Falsche Jacht, richtiger Mann - Joanne Rock - E-Book

Falsche Jacht, richtiger Mann E-Book

Joanne Rock

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Beschreibung

Schummriges Licht unter Deck, sanftes Schaukeln der Wellen und eine verführerische Beauty in der Koje: Keith hatte ja keine Ahnung, dass sein Segeltörn nach Charleston so aufregend werden könnte! Allerdings hat er auch keine Ahnung, wer diese Frau an Bord ist …

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© 2023 für die deutschsprachige Ausgabe by MIRA Taschenbuch in der Verlagsgruppe Harper Collins Deutschland GmbH, Hamburg © 2011 by Joanne Rock Originaltitel: »Riding the Storm« Erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V. / SARL Übersetzung: Miriam Höllings Covergestaltung von Deborah Kuschel / Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH Coverabbildung von Valeriia Sivkova / Getty Images ISBN E-Book 9783745753615

Falsche Jacht, richtiger Mann

Cover

Impressum

Inhalt

Falsche Jacht, richtiger Mann

Titel

1. KAPITEL

2. KAPITEL

3. KAPITEL

4. KAPITEL

5. KAPITEL

6. KAPITEL

7. KAPITEL

8. KAPITEL

9. KAPITEL

10. KAPITEL

11. KAPITEL

12. KAPITEL

13. KAPITEL

14. KAPITEL

Guide

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Contents

1. KAPITEL

Eines Tages würde Josie Passano eine weltberühmte Innenarchitektin sein und einen Fahrer haben, der sie zu Geschäftsterminen brachte. Auch wenn diese um Mitternacht in einem Jachthafen stattfanden, weil ein wichtiger Kunde es so wollte. Doch bis dahin war sie auf sich allein gestellt.

Vorsichtig lief sie über die nassen Planken des Piers, vorbei an den luxuriösen Booten, die rechts und links festgemacht waren.

Zum Glück hatte sie flache Schuhe an. Mit einer Größe von gerade einmal 1,60 Metern trug sie bei Geschäftsterminen fast immer High Heels, um sich mehr Präsenz zu verschaffen. Außerdem hatte sie ohnehin eine Schwäche für hohe Absätze – vermutlich ein Überbleibsel aus ihrer Zeit als Modedesignerin. Doch bei den Wellen, die unter dem pechschwarzen Himmel bis auf das Dock spritzten, wäre sie damit heute bestimmt auf dem Boden des Atlantiks gelandet.

„Liegeplatz Nummer 39? Welcher ist das bloß?“ Fröstelnd kniff Josie die Augen zusammen und spähte in die kühle Spätsommernacht, um die winzigen Zahlen zu entziffern, die auf den kleinen Steinplatten in der Nähe der Boote eingraviert waren. Da lag eine Segeljacht zwischen 37 und 39, und gleich daneben eine andere zwischen 39 und 41. Aber keine der beiden war eindeutig Platz 37 zuzuordnen.

Ratlos holte sie ihr Handy aus der Tasche und rief ihren Kunden, den einflussreichen Börsenmakler Chase Freeman, an.

„Chase, ich stehe hier zwischen Platz Nummer 37 und 39 und kann beim besten Willen nicht ausmachen, welches deine Jacht ist. Kannst du mich bitte zurückrufen?“

Josie war mit Chase verwandt, allerdings so entfernt, dass sie sich nur gelegentlich auf Familienfeiern oder Hochzeiten begegneten. Sonderlich sympathisch war er ihr noch nie gewesen, und auch dieses Mal hatte er sich aufgeführt, als täte er ihr mit dem Auftrag einen Gefallen. Zudem hatte er sich ziemlich wichtigtuerisch angestellt, einen Termin für sie zu finden, und angegeben: Der volle Terminkalender, die Dienstreise nach Singapur, die großen Summen von Geld, mit denen er täglich jonglierte – dabei hätte er sich die Mühe sparen können. Ein dickes Bankkonto machte ihn in ihren Augen nicht zu einem besseren Menschen, auch wenn ihre vermögenden Eltern da grundsätzlich anderer Meinung waren.

Aber Chase verfügte über ein fettes Budget für die Umgestaltung seiner Jacht, und dieses Projekt war genau das, was sie als Referenz für die Präsentation bei einem Bostoner Fernsehsender brauchte. Eine eigene Show könnte für sie den Durchbruch als Innenausstatterin bedeuten.

Letztlich hatte Chase darauf bestanden, sie nach der Verlobungsparty eines Freundes in Chatham zu treffen, und es sich nicht nehmen lassen, zu erwähnen, dass es sich dabei um Ryan Murphy handelte, den ältesten Sohn der Murphys, einer sehr bekannten und megareichen Familie aus Cape Cod, der großen Halbinsel im Süden von Massachusetts.

Als sie jünger war, hatte Josie selbst in der High Society verkehrt, vor allem, um ihre Karriere als Modedesignerin voranzutreiben. Erst vor kurzem hatte die Presse diverse Fotos von damals ausgegraben und sie als Partygirl abgestempelt.

Doch diese Zeiten waren endgültig vorbei. Sie hatte einen neuen Namen angenommen und New York City verlassen. Seitdem versuchte sie, die Glamourwelt der Reichen und Schönen so gut es ging zu meiden, während sie geschäftlich in einer neuen Branche allmählich Fuß fasste.

Mit etwas Glück würde es eine Weile dauern, bis der Skandal von damals mit ihr in Verbindung gebracht werden würde. Bis dahin hatte sich ihre Karriere hoffentlich so gut entwickelt, dass sie das unvermeidlich folgende Mediengewitter einigermaßen unbeschadet überstehen konnte.

Vor ihr lag noch ein weiter Weg. Aber vor allem musste sie endlich dieses Boot finden.

„Das muss es sein“, murmelte sie, als sie sah, dass auf einem der beiden Segler Licht brannte. Sicherlich wartete Chase schon auf sie. Doch bevor sie an Bord ging, wählte sie die Nummer ihrer Assistentin.

„Josie, bitte sag mir, dass du heil angekommen bist!“ Marlena machte sich gar nicht erst die Mühe, sich mit Namen zu melden.

„Ja, das bin ich. Und du solltest um diese Uhrzeit eigentlich nicht mehr arbeiten.“ Insgeheim war Josie allerdings froh, Marlenas Stimme zu hören. Es war eine große Hilfe, jemanden zu haben, der sie vom Büro aus unterstützte, wenn sie unterwegs war.

„Das musst du gerade sagen. Hast du überhaupt schon mal in deinem Leben Urlaub gemacht?“

Josie grinste. Das Bild der hart arbeitenden Frau gefiel ihr wesentlich besser als die Einstellung ihrer Eltern, mit der sie aufgewachsen war: dass man nur etwas wert war, wenn man nicht arbeitete.

„Du hast ja recht. Eine kleine Auszeit würde mir guttun. Vielleicht im nächsten Jahr.“

Während Josie sprach, machte sie einen Schritt an Bord der eleganten Jacht. Den Blick fest auf den rutschigen Holzboden gerichtet, lief sie vorsichtig in Richtung Niedergang, wie die Treppe, die unter Deck führt, im Segeljargon genannt wird. Sie fröstelte noch immer von dem kühlen Wind, der vom Meer her wehte. Sicher war es unter Deck wärmer.

„Ich schicke dir eine SMS, wenn ich hier fertig bin. Dann sprechen wir morgen früh, okay?“

„So machen wir’s. Viel Glück!“

Josie legte auf und nahm ihr Handy, um sich damit den Weg zum Kontrollcenter der Jacht zu leuchten, wo sich neben der Treppe auch ein Funkgerät und etliche Bildschirme befanden.

Behutsam stieg sie die engen Stufen hinunter. Eine schwache Glühbirne brannte über der Arbeitsplatte in der Kombüse und tauchte die gesamte Kajüte in ein dämmriges Licht.

Die Einrichtung war überraschend schlicht. Funktional vermutlich. Doch die Atmosphäre gefiel ihr. So viel Understatement hätte sie Mr Großmaul gar nicht zugetraut. Nun ja, wahrscheinlich hatte er sie engagiert, um alles mit teuren Seidenstoffen und Mahagoni auszustatten.

Josie ließ ihre Tasche mit den Stoffmusterproben und den Bildbänden, die sie zur Inspiration mitgebracht hatte, auf einen kleinen Tisch fallen, neben dem sich rechts und links zwei schmale Holzbänke befanden. Genau in dem Augenblick, als sie sich setzen wollte, schlug eine Welle besonders hart gegen das Boot. Sie taumelte vorwärts. Schlagartig wurde ihr übel.

Verdammt. Vielleicht sollte sie doch eine der Tabletten gegen Seekrankheit nehmen, die sie vorsorglich eingepackt hatte.

Im Alter von sieben Jahren war ihr auf einer Bootsfahrt mit ihren Eltern nach Catalina, einer kleinen Insel vor der Küste Kaliforniens, so schlecht geworden, dass sie die ganze Zeit über gefleht hatte, es möge bald vorüber sein. Seitdem hatte sie sich nicht mehr an Bord eines Schiffes gewagt.

Das Medikament würde sie zwar noch müder machen, als sie ohnehin schon war, aber das war immer noch besser, als in der Gegenwart von Chase seekrank zu werden.

Entschlossen schluckte Josie zwei Tabletten und holte ihre Unterlagen aus der Tasche. Vielleicht kamen ihr beim Betrachten der Stoffmuster und Bilder ein paar Gestaltungsideen, die sie mit Chase besprechen konnte, sobald er endlich hier aufkreuzte. Außerdem würde es sie sicher davon abhalten einzuschlafen.

Doch als sie merkte, dass sie nun schon bestimmt zum zehnten Mal denselben Satz über elfenbeinfarbenes Segeltuch las, wurde ihr klar, wie erschöpft sie war.

Seit heute Morgen hatte sie sich um Gäste, potentielle Kunden und die Presse gekümmert, die alle zum Tag der offenen Tür gekommen waren, den sie gestern noch bis spät in die Nacht vorbereitet hatte. Danach die Fahrt im Dunkeln nach Chatham. Jetzt war sie vollkommen erledigt.

Zum Glück hatte sie sowieso kein Privatleben, sonst könnte sie dieses Tempo niemals durchhalten. Und wie lange ihr letztes Date her war, daran konnte sie sich nicht mal mehr erinnern. Dabei war heißer, verschwitzter, fabelhafter Sex doch das beste Mittel gegen Stress überhaupt!

Drei Jahre waren seit dem Skandal vergangen. Damals war sie dabei fotografiert worden, wie sie einen Kongressabgeordneten geküsst hatte, der ihr bis dahin leider verschwiegen hatte, dass er verheiratet war. Der Kuss hatte ein Mediengewitter ausgelöst, das ihr die Lust auf Sex gründlich verdorben hatte.

Die Zeitschriften waren voll gewesen mit Fotos von ihr. Nicht nur aus der Zeit als Modedesignerin, als sie die Nächte in exklusiven Clubs verbrachte, um die Werbetrommel für ihre Kleider zu rühren, sondern auch aus ihren Teenagerjahren. Damals hatte sie als reiche verzogene Göre nichts Besseres zu tun gehabt, als beim Shopping in Mailand den Paparazzi den Stinkefinger zu zeigen oder sich tanzend, mit einem Bier in der Hand, in einem öffentlichen Brunnen in Amsterdam ablichten zu lassen.

Nach all der negativen Publicity hatte Josie beschlossen, sich endgültig von ihrer Familie und deren Geld loszusagen, um einen Neuanfang zu starten. Sie hatte sich selbst neu erfunden.

Und wie sich herausstellte, war das eine sehr gute Entscheidung gewesen. Zumindest geschäftlich ging es ihr blendend. Allerdings hatte sie bislang nicht die Zeit gehabt, auch ihr Sexleben wieder ins Lot zu bringen.

Josie schob die unangenehmen Erinnerungen beiseite und kam zu dem Schluss, dass ein kleines Nickerchen nicht schaden konnte. Danach wäre sie sicher topfit für das Treffen mit Chase.

Sie stützte das Kinn auf ihre Hand und schloss die Augen. Nur für einen kurzen Moment. Bestimmt würde sie hören, wie Chase an Bord kam, und von den Geräuschen aufwachen – das war ihr letzter Gedanke, bevor der Schlaf sie übermannte und ihr einen Traum bescherte, der ein Lächeln auf ihre Lippen zauberte.

Keith Murphy war nicht gerade begeistert, als er sah, wie nah Chase Freeman seine Angeberjacht neben dem Boot seines Bruders, einer acht Meter langen Pearson Triton namens „Vesta“, festgemacht hatte.

Missmutig blickte er zu der neun Meter langen „Nonsuch Ultra“ hinüber. Hoffentlich schaffte er es, aus dem Haufen herauszukommen, ohne sie zu rammen.

Doch da es nur eine Frage der Zeit war, bis sein Bruder Jack herausfinden würde, dass er hereingelegt worden war, wollte Keith so schnell wie möglich in Richtung Charleston in South Carolina aufbrechen.

Während sie auf dem Rasen des Familienanwesens der Murphys in Chatham die Verlobung ihres ältesten Bruders Ryan gefeiert hatten, war es Keith ohne Probleme gelungen, seinen Bruder Jack mit ein paar Bemerkungen über das Segeln zu provozieren. Das war nicht weiter verwunderlich, denn wie alle Murphys war auch Jack extrem empfindlich und beinah krankhaft ehrgeizig. Sofort hatte er behauptet, Keith habe nicht die leiseste Ahnung vom Segeln, woraufhin dieser vorgeschlagen hatte, Boote zu tauschen, um das Gegenteil zu beweisen.

Eigentlich war es Keith jedoch nur darum gegangen, seinen Bruder wieder mit seiner Exfreundin Alicia zusammenzubringen. Die wartete nämlich auf Keiths Boot, einem 14 Meter langen Katamaran, darauf, von ihm nach Bar Harbor in Maine gebracht zu werden. Doch wenn alles nach Plan lief, würde Jack an seiner Stelle heute Nacht mit der Jacht in Richtung Maine aufbrechen, um sie dort an Keiths Finanzvorstand zu übergeben – und verdammt überrascht sein, die nichtsahnende Alicia an Bord vorzufinden.

Natürlich war dieser Verkupplungsversuch nur zu Jacks Bestem. Aber auch Keith konnte diese kleine Auszeit gut gebrauchen.

Als Chef und Gründer von „Green Principles“ hatte er den ganzen Sommer verdammt hart gearbeitet, eine Fusion mit einem ihrer härtesten Konkurrenten vorzubereiten.

Green Principles beriet Unternehmen unterschiedlichster Größe dabei, umweltfreundlicher zu werden, indem sie verschiedene Faktoren wie die CO2-Bilanz, Altpapierverwertung, Recyclinglösungen und Energieverbrauch prüften, Probleme analysierten und entsprechende Konzepte zur Verbesserung erarbeiteten.

Vor zwei Wochen war der Deal endlich über die Bühne gegangen. Doch schon bald stand das nächste Projekt, eine Partnerschaft mit der globalen Markenagentur Wholesome Branding, an. Durch ein Joint Venture mit dieser Agentur würde Green Principles Zugang zu neuen Zielgruppen bekommen und zukünftig auch weltweit Unternehmen beraten, die ein grüneres Image brauchten. Da kamen ein paar Tage auf der Jacht seines Bruders wie gerufen, um Energie zu tanken und den Kopf freizukriegen. In Charleston würde Keith die Vesta dann einem Freund von Jack übergeben, der sie kaufen wollte.

Vorausgesetzt natürlich, Keith schaffte es, an der Jacht dieses großmäuligen Wall Street Brokers vorbeizumanövrieren. Fluchend kletterte er an Bord der Vesta. Chase Freeman war ebenfalls auf der Verlobungsfeier seines Bruders gewesen und schien sich dort auf der Tanzfläche blendend amüsiert zu haben. Es hatte nicht danach ausgesehen, als ob er schon so bald zu seinem Boot zurückkehren wollte. Egal, Keith würde es auch ohne fremde Hilfe schaffen, hier herauszukommen.

Einen kurzen Augenblick lang dachte er darüber nach, unter Deck nach Segelschuhen und einer Jeans zu suchen, entschied sich jedoch dagegen. Wenn er verhindern wollte, dass sein Bruder ihm auf die Schliche kam, bevor er den Hafen verlassen hatte, durfte er keine Zeit verlieren. Er machte seine Krawatte ab, zog die Schuhe aus und krempelte die Hose hoch. Dann schaltete er den Motor ein – die Segel konnten warten, bis er mehr Platz zum Manövrieren hatte.

Eine Welle der Vorfreude ergriff ihn. So sehr er auch die neuesten technischen Finessen seiner eigenen Luxusjacht zu schätzen wusste: Er konnte auch ohne. Schließlich war er auf Cape Cod groß geworden, und das Segeln lag ihm wie allen Murphys im Blut.

Zwei Stunden später hatte Keith die Vesta auf dem offenen Wasser. Zufrieden betrachtete er das Spiel der roten und grünen Navigationsleuchten an Deck, während die Jacht ruhig durch die Nacht glitt. Je weiter er Cape Cod hinter sich ließ, desto dunkler wurde es um ihn herum. Morgen früh würde hier reger Verkehr in Richtung Boston herrschen, doch noch hatte er das Meer für sich allein. Er genoss die Ruhe.

Voller Genugtuung über die vollbrachte Leistung gab er dem plötzlichen Impuls nach, sich in Tarzanmanier auf die Brust zu trommeln, und einen Triumphschrei auszustoßen. Natürlich hatte sein Bruder Jack Unsinn geredet: Nur weil er ein paar Jahre beruflich extrem beschäftigt gewesen war, hieß das noch lange nicht, dass er das Segeln verlernt hatte!

Nachdem Keith eine weitere Stunde damit verbracht hatte, die günstigen Winde auszunutzen, beschloss er, in den ruhigen Gewässern vor Nantucket vor Anker zu gehen. Inzwischen hatte er Chatham so weit hinter sich gelassen, dass es keinen Sinn mehr ergab zurückzukehren, selbst wenn sein Bruder in der Zwischenzeit bemerkt haben sollte, dass er hereingelegt worden war.

Außerdem merkte Keith allmählich, wie erschöpft er war. Doch da er sich noch um die Takelage und die Schotten kümmern musste, um das Boot für die Nacht fertigzumachen, war es beinah vier Uhr morgens, als er endlich den Niedergang hinunterstieg – und fast einen Herzinfarkt bekam.

Auf dem Tisch der Kajüte erkannte er die schemenhaften Umrisse eines ausgestreckten Oberkörpers. Dort lag jemand. Eine Frau. Die Arme über dem Kopf ineinander verschlungenen hatte sie ihr Gesicht auf ein aufgeschlagenes Buch gebettet. Die blasse Haut ihrer Wange schimmerte durch einen Schleier dunkler Haare.

„Miss?“, rief Keith und kam sich ziemlich blöd dabei vor. Doch er machte sich ernsthafte Sorgen. Wie war es möglich, dass die Segelmanöver der letzten drei Stunden sie nicht aufgeweckt hatten? War sie womöglich verletzt? Oder gar tot?

Beunruhigt kniete er sich neben sie und suchte ihren Puls. Gott sei Dank. Dort, wo seine Finger ihr Handgelenk berührten, spürte er ihren Herzschlag. Erleichtert ließ er sich neben sie auf die Bank sinken, doch seine Gedanken rasten nach wie vor. War sie krank? Sollte er Hilfe holen? Und was in aller Welt machte diese Frau mitten in der Nacht auf Jacks Boot?

Er holte sein Handy aus der Hosentasche, hatte aber keinen Empfang, was fern ab der Küste auch nicht weiter verwunderlich war.

Besorgt wandte er sich wieder der Frau zu. Es war schon eine Weile her, dass er einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert hatte, doch er erinnerte sich vage, wie man die Lebenszeichen überprüfte. Ihr Atem ging regelmäßig, und sie schien kein Fieber zu haben. Der Puls war normal für eine erwachsene Frau. Und dass sie eine Frau war, daran bestand nicht der geringste Zweifel.

Ebenso wenig wie daran, dass ihr Anblick seine Sinne in allerhöchste Alarmbereitschaft versetzte. Jetzt, da er sich keine ernsthaften Sorgen mehr um ihre Gesundheit zu machen brauchte, schlug sein männlicher Jagdinstinkt voll durch. Denn diese Frau, die vor ihm auf einem Buch mit Stoffmustern lag, sah einfach umwerfend gut aus.

Die leicht nach oben gebogene, schlanke Nase und die von Natur aus tief pinkfarbenen Lippen verliehen ihrem herzförmigen Gesicht feine Züge. In den schulterlangen, dunklen Haaren hatten sich lange, geflochtene Ohrringe verfangen. Ihm fiel auf, dass ihr gesamtes Outfit ziemlich ausgefallen war.

Eine hochgekrempelte Jeans umspielte ihre Knöchel und gab den Blick auf ihre Schuhe aus Schlangenlederimitat frei. Dazu trug sie eine mit Seidenstickereien verzierte dunkle Bluse im Folklore-Stil mit einer schlichten schwarzen Jacke darüber. Gleich mehrere silberne Ketten schmückten ihr beeindruckendes Dekolleté. Für eine zierliche Frau – bestimmt war sie nicht größer als 1,60 Meter – hatte sie die Kurven genau an den richtigen Stellen.

Vorsichtig berührte er ihre Wange, um sie zu wecken. Sie gab ein sinnliches Stöhnen von sich. Sofort schien sich die Vibration dieses tiefen, ungemein weiblichen Tons auf seine gesamte Hand zu übertragen. Seine Haut war wie elektrisiert.

Erneut fuhr er mit dem Daumen über ihren Wangenknochen.

„Geht es Ihnen gut?“

Verschlafen drehte sie sich zu ihm und rollte mit den Schultern, als versuche sie, einen Kopfschmerz zu vertreiben. Ein Hauch ihres Parfums, das angenehm nach Vanille roch, stieg ihm in die Nase. Am liebsten hätte er sich weit zu ihr hinübergelehnt und tief eingeatmet, um diesen sinnlichen Duft in sich aufzunehmen.

Mit einem Mal kam ihm die Atmosphäre unter Deck sehr intim vor. Das dämmrige Licht, das sanfte schaukelnde Boot – schnell zog er seine Hand zurück. Er wollte sie nicht erschrecken, wenn sie aufwachte. Doch sofort hatte er das Bedürfnis, ihre warme seidige Haut wieder zu berühren. Es war schon viele Monate her, seit er eine Frau in den Armen gehalten hatte.

„Wer sind Sie?“ Er spähte an ihr vorbei zu dem Stapel schwerer Bücher, die neben ihr auf der anderen Seite der Bank langen. „Eine Innenarchitektin vielleicht?“

Es sah zwar alles danach aus, aber er konnte sich kaum vorstellen, dass sein Bruder jemanden beauftragt hatte, die Vesta neu einzurichten. Dazu hatte er viel zu wenig Stil. Was machte diese Frau bloß mitten in der Nacht auf Jacks Jacht?

Keith ließ seinen Blick über ihre Hände schweifen. Kein Ring, dann war sie wahrscheinlich unverheiratet.

„Somit steht einem Flirt eigentlich nichts im Wege“, dachte er laut, in der Hoffnung, der Klang seiner Stimme würde sie wecken.

Doch sie seufzte nur im Schlaf, strich sich eine Strähne aus dem Gesicht, und legte ihre Hand zurück an den Hals, an ihr Schlüsselbein. Genau dorthin, wo er sie gern berührt hätte. Schlagartig wurde ihm bewusst, wie sehr sein Körper auf diese unglaubliche Frau reagierte. Mit einem Mal war er hellwach.

„Aber womöglich sollte ich etwas weniger zurückhaltend sein“, fuhr er fort. Er brannte darauf, seine Finger erneut über ihre weiche Haut gleiten zu lassen.

„Schließlich befinden Sie sich auf meinen Boot – nun ja, meinem Boot für die nächste Woche. Ich finde, da ist es mein gutes Recht, Sie aufzuwecken. Und warum soll ich Ihnen dabei nicht ein paar aufregende Dinge ins Ohr flüstern?“

Vielleicht konnte er in ihrem Unterbewusstsein einige scharfe Fantasien platzieren, die sie dann im wachen Zustand nur allzu gern in die Tat umsetzen würde. Die Kraft der Suggestion war nicht zu unterschätzen.

Als stimme sie ihm zu, gab sie ein tiefes Brummen von sich. Der Ton schien durch ihren ganzen Körper zu vibrieren. Sofort wurde ihm heiß. Unglaublich. Diese Frau hatte noch nicht einmal ihre Augen geöffnet, und doch fühlte er eine tiefe sexuelle Verbundenheit mit ihr.

Was, wenn sie aufwachen und Gefallen an dem finden würde, was er zu sagen hatte? Ein überaus verlockender Gedanke. Es war einen Versuch wert.

„Ich fühle mich zu dir hingezogen.“ Er machte eine Pause, damit die Worte in ihr Bewusstsein dringen konnten. Fast erwartete er, dass sie die Arme um ihn schlingen würde.

„Ich möchte dich berühren.“ Noch immer keine Reaktion, nicht einmal das kleinste Wimpernzucken.

„Ich könnte mir nichts schöneres vorstellen, als dich Zentimeter für Zentimeter mit meinen Zähnen auszuziehen.“

Ihre Lider blieben geschlossen, doch ganz allmählich formte sich ein verführerisches Lächeln auf ihren Lippen. Er traute seinen Augen kaum. Seufzend ließ sie ihre Hand den Hals hinabgleiten bis tief in den Ausschnitt ihrer Bluse, wo sie eine Brust fest umfasste. Den Mund leicht geöffnet fuhr sich mit der Zunge langsam über die Unterlippe.

Heiliger Strohsack!

Ein beinah schmerzhaftes Verlangen schoss ihm direkt zwischen die Beine.

Was auch immer er da tat: Es funktionierte!

2. KAPITEL

Josie konnte sich nicht erinnern, wann sie zuletzt so schön geträumt hatte. Normalerweise sprang sie sofort aus dem Bett, wenn der Wecker klingelte, und die Erinnerungen an ihre nächtlichen Fantasien waren wie ausgelöscht.

Umso mehr genoss sie das köstliche Gefühl, einfach nur entspannt dazuliegen und ihren Geist wandern zu lassen. Alles war so ruhig und friedlich … und so warm.

Das Blut pulsierte durch ihre Adern und erfüllte jeden Zentimeter ihrer Haut mit einer sinnlichen Wärme, als plötzlich aus der Tiefe ihres Unterbewusstseins ein Mann zu ihr sprach.

„Ich kann es kaum erwarten, deine Haut zu schmecken.“ Seine Stimme war tief und sexy und ließ ihre Fantasie verrücktspielen. Ein prickelnder Schauer der Erregung durchfuhr ihren Körper, als sie sich vorstellte, seine Lippen auf ihrem Körper zu spüren.

Wie es sich wohl anfühlte, wenn er langsam und genüsslich das hungrige Verlangen von ihrer Haut leckte? Ihre Brustwarzen wurden hart bei dem Gedanken. Sehnsüchtig bog sie den Rücken durch und streckte sich ihm entgegen. Wann würde er sein sinnliches Versprechen endlich einlösen? Wenn sie ihn doch nur zu sich heranziehen könnte – aber ihre Glieder waren schwer und träge.

„Bitte“, murmelte sie flehend, während sie mit den Fingern über eine ihrer Knospen strich, „bitte“.

Ihr war, als könne sie seinen Atem an ihrem Hals spüren, und ein sauberer, salziger Duft, der sie an eine Meeresbrise erinnerte, stieg ihr in die Nase.

Warum ließ er sie bloß so lange warten? Verzweifelt zog sie die Hand aus der Bluse und streckte den Arm nach ihm aus, als urplötzlich ein unangenehmer Schmerz in ihren Nacken fuhr. Ihr Kopf rutschte vom Kissen auf eine kalte, harte Oberfläche, die unmöglich ihr Bett sein konnte.