Ferien in der DDR - Sabine Hauke - E-Book

Ferien in der DDR E-Book

Sabine Hauke

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Beschreibung

Sommer, Sonne, DDR: Im Jahr 1988 besucht Marlena ihre Cousine und lernt Plattenbauten, Papageienkuchen und Trabbis kennen. Und bei Markus vom Hinterhof ist Marlena richtig mutig. Warum dürfen ihre Freunde aus der DDR sie nicht in Westdeutschland besuchen kommen? Oma Birgit meint: "Wer weiß schon, was die Zukunft bringt. Hauptsache, wir sind jetzt zufrieden." Ein Roman über die deutsch-deutsche Geschichte für Kinder im besten Alter

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel Montag, 8. August 1988

Kapitel Drüben und drüben

Kapitel Geschenke

Kapitel Stadtbummel durch Schwedt

Kapitel Berlin, Hauptstadt der DDR

Kapitel Erdbeben

Kapitel Oma Birgits Garten

Kapitel Markus-Kuss

Kapitel Abreise

Epilog Sonntag, 5. November 1989

Rezept für veganen Papageienkuchen

1. Kapitel

Montag, 8. August 1988

Marlena klappte ihr Buch zu. Nein, es ging nicht, sie konnte im Auto nicht lesen. Zu schnell wurde ihr davon übel. Gelangweilt schaute sie aus dem Fenster, aber dort war seit Stunden das Gleiche zu sehen: Büsche, Bäume, hin und wieder ein blaues Schild. „Wie lang ist es denn noch?“ fragte sie. Mama drehte sich vom Beifahrersitz um. „Gleich sind wir am Grenzübergang. Bei Helmstedt. Es ist nicht mehr weit. Ist dir schlecht?“ „Nur ein bisschen, aber vor allem ist mir langweilig“, antwortete Marlena. Johannes neben ihr schlief immer noch, aber Marlena konnte im Auto nicht schlafen. Viel zu unbequem. „Mama, warum fahren wir über eine Grenze und es ist trotzdem Deutschland?“ Mama tauschte einen Seitenblick mit Papa. „Ich muss kurz überlegen, wie ich das am besten erkläre. Also, du weißt doch, dass es einen großen Krieg gab, den Zweiten Weltkrieg?“ Das hatte Marlena gehört. „Damals waren die Nazis in Deutschland an der Macht, sehr böse Menschen. Zum Glück haben sie den Krieg verloren.“ Mama dachte über die nächsten Sätze nach. „Dann gab es die Länder, die Deutschland im Zweiten Weltkrieg besiegt haben, die nennt man Siegermächte. Sie wollten verhindern, dass Deutschland wieder mächtig und böse wird. Deshalb teilten die Siegermächte das Gebiet von Deutschland unter sich auf.“

Johannes streckte sich, so gut es im Kindersitz ging. Er öffnete die Augen. „Sind wir schon da?“, fragte er verschlafen. „Noch nicht“, antwortete Marlena. Mama drehte sich zu den Kindern um: „Jetzt ist Johannes wieder wach, da habe ich noch was für euch. Aber gerecht teilen, okay?“ Sie reichte Marlena eine Packung Gummibärchen. Johannes riss die Augen auf: „Ich will die Roten! Die schmecken am besten!“ Marlena öffnete die Tüte. „Nichts da, ich mag die Roten auch am liebsten. Sollen wir die genau aufteilen und die anderen Farben dann irgendwie?“ Johannes nickte und gähnte: „Aber gerecht! Du teilst, ich suche aus.“ Marlena war damit beschäftigt, die Gummibärchen gerecht auf zwei Häufchen aufzuteilen. Oh, es waren 17 rote Gummibärchen in der Packung, das ging nicht genau auf. Johannes schaute eh gerade aus dem Fenster... happs, nun waren es 16 rote Gummibärchen, die waren leichter zu teilen. Johannes hatte nichts gemerkt. „Hier sind deine“, sagte Marlena. Ihre ersten Gummibärchen verschlang sie schnell, die letzten lutschte sie langsamer.

„Mama, wie wurde denn Deutschland aufgeteilt?“, fragte Marlena. Mama antwortete: „Die Siegermächte teilten Deutschland in vier Gebiete. Es gab eine französische Zone, eine britische, eine amerikanische und eine sowjetische Zone.“ Marlena überlegte. „Und wo wohnen wir? Doch einfach in Deutschland und nicht in so einer Zone, oder?“ Papa schaltete sich ein. „Das ist ziemlich kompliziert, Marlena. Wir erklären es dir, wenn du größer bist.“ „Ich will es aber sofort wissen.“ „Okay“, seufzte Mama. „Ich versuche es. Also drei der Siegermächte einigten sich und fassten ihre Zonen zusammen. Wo wir wohnen, war früher die britische Zone. Aus der britischen, französischen und amerikanischen Zone zusammen entstand die BRD, die Bundesrepublik Deutschland, in der wir leben. Die Sowjets dagegen, das sind Russland und einige Länder drumherum, stritten sich mit den anderen Siegermächten. Schließlich riegelten sie ihre Zone ab, gründeten ihren eigenen Staat und bauten später eine Mauer am Rand ihrer Zone und mitten durch Berlin. Die Mauer hast du schon gesehen.“

Marlena kannte die Mauer. Schließlich wohnte Papas Bruder, Onkel Robert, in Westberlin und bei Besuchen hatten sie Spaziergänge entlang der Mauer gemacht. Ganz bunt bemalt war diese Mauer. Damals hatten die Eltern ihr schon erklärt, dass dahinter ein anderer Teil von Deutschland lag, aber sie hatte nicht genauer nachgefragt. Mama ergänzte: „Das Land der sowjetischen Zone nannten sie DDR, Deutsche Demokratische Republik. Und weil meine Cousine Nancy dort wohnt, lernen wir sie heute endlich kennen, am 8.8.1988. Lustiges Datum!“

Ja, es war schon seltsam. Mamas Cousine schrieb ihnen oft Briefe und Mama schickte ihr häufig Pakete, aber getroffen hatten sie sich noch nie. Marlena wusste, dass Mamas Cousine eine Tochter hatte, die fast so alt war wie sie. Doreen hieß sie. Ob sie nett war? Und ein schönes Kinderzimmer hatte? Schließlich sollten Johannes und sie bei Doreen im Zimmer schlafen. Marlena hatte ein Foto von Nancy und Doreen gesehen. Beide waren blond, trugen Pferdeschwanz und hatten das gleiche breite Lächeln. Freundlich sahen sie aus. Ob sie es auch waren?

Das Auto wurde langsamer. Johannes guckte aus dem Fenster und sagte: „Alle Gummibärchen aufgegessen. Sind wir jetzt da?“ Marlena lachte. „Nee, noch nicht, da ist erst die Grenze, du Pennmütze!“ – „Jetzt ist Ruhe bei euch beiden, hört ihr?“ Mama schaute sie streng an. „Nicht ärgern! Still sein, bis wir durch die Grenze durch sind. Das ist wichtig!“ „Warum denn, Mama?“, wollte Marlena wissen. „Weil wir überprüft werden. Die DDR guckt sich genau an, wer in ihr Land fährt, das wirst du gleich sehen. Und jetzt seid bitte leise.“

Die Straße wurde breiter und breiter, es gab nun bestimmt sechs Spuren nebeneinander. Über der Straße hingen große Schilder mit Bildern von Autos, Lastern und Motorrädern. „Wozu sind die Schilder da, Mama?“, fragte Johannes. „Damit jedes Fahrzeug in die richtige Spur fährt. Aber jetzt ist Ruhe im Karton“, entgegnete Mama. Sie kramte in ihrer Tasche mit den belegten Broten und Wasserflaschen. „Gibst du mir die Ausweise?“, fragte Papa. „Natürlich, hier.“ Alle Autos fuhren nun langsam nebeneinander auf den engen Spuren. Immer wieder mussten sie anhalten oder es ging nur im Schritttempo vorwärts. Marlena zwirbelte mit ihrer Hand ihre geflochtenen braunen Zöpfe und schaute aus dem Fenster in die anderen Autos hinein. Schade, keine Kinder, denen sie winken konnte. Nur einzelne Erwachsene oder langweilige Paare, die am Rückbankfenster Anzüge auf Bügeln aufgehängt hatten. Im Auto rechts neben ihnen war ein Hund im Auto, aber der Pudel saß nur gelangweilt auf einer Häkeldecke auf der Rückbank. Endlich war ihr Auto an der Reihe, über die Grenze zu fahren. Ein Mann saß auf der linken Seite in einem aus grauen Platten gebauten Kabuff und sagte gedehnt: „Diiie Ausweeeiseee“. Papa reichte ihm die vier Pässe herüber. Der Mann kam aus dem Häuschen heraus und guckte sehr lange erst den Pass von Papa an, dann in Papas Gesicht. Dann wechselte er den Blick mehrmals zwischen Papas Gesicht und seinem Foto im Pass. Bei Mama, Marlena und Johannes guckte er ebenfalls eingehend die Fotos und die Gesichter an. Danach legte der Mann die Pässe auf ein Förderband.

„Habense Waffen, Rauschgifte, Presseerzeugnisse dabei?“ Papa schüttelte den Kopf und sagte: „Nein, haben wir nicht.“ Papa musste erklären, warum und wo genau sie Urlaub machen wollten und die Einladung von Mamas Cousine vorzeigen. Schließlich sagte der Grenzbeamte mürrisch: „Könnense weiterfahrn.“ Papa fuhr nun im Schritttempo weiter. An der Straße entlang führte eine graue, längliche Abdeckung, ähnlich wie eine Leitplanke, nur kastenförmig. Darin lagen nun ihre Pässe und fuhren neben ihnen lang. Warum konnten sie die nicht sofort zurückbekommen? Das Passförderband mündete in ein zweites Kabuff, das ebenso grau und mit schmutzigen Scheiben dastand wie das erste, und der Mann dort schien ebenso mürrisch wie der erste zu sein. „Fünf Tage Aufenthalt. Ah ja. In Schwedt?“, fragte er. Mama lächelte ihn an und sagte: „Ja, meine Cousine besuchen, ihre Tochter und die Stadt kennen lernen.“