Feuer! In der Nordsee... - Sven Gehrmann - E-Book

Feuer! In der Nordsee... E-Book

Sven Gehrmann

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Beschreibung

Eine Hitzewelle arbeitet sich unter der Meeresoberfläche mit zunehmender Geschwindigkeit von Süden nach Norden. Die Jahreszeit "Winter" fand im Jahreswechsel von 2019 zu 2020 in der südlichen Nordsee offensichtlich gar nicht mehr statt... Die Temperatur-Messungen des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie sprechen Bände. Eigentlich müssten dort den ganzen Tag lang Alarmsirenen schrillen... Ein weiteres Indiz der Klimakatastrophe findet sich unter der Meeresoberfläche: Nämlich die Verschiebung der Fauna des Ärmelkanals nach Norden, die sich nun an unseren Küsten in der Deutschen Bucht zu etablieren beginnt. Dieses Werk nimmt etliche bekannte und weniger bekannte Arten von Wirbellosen und Fischen unter die Lupe und stellt sie in den Kontext des Klimawandels. Es liefert diverse schlagende Argumente gegen alle Leugner der Klimakatastrophe, welche sich durch den Faunenwandel bereits dezent ankündigt...

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Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhaltsverzeichnis

Statt eines Vorwortes – etwas Science-Fiction aus der Antike

Einführung in ein sehr komplexes Thema

Retrospektive

Unbequeme Fakten

Die Beobachtung der Lebewesen vor unserer Küste

Vom Schicksal unserer autochthonen Arten

Wirbellose & Algen d. südlichen Nordsee im Kontext des Klimawandels

Weichtiere – Mollusca

Pantoffelschnecke

Schuppige Sattelmuschel

Islandmuschel

Pazifische Riesenauster

Kleine Pilgermuschel

Französische Miesmuschel

Sandklaffmuschel

Ottermuschel

Forbes`Kalmar

Pfeilkalmar

Tintenfisch

Die neue Kinderstube der Tintenfische

Stamm Cnidaria – Nesseltiere

Wellenbrecheranemone

Becherkoralle

Stamm Ctenophora – Rippenquallen & Seestachelbeere

Stamm Annelida – Ringelwürmer

Unterklasse Errantia – Freilebende Ringelwürmer

Opalwurm

Grüner Seeringelwurm

Seemaus

Unterstamm Crustacea – Krebstiere

Copepoden oder Ruderfußkrebse

Cumacea – Schlammtrichterkrebse

Cirripedia – Rankenfüßer

Decapoda – Zehnfußkrebse & Chamäleon-Garnele

Prozessa-Garnele

Braune Felsengarnele

Autochthone Felsengarnelen der Gattung Palaemon

Äsopgarnele

Strandkrabbe

Mittelmeer-Strandkrabbe

Ärmelkanal-Krabbe

Linaresi-Gespensterkrabbe

Große Seespinne

Marmor-Schwimmkrabbe

Navigatorkrabbe

Samtkrabbe

Marmorierte Schwimmkrabbe

Gestreifter Furchenkrebs

Zwergeinsiedler

Gemeiner Einsiedlerkrebs

Uferkrabben aus dem Nordpazifik

Nordische Seespinne

Taschenkrebs

Stamm Echinodermata – Stachelhäuter

Gemeiner Seestern

Strandigel

Essbarer Seeigel

Eisseestern

Unterstamm Tunicata – Manteltiere

Schlauch-Seescheide

Sternseescheide

Mäander-Ascidie

Faltenascidie

Klasse Elasmobranchii – Plattenkiemer

Dornhai

Kleingefleckter Katzenhai

Hundshai

Zitterrochen

Blondrochen

Nagelrochen

Stechrochen

Klasse Actinopterygii – Strahlenflosser

Hornhecht

Gestreifter Schleimfisch

Finte

Hering

Sprotte

Sardine

Sardelle

Priester- oder Ährenfisch

Meerforelle

Lachs

Stint

Wittling oder Merlan

Kabeljau oder Dorsch

Seelachs

Franzosendorsch

Quappe oder Rutte

Fünfbärtelige Seequappe

Vierbärtelige Seequappe

Seehecht

Mondfisch

Dicklippige Meeräsche

Wolfsbarsch

Dreistacheliger Stichling

Seestichling

Kurzschnauziges Seepferdchen

Große Seenadel

Kleine Seenadel

Große Schlangennadel

Europäische Meersau

Blaumaul

Seekuckuck

Roter Knurrhahn

Grauer Knurrhahn

Streifenbarbe

Holzmakrele oder Stöcker

Marokkanische Meerbrasse

Goldstrieme

Goldbrasse

Vipernqueise

Petermännchen

Pelamide oder Atlantischer Bonito

Atlantische Makrele

Klippenbarsch

Kleiner Sandaal

Schwarzgrundel

Schwarzmundgrundel

Gestreifter Leierfisch

Schwertfisch

Scholle

Flunder

Glaszunge & Sandzunge

Seezunge

Heringskönig

Seeteufel

Ein vorläufiges Resümee

Die Verschiebung eines Faunenkreises – nur eine Hypothese?

Empfehlenswerte Einrichtungen

Danksagungen und Bildnachweise

Literatur- und Quellenverzeichnis

Über den Autoren

Register der lateinischen Nomenklatur

Statt eines Vorwortes – etwas Science-Fiction aus der Antike...

„Und der zweite Engel posaunte: Und etwas wie ein großer, mit Feuer brennender Berg wurde ins Meer geworfen; und der dritte Teil des Meeres wurde zu Blut.

Und es starb der dritte Teil der Geschöpfe, welche im Meer waren, die Leben hatten, und der dritte Teil der Schiffe wurde zerstört...“

(Offenbarung 8, Verse 8 und 9, nach der Elberfelder Bibel-Übersetzung von 1905)

Anmerkung hierzu: Dieser Bibeltext aus dem jüngsten Buch der Bibel wurde sehr wahrscheinlich zwischen den Jahren 81-96 nach Christus während der Zeit des römischen Kaisers Domitian verfasst. Betrachtet man das hier geschilderte Ereignis eher als einen allmählichen Prozess, dann könnte die Zerstörung der Schiffe darauf hindeuten, dass Fischerboote künftig mangels fangbarer Mengen an Fischen in den Häfen verrotten werden… Vielleicht sollte man die letzten Kapitel des Neuen Testamentes künftig viel ökologischer interpretieren, als dieses in der Vergangenheit getan wurde. Und wenn der Gott der Bibel tatsächlich ein liebender Gott ist, dann wird er die Menschen letztlich gar nicht für ihr frevelhaftes Tun strafen. Nein, er zieht sich einfach zurück und überlässt sie so den Folgen ihres eigenen Handelns… Ob sie wohl dann etwas daraus lernen würden?!?

Einführung in ein sehr komplexes Thema...

Es herrschen warme Zeiten in der südlichen Nordsee. Jetzt, im Jahr 2020, hat die von der Mehrheit unserer Bevölkerung gar nicht gesehene Hitzewelle unter dem Meeresspiegel erstmals eine ganz neue Qualität erreicht. Denn die von der Väter Tagen her bekannte Jahreszeit namens „Winter“ erfreut sich hier seit Januar 2020 offenbar völliger Absenz. So meldete etwa das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) am 10.01.2020 vor den Ostfriesischen Inseln eine Temperatur von 10-11° Celsius. Zwar waren die Wassertemperaturen in Küstennähe etwas niedriger im einstelligen Bereich, doch waren sie immerhin noch so hoch, dass sich im Watt mit dem Rahmenkescher immer noch kleine Meerestiere einfangen ließen, die sonst eigentlich lieber in tieferen Wasserzonen überwintern. Und auch die Felsengarnelen der Hafenspundwände waren immer noch präsent. Bei staatlichen Behörden müssten seit Januar 2020 eigentlich den ganzen Tag lang rote Warnlampen leuchten und ein monotones dumpfes Alarmgeheul müsste die Allgemeinheit vor dem drohenden Klima-GAU warnen. Aber: Nichts passiert. Spricht man mit Mitarbeitern von Nationalparkeinrichtungen, dann hört man solche Bemerkungen wie: „Es ist nicht unsere Aufgabe, politische Statements abzugeben. Wir stellen hier nur etwas aus, und der Besucher kann sich dann seine eigene Meinung bilden.“ Prima, denke ich. Denn wenn ich mir etwa die Aquarien dieser „Umweltausstellung“ ansehe, dann fällt mir auf, dass dort zwar die gepflegten Tiere sorgfältig beschriftet wurden. Aber dass man keinen Hinweis darauf findet, in welchem Verhältnis sie zum Klimawandel stehen. Außerdem sehen die Becken alle wunderbar aufgeräumt und sauber aus, so dass die Illusion entsteht, man blicke in eine ideale Umwelt. Dass aber die meisten der hier gezeigten Tiere in Wahrheit auf dem Meeresgrund auf einer großen Müllhalde leben, welche aus PVC, PCB, Netzresten, Autoteilen und anderem Müll besteht, kann man hier nicht erkennen. Als unkritischer Besucher einer solchen Ausstellung geht man nachhause und denkt nur noch: „Oh prima, in der Nordsee ist ja Dank Nationalpark wieder alles in Ordnung.“ Wirklich? In diesem Buch werde ich im Folgenden einige unbequeme Dinge aufzeigen. Machen Sie sich besser auf etwas gefasst, was Ihre gesamte bisherige Vorstellungskraft bei Weitem sprengen könnte...

Retrospektive – ja so war es in der „guten“ alten Zeit

1983, Borkum: Ich, damals 14 Jahre alt, bekam die Chance meines Lebens: Ich durfte mit einem echten Berufsfischer mit rausfahren. Auf Krabbenfang! Ich erinnere mich daran, wie wir am 07.07.1983 bei klarer Sicht vor der Vogelinsel Rottum das Netz abfierten. Zwei mächtige Baumkurren schleiften an jeder Seite des Schiffes gleichmäßig über den Grund. Nach einer qualvollen dreiviertel Stunde wurden dann die mächtigen Baumkurren mittels einer Winde eingeholt. Voller froher Erwartung hüpfte ich über das Deck und hätte – sehr zum Ärger des Fischers – vor Begeisterung fast die Baumkurren an den Kopf bekommen. Das Netz war voll von Sandgarnelen, die man auch als „Granat“ bezeichnet. Große Seenadeln und Rote Knurrhähne faszinierten mich damals besonders. Außerdem fingen wir noch Unmengen an Plattfischen aller Größen, diverse Gelbaale und Seezungen, von denen wir die letzteren beiden frisch an Bord in die Pfanne hauten. Ich habe nie besseren Fisch gegessen! Und heute?

2003, Baltrum: Ein Kurzurlaub mit der Familie. Neuerdings tauchen hier im Watt Pazifische Riesenaustern auf; vereinzelt an Steinen. Es ist April, die Sonne scheint so oft, dass die Inselbewohner im April(!) ihre Rasensprenger anstellen müssen, weil das Gras auf der Insel welk zu werden beginnt. Außerdem finde ich am Strand angespülte Schwimmkrabben der Art Portumnus latipes, die bis Westafrika verbreitet ist. Alles Weibchen, die zur Vermehrung in die wärmer gewordene Nordsee kamen…

2011, Norddeich: Im Hafenbecken schwimmen kleine Fischchen an der Oberfläche, 2 Zentimeter. Eine Untersuchung ergibt, dass es sich um juvenile Wolfsbarsche handelt. Im norddeicher Watt lässt sich mit dem Rahmenkescher kein einziger Plattfisch fangen… Die Hafenmole ist flächig bewachsen mit Pazifischen Riesenaustern. Miesmuscheln sind hier zur Mangelware geworden...

2012, Baltrum: Es ist Hochsommer im August. Bei Flut stehen Angler auf den Buhnen. Was sie hier fangen? Wolfsbarsche; der Inselrekord liegt bei 70 Zentimetern Länge…

2012, Norddeich: Diesmal keine Wolfsbarsche im Hafenbecken, dafür aber kleine Plattfische im Watt… Immerhin; aber nur wenige.

2013, Norddeich: Mit der Ködersenke lassen sich im Hafenbecken Aalmuttern nachweisen. Aber auch eine eingeschleppte Garnele aus Korea, Palaemon macrodactylus.

2014, Norddeich: Und wieder bringt der Kutter im April eiertragende Weibchen der subtropischen Schwimmkrabbe Liocarcinus navigator mit. Das Wasser der Nordsee ist zu warm für die Jahreszeit… Der Sommer hat begonnen!

Frühjahr 2015 und 2016, Norddeich: Die Kutter fangen Hundshaie, Blondrochen, Sardellen… Allesamt Einwanderer aus dem Ärmelkanal. Der Winter 2014/2015 war wieder mal viel zu warm für unsere Breiten…

2017, Schmuddelwetter in Ostfriesland: Kein richtiger Sommer, dauernd ist es schwül oder regnerisch, die Bauern haben viele Probleme, überhaupt etwas ernten zu können… Die Beifänge der Fischer fallen sehr unterschiedlich aus, gewisse sonst häufige Arten sind rar…

2018: Hitzewelle! Viele sonst häufige Fischarten wurden im Sommer kaum von den Fischern gefangen. Denn bei einer Wassertemperatur von 22° Celsius in der südlichen Nordsee bleiben sie lieber in tieferen Arealen, wo kein Krabbenfischer fischt… In der Ostsee: 25° Celsius und Vibrionen-Alarm! Darüber hinaus konnte man erheblich mehr Quallen beobachten als sonst… Haben sie die Fischbruten dezimiert?

2019: Fast wie 2017, nur erheblich wärmer. Im Sommer fehlen die Knurrhähne und andere sonst häufige Beifänge… Am 31.12.2019 ließen sich in den Prielen Neßmersiels noch Sandgarnelen fangen. Die Nordsee ist zu warm. Winter? Was ist das?

2020: Januar. Temperaturen bis in den zweistelligen Bereich. Frühjahrsblüher haben schon Knospen. Es gibt bereits Gänseblümchen… Die Jahreszeit „Winter“ scheint es dieses Jahr in Ostfriesland wohl nicht mehr zu geben…

Die Krabbenfischer fahren raus, obwohl sie sonst zu dieser Jahreszeit eigentlich eine Winterpause machen. Und sie bringen ungewöhnliches Getier mit in den Hafen, welches Unglaubliches belegt. Wie wir im Folgenden noch sehen werden… Manche dieser Fänge sind unscheinbar und klein, andere dagegen geradezu schreiend bunt. Als wenn Mutter Natur uns eine möglichst grelle bunte Warnung senden möchte, bevor es zu spät ist…

Unbequeme Fakten...

1. Die Temperaturen in der Nordsee (d.h. in der Deutschen Bucht)

Nach Angaben des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) erreichte die durchschnittliche Wassertemperatur der Nordsee 2017 10,9 Grad Celsius, nur knapp unter dem Wert von 2016 mit 11,0 Grad. Das war der zweithöchste Wert seit 1969. Nur 2014 war das Wasser mit 11,5 Grad Celsius noch wärmer. Zurzeit (Januar 2020) haben wir in der südlichen Nordsee Temperaturen zwischen 10 und 11° Celsius vor den Ostfriesischen Inseln… Man kann im Watt Sandgarnelen fangen, die jetzt eigentlich in tieferen Wasserschichten überwintern müssten… Die Jahreszeit „Winter“ scheint momentan in der südlichen Nordsee gar nicht mehr statt zu finden…

2. Bei dem Internetanbieter GMX konnte man am 18.01.2020 lesen, dass...

…eine Hitzewelle im Meer ein Massensterben vor der amerikanischen Küste der USA auslöste. Forscher aus den Vereinigten Staaten bezeichneten den Strom von zu warmem Meerwasser, welches sich von Alaska bis zur Baja California ausdehnte, als "Blob". Durch diesen kamen zehntausende Vögel im Pazifik ums Leben, aber auch Millionen von Seesternen raffte es dahin. Denn die Erwärmung des Meerwassers begünstigte die Vermehrung von Viren und Seuchen, welche für das Ableben dieser Tiere verantwortlich sind. Der Klimawandel könnte solche todbringenden Hitzewellen im Meer immer häufiger werden lassen. Die Seevögel sind übrigens schlichtweg verhungert, weil durch das zu warme Meerwasser ihre sonst reichlich vorhandene Beute verschwand... Die Wissenschaftler schätzten die Gesamtzahl der verendeten Seevögel auf etwa eine Million… Sie gingen davon aus, dass die „Meereshitzewelle“ die Menge und Qualität des Planktons vermindert habe, so dass die Zahl davon lebender Fische stark reduziert wurde. Außerdem sei der Stoffwechsel von Fischen im wärmeren Wasser hochtouriger gelaufen. So dass die Raubfische aufgrund des daraufhin höheren Energieumsatzes viel mehr Beutetiere als sonst benötigt hätten, und so die Zahl verfügbarer Beutefische für Seevögel noch zusätzlich vermindert worden sei. Darüber hinaus waren auch noch andere Lebewesen von dem Problem der Meereserwärmung betroffen gewesen. Unter anderem sind „nur“ etwa 100 Millionen Kabeljaue verendet. Und auch viele Wale litten unter den Folgen dieser dramatischen Meereserwärmung.

3.) Durch Klima-Erwärmung bedingte Meereshitzewellen Diese gab es bereits in der Tasmanischen See und in anderen Regionen, wie etwa dem Australischen Barriere Riff oder an den Küsten von Südamerika, wo man das Phänomen unter der Bezeichnung El-Niño* schon seit vielen Jahren kennt.

2018 konnte man diese Phänomene auch sehr deutlich in der deutschen Nordsee und in der südlichen Ostsee beobachten… Im Sommer 2018 wurde die Nordsee 22° Celsius warm, während die südliche Ostsee sogar Temperaturen von bis zu 25° Celsius erreichte. Das waren Werte, wie sie sonst im Mittelmeer gemessen werden…

4.) Die Erwärmung der Ozeane beschleunigt sich immer mehr...

Wissenschaftler haben errechnet, dass die Weltmeere im Jahr 2019 so warm wie nie zuvor seit Beginn der globalen Erfassung waren. Außerdem beschleunige sich die Erwärmung der Ozeane durch den Klimawandel, warnten sie im Fachmagazin "Advances in Atmospheric Sciences". Die vergangenen zehn Jahre brachten demnach die höchsten Temperaturen der Meere seit den 1950ern, wobei die letzten fünf Jahre auch die wärmsten gewesen seien. Die durchschnittliche Meerestemperatur bis in zwei Kilometer Tiefe habe im Jahr 2019 um etwa 0,075° Celsius über dem Durchschnitt von 1981 bis 2010 gelegen.

5.) Eine vorläufige Zwischenbilanz…

Diese enorme Menge an Energie in Form von Wärme, die der Mensch in den vergangenen 25 Jahren in die Ozeane emittiert habe, entspricht umgerechnet etwa der Energieentladung von 3,6 Milliarden(!) Atombombenexplosionen vom Format der Atombombe, welche im Zweiten Weltkrieg über der japanischen Stadt Hiroshima detonierte…

Die Beobachtung der Lebewesen vor unserer Küste

Dieses Buch erhebt selbstverständlich keinen Anspruch auf völlige wissenschaftliche Exaktheit oder eine faktenorientierte allumfassende Wahrheit.

Vielmehr ist es so, dass der Autor den Versuch unternommen hat, aus den sehr unübersichtlichen Puzzlestücken und Fragmenten von Kutterfängen, eigenen Beobachtungen und den Mitteilungen Dritter ein Bild zusammenzustellen. Dieses Bild ist selbstverständlich weder vollständig noch vollkommen fertig, denn dazu sind die dem Autor anvertrauten Puzzlestücke einfach zu wenige. Doch auch aus den wenigen Puzzlestücken lassen sich bereits wertvolle kleine Teilstücke und Aspekte eines größeren Ganzen erkennen.

Der Beobachtungshorizont des Autors erstreckt sich dabei mit Unterbrechungen vom Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre bis heute.

Diese Beobachtungen beruhen zwar zum Großteil auf einer gewissen Subjektivität, doch werden sie dadurch etwas objektiver, weil es gelungen ist, manche Vorgänge durch persönliche Erfahrungen und Mitteilungen Dritter etwas aufzuhellen.

So gleichen zum Beispiel einige persönliche Mitteilungen der Aquarienbetreiber auf der Insel Borkum die „Fehlzeiten“ des Autors auf dieser Insel wieder etwas aus, in denen er auf der Insel nicht präsent sein konnte.

Als hilfreich bei der Erstellung dieses Werkes erwies sich außerdem die Sammlung des Autors, mit welcher der Fund bestimmter Tierarten bestimmten Zeiträumen zugeordnet werden konnte. Somit sind also für die meisten hier geschilderten Hypothesen auch echte Belegexemplare vorhanden, die man jederzeit prüfen kann.

Und so haben sich im Keller des Autors zwischenzeitlich etwa 500-600 Gläschen mit entsprechenden Präparaten angesammelt. Hierzu sei noch angemerkt, dass die hier konservierten Tiere nicht extra nur für Sammlungszwecke gesammelt und getötet wurden, wie dieses etwa die meisten Wissenschaftler tun würden. Sondern es handelt sich bei diesen Belegexemplaren zu mehr als 95% um Tiere, die entweder schon tot zwischen Müll und Beifang gesammelt wurden, oder die dann etwas später in einem Aquarium eingingen. Somit wurde also kein Raubbau an der bedrohten Fauna der Nordsee betrieben, nur um eine Sammlung zu erweitern. Doch selbst wenn wir uns alle diese Sammlungsexemplare genau anschauen würden, so würden auch diese nur einen sehr kleinen Teil der Lebewesen darstellen, welche es tatsächlich in der südlichen Nordsee gibt. Denn man schätzt, dass in der gesamten Nordsee mindestens 7000 verschiedene Tierarten leben, davon etwa 4000 im deutschen Wattenmeer. Und wahrscheinlich sind es sogar noch erheblich mehr Arten, wenn man aus anderen Erdteilen eingeschleppte Arten mitberücksichtigen würde, und wenn man die hier in diesem Werk ausgesparte Welt der mikroskopisch kleinen Meeresorganismen miteinbeziehen würde. Um von den Meeresorganismen Rückschlüsse auf den Klimawandel ziehen zu können, müssen mehrere Aspekte im Zusammenhang betrachtet werden. So ist es zum Beispiel eine sehr wichtige Prämisse, zunächst festlegen zu können, welche Arten ursprünglich die Habitate der südlichen Nordsee dominierten. Dann kann man einen vorsichtigen zeitlichen Vergleich einflechten und schließlich im letzten Schritt neue Arten aufzeigen.

Dabei spielen dann die jeweiligen Größen aufgefundener Exemplare und die neue Häufigkeit dieser Arten eine ganz erhebliche Rolle.

Und betrachtet man verschiedene Gruppen von Tieren, dann ergibt sich ein recht objektives Muster, welches die Erwärmungsvorgänge in der südlichen Nordsee an der Küste und vor den Ostfriesischen Inseln gut und deutlich belegt. Dabei geht es vor allem um eine Gesamttendenz, welche klar belegt, dass die Leugner des anthropogenen Klimawandels entweder völlig blind und taub sein müssen. Oder sogar an den schlimmsten Verfehlungen der menschlichen Natur leiden: Nämlich an der Dummheit, der Ignoranz, der Konsumgier oder dem Egoismus. Dieses Buch soll dazu beitragen aufzuzeigen, wie weit es bereits mit dem Klimawandel gekommen ist. Und dass dieser keinesfalls die spinnerte Idee linker Ökosozialisten oder sonstiger Umweltfanatiker ist. Die Wahrheit lässt sich zwar leugnen, aber ihre Konsequenzen werden auch ihre Leugner und Gegner stets einholen. Die einen früher, die anderen später. Letztlich ist es so, dass die unbequeme Wahrheit in diesem kleinen Nebenmeer des Atlantiks ihren Tribut von uns allen fordern wird, ob uns das nun gefällt oder nicht. Die kleinen bunten Tierchen, die sich neuerdings in unseren Gewässern tummeln, sollten von uns besser als eine Mahnung von Mutter Natur an unser aller Konsumverhalten verstanden werden. Denn nur wenn sich unsere Lebensphilosophie und Grundeinstellung ändern, haben wir noch eine nennenswerte Zukunft an dieser noch touristisch wertvollen Küste…

Vom Schicksal unserer autochthonen Arten

Als autochthone Tier- und Pflanzenarten bezeichnet man im Allgemeinen die Arten, die schon seit langen Zeiträumen von bestimmten Lokalitäten bekannt sind.

Im Grunde bedeutet der Begriff autochthon so viel wie bodenständig oder alteingesessen. Nicht alle autochthonen Arten werden vom Klimawandel bedroht, denn es gibt tatsächlich einige Arten, die von einer Erwärmung der Nordsee profitieren. Der Gewinn liegt dann im Erschließen neuer ökologischer Nischen durch das Verschwinden anderer Arten, in besseren Reproduktionsmöglichkeiten oder in einem verbesserten Nahrungsangebot. Letzteres könnte etwa durch ein üppigeres Gedeihen des Phytoplanktons oder von sonstigen Meeresalgen infolge längerer Wachstumszeiten entstehen. Denn je wärmer der Ozean ist, desto schneller können sich die winzigen planktonischen Algen durch Zellteilung vermehren.

Allerdings leben in der Deutschen Bucht (noch) etliche Tierarten, welche dem borealen oder subarktischen Faunenkreis zuzurechnen sind. Und diese werden entweder in tiefere kältere Senken im Meeresboden oder in Richtung Norden abwandern. Ab einem gewissen Point Of No Return werden sie dann dem Flachwasser des deutschen Wattenmeeres, speziell der südlichen Nordsee, ganz einfach vollständig fernbleiben. Nun mag das zunächst einmal keine allzu drastischen Auswirkungen haben, wenn nur ein paar subarktische Arten wie etwa die Nordische Seespinne oder der Steinpicker dem Ökosystem des deutschen Wattenmeeres abhandenkommen. Denn mit Sicherheit werden andere Arten mit einer höheren Temperaturtoleranz aus dem Süden nachrücken und deren Platz einzunehmen suchen. Doch können solche schleichenden Veränderungen mittel- und langfristig sehr wohl auch große und dramatische Einbrüche, etwa bei der Fischerei oder bei der Ernährung der Zugvögel erzeugen. Denn fehlende Faunenanteile haben automatisch immer eine andere Zusammensetzung des Meeresplanktons zur Folge, was für die spätere Anzahl von Nutzfischen im Meer und von Nährtieren für die Zugvögel im Watt entscheidend sein könnte. Denn Ökosysteme sind hochkomplexe Gebilde. Über das Schicksal von Hering und Hummer wird also bereits im Plankton entschieden, und dieses kann auf Veränderungen seines Milieus auch kurzfristig sehr empfindlich reagieren… Ein weiteres Problem autochthoner Arten der borealen Klimazone ist es, dass sie an ganz bestimmte Temperaturbereiche für die Abwicklung ihrer Lebenszyklen angepasst sind. In der Nordsee sind diese an bestimmte Lokalitäten, Strömungen und Jahreszeiten gekoppelt. Verschieben sich diese Parameter, kann es passieren, dass die davon betroffenen Arten Nahrungsquellen oder Habitate verlieren. Oder im schlimmsten Falle die Möglichkeiten zur Reproduktion ihrer Art, was dann zum Aussterben der Spezies führt. So sind manche Arten sehr abhängig von bestimmten Meerestemperaturen, weil von diesen Sauerstoffgehalte und Gedeihen von Bruten abhängen. So gab es etwa im März 2017 einen massiven Einbruch bei der Fischerei auf Stinte in der Elbemündung, und auch im Frühjahr 2020 sah es schlecht aus für diese einst sehr häufigen kleinen Küstenfische. Zur Problematik der Erwärmung des Wassers durch den Klimawandel kamen hier außerdem noch Sediment-Verwirbelungen infolge Ausbaggerungen und die Entnahme von Kühlwasser für Kraftwerke hinzu, sowie die Einleitung von warmen Kraftwerksabwässern. Von vielen Fischarten des kaltgemäßigten Faunenkreises ist es außerdem bekannt, dass sie zur Reifung ihrer Gonaden Kältephasen im Winter benötigen. Sind diese zu kurz, oder finden sie gar nicht mehr statt, so werden die davon betroffenen Arten unfruchtbar. Dazu kommt dann noch das Phänomen, dass eine Erwärmung des Milieus, welches einen Organismus umgibt, dessen Metabolismus beschleunigt.

Das bedeutet, dass dessen Stoffwechselvorgänge nun immer schneller ablaufen.

Das Herz rast, die Atmung wird hektischer und der Nahrungsbedarf steigt rapide an. Somit können sich unsere autochthonen Arten nur sehr bedingt einem immer schneller zunehmendem Klimawandel anpassen, denn entweder kollabieren sie selbst, oder sie sind nicht mehr dazu in der Lage, gesunde und lebensfähige Nachkommen zu produzieren. Schon jetzt ist es de facto so, dass kommerzielle Fischfangflotten mehr als 100 Kilometer weiter in den Norden als bisher fahren müssen, um noch nennenswerte Mengen von Dorsch und Seelachs fischen zu können. Da diese sich bereits in Richtung Norwegen und Island abzusetzen begonnen haben. Im Jahre 2009 waren sogar schon die Bestände des Dorsches in Nord- und Ostsee kollabiert. Und gleiches passierte 2009 in der südlichen Nordsee mit den Plattfischen. Zurzeit (2020) gelten Scholle und Seezunge in der südlichen Nordsee eher als eine Mangelware…

Wirbellose und Algen der südlichen Nordsee im Kontext des Klimawandels

Die Biologische Anstalt auf Helgoland misst und dokumentiert seit ihrer Gründung im Jahre 1892 die Wassertemperaturen in der Nordsee zu verschiedenen Jahreszeiten, woraus dann immer ein jährlicher Durchschnittswert gewonnen wurde. Das Ergebnis dieser Messungen ist eindeutig: Allein seit den letzten 50 Jahren hat sich die Nordsee um etwa 1,7° Celsius erwärmt. Und seit dem Beginn dieser Messungen vor mehr als 100 Jahren dürfte dieser Wert inzwischen sogar um 2° - 3° Celsius angestiegen sein. Nun könnte man einwenden, dass das ja nur ein sehr geringer Temperaturanstieg sei, kaum fühlbar für einen badenden Menschen.

Aber: Das Weltmeer ist durchschnittlich betrachtet insgesamt ohnehin nur etwa 3,8° Celsius warm, wenn man die Wassermassen der Tiefseegräben und der arktischen und antarktischen Gebiete miteinbezieht. Würde man diese Werte, also 3,8° Weltmeerdurchschnitt und 1,7° Nordseeerwärmung per einfacher Dreisatzrechnung in eine Beziehung setzen, dann hätte sich die Nordsee in den letzten 50 Jahren im Vergleich zum gesamten Weltmeer um 44,73% erwärmt.

Vernachlässigt man diese Betrachtungsweise und setzt nur die Erwärmung der Nordsee von einer Temperatur von etwa 9,5° Celsius im Jahr 1965 um 1,7° bis zum Jahr 2015 ins Verhältnis, dann hat sich die Nordsee in nur 50 Jahren immer noch um knapp 18% erwärmt! Der Temperaturanstieg in der Nordsee (der Deutschen Bucht) ist also eine amtlich bewiesene Tatsache und scheint sich überproportional zur sonstigen Erderwärmung zu entwickeln, da diese im gleichen Zeitraum nur etwa 1° Celsius betrug. Dieses ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass die Nordsee insgesamt ein relativ flaches Schelfmeer von nur etwa 70 Metern Durchschnittstiefe ist, welches darüber hinaus nur über ein einziges tiefes Becken im Norden verfügt, nämlich die norwegische Rinne, die etwa 700 Meter tief ist.

Dazu kommen dann noch sehr ausgedehnte Wattflächen, welche regelmäßig durch den Tidenhub sehr großflächig trockenfallen und sich im Sommer dank der Sonneneinstrahlung auf diese dunklen Flächen besonders stark aufheizen. Somit müssen die Tiere und Pflanzen dieses gezeitenabhängigen Lebensraumes mit diversen extremen Lebenssituationen klarkommen. Im Winter mit eisiger Kälte, aber im Sommer mit stetig zunehmenden subtropischen und tropischen Temperaturen. In einigen Fällen passen sie sich an diese Änderungen kurzfristig an, in anderen Fällen wandern sie ab oder sterben schlichtweg aus. Ein Beispiel für eine vorübergehende Adaption an höhere Meerestemperaturen sind etwa die großen Brauntange auf der Insel Helgoland, welche laut den Beobachtungen der Meeresbiologen auf der Insel Helgoland dazu übergegangen sind, ihre Rhizome in immer größeren Tiefen auf den Felsen vor der Insel zu verankern. Dies tun sie nicht, weil sie inzwischen einen geringeren Bedarf an Sonnenlicht entwickelt haben, sondern vielmehr deshalb, weil ihnen im Sommerhalbjahr das Oberflächenwasser schlichtweg „zu warm“ geworden ist. Denn Tange reagieren sehr empfindlich auf wärmeres Wasser, was man in einem gekühlten Meeresaquarium selbst testen kann. Wird das Wasser zu warm - und handelt es sich dabei auch nur um den Anstieg um ein einziges Grad Celsius - kann es passieren, dass der Seetang plötzlich schleimig wird und sich auflöst. Manche Meeresalgen setzen durch diese Selbstaufgabe dann Gameten frei, durch welche sie sich vermehren, um wenigstens den Fortbestand der Art an anderer Stelle zu sichern. In der Natur eine sinnvolle Anpassung an sich ändernde Lebensbedingungen – im Aquarium meist eine Katastrophe für alle anderen Bewohner des Behälters, die hierdurch regelrecht vergiftet werden können. Aber auch in der Natur kann ein Massenabsterben von Meeresalgen lokal zu einem Massensterben von Fischen und anderen Seetieren führen. Insbesondere in flachen Meeresbuchten und Wattgebieten, welche in kurzer Zeit flächig von Algen bedeckt werden können.

Damit einhergehend können sich dann auch schädliche Bakterien und Viren entwickeln, welche nicht nur „rote Tiden“ und Fischsterben verursachen, sondern auch wie etwa die warmwasserliebenden Vibrionen den Menschen selbst gefährlich werden können. Diese Keime können dann über kleine offene Wunden in den menschlichen Organismus eindringen und vor allem immunschwache Personen stark schädigen, zur Sepsis führen und manchmal sogar töten! Der wohl bekannteste dieser Erreger ist das Cholera-Bakterium Vibrio cholerae, welches die Cholera auslöst. Das Wundbakterium Vibrio vulnificus macht gelegentlich dadurch Schlagzeilen, dass sie vor allem in der Uferzone der Ostsee in der Hitze des Sommers bei immunschwachen Personen Zellulitis und Sepsis verursacht, manchmal sogar mit einem lebensbedrohlichen Verlauf. Meereserwärmung im sommerlichen Flachwasser ist also alles andere als ein harmloses Naturschauspiel!

Wir werden in den nachfolgenden Kapiteln einige ganz verschiedene Gruppen von Wirbellosen betrachten, welche nun mehr oder minder in der südlichen Nordsee vor den ostfriesischen Inseln heimisch geworden sind. Manche von ihnen waren früher „Saisontiere“, die man früher für einige Tage oder Wochen sporadisch in der Deutschen Bucht auffinden konnte, und welche dann wieder abwanderten. Heute sind sie Teil der „Dauerbevölkerung“ dieses interessanten Meeresteils geworden.

Was man dann an zwei Dingen feststellen kann: Der Gründung von lokalen Populationen, weshalb sie plötzlich regelmäßig in bestimmten Gebieten vorkommen. Und dem Vorhandensein ihrer Jungtiere. Was nahelegt, dass sie nicht nur hier überwintern, sondern sich obendrein auch hier vermehren können. Was also im Jahre 1960 die seltene Ausnahme war, beginnt nun in verstärktem Maße zur Regel zu werden. Daran würde sich auch dann nicht viel ändern, wenn wir etwa im Jahre 2020 einen extrem kalten Winter mit arktischen Temperaturen bekämen.

Zwar würden dann die nördlichsten Populationen der Einwanderer kurzfristig absterben. Aber wegen der warmen Gesamttendenz der letzten Jahrzehnte wären sie sie dann spätestens mit dem nächsten warmen Sommer zurück und würden erneut ihre Populationen gründen. Es gibt allerdings diverse verschiedene Arten von Einwanderern, denn nicht alle Arten sind wegen des wärmer gewordenen Klimas hier. Manche kamen auch einfach nur aus Übersee als Larve im Ballastwasser von Schiffen in unsere Gewässer, und können sich hier wegen ähnlicher Lebensverhältnisse etablieren. Andere dagegen gehören zur typischen Fauna des Ärmelkanals, wie man sie eigentlich an den französischen und britischen Küsten auffinden kann. Diese Arten sind insofern nicht unproblematisch, weil sie unsere einheimischen Arten entweder verdrängen können, oder sich gar mit diesen paaren und dann dadurch deren genetisches Potential zerstören. So ist es also sehr bedenklich, wenn bei uns neuerdings Exemplare von Arten auftauchen, welche die Merkmale verschiedener verwandter Arten aufweisen, die man kaum noch eindeutig bestimmen kann. Diese Phänomene kann man inzwischen regelmäßig bei Miesmuscheln der Gattung Mytilus und Strandkrabben der Gattung Carcinus beobachten. Und dann sind da noch die durch Aquakulturen eingeschleppten Arten wie etwa die Pazifische Riesenauster Magallana gigas, welche aufgrund ihrer warmen Herkunftsgebiete in Asien sehr von der Meereserwärmung profitieren.

Und von manchen Arten finden sich bisher Einzelexemplare, die man als Vorhut für weiteren biologischen Input in das deutsche Wattenmeer betrachten kann. Viele dieser Arten fand ich auf Plastikmüll und an anderen Relikten des Menschen, welche unsere Krabbenfischer aus den Wattengebieten unserer deutschen Küsten mit ihren Netzen eingesammelt hatten. Dabei ist es allerdings sehr müßig darüber zu diskutieren, ob diese Müllfunde von den Küsten des Ärmelkanals durch die Strömung bis zu den deutschen Küsten transportiert wurden, oder ob diese Organismen als Larven in unsere Gewässer gelangten und dann erst den Müll besiedelten. Denn Fakt ist, dass sie plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht sind.

Und vorher zumindest noch nicht wirklich von irgendjemandem bemerkt wurden.

Allein im Januar 2020 fand ich auf einer einzigen Plastikkiste gleich drei(!) neue Arten aus dem Ärmelkanal, welche sich mit Hilfe eines Kosmos-Naturführers und eines nachfolgenden Internetabgleiches recht gut bestimmen ließen. Im Folgenden werde ich näher auf die Details zu diversen Wirbellosen eingehen, wobei ich ihr Auftauchen zu einem gewissen Anteil auch in den direkten Bezug zum aktuellen Umweltgeschehen setzen konnte.

Weichtiere - Mollusca

In der Nordsee findet man leider nicht so viele Mollusken-Arten wie in den Tropen, da hier die biologische Diversität etwas geringer ist. Aber es gibt hier immer wieder Vertreter des arktischen Faunenkreises wie etwa die Islandmuschel, welche sich in den etwas tieferen Arealen der südlichen Nordsee mit einwandernden Arten aus dem Ärmelkanal treffen. So wie etwa der Ottermuschel. Früher war es so, dass mal der eine, dann wieder der andere Faunenkreis leicht dominierte. Heute ist es dagegen so, dass der arktische Faunenkreis auf dem Rückzug in Richtung Norden ist, so dass etwa die Islandmuschel in der südlichen Nordsee bald völlig verschwunden sein könnte. Denn die Arten des arktischen Faunenkreises können der Wärme nur in die Tiefe oder in den Norden entfliehen. Solche Arten sterben dann zunächst unbemerkt aus. So dass man auch aus dem Schwund von Arten durchaus seriöse Schlussfolgerungen ziehen kann und muss. Gar keine Aussage - das heißt kein Auffinden - ist eben manchmal auch eine Aussage! Darüber hinaus ist es auch bedeutsam, wie groß aufgefundene Exemplare neuer Arten sind, denn diese können Aufschluss über das Nahrungsangebot und die veränderten Wachstumsintervalle liefern. Insbesondere bei Muscheln kann man Wärme- und Kältephasen hervorragend an den ausgebildeten Jahresringen der Schalen ablesen.

So kann man übrigens auch recht genau festlegen, in welchem Jahr eine Muschel entstand und wie alt sie tatsächlich geworden ist. Diese Art der Betrachtung ermöglicht dann den Experten genaue Rückschlüsse über die Klima-Entwicklung.

Pantoffelschnecke, Crepidula fornicata (Linnaeus, 1758)

Die Pantoffelschnecke gehört nicht zu den endemischen Schnecken der Nordsee, da sie erst vor einigen Jahrzehnten durch Schiffe eingeschleppt wurde. Pantoffelschnecken verdanken ihren Namen der ovalen Gehäuseform, die nochmals eine weiße Innentasche aus Kalk enthält, hinter der sich das Weichtier an sein Gehäuse festheftet. Somit erinnert das leere Gehäuse dieser Schnecke tatsächlich an einen Pantoffel mit einem Hohlraum für den Fuß. Innen glänzt das Gehäuse rot-bräunlich perlmuttfarben. Pantoffelschnecken leben als Filtrierer, wobei sie Feinstpartikel aus dem Meerwasser filtern und diese dann als Nahrung verwerten. Doch scheinen sie darüber hinaus auch in der Lage zu sein, im Bedarfsfall Algenfilme von ihrem Untergrund abzuweiden. Allerdings bewegen sich Pantoffelschnecken nur sehr selten auf ihrem Untergrund fort. Auch sind sie nicht dazu in der Lage, sich selbstständig wieder umzudrehen, wenn sie vom Substrat abgerissen wurden.

Daher saugen sie sich sehr fest auf ihrem jeweiligen Untergrund an, und können hier nur mit brachialer Gewalt abgerissen werden. Meistens klammern sie sich an Steine, Holzpfähle oder andere Muscheln an. Pantoffelschnecken sind Zwitter, die ihr Geschlecht im Laufe ihres Lebens umwandeln. Deshalb sitzen sie oft übereinander, um so gleichzeitig ihre verschiedenen Geschlechtsprodukte an das Wasser abgeben zu können. In entsprechenden Aquarien ohne nennenswerte Fressfeinde gehalten können sich Pantoffelschnecken durchaus bis zu einem Jahr halten, doch verhungern sie hier leider meist mangels geeigneten feinen Futters. In letzter Zeit konnten einige Exemplare an Plastikmüll und alten Kisten aufgefunden werden, welche ungewöhnliche Schalenformen entwickelt hatten. Manche waren sehr flach und erinnerten aufgrund dieser Form eher an die Pantoffelschnecke des Mittelmeeres. Allerdings gibt es an den Küsten Nord- und Mittelamerikas auch einige Arten, welche ein sehr flaches Gehäuse aufweisen, wie etwa die Art Crepidula excavata. Ein weiteres Exemplar wies sogar ein seltsam wellenförmiges Gehäuse auf und zeigte Ähnlichkeit mit verschiedenen weiteren Arten des amerikanischen Faunenkreises. Denkbar wäre es aber auch, dass es sich nur um neu entstandene Morphen von Crepidula fornicata handelt, welche sich nun an ein wärmeres Milieu adaptiert haben…

Pantoffelschnecken sitzen oft übereinander, um synchron ablaichen zu können.

Links und in der Mitte: Diese seltsamen flachen und geriffelten Pantoffelschnecken tauchten Ende 2019 und Anfang 2020 im Beifang eines Kutters an Plastikmüll angeheftet auf. Entweder handelt es sich um neu eingeschleppte Arten von den amerikanischen Küsten, oder um eine Adaption an neue Umweltbedingungen.

Schuppige Sattelmuschel, Pododesmus squama (Gmelin, 1791)