FANNYS VERHÄNGNIS - Andreas Klaene - E-Book

FANNYS VERHÄNGNIS E-Book

Andreas Klaene

0,0

  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2019
Beschreibung

Noch vor Tagesanbruch klingelt es an der Tür. Mit einem richterlich angeordneten Durchsuchungsbeschluss verschaffen Polizisten sich Zutritt. Sie dringen in eine scheinbar heile Familienwelt ein. Für Fannys Mutter ist es wie ein böser Traum, was der leitende Ermittler sagt: Ihre älteste Tochter stehe im Verdacht, ein brutales Verbrechen begangen zu haben. "FANNYS VERHÄNGNIS" ist eine Erzählung, die auf einer wahren Begebenheit beruht.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 64

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Fannys Verhängnis

Wenn Menschen wie du und ich zu Tätern werden

Andreas Klaene

Copyright © 2019 by Andreas Klaene

Fannnys Verhängnis

Wenn Menschen wie du und ich zu Tätern werden

Autor: Andreas Klaene

Rügenstraße 8

49661 Cloppenburg

[email protected]

www.andreasklaene.de

ISBN: 978-3-748531-46-3

Umschlaggestaltung: Benedikt Kläne

*Die Namen aller Personen wurden geändert.

All rights reserved.

No part of this book may be reproduced in any form or by any electronic or mechanical means, including information storage and retrieval systems, without written permission from the author, except for the use of brief quotations in a book review.

Fannys Verhängnis

Es war noch dunkel an diesem Oktobermorgen. Bis zum Sonnenaufgang dauerte es fast eine Stunde. Fanny lag in ihrem Bett. Sie schlief so tief, als hätte die Nacht all ihre heimliche Angst narkotisiert. Ihr Zimmer befand sich im ersten Stock ihres Elternhauses, nebenan schliefen ihre beiden jüngeren Schwestern und ihre Mutter. Das Gebäude lag umringt von Einfamilienhäusern im Kern einer Kleinstadtsiedlung.

Noch regte sich nichts in den engen Straßen, die sich wie schwarze Schleifen um Häuser mit kleinen Vorgärten legten. Nur in der Einfahrt gegenüber warf hin und wieder eine Lampe ihr Licht durch die Dunkelheit. Immer dann, wenn eine Katze auf nächtlicher Tour den Bewegungsmelder geweckt hatte. Das sah aus, als wollte das Licht die Nacht erschrecken. In solchen Momenten sprang für ein paar Sekunden die weiße Fassade des Nachbarhauses aus dem Nachtschwarz hervor und mit ihr auch die Überwachungskamera, die sich unterm Dachvorsprung befand.

An Fannys Elternhaus gab es keine Kamera. Nicht nur, weil es hier nichts zu erbeuten gab. Selbst wenn die Familie nie in finanzielle Schieflage geraten wäre, hätte es niemand riskiert, hier einzubrechen. Ein Rottweiler und ein Pit Bull Terrier gehörten zur Familie. Alle im Haus waren sich zwar sicher, dass die beiden ausschließlich auf Harmonie aus waren, aber sie sahen nicht so aus.

Um kurz vor sechs schlugen die Hunde an. Sie rasten die Treppe hinunter, positionierten sich knurrend und bellend vor der Haustür. Mit jedem Schritt, den draußen wer auch immer auf das Haus zu tat, gerieten sie mehr außer sich. Dann klingelte es an der Tür. Die Mädchen schliefen so fest, dass sie nichts davon mitbekamen. Liliana war schon ein paar Minuten vor dem Lärm wach geworden. Ihr Wecker hatte sich gemeldet, aber sie wollte noch kurz in ihrem Schlummer bleiben, bevor sie nach unten ging, um das Frühstück vorzubereiten und die Hunde in den umzäunten Garten zu lassen.

Gerade an der Treppe angekommen, hörte sie die Klingel ein zweites Mal. Liliana hatte Not, ihren Bademantel schnell genug überzuziehen. In ihrer Aufregung brauchte sie eine Ewigkeit, bis sie das rechte Armloch fand. Außerdem wollte ihr Kreislauf das plötzliche Aufstehen nicht mitmachen. Auf halbem Weg kippte sie zur Seite und bekam das Geländer gerade noch zu fassen.

Selten hatte sie ihre Hunde dermaßen aufgebracht gesehen. Sie schienen die Tür mit ihren Blicken zertrümmern zu wollen. Ihr Bellen, Knurren und Fletschen überschlug sich, und ihre bulligen Körper vibrierten wie Panzer, die ihre Motoren auf Hochtouren brachten.

Liliana hatte solches Verhalten nie gemocht, aber in dieser Minute glaubte sie, genau das zu brauchen. Warum, das wusste sie nicht, wollte es aber auch gar nicht wissen. Man musste ja nicht auf alles Antworten bekommen. Ohne lebte es sich unter gewissen Umständen viel ruhiger. Das hatte ihr das Leben in 43 Jahren beigebracht.

Leute, die sich Hunde dieser Rassen anschafften, waren ihr nie ganz geheuer. Das waren doch alles Versager, Typen, die mit der Stärke ihres Hundes eigene Schwächen kompensierten. Aber ihre zwei waren ja aus anderen Gründen ins Haus gekommen. Der Rottweiler gehörte ursprünglich ihrem Mann. Als sie sich von ihm trennte, trennte er sich von ihm. Und Stuffy, den Pit Bull, hatte Fanny vor knapp drei Jahren angeschleppt. Ihr damaliger Freund hatte ihn sich als Welpen zugelegt. Eigentlich nur aus einer Laune heraus, dabei aber nicht bedacht, dass er es mit 23 Jahren noch nicht geschafft hatte, selbst aus dem Entwicklungsstadium eines Welpen herauszukommen. Er hatte nichts gelernt, arbeitete nicht, war jeden Tag bekifft, brauchte mehr Geld für Drogen, als er hatte, und besorgte es sich auf Wegen, die Fanny nicht kannte. Als er benebelt auf seinem Sofa lag, entdeckte sie den Kleinen in seiner Badewanne. Dort war er schon den ganzen Tag lang winselnd herumgekrabbelt. Fanny war außer sich. Sie klemmte sich den Hund unter den Arm und stürmte zum Sofa. „Hey, hast du sie noch alle?! Willst du den in der Wanne verrecken lassen?“

Ihr Freund musterte sie aus geschlitzten Augen und verzog ganz langsam das Gesicht. „Wieso, wo soll er denn sonst hin?“

Fanny sah ihn an, als wäre er gerade dabei, Hundefutter zu frühstücken.

„Guck nicht so“, hauchte er, „weißt doch, dass der nicht stubenrein ist. Wenn ich den rumlaufen lasse, macht er doch ne Katastrophe.“

„Der? Aha. Guck dich mal hier um. Du bist es doch, der hier ne Katastrophe macht. Bist doch selbst nicht stubenrein.“

Auf dem Sofa gab es keine Reaktion. Der müde Blick ihres Freundes schien auf ihr eingefroren zu sein.

„Kein Kommentar?“, sagte sie nun lauter. „Schnallst du gar nicht, was du da tust, wenn du so einen Winzling stundenlang in die Wanne setzt? Das ist die Hölle für den. Der kann doch nie über den Rand gucken. Um sich herum nichts als Weiß, nichts als totale Einsamkeit in totaler Unendlichkeit.“

Ihr war egal, was er darüber und über sie dachte. Sie nahm Stuffy mit, und sein Besitzer machte nie einen Versuch, ihn zurückzuholen.

Fanny hörte auch das nächste Klingeln nicht. Wach wurde sie erst durch eine Hand, die aufgeregt an ihrer Schulter rüttelte. Sie sah ihre Mutter, die sich über ihr Bett beugte. Ihr Kopf verdeckte die Deckenleuchte, ihr schmales Gesicht sah darunter schwarz aus. Hinter ihr stand eine weitere Frau. Ihr Gesicht konnte Fanny klar erkennen. Sie hatte diese Frau nie zuvor gesehen, aber sie wusste, warum sie gekommen war.

Die Unbekannte stellte sich als Kriminalbeamtin vor, während im Flur die Stimmen von Männern zu hören waren. Sie teilte Fanny mit respektvoller Bestimmtheit mit, dass sie im Verdacht stehe, eine schwere Straftat begangen zu haben. Die Frau forderte sie auf, sich umgehend anzuziehen. In ihrem Beisein.

Unten im Flur standen vier Polizisten in Uniform, im Wohnzimmer ein weiterer in Zivil. Er stellte sich als Kriminalhauptkommissar vor. Was er Fanny und ihrer Mutter mitteilte, kam nur fragmenthaft bei ihnen an. Es war gar nicht daran zu denken, sich auf die Zusammenhänge zu konzentrieren. Nicht jetzt, wo beide noch mit einem Bein auf jener Bühne standen, auf der die Träume der Nacht bis vor ein paar Minuten gespielt hatten. Jedes einzelne seiner Worte war so ungeheuerlich, dass es sich wie ein feuchter Korken im Gehirn dick machte.

Auch er sprach nun von einer Straftat. Und von einer zweiten. Dann von einer Schusswaffe. Es drangen lauter Schlagwörter aus seinem Mund, die sich wie auf dem Fließband einer Werkshalle kreuz und quer durch ihre Wohnung zogen. Unaufhörlich. Aber solche Wörter konnte er doch nicht einfach hier abladen. In Filmen, ja, da waren sie zu Hause, aber doch nicht hier. Es durfte einfach nicht wahr sein, dass sie nun ins wahre Leben verfrachtet wurden. In Fannys Leben.