nur der Kampf. Der Kampf um Aufmerksamkeit und Applaus für Ihre Vorstellung. Es ist nicht viel anders als damals beim fröhlichen Burgenbauen im Sandkasten. Stellen Sie sich vor, Sie gehen wieder spielen. Ihre Spielkameraden sind die neuen Arbeitskollegen und der Sandkasten ist das Büro. Viel hat sich nicht verändert. Es gibt immer noch den Schüchternen, der alleine in der Ecke spielt, den Grobian, der die Sandburgen zertrampelt, und ein paar nette Kumpels, mit denen man ganz passabel die Zeit totschlagen kann. Reduziert auf vier Grundregeln, erklärt sich die Arbeitswelt für den Industrieschauspieler wie folgt:
Alle kochen nur mit Wasser
Verabschieden Sie sich von der Vorstellung, dass in Firmen Raketenwissenschaften betrieben werden. Neunzig Prozent der dort zu erledigenden Aufgaben sind trivial und erlernbar. Alle Kollegen kochen nur mit Wasser, auch wenn sie nach außen hin so tun, als handele es sich um den teuersten Champagner.
Wer ficken will, muss freundlich sein
In jedem Unternehmen arbeiten Menschen, und jeder Mensch ist harmoniebedürftig und verfolgt dabei sein eigenes, egoistisches Ziel. Wenn Sie von Kollegen etwas wollen, müssen Sie charmant und freundlich sein, damit man Sie ranlässt. Einem Miesepeter hilft keiner und befördert wird er auch nicht.
Fake it till you make it
Keine falsche Bescheidenheit. Jeder hat ahnungslos begonnen. Verkaufen Sie sich als Universalgenie für jede Aufgabe. Es wird sich schon eine Lösung finden. Das Wissen ist bereits in der Firma. Es muss nur noch zu Ihnen kommen. Suchen Sie es und verschleiern Sie bei der Suche Ihre Inkompetenz mit kommunikativen Blendgranaten. Der Mensch wächst mit seinen Aufgaben.
There’s no business like show business
Ihre berufliche Karriere ist die Show. Bleiben Sie in Ihrer Rolle und überlassen Sie die stupide Maloche den fleißigen Kollegenarbeitsbienchen. Denn den Karriere-Preis gibt’s auch ohne Fleiß. Konzentrieren Sie sich auf Ihre Selbstdarstellung und das Seelenfangen. Menschen brauchen Menschen, um Erfolg zu haben. Spielen Sie Ihre Kollegen an die Wand, denn ob Sie klug sind oder dumm, entscheidet stets das Publikum.