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**Wer dieses Buch besitzt, entfesselt eine dunkle Macht!**
Nachdem Seven gegen das oberste Gesetz der Elcerans verstoßen hat, wird nicht nur sie, sondern auch Tyler von den Großmeistern bestraft. Um die Liebe ihres Lebens zu retten, muss sie den schwarzen Almanach, das Buch der dunklen Magie, aufspüren und zurückbringen. Doch wer hat das Buch gestohlen und welches Unheil droht, sollten die dunklen Mächte, die sich darin verbergen, entfesselt werden? Plötzlich sind nicht mehr die Magie-Jäger die größte Bedrohung für die Elcerans, sondern deren eigene dunkle Kräfte …
Magisch, romantisch und geheimnisvoll! Das große Finale der Urban-Fantasy-Dilogie von Emily Bold entführt dich nach New York mit einer „Forbidden Love“- und „Enemies-to-Lovers“-Story voller Gefühl und Herzklopfen. Die moderne Hexe Seven muss ihren eigenen steinigen Weg finden – und dabei knistert es gewaltig.
Die „Legacy of a Silver Night“-Dilogie:
Band 1: Legacy of a Silver Night
Band 2: Fate of a Golden Dawn
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Wer dieses Buch besitzt, entfesselt eine dunkle Macht!
Nachdem Seven gegen das oberste Gesetz der Elcerans verstoßen hat, wird nicht nur sie, sondern auch Tyler von den Großmeistern bestraft. Um die Liebe ihres Lebens zu retten, muss sie den schwarzen Almanach, das Buch der dunklen Magie, aufspüren und zurückbringen. Doch wer hat das Buch gestohlen und welches Unheil droht, sollten die dunklen Mächte, die sich darin verbergen, entfesselt werden? Plötzlich sind nicht mehr die Magie-Jäger die größte Bedrohung für die Elcerans, sondern deren eigene dunkle Kräfte …
Band 2 – das packende Finale der Legacy-Dilogie
© Privat
Emily Bold, Jahrgang 1980, schreibt Romane für Jugendliche und Erwachsene. Ob historisch, zeitgenössisch oder fantastisch: In den Büchern der fränkischen Autorin ist Liebe das bestimmende Thema. Nach diversen englischen Übersetzungen sind Emily Bolds Romane mittlerweile auch ins Türkische, Ungarische und Tschechische übersetzt worden, etliche ihrer Bücher gibt es außerdem als Hörbuch. Wenn sie mal nicht am Schreibtisch an neuen Buchideen feilt, reist sie am liebsten mit ihrer Familie in der Welt umher, um neue Sehnsuchtsorte zu entdecken.
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Viel Spaß beim Lesen!
Emily Bold
Planet!
Seven
New York
Der Blick aus dem Fenster der Dachgaube des alten Stadttheaters verursachte mir eine Gänsehaut. Die Zerstörung zog sich weit bis hinter den Times Square. Zerstörung, die ich angerichtet hatte. Von Schuld zerfressen schlang ich die Arme um mich.
»Seven? Wie lange willst du noch da stehen und dich selbst quälen?« Tyler kam zu mir und nahm mich von hinten in den Arm. Er legte sein Kinn auf meine Schulter und sein warmer Atem strich mir tröstend über den Hals.
Meine Kehle war so eng vor Schuld, dass ich nicht antworten konnte.
»Hör auf, dich fertigzumachen. Denn das werden schon bald die anderen Elcerans für uns übernehmen.«
Mein Magen krampfte sich noch fester zusammen. Den Gedanken an die Konsequenzen für mein Handeln hatte ich ganz bewusst von mir geschoben, denn sie würden nicht nur mich betreffen, sondern auch Tyler. Langsam drehte ich mich zu ihm um und lehnte meine Stirn niedergeschlagen gegen seine Brust. Sein Duft versprach Sicherheit, doch ich wusste, dass dies ein trügerisches Gefühl war. Ich hatte gegen das oberste Gesetz der Elcerans verstoßen.
»Komm schon«, flüsterte Tyler und küsste meinen Scheitel. Er umfasste mein Gesicht und zwang mich, ihn anzusehen. Doch allein sein Anblick trieb mir die Tränen in die Augen. Sein wunderschönes Gesicht war gezeichnet von einem dunklen Witness-Mal, das sich vom Halsausschnitt seines grauen Shirts seinen Hals hinauf über seine Schläfe bis in die leuchtend grüne Iris zog. Trotzdem lag ein sanftes Lächeln auf seinen markanten Lippen. »Was passiert ist, ist nicht mehr zu ändern.«
»Gibt es keine Magie, es zu ändern?«, fragte ich, doch meine Worte klangen heiser vor Schmerz. Meine Kehle brannte.
»Oh, Seven«, seufzte er und küsste meine Nasenspitze. »Selbst wenn es etwas gäbe, dies alles ungeschehen zu machen, wäre es verboten. Willst du gegen noch mehr Regeln verstoßen?« Er schüttelte den Kopf. »Und wenn es möglich wäre? Du würdest also alles anders machen?« Seine Lippen hoben sich zu einem Lächeln. »Du würdest deine Freundin sterben lassen? Würdest die Druckwelle in dir halten, welche den Kampf beendet und die Doom Hunter zum Aufgeben bewogen hat?«
»Diese Druckwelle hat halb Manhattan zerstört!«, erinnerte ich ihn mit Tränen in den Augen und deutete aus dem Fenster. »Ich bin ein Monster!«
Tylers Grinsen wurde breiter. »Du bist kein Monster. Sondern der Night Phoenix. Die mächtigste Waffe der Elcerans, und gestern hast du unser Volk gerettet. Du hast die Magie gerettet. Und das wird man berücksichtigen, wenn die Großmeister der Gilden über uns urteilen. Sie brauchen dich, jetzt wo der Bann über den Anführer der Doom Hunter gebrochen ist. Shay Whelan wird Vergeltung dafür wollen, dass Zayns Vater Adrik ihn achtzehn Jahre lang unter die Erde gebannt hatte.« Tyler nickte ernst. »Mehr denn je wird er die Kräfte der Elcerans als Bedrohung ansehen und unsere Vernichtung wollen. Also hab keine Angst. Die Großmeister wissen um deinen Wert.« Zärtlich tröstend senkte er seine Lippen auf meine, und nur zu gerne hätte ich seinen Worten vertraut, doch ich spürte es tief in meinem Innersten. Das alles würde kein gutes Ende nehmen. Zitternd vor Angst hob ich meine Hände in seinen Nacken, ließ meine Finger über den kurz geschorenen Teil seines Undercuts gleiten und genoss dieses sanfte Kratzen an meiner Handfläche. Ich ließ mich in den Kuss fallen, wagte für einen Augenblick, darin Sicherheit zu empfinden, doch wie erwartet gab es sie nicht.
»Es ist so weit!« Wie aus dem Nichts erschien Zayn Manners in der Dachkammer des Theaters, die man zu unserem vorübergehenden Gefängnis erklärt hatte, und trieb Tyler und mich auseinander. »Schluss mit dem Rumgemache!«, forderte er und funkelte uns aus eisigen schwarzen Augen an. Auch ihn hatte der Magiekampf gegen die Hunter gezeichnet. Ich erkannte einige neu dazugekommene Witness-Male auf seinen Armen, denn er trug nur ein Muscle-Shirt, das seinen trainierten Körper zeigte. Er fuhr sich durchs dunkle Haar und musterte uns streng.
»Die Großmeister haben entschieden, dass morgen im Kreis aller Elcerans Gericht über euch gehalten wird«, erklärte er und ich konnte seiner Miene nicht ablesen, ob er darüber froh war. »Euch erwartet eine harte Strafe«, prophezeite er düster.
Tyler versteifte sich hinter mir und ich spürte, wie er die Schultern straffte. »Dann musst du ja zufrieden sein«, knurrte er und bedachte Zayn seinerseits mit einem finsteren Blick. »Dabei ist das alles deine Schuld!«
Zayn lachte spöttisch. »Meine Schuld?«, hakte er kopfschüttelnd nach. »Dass ihr den dunklen Almanach gestohlen habt und Seven ausgerechnet eine Doom Hunterin zurück ins Leben geholt hat, soll meine Schuld sein?«
»Wie oft müssen wir es dir noch sagen? Wir haben den Almanach nicht! Und du hast Seven immer wieder vorgemacht, dass für dich, wie für alle anderen Mind Master, keine Regeln gelten!« Tyler ballte die Fäuste und ich wusste, er würde gerne auf seinen ehemaligen Freund losgehen, doch man hatte ihm sämtliche Essenzen und Elixiere genommen, die er als Whisperer of Potion für seine Magie benötigte.
»Es darf keine Grenzen geben, wenn ein Krieg tobt, wann begreifst du das endlich, Ty?«, fauchte Zayn zurück und sah ihn mitleidig an. »Mein Vater hat Seven nicht erdacht, um die verfluchten Hunter zu retten, sondern um diese Bedrohung ein für alle Mal zu vernichten! Also behaupte besser nicht, dass ich mit ihrer weichherzigen und dummen Entscheidung auch nur irgendetwas zu tun hätte! Weichheit und Dummheit sind es doch, was sie von dir gelernt hat!«
»Ich habe ihr Verantwortung für die unermessliche Macht beigebracht, die sie in sich trägt«, verteidigte Tyler sich. »Verantwortung und Kontrolle – denn beides konnte sie von jemandem wie dir nicht lernen!«
»Dann warst du nicht gut darin, denn offensichtlich hat sie die Kontrolle über sich gänzlich verloren!« Zayn grinste zynisch. »Aber wann warst du je in etwas gut?«
»Keiner von euch hat irgendetwas mit meiner Entscheidung zu tun!«, mischte ich mich ein und bedauerte, dass man mir Armreifen angelegt hatte, die mittels Technologie der Hunter meine Kräfte neutralisierten. Zu gerne hätte ich Zayn das spöttische Lächeln vom Gesicht gezaubert und seine Worte mit meiner Magie verstummen lassen. So blieb mir nur, meine Stimme zu erheben. »Ich wollte diese Frau retten, denn …« Ich stockte. Diese junge Frau mit den Piercings …? Mir wollte nicht einfallen, wie sie hieß, dabei war ich mir sicher, dass ich sie kannte. »Also … ich … ich habe selbst entschieden, was ich tue, denn …«
»Seven?« Besorgt trat Tyler an meine Seite. »Ist alles okay?«
»Nein«, gestand ich und rieb mir die Schläfen. Irritiert sah ich zwischen ihm und Zayn hin und her. »Kannte ich diese Frau nicht?« Ich kniff die Augen zu Schlitzen, als würde dies das Bild in meinem Kopf klären.
»Robyn?« Auch Tyler runzelte die Stirn. »Sprichst du von Robyn? Deiner besten Freundin, die sich dummerweise als Jared Whelans Cousine und Mitglied der Doom Hunter herausgestellt hat?«
»Diese Frau war doch nicht meine Freundin«, widersprach ich, wobei irgendwo im hintersten Winkel meines Unterbewusstseins eine Alarmglocke schrillte. »Meine Freundin?«, wiederholte ich deshalb und nichts ergab mehr Sinn. »Aber ich … kenne sie doch gar nicht, oder?«
»Der Preis«, warf Zayn nüchtern ein und zuckte mit den Schultern. »Offenbar ist das der Preis. Der Ausgleich des Universums für die Verwendung von dunkler Magie.« Er neigte den Kopf und ergänzte: »Von dunkelster Magie, wohlgemerkt. Kennst du das nicht, Ty?«
Ich sah Tyler an, und seine ohnehin sehr helle Haut war noch blasser geworden.
»Hat dich dein Liebeszauber für Tessa nicht damals die Erinnerung an deine Eltern gekostet?«, schob Zayn gnadenlos nach. »Sag schon, Ty? War sie es wert?«
Tylers Hand ging reflexartig an seinen Gürtel, doch anders als sonst, befanden sich diesmal keine als Ziernieten getarnten Gefäße mit magischen Essenzen daran, mit denen er Zayn hätte angreifen können. Sein Frust, als ihm das bewusst wurde, brachte Zayn zum Lachen, doch davon bekam ich kaum etwas mit.
Meine Gedanken drehten sich wie wild im Kreis und ich versuchte verzweifelt irgendwo daran Halt zu finden. Robyn, dachte ich und fand in meinen Erinnerungen doch kein passendes Bild. Ich sah die junge Frau noch vor mir liegen. Konnte mich an den Schmerz erinnern, der mich wie ein Dolchstoß durchbohrt hatte, als ich erkannte, dass sie sterben würde. Und ich fühlte auch nach wie vor die Energie in mir anschwellen, die genau das verhindert hatte. Doch dass dieses Mädchen, diese junge Frau meine Freundin gewesen sein sollte, das spürte ich nicht. Hart rieb ich mir über den Kopf, ließ meine braunen Strähnen verzweifelt durch meine Finger gleiten. Die Trauer um den Verlust einer Freundin, an die ich mich kaum erinnerte, an Erlebnisse, die schon so weit weg schienen wie ein Traum nach dem Erwachen, raubte mir den Atem und ich taumelte. Der Preis für meine Magie. Die Konsequenz meiner Entscheidung.
Ich sah auf und blickte Tyler an. Auch er hatte Erinnerungen verloren. Und mich stets davor gewarnt. Die Leere in mir – ich wusste jetzt, dass auch er sie in sich trug. Dieses bohrende Fragezeichen, das den Raum einnahm, der noch vor wenigen Stunden mit wunderschönen Erinnerungen gefüllt gewesen war. Ich blinzelte, als würde ich damit eine Träne der Traurigkeit für Robyn vergießen können, doch ich empfand nur Leere. Die Trauer, sie galt nicht meiner Freundin, denn sie existierte in mir bereits nicht mehr, sondern der Tatsache, dass man mir etwas genommen hatte.
Dass ich selbst mir dies genommen hatte.
»Wenn du hier bist, um deine Schadenfreude auszuleben und deine Grausamkeiten zu verteilen, dann verschwinde!«, forderte Tyler und ging mit geballten Fäusten auf Zayn los. Der Ausdruck in seinem Gesicht zeigte deutlich, dass er zur Not auch mit bloßen Händen auf den Mind Master losgehen würde, und tatsächlich wich Zayn minimal zurück, hob aber die Hände, bereit, sich mittels Magie zu verteidigen.
»Weißt du was, Ty«, ätzte Zayn und jonglierte lässig einen Feuerball zwischen den Händen. »Du hast recht. Ich verschwinde.« Er zwinkerte seinem ehemaligen Freund zu und verzog verächtlich die Lippen. »Ich gönne dir diese letzten Stunden. Diese ach so süßen Küsse, denn du kannst dir sicher sein – es werden die letzten sein!« Damit nutzte er seine Gedankenmagie und dachte sich aus der Dachkammer.
In der Stille, die blieb, hörte ich Tyler ausatmen. Seine kämpferische Haltung gab er auf und sackte leicht gebeugt nach vorne. Er fuhr sich durchs Haar und offenbarte mir erneut den Blick auf die dunklen Male in seinem Gesicht.
»Was meint Zayn damit?«, fragte ich und legte meine Hand an seine Wange, um die tattooähnliche Zeichnung zu verdecken. Die Dunkelheit im Grün seines Auges vermochte ich damit allerdings nicht zu überdecken. Ich spiegelte mich in seinen Pupillen und alles um uns verlor an Bedeutung.
Sanft zog er mich in seine Arme, ohne unseren Blickkontakt zu beenden. »Er meint, dass ich dich verlieren werde«, wisperte er. »Sie werden uns verurteilen. Und nichts wird mehr sein wie jetzt.«
Er machte mir Angst, also drängte ich mich dichter an ihn, trotz der Wärme seiner Haut fröstelte mich. »Du hast gesagt, sie brauchen mich. Sie würden mich nicht bestrafen.«
»Natürlich brauchen sie dich, Seven«, raunte er und ließ seine Lippen über meine gleiten. Sehnsucht lag in seinem Blick und ich hatte das Gefühl, als wollte er den Moment für immer festhalten. »Mich hingegen brauchen sie nicht.«
Die Bedeutung seiner Worte brachte mich zum Wanken und ich klammerte mich an ihn, als er seine Hände unter mein Shirt gleiten ließ. »Was meinst du damit? Du hast nichts falsch gemacht. Du hast mich nur beschützt.«
»Hätte ich deine Verletzungen nicht geheilt, wärst du bei der Rettung deiner Freundin gestorben, Seven. Du hättest niemals vollenden können, was du begonnen hast, wäre ich dir nicht mit Salus zur Seite gestanden. Man wird mich ebenso verantwortlich machen wie dich. Doch im Gegensatz zu dir …« Seine Lippen lagen so warm und weich auf meinen, dass ich seine Worte kaum verstand. »… bin ich entbehrlich.«
»Nicht für mich!«, widersprach ich und küsste ihn verzweifelt. »Ich liebe dich, Tyler Davenport, und ich werde nicht zulassen, dass du für meine Fehler bestraft wirst«, versicherte ich ihm, doch er lachte nur.
»Denkst du, ich wusste nicht, was ich tat, als ich dir geholfen habe?«, raunte er und hob mich hoch. »Ich wusste, was kommen würde, doch für diesen letzten Kuss, wie Zayn sagt, lohnt sich jede Strafe, die sie über mich verhängen könnten.« Er zog mich aufs Bett und legte sich schützend über mich. »Ich weiß nicht, wie das für uns ausgeht, Seven. Aber in diesem Moment … bereue ich nichts.«
Seven
»Wer hat wohl den Almanach gestohlen?«, wisperte ich in die Stille des frühen Morgens, ohne meine Wange von Tylers Brust zu heben. Im Zwielicht der aufgehenden Sonne waren nur Schemen zu erkennen. Dennoch blinzelte ich, um meinen Geist zu klären.
»Wer hatte denn ein Motiv?«, stimmte Tyler mit vom Schlaf rauer Stimme in meine Überlegung mit ein. Streichelnd glitten seine Finger über meinen Rücken und ich fragte mich, wie ich je ohne seine Zärtlichkeit hatte leben können. Ich lauschte auf den Herzschlag unter meiner Wange, und trotz unserer Misere verspürte ich Glück.
»Die Hunter natürlich«, überlegte ich laut, auch wenn ich keine Ahnung hatte, wie die Gegner der Magie an das dunkelste Buch der Elcerans hätten gelangen können.
»Nicht nur die Hunter«, ergänzte Tyler. »Es gibt unter den Elcerans etliche, die unzufrieden damit sind, dass die Wisdom Guards seit Jahrhunderten die Hand über die Geheimnisse in diesem Buch halten. Selbst Zayn findet, dass jeder Elceran das gleiche Recht darauf haben sollte, den Almanach zu studieren.«
»Dann dürfen nur die Wisdom Guards das Buch lesen?«
Tyler schüttelte den Kopf und drehte sich, sodass er mich ansehen konnte. »Nein. Das Buch darf nicht mehr geöffnet werden, seit die Magie daraus genutzt wurde, um die Mind Master zu erschaffen. Aber die Wisdom Guards kennen den Inhalt des Almanachs trotzdem besser als der Rest von uns, denn sie sind für die Rezepte und Anweisungen darin verantwortlich. Sie füllen die Bücher ja erst mit neuen Erkenntnissen zur irdischen Magie.«
»Du meinst, sie wissen, was in diesem Magie-Kochbuch steht, weil sie es geschrieben haben?«
Tyler lachte über meine Wortwahl, nickte aber. »So in etwa. Und obwohl sie sich für die höchste Instanz der Elcerans halten, für die klügste und erlesenste Gilde, wird auch unter den Wisdom Guards schlicht und einfach getratscht. Ich denke, die wissen mehr, als sie sollten. Und das gefällt dem Rest von uns nicht wirklich.«
Ich seufzte und schmiegte mich dichter in Tylers Armbeuge. »Das macht es nicht leichter herauszufinden, wer den Almanach genommen haben könnte, richtig?«
»Richtig. Aber Amara hat nicht ganz unrecht, uns zu verdächtigen. Denn wie du weißt, braucht es die Kräfte von mindestens zwei fähigen Elcerans, um den Schutz der Almanachblüte zu durchdringen und das Buch auch nur zu berühren. Einer allein käme nie an das Buch heran.«
»Hm.« Ich kannte die wenigsten der Elcerans persönlich, denn die meisten von ihnen waren erst am Tag des Kampfes mit den Doom Huntern hier angekommen. Sie alle hatten am Éclat de Sorcellerie, dem jährlichen Treffen der Hexergilden, in Frankreich teilgenommen und waren gerade noch rechtzeitig hier erschienen, um eine Niederlage gegen die Hunter zu verhindern. Darum hatte ich keinen blassen Schimmer, wer von ihnen der Dieb sein könnte. Geschweige denn, hinter welchen der mir fremden Gesichtern sich ein diebisches Duo verbergen könnte. »Dann suchen wir auf jeden Fall keinen Einzeltäter«, grübelte ich und küsste Tyler sanft. Ich liebte den warmen Duft seiner Haut.
»So weit werden die Großmeister mit ihrer Überlegung auch gekommen sein – und deshalb steht es schlecht für uns.« Seufzend setzte Tyler sich auf und strich sich die einzelne Strähne aus dem Gesicht, die ihm nie gehorchen wollte. »Ich sehe kein Argument, das uns entlastet, und fürchte, die haben ihren Schuldigen schon gefunden. Uns.«
»Aber wir waren es nicht!«, regte ich mich auf. »Die Wahrheit muss doch ans Licht kommen und –«
Die Tür zu unserer Dachkammer wurde geöffnet und ich zog mir hektisch die Bettdecke bis zum Kinn. Ich hatte nicht mit Besuch gerechnet, fühlte mich überrumpelt, als die drei Großmeister der Gilden nacheinander eintraten. Bisher kannte ich von ihnen nur Amara Vexbane, Tylers Tante, die Großmagesta der Wisdom Guards und Hüterin der großen Bibliothek. Wie bei unserer ersten Begegnung war ihr graues kurzes Haar edel frisiert. Heute allerdings waren die Falten um ihre blauen Augen tiefer und ihre Haut noch blasser als damals. Selbst der rote Lippenstift sowie ihre goldenen Ohrringe schafften es nicht, über ihre Erschöpfung hinwegzutäuschen. Sie wirkte trotz ihrer stolzen Haltung beinahe verloren zwischen ihren beiden männlichen Begleitern.
Tyler erhob sich. Nur in Boxershorts trat er den dreien entgegen. Ich hingegen kam mir selbst unter der Bettdecke schutzlos vor.
»Tante«, grüßte er Amara und nickte dann den beiden anderen zu. Und obwohl ich beide nicht kannte, war mir sofort klar, wer zu welcher Gilde gehörte. Tyler hatte mir einmal gesagt, dass alle Mind Master außergewöhnlich attraktiv waren. Bei Zayn traf das zu. Und auch der Großmeister rechts neben Amara bildete keine Ausnahme. Seine dunkle Aura füllte regelrecht den Raum und er überragte Tyler um fast einen Kopf. Sein schwarzes Haar hatte einen beinahe unheimlichen Glanz und die Witness-Male auf seiner Haut unterstrichen den rebellischen Ausdruck in seinen ebenfalls dunklen Augen. Seine Miene war verschlossen, und doch ahnte ich, dass seine kantigen Lippen, wenn sie denn lächelten, zynisch aussehen würden.
»Großmeister Caius Nox.« Tyler nickte ihm zuerst zu, ehe er sich an den Großmeister seiner eigenen Gilde wandte.
Dessen schmuckreiche Kleidung mochte für einen Außenstehenden überladen wirken, mir hingegen war klar, dass jede Perle, jede Niete, jeder schillernde Knopf in Wahrheit ein Gefäß für die Tränke, Elixiere oder Pulver der Magie der Whisperer of Potion war. Er war demnach gut gerüstet – für alles, was kommen mochte, auch wenn er mit seinem blonden Haar und den üppigen Fingerringen an seinen Händen weniger angsteinflößend erschien als die Großmeister neben ihm.
»Großmeister Alexander Sterling«, beugte Tyler auch das Haupt vor dem Letzten der drei.
»Tyler. Miss Carter«, erwiderte er dessen Gruß und schaute mich auffordernd an, und obwohl ich nur ein langes Shirt über meiner Unterwäsche trug, zwang mich der Blick des Großmeisters, ebenfalls aufzustehen. Ich presste mir die Bettdecke an die Brust und stellte mich neben Tyler.
»Guten Morgen«, flüsterte ich und senkte den Kopf. Angst kroch mir den Rücken hinauf und ich fühlte mich verletzlich.
»Macht euch fertig«, befahl der blonde Großmeister und öffnete einen der Schmucksteine an seinem Fingerring. In der Vertiefung befanden sich einige winzige Pillen, von denen er uns je eine reichte.
»Was ist das?«, fragte ich, als Tyler die Pille, ohne zu zögern, schluckte.
»Nova Luceat«, erklärte der Whisperer of Potion und bedeutete mir ungeduldig, die Tablette einzunehmen.
Auch wenn ich mit dem Namen des Zaubers nichts anfangen konnte, wusste ich, was es war, als Tyler schlagartig angezogen und wie frisch geduscht neben mir stand. Ich betrachtete die Armreifen an meinen Handgelenken, die dazu dienten, meine Kräfte zu unterbinden. Selbst konnte ich mir also keine Kleidung denken, das ließen sie nicht zu, doch die Magie der Elixiere konnte ich offenbar nutzen, wenn ich die entsprechenden Mittel hatte.
»Miss Carter!«, ermahnte mich nun der Großmeister der Mind Master. »Wir warten nur ungern.«
»Sicher! Entschuldigung.« Ich schluckte die Pille und im nächsten Moment trug ich Jeans und ein Langarmshirt und mein Haar fiel mir in ordentlichen Strähnen bis über die Schultern.
»Wenn dann alle so weit sind«, ergriff schließlich Amara das Wort und stemmte die Hände in die Hüften, »dann lasst uns aufbrechen. Es wäre unhöflich, das Gericht warten zu lassen.«
»Das Gericht?« Tyler fasste seine Tante am Arm. »Ihr könnt Seven nicht vor Gericht stellen. Sie ist eure wichtigste Waffe und ihr könnt sie nicht –«
Tylers Lippen wurden durch die Gedankenmagie von Caius Nox verschlossen und eine Druckwelle riss ihn von Amaras Seite.
»Du sagst uns nicht, was wir können – oder auch nicht! Du hast zu schweigen, bis wir dich auffordern zu reden, hast du das verstanden?!«
»Caius!«, protestierte Amara und funkelte den Mind Master streng an. »Mach das rückgängig. Und du, Tyler – reiß dich zusammen.«
Caius Nox ließ sich Zeit, Amaras Aufforderung zu folgen. Er genoss seine Macht über Tyler ganz eindeutig eine Spur zu sehr und ich ertappte mich dabei, wie ich eine Druckwelle dachte, die ihn – würde ich nicht die Magie-Stopp-Armreifen tragen – direkt aus dem Raum katapultiert hätte. Vermutlich war es gut so, dass ich das nicht konnte, mit einem Mann wie Nox legte man sich besser nicht an. Zu dem Schluss schien auch Tyler zu kommen, denn auch nachdem seine Lippen wieder frei waren, schwieg er. Sein Blick streifte mich und ich las darin Wut und Furcht. Ich reichte ihm die Hand, und als er sie griff, drückte er meine Finger fest, um mir Mut zu machen.
Der Weg durch das alte Theater kam mir endlos vor. Stufen hinauf, Stufen hinunter, von einem gewundenen Flur in den nächsten und wieder eine Treppe hinab. Und mit jedem Schritt krampfte sich mein Magen fester zusammen. Dann erreichten wir die Bühne und ich blinzelte gegen das Licht, das auf uns gerichtet wurde. Es war so hell, dass ich erst nicht bemerkte, dass alle Plätze im Zuschauerraum von Elcerans besetzt und sämtliche Logen gefüllt waren. Und alle Augen waren auf uns gerichtet, als die drei Großmeister ihren Platz an der Seite der Bühne einnahmen.
Wieder drückte Tyler meine Hand, doch dieses Mal scheiterte er daran, mir Mut zu machen. Ich war beinahe gelähmt vor Angst. Mehr noch als beim Angriff der Hunter graute mir vor dem, was jetzt kommen würde.
»Alles wird gut«, wisperte Tyler, doch ich spürte, dass er log. Und das machte mir noch mehr Angst als alles Bisherige.
»Miss Seven Carter!«, wurde Caius Nox’ Stimme von der perfekten Akustik des Theaters bis zum letzten Sitzplatz getragen, obwohl er gar nicht schrie. Er sprach laut, aber das war es nicht, was jeden gebannt den Atem anhalten ließ. Es war seine Macht, die mich wie eine Marionette in Bewegung setzte, bis ich direkt vor meinen Anklägern stand. »Heute haben wir uns versammelt, um über dich zu richten. Um dein Fehlverhalten zu ahnden und die Gesetze unseres Volkes durchzusetzen, denn niemand – auch nicht der Night Phoenix – steht über unserem Gesetz.«
Wie Schallwellen durchfuhren mich die einzelnen Worte, trotzdem hatte ich Mühe, ihren Sinn zu verstehen. Ich stand wie neben mir, als Amara die Liste dessen vorlas, was man mir vorwarf.
Nutzung dunkler Magie, Verstoß gegen das oberste Gesetz der Elcerans, Verbrüderung mit dem Feind und der Diebstahl des schwarzen Almanachs.
Auf den Zuschauerrängen herrschte atemlose Stille und ich glaubte, jeder einzelne Hexer und jede einzelne Magesta müssten mein Herz hämmern hören.
»Die Stunde der Verteidigung ist gekommen. Das Wort sei nun dir überlassen, Seven Carter. Oder denjenigen, die für dich sprechen möchten«, erklärte Alexander, der Großmeister der Whisperer, sachlich. Wie zuvor sah er mich ungeduldig an. Etwas an seinem Blick schien regelrecht in mein Innerstes vordringen zu wollen, um zu erfahren, was ich zu verbergen hatte.
»Ich …« Man hätte eine Stecknadel fallen hören und das grelle Bühnenlicht trieb mir den Schweiß auf die Stirn. »Wir … haben nichts mit …« Meine Stimme brach, nicht einmal mehr ein Räuspern brachte ich zustande.
»Seven hat nichts mit dem Verschwinden des Almanachs zu tun!«, kam mir Tyler zu Hilfe. »Genauso wenig wie ich.«
»Es ist nicht der Moment, dich selbst zu verteidigen!«, mischte sich Caius energisch ein und hob drohend die Hand. »Sprich für sie oder schweig!«
Tyler wich keinen Millimeter zurück. Er straffte die Schultern und sah Caius direkt an. »Sie war das nicht!«, wiederholte er diesmal nur auf mich bezogen. »Sie konnte den Almanach nicht an sich nehmen, denn ich war in jedem Moment des Kampfes und in jedem Moment danach an ihrer Seite.«
»Sie haben sich zusammengetan!«, brüllte irgendjemand aus dem Zuschauerraum und ein lautes Raunen brauste auf.
Amara erhob sich, doch da sie als Wisdom Guard keine Magie anwandte, war es Caius, der Ruhe erdachte. Dankend nickte sie ihm zu und trat an den Bühnenrand. »In diesem Gericht klagen einzig und allein die Großmeister an. So war es stets und so wird es immer sein! Ihr seid hier, um zu bezeugen, dass ein gerechtes Urteil ergeht. Doch wagt es nicht noch einmal, die Verhandlung zu stören.«
»Habt ihr euch zusammengetan?«, hakte nun Alexander nach und legitimierte so die Frage des Zwischenrufers.
»Nein.« Wieder antwortete Tyler an meiner Stelle, denn ich war noch immer wie gelähmt. Das Blut rauschte mir in den Ohren und ich sah Tyler an, als könnte allein seine Gegenwart mir Schutz bieten. Der Ausdruck in seinem Gesicht war kämpferisch, und obwohl alle gegen uns waren, wirkte er nicht eingeschüchtert.
»Seven war ohnmächtig. Und geschwächt von –«
»Von ihrer Verbrüderung mit dem Feind«, unterbrach Caius ihn. »Sie war geschwächt, weil sie einen Doom Hunter von den Toten zurückholte! Ist es das, was du hiermit bestätigst, Tyler Davenport?«
Ich schluckte. Das alles war Irrsinn! Ich konnte Tyler doch nicht allein kämpfen lassen. »Tyler muss das nicht bestätigen«, rief ich, und endlich strömte Luft in meine Lunge und mein Kampfgeist erwachte. »Ich leugne ja gar nicht, dass ich das getan habe. Ich habe meiner Freundin Robyn das Leben gerettet. Habe gegen eure dämlichen Gesetze verstoßen, weil ich nicht zulassen konnte, dass auch noch sie diesem ganzen Wahnsinn zum Opfer fällt! Ich konnte sie nicht auch noch verlieren, und wenn mich das schuldig macht, dann ist es eben so. Ich würde wieder genauso handeln!«
»Seven!«, warnte Tyler mich, doch es war bereits zu spät. Die Worte waren gesagt.
»Da hört ihr es. Sie gibt es zu«, erhob Caius erneut die Stimme. »Sie gesteht ihre Taten vollumfänglich, was wir mildernd zur Kenntnis nehmen.«
Alle drei Großmeister nickten zufrieden und ich wollte protestieren, doch Caius’ Zauber verschloss meine Lippen. Ohne dass ich auch nur einen Schritt machte, gelangte ich zurück neben Tyler. Ich taumelte, als die magische Kraft mich losließ und stattdessen Tyler packte. Er wurde noch gröber als ich vor die Richterbank gerissen und ich war mir sicher, dass Caius es gerne gesehen hätte, wäre er gestürzt. Den Gefallen tat Tyler ihm allerdings nicht.
Tyler ballte die Fäuste. Er kannte Caius. Wusste, wie wenig Mitgefühl er von ihm zu erwarten hatte. Schon bei seinem ersten Konflikt mit dem Gesetz, als es um Tessa gegangen war, hatte Caius jegliche Milde abgelehnt und ihn zu einem unwürdigen Hexer erklärt. Caius hatte verfügt, ihn auf unbestimmte Zeit vom Éclat auszuschließen. Im Grunde war es also seine Schuld, dass Tyler gerade dann in New York gewesen war, als Shays Bann zu bröckeln anfing und die Hunter sich aus der Deckung wagten. Nur wegen Caius war er Seven überhaupt begegnet.
»Doch wir sind heute nicht nur hier, um über Miss Carter zu richten. Auch du, Tyler Davenport, musst für dein Handeln die Konsequenzen tragen und unser Urteil über dich ergehen lassen.« Caius nickte Amara zu, die nach einem enttäuschten Blick in seine Richtung auch seine Anklage vorlas. »Nutzung dunkler Magie, Verstoß gegen das oberste Gesetz der Elcerans, Missachtung des Befehls eines Großmeisters, Verbrüderung mit dem Feind und der Diebstahl des schwarzen Almanachs. Des Weiteren wird der Vorwurf der Wiederholungstat laut, da du bereits vorher unsere Gesetze missachtet hast.« Unverständnis schwang in Amaras Stimme mit und sie mied Tylers Blick, als sie sich wieder setzte.
Obwohl er Alexanders Antwort bereits kannte, weil ihm der Ablauf von Verhandlungen der Elcerans vertraut war, konnte Tyler nicht anders, als gespannt die Luft anzuhalten.
»Auch für dich, Tyler Davenport, ist die Stunde der Verteidigung gekommen. Das Wort sei nun dir überlassen. Oder denjenigen, die für dich sprechen möchten«, erklärte der Großmeister seiner eigenen Gilde stoisch und ohne Gefühlsregung.
Tyler räusperte sich und straffte die Schultern. »Ich kann nur wiederholen: Ich habe mit dem Verschwinden des Almanachs nichts zu tun. Genauso wenig wie Seven.« Da Caius bereits ansetzte, ihn daran zu erinnern, dass es in diesem Fall nur um ihn ging, hob er sogleich beschwichtigend die Hände. »Ich habe mich nicht mit dem Feind verbrüdert«, fuhr er schnell fort und Caius entspannte sich wieder. »Ich habe bloß verhindert, dass Seven bei dem Versuch stirbt, ihre Freundin zu retten.«
»Das war nicht, was ich dir aufgetragen habe!«, warf Amara erzürnt ein und erhob sich noch einmal von ihrem Platz. »Ich gab dir den Befehl, den Mori-Zauber anzuwenden, sollte Seven sich von der Dunkelheit verführen lassen!«
Trotz seiner wenig hoffnungsvollen Lage entfuhr Tyler ein Schnauben. »Das ist doch absoluter Bullshit!«, regte er sich auf. »Wollt ihr ernsthaft vor all den Elcerans hier sagen, dass es euch lieber gewesen wäre, ich hätte Seven … hätte den Night Phoenix, die einzige und mächtigste Waffe, die wir gegen die Hunter haben, sterben lassen oder gar mit Mori umbringen sollen?« Tyler warf die Arme ratlos in die Höhe. »Ihr wisst genauso gut wie ich, dass Mori anzuwenden ebenfalls gegen die obersten Gesetze verstößt und dieser Zauber nicht nur Seven, sondern auch mich getötet hätte.«
»Es ist kein Gesetzesverstoß, wenn ein Großmeister es dir auftrug«, verbesserte Alexander ihn und Amara nickte.
»Du hast deine Bedenken geäußert, als ich dir Mori gab«, erinnerte sie ihn streng. »Und was habe ich dir gesagt?«
»Du hast gesagt, ich soll das Richtige tun. Und das habe ich. Es wäre falsch gewesen, Seven für etwas in den Tod zu schicken, das uns nicht wirklich geschadet hat und das sie aus Schmerz heraus tat.«
»Es hat uns geschadet, einen Hunter zu retten!«, protestierte Caius und kniff die Augen missbilligend zusammen. »Und es liegt nicht an dir, das zu entscheiden.«
»Ich habe es entschieden. Und dazu stehe ich. Seven ist zu wichtig …« Er warf einen Blick über die Schulter und schenkte ihr ein Lächeln. »Zu wichtig für mich und zu wichtig für alle Elcerans, als dass ich so einem dummen Befehl je Folge leisten würde.«
Er hörte, dass Amara empört nach Luft schnappte, doch es war Alexander, der das Wort ergriff. »Dies werten wir als ein Geständnis im Anklagepunkt der Befehlsverweigerung. Unter Berücksichtigung der anderen schwerwiegenden Vorwürfe und Verfehlungen und der Tatsache, dass du mit gerade einmal zwanzig Jahren schon zum zweiten Mal wegen Verstößen gegen unsere Gesetze vor uns stehst, werden wir ein Urteil fällen.«
»Ähm, also …« Aus dem Zuschauerraum drang Milos Stimme. »Also, wenn ich vielleicht noch was dazu sagen dürfte«, wagte er sich scheu vor. »Es hieß ja, dass jeder zu Tylers Verteidigung etwas sagen darf, also –«
Caius hob die Arme und dachte Milo auf die Bühne. Im Licht der Scheinwerfer schrumpfte er regelrecht zusammen und er hob nur kurz die Hand, um Tyler zu winken. »Was hast du vorzubringen?«, verlangte Caius ungeduldig. Milo schob unsicher seine Hände in die Hosentaschen.
»Ich wollte nur sagen, dass Ty … dass Tyler uns Elcerans nie schaden wollen würde. Dass wir Sevens Kräfte überhaupt entdeckt haben, ist ihm zu verdanken, und er war immer besorgt um unsere Sicherheit, darum glaube ich nicht, dass er bestraft werden sollte.«
Tylers Brust zog sich bei den Worten seines Freundes zusammen und er hätte Milo gerne gesagt, wie sehr er ihm dankte, da meldete sich ein weiterer Elceran zu Wort. Doch anders als Milo wartete er nicht, bis Caius ihn auf die Bühne holte. Zayn Manners dachte sich direkt selbst in den Lichtkreis und Tyler biss die Zähne zusammen. Dass Zayn so weit gehen würde, hier gegen ihn auszusagen, das hätte er wirklich nicht für möglich gehalten.
»Und was hast du vorzubringen?«, fragte Amara und erteilte dem Mind Master damit das Wort.
Zayn warf Tyler einen knappen Blick zu, ehe er sich an die Großmeister wandte. »Ich bin, genau wie alle hier, wütend auf Tyler und Seven, weil sie diese Hunterin gerettet haben«, setzte er an und auf den Rängen wurde unterstützend geklatscht. »Aber ich bin davon überzeugt, dass sie mit dem Diebstahl des Almanachs nichts zu tun hatten. Direkt nach dem Kampf habe ich nach den beiden gesehen, und Seven war nicht in der Lage, auch nur aufzustehen.« Er nickte in Tylers Richtung. »Und er …« Zayn klang verächtlich. »Er weicht seiner Herzensdame doch keine Sekunde von der Seite, also glaube ich nicht, dass er damit etwas zu tun hat.«
Ein Raunen ging durch die Menge. Offenbar hätten die Elcerans lieber etwas anderes gehört, und auch Tyler traute seinen Ohren nicht. Hatte Zayn Manners ihn gerade wirklich verteidigt? Zayns verschlossene Miene ließ nicht zu, dass er dessen Absichten erahnen konnte, doch nach allem, was zwischen ihnen stand, hätte er damit unter keinen Umständen gerechnet.
»Wenn sonst niemand mehr etwas zu sagen hat, werden wir nun die Urteile verkünden«, entschied Alexander und bedeutete Milo und Zayn, wieder ihre Plätze im Zuschauerraum einzunehmen. Dann nickte er den beiden anderen Großmeistern zu. Sie reichten sich die Hand und im nächsten Moment waren sie unter einer schalldichten Kuppel aus Sonuswellen verborgen, unter der sie sich besprachen.
Tyler versuchte ruhig zu bleiben, doch er spürte, dass sich die Stimmung unter den Elcerans gegen ihn und Seven richtete. Sie brauchten einen Schuldigen. Der Almanach durfte nicht einfach verschwinden, ohne dass jemand dafür bezahlte. Selbst wenn es nicht der wahre Schuldige wäre. Sie brauchten ein Bauernopfer, um die übrigen Elcerans zu beruhigen. Und er und Seven boten sich dafür perfekt an.
Er kniff die Lippen zusammen und drehte sich zu Seven um. Auch ihr war die Anspannung anzusehen und er wünschte, er könnte sie in den Arm nehmen und ihr noch einmal versprechen, dass alles gut werden würde. Doch gerade fehlte ihm die Kraft für eine derartige Lüge.
Ich las Mutlosigkeit in Tylers Augen, auch wenn er versuchte, stark zu wirken. Doch ich kannte ihn gut genug, ihm das nicht abzukaufen. Seine Schultern waren leicht gebeugt, seine Hände nervös zu Fäusten geballt und der Muskel an seinem Kiefer zuckte. Selbst die störrische Strähne hing kraftlos herunter. Ich spürte, wie alles in mir gegen diese Situation rebellierte. Die Energie des Night Phoenix durchströmte mich, doch die Armreifen verhinderten, dass ich sie mir zunutze machen konnte. Und obwohl diese magischen Kräfte erst vor Kurzem in mir erwacht waren, sehnte ich mich danach, sie einzusetzen, um Tyler und mich einfach von hier fortzubringen. Ich hatte Angst. Nicht um mich, denn vielleicht hatte er recht, und sie würden mich nicht strafen. Ihn hingegen schon. Davon war er überzeugt. Ich wandte den Blick in den im Dunklen liegenden Zuschauerraum. Irgendwo dort saß Zayn. Ich schluckte beklommen. Wenn er sich die Mühe machte, für Tyler einzutreten, dann musste es schlimm um ihn stehen. Und das konnte ich kaum ertragen.
Die Sonuskuppel fiel in sich zusammen und schlagartig verstummte das leise Gemurmel unter den Elcerans. Angespannte Stille wuchs an und raubte mir regelrecht den Atem.
Tyler kam an meine Seite und nahm meine Hand. Seine Finger schlossen sich fest um meine und sofort atmete ich leichter. Was immer geschehen mochte. Wir würden es durchstehen. Zusammen.
Die drei Großmeister stellten sich nebeneinander auf, und obwohl bereits alle schwiegen, obwohl kein Laut zu hören war, ergriffen sie nicht sofort das Wort. Als wollten sie den Moment der Spannung noch steigern. Meine Angst noch vergrößern und ihrem Urteil noch mehr Gewicht verleihen.
Es war Caius, der schließlich die Stimme hob. »Wir sind zu einem Urteil gelangt«, erklärte er und Amara senkte betroffen den Kopf. Kam es mir nur so vor oder mied sie Tylers Blick?
»Seven Carter. Du bist erschaffen aus dunkler Magie. Adrik Manners erdachte dich gegen die Gesetzmäßigkeiten des Universums und gegen unsere Gesetze. Er bezahlte mit seinem Leben, um dir deines zu geben. Allein deine Existenz verstößt gegen unser Recht, doch wir erkennen seine gute Absicht an, ebenso wie deine unverzichtbaren Fähigkeiten.«
Ich konnte Caius kaum folgen. Mir dröhnte es in den Ohren und mein Herz schlug so hart in meiner Brust, dass ich Angst hatte, es würde jeden Moment einfach platzen. Nur Tylers Gegenwart verhinderte, dass ich ohnmächtig wurde.
»Die Mächte, die du in dir trägst, sind Kräfte der dunklen Magie«, fuhr Caius fort. »Sie sind wichtig für uns – gerade im Angesicht der Wiederkehr von Shay Whealer, dem Anführer der Doom Hunter, und ihrer erneuten Bedrohung für unser Volk. Doch da du bist, was du bist, ist dir nicht zu trauen. Dies zeigte sich in deiner Tat. Und darum werden wir dir die Kontrolle über die Kräfte der Elcerans nehmen. Bis auf Weiteres – bis du gestehst, wo du und Tyler den Almanach versteckt habt –, unterbinden wir deine Magie und verurteilen dich zum Tragen der Armreife. Du wirst keine weitere Gelegenheit bekommen, unsere Gesetze zu missachten.« Caius hob die Hände über seinen Kopf und die Armreife an meinen Handgelenken glühten schmerzhaft auf. »So lautet das Urteil!«, stimmten Amara und Alexander mit ein und ich fühlte, wie die Macht der Armreife jede Verbindung zu der Magie in mir kappte.
Tyler drückte meine Finger, und als ich ihn ansah, lächelte er matt. Als wollte er mir sagen, dass ich glimpflich davongekommen war. Dass alles schon fast überstanden war. Doch da ergriff Caius erneut das Wort und ich ahnte, dass das Schlimmste gerade erst auf uns zukam.
»Tyler Davenport«, setzte er an. Die dunkle Bedeutungsschwere in seiner Stimme verursachte mir eine Gänsehaut. »Deine Taten wiegen schwer und deine erneute Weigerung, dich an unsere Gesetze zu halten, lassen uns keine Wahl, als dich aufs Härteste zu bestrafen.«
Das zustimmende Gemurmel auf den Rängen kam mir wie ein drohendes Donnergrollen vor einem Unwetter vor. Tyler neben mir stand stocksteif da. Ihm war keine Regung anzusehen. Ich fragte mich, ob er nicht ebenfalls Angst verspüren musste.
»Wir verbannen dich daher in die Fossa Mortis.«
Die Fossa Mortis? Das sagte mir nichts, doch da war ich wohl die Einzige. Denn die Elcerans im Zuschauerraum keuchten geschockt und Tyler ließ meine Hand los. Ich sah ihn an und mir wurde schlecht. Er war weiß wie die Wand und seine Lippen waren blutleer. Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben.
»Wie lange?«, presste er kaum hörbar heraus.
»Bis auf Weiteres«, antwortete Caius. »Auf unbestimmte Zeit. Bis wir den Almanach sicher zurückhaben und wir bei dir Reue für deine Tat erkennen.« Caius hob die Arme und unsichtbare Kräfte fesselten Tyler die Hände auf den Rücken. Das Ligatusgarn wand sich seine Arme hinauf und zog sich so kraftvoll zusammen, dass Tyler ein gepeinigtes Keuchen entwich.
Ich war derart auf ihn fokussiert, dass ich fast überhört hätte, dass Amara meinen Namen nannte. »Wir urteilen außerdem, dass Seven Carter dich zur Fossa Mortis begleitet. Sie soll erkennen, was ihr Handeln für Folgen für dich hat. Sie soll erkennen, dass dein Leid von ihr verursacht wurde. Und wenn du ihr wirklich wichtig bist, Tyler, dann ist sie der Schlüssel für deine Erlösung. Sie muss uns lediglich den Almanach aushändigen und du kommst frei.«
»Wir haben den Almanach nicht«, versicherte Tyler seiner Tante erneut. Ich las blanke Furcht in seinen Augen, auch wenn er noch immer stolz und aufrecht stand.
»Wenn dies deine letzte Aussage dazu ist, Neffe, dann kann ich dir nicht helfen«, beschied Amara bedauernd und klatschte in die Hände. »Alexander, dir als Großmeister der Whisperer of Potion obliegt es nun, Tyler in seine Verbannung zu geleiten und ihm seiner Strafe zuzuführen.«
Ich zuckte zusammen. Sie wollten ihn fortbringen? Jetzt? Panisch griff ich nach Tylers Hand. »Fossa Mortis? Was bedeutet das?«, verlangte ich hektisch von ihm zu erfahren. Ich klammerte mich an ihn und erst, als meine Tränen sein Shirt benetzten, fiel mir auf, dass ich weinte. »Wo bringen sie dich hin? Was geschieht dort mit dir?« Die Worte überschlugen sich beinahe, so schnell redete ich, denn dieser bunt geschmückte Großmeister kam immer näher. »Tyler, was …?« Uns blieb keine Zeit.
Tyler umfasste mein Gesicht und küsste mich. Ich fühlte seine Verzweiflung, als er seine Lippen auf meine presste und sein Atem heiß und schnell über meine Wangen wisperte. »Es ist okay«, versicherte er mir. »Ich … ich komme klar. Versprochen.« Seine Worte glitten über meinen Mund und ich wagte nicht, die Augen zu öffnen, um die Lüge in den seinen zu enttarnen.
»Miss Carter – treten Sie zurück«, forderte Alexander Sterling mich ungeduldig auf.
»Nein!«, kreischte ich, als Caius’ Gedankenkraft mich von Tyler fortzog. »Nein, ich will –«
»Ich werde Seven begleiten«, mischte sich Zayn ein und kam an meine Seite. Er verneigte sich vor dem Großmeister seiner Gilde und berührte mich an der Schulter. »Ich werde dafür sorgen, dass sie sich zurückhält und keinen Ärger macht.«
»Fass mich nicht an!«, fauchte ich und entwand mich seinem Griff. Ich funkelte ihn wutentbrannt an und mir war klar, würden diese Armreife nicht meine Kräfte blockieren, würde ich den gesamten Theatersaal leer fegen. All diese verfluchten Elcerans sollten zur Hölle fahren!
Caius schmunzelte. »Sie scheint nicht erpicht auf deine Gesellschaft, Zayn«, meinte er trocken, nickte jedoch zustimmend. »Aber warum nicht. Begleite Alexander und sorge dafür, dass Miss Carter genau versteht, was das Urteil für ihren Freund bedeutet.« Caius wandte sich schon ab, da fiel ihm noch etwas ein. »Ach – und Zayn. Lass Miss Carter nicht aus den Augen. Ich verlasse mich darauf, dass du sie für uns zähmst und ihr die Regeln unseres Volkes noch einmal in Erinnerung rufst. Die Waffe deines Vaters muss funktionieren, wenn wir sie brauchen. Alles andere würde sein Vermächtnis beschmutzen und den Ruf deiner Familie nachhaltig schädigen.«
Robyn
Es war düster im hinteren Teil der Lagerhalle in New Jersey, welche die Doom Hunter zu ihrem Hauptquartier erklärt hatten. Jared hatte das Licht bei ihrer provisorischen Krankenliege gedämpft, um Robyns empfindliche Netzhaut zu schonen. Es kostete sie Überwindung, auch nur zu blinzeln, und bei jedem lauten Geräusch zuckte sie gequält zusammen. Sie war zerbrechlich wie ein rohes Ei. Als wäre sie neu geboren und nichts wäre ihr vertraut. Selbst die kühle Luft des Ventilators, der vergeblich gegen die stickige Hitze ankämpfte, fühlte sich unangenehm an.
Kaum kräftig genug, auch nur zu atmen, versuchte Robyn sich die Decke höher über die Schulter zu ziehen. Ihr war trotz der Hitze kalt. Sie hätte vielleicht um Hilfe bitten können, doch ihre Stimme war zu schwach, um jemanden zu sich zu rufen. Jared war, wie alle übrigen Hunter, am anderen Ende der Halle, um die Rückkehr ihres Anführers zu feiern. Der achtzehn Jahre andauernde Bannzauber war verwirkt, Shay Whealer war wieder frei. Und es verlangte ihn nach Rache für beinahe zwei Jahrzehnte Gefangenschaft unter der Erde, in einem dunklen Verlies, das der Mind Master Adrik Manners erdacht hatte. In all der Zeit war sein Hass auf die übernatürlichen Fähigkeiten der Elcerans nicht abgeklungen. Im Gegenteil. Er war gereift, herangewachsen, und nun, wo Shay endlich zurück war, war das Ende der Elcerans bloß noch eine Frage der Zeit.
Robyns Brust schmerzte und ihr entrang sich ein klägliches Husten. Jeder Atemzug rasselte in ihrer Lunge, als würde sie Glasscherben einatmen. Und so fühlte es sich auch an. Zaghaft tastete sie ihren Brustkorb ab. Was sie spürte, war hart, feucht und schuppig, wie die Haut einer Schlange, und jede noch so leichte Berührung brannte wie Feuer. Behutsam legte sie die flache Hand auf ihr Herz. Es schlug, wenn auch sehr schwach. Eine einzelne Träne der Erleichterung stahl sich aus Robyns Augenwinkel und rann ungehindert über ihre Wange. Sie war am Leben. Sie war wirklich am Leben. Ihr Herz schlug unter ihren Fingern und ihr war klar, wem sie das zu verdanken hatte.
Eine weitere Träne bahnte sich ihren Weg und mit jedem neuen Atemzug wurden es mehr. Vor ihrem geistigen Auge erschien das Gesicht ihrer besten Freundin Seven. Zerrissen vor Qual, entstellt von schierer Verzweiflung und doch wie gemeißelt aus steinharter Entschlossenheit. Sie war das Erste, was Robyn erblickt hatte nach der alles verschlingenden Dunkelheit des Todes. Sie war ihr Licht, war der Grund für ihren Herzschlag, die treibende Kraft hinter jedem von Robyns Atemzügen. Seven Carter hatte ihr ein neues Leben geschenkt. Hatte die Pfeilspitze aus ihrer Brust gezogen und ihre Wunde geheilt mit der unnatürlichen Macht der Magie. Mit der Macht, die jeder Hunter verdammte. Die sie selbst verdammt hatte. Und doch lebte sie nur ihretwegen. Abermals musste Robyn husten. Sie spürte, wie ihre Lunge an Kraft gewann, wie das Leben mit jeder Stunde weiter in ihren Körper zurückfloss. Noch immer tat Sevens Magie ihre Wirkung in Robyns Körper und sie fragte sich, ob wirklich jede Magie böse sein konnte, wenn sie selbst ihr doch das Leben verdankte.
Robyn blinzelte. Die Schemen am anderen Ende der Halle waren in Bewegung. Sie sah Shay, der in kämpferischer Pose aufrührerische Reden von Rache und Vergeltung schwang. Er trug eine Defense-Schutzweste aus magiehemmenden Protektoren, bereit, sich jederzeit aufs Neue mit den Elcerans anzulegen. Daneben feierte ihr Cousin Jared euphorisch, dass sein Vater Shay wieder hier war. Und sie sah, wie die Truppe die großen Kisten öffnete, in denen noch viel mehr Waffen und Schutzwesten für einen weiteren Kampf gegen die Elcerans gelagert waren. Jared hatte gute Vorarbeit geleistet. Er hatte den Waffenbestand ausgebaut, das Lager gut gefüllt und die Technologien seines Vaters vollendet, welche die Macht der Magie blockierten, abschwächten oder umgingen, sodass ein Sieg über die Elcerans keinesfalls aussichtslos schien.
»Das war nur ein kleiner Rückschlag!«, hörte Robyn Shay sagen und spitzte die Ohren. »Diesen Kampf mussten wir aufgeben. Wir waren noch nicht organisiert. Waren führerlos, doch haben wir den Elcerans gezeigt, dass wir zurück sind.« Shay riss die Faust nach oben und die Übrigen stimmten in wildes Gebrüll ein. »Doch jetzt bin ich wieder hier. Mit militärischer Disziplin und der richtigen Strategie können wir diese verdammten Hexer nicht nur besiegen! Wir werden es auch tun!«