36,99 €
Magisterarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Musik - Sonstiges, Note: 1,0, Universität für Musik und darstellende Kunst Graz (Institut für Elektronische Musik und Akustik), Sprache: Deutsch, Abstract: Ziel dieser Arbeit ist es, die Fehlerquellen beim Stimmen der Gitarre aufzuzeigen und zu bewerten. Dazu wird der Einfluss von Instrumentenbau (bzw. des Saitenmaterials) und Spieltechnik auf Intonation und Stimmung untersucht. Ein Vergleich der unterschiedlichen Stimmungsmethoden zeigen ihre Stärken bzw. Schwächen auf. Grundlegende Fragen zur Genauigkeit des Messgeräts „menschliches Ohr“ wird einerseits theoretisch erörtert (Lautstärke, Dauer, Klangfarbe und Hüllkurve als Einflussfaktoren für die Tonhöhenwahrnehmung, günstiger Hörbereich), andererseits auch praktisch an Studenten der Gitarrenklassen an der KUG getestet: Die Frequenzunterscheidungsschwelle wird mit den für die Stimmung relevanten Flageolett-Tönen ermittelt werden. Abschließend wird versucht, eine Anweisung zum Stimmen der Gitarre unter Berücksichtigung aller Fehlerfaktoren zu geben. Abstract The main goal of this study is to point out and evaluate the errors being made tuning a guitar. To achieve this, we have to look at the construction as well as the strings of the instrument and examine their intonation and tuning. Comparisons of the different methods in tuning show their strengths respectively as their weaknesses. Fundamental questions of the accuracy in measuring the human hearing will be discussed theoretically, like intensity, duration, timbre and envelope as the parameter of perception of the pitch, and the favorable audible area. Afterwards it will be tested by guitar playing students of KUG as well: The discrimination in frequencies were tested with the Flageolett-Tuning. In conclusion, an instruction to tune a guitar is given in consideration of all the errors that can be made.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2008
Page 1
Fehler beim Stimmen der Gitarre
Prüfungsarbeit zur Erlangung des akademischen Grades
eines Magisters
Page 2
Inhaltsangabe
Ziel dieser Arbeit ist es, die Fehlerquellen beim Stimmen der Gitarre aufzuzeigen und zu bewerten. Dazu wird der Einfluss von Instrumentenbau (bzw. des Saitenmaterials) und Spieltechnik auf Intonation und Stimmung untersucht. Ein Vergleich der unterschiedlichen Stimmungsmethoden zeigen ihre Stärken bzw. Schwächen auf. Grundlegende Fragen zur Genauigkeit des Messgeräts „menschliches Ohr“ wird einerseits theoretisch erörtert (Lautstärke, Dauer, Klangfarbe und Hüllkurve als Einflussfaktoren für die Tonhöhenwahrnehmung, günstiger Hörbereich), andererseits auch praktisch an
Studenten der Gitarrenklassen an der KUG getestet: Die Frequenzunterscheidungsschwelle wird mit den für die Stimmung relevanten Flageolett-Tönen ermittelt werden. Abschließend wird versucht, eine Anweisung zum Stimmen der Gitarre unter Berücksichtigung aller Fehlerfaktoren zu geben.
Abstract
The main goal of this study is to point out and evaluate the errors being made tuning a guitar. To achieve this, we have to look at the construction as well as the strings of the instrument and examine their intonation and tuning. Comparisons of the different methods in tuning show their strengths respectively as their weaknesses. Fundamental questions of the accuracy in measuring the human hearing will be discussed theoretically, like intensity, duration, timbre and envelope as the parameter of perception of the pitch, and the favorable audible area. Afterwards it will be tested by guitar playing students of KUG as well: The discrimination in frequencies were tested with the Flageolett-Tuning. In conclusion, an instruction to tune a guitar is given in consideration of all the errors that can be made.
Page 1
Vorwort
Die bewusste Beschäftigung mit dem Thema „Stimmen der Gitarre“ begann bei mir knapp vor der ersten künstlerischen Diplomprüfung. Den Anstoß dazu gab mir damals das Diplom einer Gitarrenkollegin, die hervorragend spielte, aber wegen ihrer verstimmten Gitarre eine schlechtere Note erhielt. Um ein ähnliches Schicksal zu vermeiden, informierte ich mich bei meinen Lehrern und anderen Gitarristen und war schon damals über die Vielzahl, aber viel mehr noch von der Oberflächlichkeit der angebotenen Methoden überrascht. In Zuge meiner Recherchen für diese Arbeit konnten mir selbst erfahrene Konzertgitarristen keine genauen Begründungen für die eine oder andere Stimmungsmethode geben. Besonders im Gedächtnis ist mir da folgender zynischer Musikerwitz geblieben:
Die Hälfte seines Lebens stimmt der Gitarrist vergebens. Was macht er die andere Hälfte? Er spielt auf einer verstimmten Gitarre!
Mit der vorliegenden Arbeit möchte die gängigen
Stimmungsmethoden kritisch beleuchten und in der Zusammenfassung versuchen, eine auf den Argumenten des Hauptteils basierende Anleitung für das Stimmen der Gitarre zu geben. Im ersten Kapitel werden akustische und psychoakustische Vorraussetzungen geschaffen, das zweite Kapitel geht auf spezielle gitarrenbauliche Probleme im Zusammenhang mit der Stimmung ein. Das dritte Kapitel untersucht das passende Temperatursystem für die Gitarre und beschreibt die unterschiedlichen Stimmungsmethoden. Kapitel 4 ist ein passiver Hörversuch, der klären soll, inwieweit die theoretischen Konstrukte der vorhergehenden Kapitel und teils sehr kleinen Fehlerquellen überhaupt Relevanz besitzen, wie genau ein geübter Gitarrist zu hören im Stande ist, und ob ein Stimmen nach Schwebungen zielführend ist. Dazu wird an Gitarrestudenten der Kunstuniversität Graz
Page 2
die kleinstmögliche Frequenzunterscheidungsgrenze für reale Gitarrenklänge ermittelt.
Bedanken möchte ich mich bei meiner Familie, bei meinen Studienkollegen für die Teilnahme am Hörversuch, Johannes Egger/Institut f. Nachrichtentechnik und Ronald Mesaric/Tonstudio Romes für die Aufnahme der Tonbeispiele, Karin Cranford für die Übersetzung des Abstracts ins Englische und bei allen Gitarristen und Gitarrenbauern, die mir so breitwillig Auskunft gegeben haben.
Page 5
Die Ausbildung zum klassischen Gitarristen hat viele Facetten. Einen Großteil der Arbeit muss man als Musiker am Instrument z.B. für die Verfeinerung der Spieltechnik, darunter Üben von Läufen, Bindungen Arpeggios, Griffkombinationen u.s.w. aufwenden. Diesen immensen Zeitaufwand kann sich jeder Gitarrist aus eigener Erfahrung bestätigen. Ein weiterer großer Brocken ist die Analyse und die Frage der richtigen Interpretation eines Werkes, Fingersatzsuche und schließlich das Auswendig-Lernen.
Bei all diesen Herausforderungen und Belastungen vergisst man mit der Zeit auf die Grundlagen, die selbstverständlichen Dinge. So auch aufs Stimmen. Dabei ist diese Kunst - ich möchte es bewusst nicht bloß als „Tätigkeit“ degradieren - für die Wirkung eines Musikstückes von großer Bedeutung. Die beste Interpretation und Technik nützen wenig, wenn der Zuhörer bei jedem verstimmten Akkord innerlich zusammenzuckt. Und ähnlich kritisch wie bei der Sisyphosarbeit Interpretation oft vorgegangen wird, so sollten Gitarristen auch ihre Stimmungsmethoden reflektieren. Immerhin stimmen sie mehrmals täglich ihr Instrument - oft resignierend, mit dürftigem Ergebnis.
Für eine kritische Beschäftigung mit dem Thema Stimmen der Gitarre fehlt vielen das theoretische Rüstzeug, das Kapitel 1 sollen als Grundlage für die weitere Diskussion dienen.
Versetzt man eine Gitarrensaite in Schwingung hört man einen bestimmten Ton mit einer eindeutigen Tonhöhe, den sogenannten Grundton. Was man nicht bewusst hört, sind die zahlreichen Obertöne. Sie sind verantwortlich für die Empfindung der Klangfarbe. Der Gitarrist
Page 8
Bei den Flageolett-Tönen berührt der Finger ganz leicht die Saite an einem der Knotenpunkte (siehe Abb. 1), dadurch wird ein Oberton angeregt. Die Flageoletts sind also aus der natürlichen Teiltonreihe, eine Eigenschaft, die bei den Stimmungsmethoden berücksichtigt werden muss, wenn man Flageolett mit temperierten Tönen vergleicht.
Schon die Überschrift lässt ahnen, dass ein Unterschied zwischen dem mathematisch/theoretischem Konstrukt „ideale Saite“ mit den wirklichen Eigenschaften einer Saite besteht. Hier ist vor allem die Steifigkeit zu nennen, die eben bei der idealen (im physikalischen und nicht qualitativen Sinn) gar nicht auftaucht. Lässt man z.B. eine ideale Saite über eine Tischkante hängen, so folgt sie exakt dem Knick (Abb. 3a), während die reale Saite einen leichten Bogen macht (Abb. 3b).
3a: ideale Saite 3b: reale Saite
Abb. 3: Steifigkeit von idealer und realer Saite
Eine Konsequenz der unterschiedlichen Steifigkeit ist die „Inharmonizität der Teiltöne“:
„An ideal string vibrates in a series of modes that are harmonics of a fundamental [...]. Actual strings have some stiffness, which provides a restoring force (in addition to the tension), slighty raising the frequency of all the modes. The additional restoring force is greater in the case of the higher modes because3the string makes more bends.“
3Rossing 1983, S.264
Page 9
Die Obertöne sind also nicht mehr ganzzahlige Vielfache der Grundfrequenz, wie in Gleichung 4 (siehe Kap. 1.1.1) hergeleitet. Die Formel muss erweitert werden zu
4[Gl.5]
Aus der Gleichung ist zu entnehmen, dass die Abweichung umso2stärker (und zwar quadratisch wegen ni) wird, je höher die Ordnung des
Teiltones ist (der 2. Teilton (ni=2) also ums 4-fache, der 3. ums 9-fache, usw.).
Besonders interessant ist der Faktor A.
5Gl. 6 8FL
Hier gehen die geometrischen Faktoren Radius r und Länge L der Saite ein, aber auch die Spannkraft F und mit E das Elastizitäts-Modul. In Verbindung mit Gl. 4 ergeben sich große Abweichungen:4•je dicker die Saite (A~r ). Die 4. Potenz macht die Saitendicke zum größten Einflussfaktor.2•je kürzer die Saite (A~1/L ).
•je lockerer gespannt die Saite ist.
Die Inharmonizität der Teiltöne wird beim Klavierstimmen durch die Spreizung der Oktaven berücksichtigt, auf der Gitarre ist die Abweichung aber vernachlässigbar:
„Sie [Anm.: Inharmonizität der Teiltöne] kommt marginal bei angeschlagenen und gezupften Saiten vor, darf aber beim Klavierstimmen nicht unberücksichtigt bleiben, wenn Belastbarkeit der Saite durch deren Steife beeinträchtigt wird (bei6kurzen, dicken Saiten beispielsweise).“
4ebenda 1983, S. 264
5ebenda 1983, S. 264
6vgl. Baines 1996, S. 322