Fibromyalgie - Wolfgang Brückle - E-Book

Fibromyalgie E-Book

Wolfgang Brückle

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  • Herausgeber: TRIAS
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2024
Beschreibung

Geben Sie Ihren Schmerzen einen Namen

Das Fibromyalgiesyndrom ist eine chronische Schmerzerkrankung, die sich durch diffuse Symptome wie Fatigue, Rheuma oder andere Gelenkschmerzen, psychische Beschwerden und Schlafstörungen äußert. In Europa sind rund 12 Millionen Menschen betroffen - bis das Krankheitsbild diagnostiziert wird, kann es jedoch Jahre dauern.

  • Schnell zur richtigen Diagnose: wichtige Untersuchungen, Diagnosekriterien und Laborbefunde
  • Auslöser und Ursachen verstehen: So lindern Sie Ihre Symptome und mobilisieren Kraftreserven
  • Ganzheitliche Behandlungsmethoden: Autogenes Training, Psychotherapie, Schmerzmittel, gezielte Bewegung, die richtige Ernährung und vieles mehr

Profitieren Sie von dem Wissen eines der bekanntesten Fachärzte auf diesem Gebiet und steigern Sie Ihre Lebensqualität!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 182

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Fibromyalgie

Endlich erkennen – richtig behandeln

Dr. med. Wolfgang Brückle

6. Auflage 2024

35 Abbildungen

Liebe Leserin, lieber Leser,

wenn es um die eigene Gesundheit geht, darf man nichts dem Zufall überlassen. »Für eine bessere Medizin und mehr Gesundheit im Leben«: So lautet das Qualitätsversprechen der Marke Thieme. Ärztlich Tätige, Pflegekräfte, Physiotherapeuten oder Hebammen – sie alle verlassen sich darauf, dass sie von Thieme, dem führenden Anbieter von medizinischen Fachinformationen und Services, die entscheidenden Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort bekommen. So können sie die Menschen, die sich ihnen anvertrauen, bestmöglich unterstützen. Auch Sie können sich auf die TRIAS Ratgeber mit dem Thieme Qualitätssiegel verlassen! Diese Informationsangebote helfen Ihnen dabei, die richtigen Entscheidungen zu treffen, wenn es um Ihre Gesundheit geht, selbst daran mitzuwirken, gesund zu werden, sich gesund zu erhalten oder das Fortschreiten einer Erkrankung zu vermeiden. Mit einem TRIAS Titel aus dem Hause Thieme überlassen Sie Ihre Gesundheit nicht dem Zufall!

Ihr TRIAS Team

Liebe Leserin, lieber Leser,

nach langen Monaten oder Jahren hat der Schmerz einen Namen gefunden. Andere Diagnosen wurden fallen gelassen, weil sie Einzelbeschwerden bezeichnet haben, aber nicht das umfassende Krankheitsbild. Aus einzelnen Stücken eines Puzzles ist nun ein Bild entstanden.

Die Beschwerden sind nicht gelindert, aber die Suche nach der Art der Erkrankung ist beendet. In dieser Phase ist es für die Betroffenen wichtig, zur Ruhe zu kommen und sich dann ausführlich informieren zu können.

Fibromyalgie-Syndrom: der uninformierte Patient – der informierte Patient

(Quelle: Christine Lackner, Ittlingen)

Ein gutes Buch kann Ihre Krankheit nicht heilen, die Schmerzen nicht nehmen und die Schlafstörung nicht in Luft auflösen. Aber es kann bewirken, dass es in Ihrem Kopf wieder etwas geordneter aussieht, dass die Zusammenhänge klarer und besser fassbar werden. Am Ende des Tunnels erscheint ein Licht, das berechtigte Hoffnung auf Verbesserung der Beschwerden und der Gesamtsituation gibt. Der Weg der Therapie kann in Angriff genommen werden.

Ich kann nicht sagen, ob es besser werden wird, aber so viel muss ich sagen, es muss anders werden, wenn es gut werden soll.

Georg Christoph Lichtenberg

Die Krankheit wird Sie als Betroffene in den meisten Fällen über viele Jahre begleiten. Sie müssen erfahren, womit Sie es zu tun haben, müssen wissen, wie Sie der Fibromyalgie oder ähnlichen Schmerzerkrankungen begegnen können, und dafür sorgen, dass die Erkrankung nicht die Oberhand bekommt oder behält. Es ist bekannt, dass an Fibromyalgie Erkrankte, die gelernt haben, mit ihren Beschwerden umzugehen, auch einigermaßen gut mit der Erkrankung zurechtkommen. Wer Schwierigkeiten hat, Verantwortung für seine Therapie zu übernehmen, wird auch einen längeren Weg zum Ziel der Besserung haben.

Da die große Mehrheit der Fibromyalgie-Betroffenen weiblichen Geschlechts ist, haben wir uns im Sinne einer besseren Lesbarkeit aus sprachlich-praktischen Gründen entschlossen, ausschließlich die weibliche Form (Patientin) zu verwenden.

Zur Information und als Ratgeber soll dieses Buch die Betroffenen, ihre Familie und ihre Therapeuten begleiten. Seit der Erstauflage 2005 hat sich viel getan. Der Erkrankungsbegriff ist im weltweit benutzten Krankheitsschlüssel ICD gelistet, seit 2008 existiert die interdisziplinär erstellte »nationale Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Fibromyalgie-Syndroms«, und die internationale Literatur weist weiterhin jedes Jahr Tausende neue Veröffentlichungen auf.

Dr. Wolfgang Brückle, 2019

Inhaltsverzeichnis

Titelei

Liebe Leserin, lieber Leser,

Basiswissen Fibromyalgie und Rheuma

Rheuma und Weichteilrheuma

Was ist Fibromyalgie?

Fibromyalgie und Rheuma

Die Einteilung rheumatischer Erkrankungen

Ein wenig Anatomie

Das Beschwerdebild der Fibromyalgie

Schmerzen am ganzen Körper

Nicht nur die Muskeln schmerzen

Häufig auftretende Beschwerden bei Fibromyalgie

Verlauf der Erkrankung

Wen befällt die Fibromyalgie?

Schmerzen in der Bevölkerung

Ein rätselhaftes Krankheitsbild

Diagnostik und Untersuchungsmethoden

Die Diagnosestellung

Was zeigt der Laborbefund?

Womit kann die Fibromyalgie verwechselt werden?

Das chronische Müdigkeitssyndrom

Auslöser und Ursachen der Fibromyalgie

Woher kommt die Fibromyalgie?

Die Schmerzfaktoren schaukeln sich hoch

Stress, der Kumpan des Schmerzes

Die Odyssee von Arzt zu Arzt

Der Schmerz, seine Rätsel und seine Folgen

Was dosiert den Schmerz?

Der Schlaf und was ihn stört

Wie viel Schlaf braucht der Mensch?

Die innere Uhr

Störungen der Tiefschlafphasen

Serotonin und Fibromyalgie

Organische Störungen?

Schmerzempfinden bei Fibromyalgie-Patientinnen

Körper- und Seelenlast

Gibt es frauenspezifische Krankheitsfaktoren?

Keine psychische oder psychiatrische Erkrankung

Selbsthilfe, Therapie und Co

Ganzheitliche Therapie – was Sie tun können

Wie entsteht Gesundheit?

Grundlagen der Behandlung

Die partizipative Entscheidungsfindung

Veränderungen am Arbeitsplatz und zu Hause

Therapie ist nicht Heilung

Mit Stress umgehen lernen

Wohlfühlbad

Das Wort »Nein«

Entspannungsmethoden

Die Wärme- und die Schwereübung aus dem Autogenen Training

Progressive Muskelentspannung

Body Scan und Imagination

Was können Sie noch gegen den Schmerz tun?

Bewegung ist Leben

Fehlhaltungen sind vermeidbar

Den Rücken stärken

Koordination und Gleichgewicht

Leben ist Bewegung – Fitness für die Seele

Wassergymnastik gibt Auftrieb

Weitere Therapiemöglichkeiten

Wärmetherapie

Kältetherapie

TENS

Massagen

Lichttherapie

Akupunktur

Akupressur

Reflexzonenmassage

Atmung und Gesang

Emotionale Unterstützung

Der Teufelskreis der Überforderung

Hilfen bei weiteren Problemen der Fibromyalgie

Dem Schlaf sanft auf die Sprünge helfen

Wenn der Magen drückt und der Darm zwickt

Trockene Augen, trockener Mund, trockene Haut

Pannikulose

Medikamente gegen den Schmerz

Leichte und starke Schmerzmittel

Betäubungsmittel

Schmerzmittel vom Typ Antirheumatika

Muskelrelaxanzien

Antidepressiva und Antikonvulsiva als Schmerzmittel

Pflanzliche Wirkstoffe

Was heißt »Off-Label-Therapie«?

Gesund und lustvoll essen

Essen wie am Mittelmeer

Adipositas, ein gewichtiges Problem

Natürliche Ernährung ersetzt Pillen

Selbst kochen – gesünder essen

Rehabilitation

Medizinische Rehabilitation bei Fibromyalgie

Patientenschulung

Funktionstraining

Unterstützung für den Alltag

Soziale Fragen

Selbsthilfegruppen

Kommunizieren der Erkrankung

Der richtige Arzt

Service

Wichtige Adressen

Weiterführende Literatur

Glossar

Autorenvorstellung

Sachverzeichnis

Impressum

© ThamKC/stock.adobe.com |

Basiswissen Fibromyalgie und Rheuma

Der ganze Körper tut weh: Fibromyalgie ist eine Schmerzerkrankung, die alle Bewegungsorgane betreffen kann. Dazu treten oft Schlafstörungen und Tagesmüdigkeit auf.

Rheuma und Weichteilrheuma

Man unterscheidet über 400 verschiedene Rheuma-Krankheiten und zusätzlich noch sogenannte Schmerzerkrankungen, zu denen auch das Fibromyalgie-Syndrom gehört.

Was ist Fibromyalgie?

Fibromyalgie ist eine Schmerzerkrankung, die bei den Betroffenen grundsätzlich das Leben verändert. Nichts ist mehr, wie es einmal war. Die Schmerzen sind erst zeitweise, später – in wechselnder Intensität – ständig vorhanden. Sie bestehen krankheitstypisch an vielen Orten des Körpers, manchmal vom Kopf bis zu den Füßen. Zusätzlich treten tagsüber Müdigkeit und schnelle Erschöpfung auf. Der Schlaf ist oft gestört, und er wird am nächsten Morgen als nicht erholsam empfunden. Weitere Beschwerden von jedem Organsystem können hinzukommen. Die Krankheit drückt auf die Seele, führt zu Angst, schlechter Stimmung, depressiven Gedanken.

Die Umwelt kennt diesen vielfältigen Beschwerdekomplex nicht und zweifelt die Beschwerden manchmal an, wenn auch die öffentliche Akzeptanz durch Medienbeiträge in den letzten Jahren zugenommen hat. Die Ärzte sind davon nicht ausgenommen. Dies zeigte sich auch in Krankenkassenstatistiken, in denen die Erkrankung nur bei 0,3 % aller Versicherten zu finden ist, obwohl die Häufigkeit in der Bevölkerung sechsmal so hoch ist. Sie als Betroffene haben selbst Mühe, sich wiederzuerkennen, denken an Zeiten, in denen Sie von morgens bis abends aktiv waren, an Zeiten, in denen Sie anderen viel abgenommen haben und wenig an sich selbst dachten.

Wenigstens ist die Diagnose gestellt oder zumindest wird vermutet, dass die Suche ein Ende hat.

Kennzeichen der Fibromyalgie

Fibromyalgie ist eine Schmerzerkrankung

ständige Schmerzen

Schmerzen in allen Teilen des Körpers vom Kopf bis zu den Füßen

Auftreten von Müdigkeit und schneller Erschöpfung

wenig erholsamer Nachtschlaf

Folge: Angst, schlechte Stimmung, depressive Gedanken

Fibromyalgie und Rheuma

Traditionell wird das Fibromyalgie-Syndrom zu den rheumatischen Erkrankungen gezählt, da die im Vordergrund stehenden Beschwerden als Schmerzen an den Bewegungsorganen verspürt werden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) versteht unter Rheuma einen Oberbegriff für Erkrankungen, die mit Schmerzen an den Bewegungsorganen einhergehen, also an den Knochen, Gelenken, Sehnen, Muskeln, Bändern, Gelenkkapseln und Schleimbeuteln. Häufig sind rheumatische Beschwerden auch mit Bewegungseinschränkung verbunden.

Die Forschung der letzten Jahrzehnte hat jedoch gezeigt, dass Rücken, Muskulatur und Sehnen zwar am Anfang der Erkrankung eine auslösende Rolle spielen, später jedoch, wenn die Erkrankung chronisch geworden ist, nur noch »Begleitmusik« sind. Die treibenden Kräfte liegen dann im Zentralnervensystem, dem Gehirn und dem Rückenmark. Der Schmerz hat sich verselbstständigt und benötigt zur Auslösung keine Schädigung eines Gewebes. Zu Recht wird nun von einer chronischen Schmerzerkrankung gesprochen, auch wenn diese weiterhin mit »rheumatischen« Beschwerden einhergeht.

Der Begriff Rheuma kommt von dem griechischen Wort für »fließen«. Damit haben die alten Griechen schon sehr anschaulich rheumatische Schmerzen beschrieben, die häufig wechselnd von einer Gelenkregion in die andere wandern. Aber auch der »fließende« Charakter der Rheumabeschwerden im Sinne von ausstrahlenden Schmerzen wird mit dem Begriff anschaulich dargestellt.

Bedeutung des Begriffs »Fibromyalgie-Syndrom«

Das Wort Fibromyalgie-Syndrom kommt von fibra (lat.: Faser), mys (griech.: Maus) bzw. muskulus (lat.: Mäuschen oder Muskel) und algos (griech.: Schmerz), wörtlich übersetzt also Faser-Muskel-Schmerz. Der Begriff beschreibt den Schmerz, der häufig am Muskel-Sehnen-Übergang auftritt. Der zusätzliche Anhang »Syndrom« stammt ebenfalls aus dem Griechischen und bedeutet »Zusammenkommen«. Gemeint ist ein Zusammentreffen bestimmter Krankheitszeichen (Symptome).

Was unterscheidet nun ein Syndrom von einer Krankheit? Diese Unterscheidung hat eher wissenschaftliche Bedeutung. Streng genommen sind Krankheiten allein die Syndrome, die nur eine einzige Ursache für ihre Entstehung aufweisen. Klarer wird es an einem Beispiel: Eine Rippenfellentzündung ist erst mal ein Syndrom, denn sie kann zahlreiche Auslöser haben. Ist sie aber nachweisbar durch die Erreger der Tuberkulose verursacht, kann man sie als »Krankheit« bezeichnen. Diese strenge Unterscheidung wird natürlich im Alltag nicht gemacht. Der Name Fibromyalgie-Syndrom soll aber an dieser Stelle schon mal ganz klar aussagen, dass wir es hier sicher nicht mit einer einzigen Ursache zu tun haben, sondern dass es zahlreiche Auslöser gibt. Wir werden im weiteren Text mit den Begriffen abwechseln.

Die Einteilung rheumatischer Erkrankungen

Ganz kurz soll an dieser Stelle auf die Einteilung rheumatischer Erkrankungen eingegangen werden. Dabei lässt sich zeigen, was alles das Fibromyalgie-Syndrom nicht ist.

Die Rheuma-Erkrankungen werden in vier große Gruppen aufgeteilt:

entzündliche Erkrankungen der Gelenke, der Wirbelsäule und der Weichteile

degenerative, also verschleißbedingte Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen

sogenannte pararheumatische Erkrankungen

nicht entzündliche weichteilrheumatische Erkrankungen

Beim Fibromyalgie-Syndrom handelt es sich also nicht um eine entzündliche Erkrankung wie bei der chronischen Polyarthritis, der Bechterew’schen Erkrankung oder der Polymyalgia rheumatica.

Wir haben es auch nicht mit einer Verschleißerkrankung zu tun wie bei der Arthrose, die an den Gelenken auftritt, oder bei der Spondylose, die an der Wirbelsäule zu finden ist.

Pararheumatische Erkrankungen sind oft Folgen von Stoffwechselstörungen, die z. B. als Gicht an Gelenken oder Osteoporose und ihren Folgen an der Wirbelsäule auftreten können. Sie haben keine Verbindung zum Fibromyalgie-Syndrom.

Weichteilrheumatische Beschwerden treten häufig am Ellbogen auf (»Tennisellbogen«).

Quelle: Christine Lackner, Ittlingen

Allein die weichteilrheumatischen Erkrankungen zeigen Verwandtschaft zum Fibromyalgie-Syndrom. Zu ihnen gehören u. a. der Tennisellbogen, der aufgrund von Zugluft verspannte Nacken und die beim Heben schmerzhafte Schulter. Häufig treten in einer Gelenkgegend mehrere weichteilrheumatische Veränderungen zusammen auf, sodass man von einer Periarthropathie spricht. Dabei ist oft die Schulter unter Einbeziehung mehrerer Sehnen betroffen. Sehnen und Schleimbeutel, die die Sehnen schützen, werden gereizt, wenn aufgrund von Muskelverspannungen der Oberarmkopf gegen das Schulterdach gedrückt wird. Da Schmerz die Muskelverspannung fördert und die Muskelverspannung wiederum Schmerzen verstärkt, entsteht ein Teufelskreis, der sich nur durchbrechen lässt, wenn die Schmerzen oder die Verspannung von außen unterbrochen werden.

Weichteilrheumatische Beschwerdebilder sind z. B.:

Tennisellbogen

aufgrund von Zugluft verspannter Nacken

schmerzhafte Schulter beim Über-Kopf-Heben

Muskelverspannungen

Anna M.

Verkrampfungen im Kopf

Meiner Meinung nach sind Frauen deshalb anfälliger für Fibromyalgie als Männer, weil sie sich mehr Sorgen und Gedanken machen und Probleme bei sich anhäufen. Bei mir war es nicht anders.

Vor 17 Jahren nahm die Krankheit ihren Anfang. Ich bin sehr emotional, möchte den Dingen auf den Grund gehen und habe das große Bedürfnis, mich darüber auszutauschen. Mein Ehemann war eher das Gegenteil von mir. Dieses gegenseitige Schweigen fraß sich mir in die Seele, ich verkrampfte, meine Muskulatur verhärtete sich.

Nach ein paar Hürden gelang es uns dann, unseren Kinderwunsch zu realisieren, und unser erstes Kind, eine Tochter, wurde geboren. Ich glaubte, mein Ziel, die heile, intakte Familie, erreicht zu haben. Doch es war nicht so. Unser zweites Kind, ein Sohn, kam zur Welt. Über unsere Wünsche, Erwartungen, Sehnsüchte sprachen mein Mann und ich kaum. Diese Verkrampfungen im Kopf führten bei mir zu erheblichen Schulterverspannungen. Die Ärzte, die ich konsultierte, stellten bei mir nichts fest.

Dann besuchte ich vor rund sieben, acht Jahren eine Rheumaklinik, in der die Fibromyalgie bei mir diagnostiziert wurde. Nach all den Selbstzweifeln bezüglich meiner Krankheit, der Ablehnung durch die Umgebung und dem Unverständnis seitens der Ärzte fühlte ich mich hier wohl und gut aufgehoben. Die Behandlungen schlugen positiv an, und die guten Vorsätze waren auch wieder da. Doch ein Jahr später war der alte Zustand der Unentspanntheit abermals erreicht. Ich merkte, dass ich mich erneut für alles viel zu sehr verantwortlich fühlte, dass ich mich zu stark vor anderer Leute Karren spannen ließ und darüber mich und meine Bedürfnisse gänzlich vergaß.

Die Quittung für dieses Verhalten bekam ich bald: Mein Zustand verschlimmerte sich dramatisch, ich litt unter massiven Schlafstörungen, und die Schmerzen im Schulter-Nacken-Bereich, in den Armen, Händen, Oberschenkeln und im Po nahmen in unerträglicher Weise zu. Der Schmerz fühlte sich wie ein trockenes Brennen und unangenehmes Kribbeln an. Ich hatte das Gefühl, dass Körper, Geist und Seele nicht mehr im Einklang sind.

Bald schon merkte ich, dass ich besser schlafe, wenn ich mir nicht alles so zu Herzen nehme und mir weniger Sorgen mache. Die Probleme sollten die Dimension behalten, die sie tatsächlich haben. Ich neige dazu, sie noch größer zu machen, als sie sind. Vor Kurzem erzählte ich einer Psychologin meine Geschichte, und allein das hat mir schon geholfen, wieder freier und entspannter zu werden.

Mit den Jahren habe ich gelernt, besser auf mich zu hören, auf die Signale meines Körpers zu achten, nicht jedes Problem anzunehmen, das mir über den Weg läuft, und auch einmal Nein zu sagen. Die Schmerzen wurden weniger, waren aber nach wie vor da. Ich bin, wie ich finde, auf einem sehr guten Weg und schon viel weiter als noch vor ein paar Jahren.«

Ein wenig Anatomie

Patientinnen mit Fibromyalgie verspüren ihre Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule und der Gelenke. Sie sind oft verunsichert, wenn der Arzt ihnen erklärt, dass sie kein Gelenkleiden und auch keine Wirbelsäulenerkrankung haben, obwohl sie vielleicht schon früher auf diese Diagnosen hin behandelt wurden.

Der einfachste Weg, hier Klarheit zu schaffen, ist die nähere Betrachtung der Gelenke und der sie umgebenden Gewebe (an der Wirbelsäule sehen die anatomischen Strukturen ähnlich aus):

Ein Gelenk besteht immer aus zwei Knochenenden, die beweglich miteinander verbunden sind. Damit der Knochenkontakt schonend erfolgt, sind die Knochenenden mit Knorpel überzogen. Zwischen den beiden Knorpelanteilen befindet sich etwas Gelenkflüssigkeit, die den Reibungsverlust als »Gelenkschmiere« vermindert und zusätzlich den Gelenkknorpel ernährt. Das Gelenk ist zu seinem Schutz manschettenartig von der Gelenkkapsel umgeben. Ihre Innenseite ist von der Gelenkinnenhaut ausgekleidet, die die Gelenkflüssigkeit produziert. Damit das Gelenk sowohl seine Bewegungsfunktion erfüllen als auch Stabilität gewährleisten kann, ist es von Muskeln und Bändern umgeben. Die Muskeln setzen nicht direkt am Knochen an, sondern enden an beiden Seiten in Sehnen.

Das Kniegelenk von vorn

Quelle: Christine Lackner, Ittlingen

Gelenke existieren nicht nur an Armen, Beinen und im Kiefer, sondern u. a. auch zwischen den einzelnen Wirbelkörpern und zwischen den kleinen Wirbelgelenken, zwischen Wirbelsäule und Rippen, zwischen Brustbein und Rippen und Schlüsselbeinen sowie zwischen Wirbelsäule und Becken (Kreuz-Darmbein-Gelenk).

Sehnen haben die Aufgabe, die Bewegung der Muskeln auf die Knochen zu übertragen, ohne sich selbst wie die Muskeln in der Länge zu verändern. An der Stelle, an der die Sehnen in den Knochen übergehen, sind sie wie ein Seilende aufgefasert und mit den einzelnen Fasern im Knochen verankert. Diese Stellen sind besonderer Belastung ausgesetzt.

Jede länger bestehende Muskelverspannung belastet die zugehörigen Sehnen, und eine Sehnenreizung irritiert auch die entsprechende Muskulatur. Meist sind die Muskelverspannungen auf einen Körperabschnitt begrenzt, doch können bei Weiterleitung der Verspannung wie bei einer Kettenreaktion weitere Muskel-Sehnen-Einheiten und so ein ganzer Arm oder ein ganzes Bein betroffen sein.

Folgen von Muskelverspannungen

Muskelverspannungen bewirken einen Dauerzug an ihren Sehnenenden, insbesondere an den Stellen, an denen die Sehne in den Knochen übergeht. Da die Schmerzen in die Umgebung ausstrahlen und die Sehnenansätze in der Regel sehr nah an den Gelenken liegen, wird verständlich, dass Betroffene und Ärzte bei von der Fibromyalgie verursachten Beschwerden manchmal zuerst an eine Gelenk- oder eine Wirbelsäulenerkrankung denken.

Auch an der Wirbelsäule finden sich zahlreiche Muskeln, meist sogar in mehreren Schichten übereinander. Bei Überlastung – gleich welcher Art – kommt es zur Muskelverspannung und in der Folge auch zu Schmerzen an Sehnenansätzen im Bereich der Wirbelsäule, des Beckens und des Hinterkopfes.

Eine Krankheit kommt auf leisen Sohlen

Im Gegensatz zu anderen Krankheitsbildern, die eindeutig zu diagnostizieren sind, fällt es bei der Fibromyalgie oft schwer, sie genau festzustellen.

Für Betroffene bedeutet die Suche nach den Ursachen für ihre Krankheit einen meist entmutigenden Gang durch zahlreiche Arztpraxen. Darunter leidet auch das Selbstbewusstsein. Denn wer ist schon gerne krank ohne nachweisbare medizinische Symptome?

Schmerz ist der Name der Fibromyalgie, der Schatten, der die Betroffenen begleitet, lange, oft dauerhaft. Die Erkrankung kommt vorsichtig und leise, wie ein Dieb in der Nacht: ab und zu Rückenschmerzen, dann die Schulter, schließlich folgt der ganze Arm. Wenn körperliche und psychische Erschöpfung zusammentreffen, erkennen sich die Frauen selbst nicht mehr, reagieren oft mit Appellen an sich selbst wie, sich zusammenzureißen, sich nicht so anzustellen. Sie zeigen keine Schwäche – und wenn doch, sind sie sehr sensibel, wenn Krafteinbußen nach außen auffallen, »wo du doch so gut und gesund aussiehst«.

Das Fatale ist, dass Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule und Gelenke, Bandscheibenerkrankungen auch bei Fibromyalgie-Betroffenen auftreten. Sie werden auf Röntgenbildern und mit anderen bildgebenden Verfahren entdeckt, die im Rahmen der Schmerzabklärung durchgeführt werden. Somit scheint die Diagnose »Arthrose« oder »Bandscheibenvorfall« klar zu sein. Das Hauptproblem wird jedoch lange Zeit nicht diagnostiziert. Warum auch, ein vermeintlicher Übeltäter ist ja gefunden. Die Betroffenen, die mit Recht für ihre im Vordergrund stehenden ausgedehnten Beschwerden eine Erklärung und Hilfe suchen, dehnen ihre Suche aus und irren oft über Jahre umher.

Manchmal bedrückt noch mehr als die Schmerzen die eigene Veränderung, die sich die Fibromyalgie-Betroffenen nicht erklären können. Wie kann es geschehen, dass sie, die einst perfekt Haushalt, Beruf und Familie gemanagt haben, nun nicht mal mehr einfache Alltagsverrichtungen auf die Reihe bekommen. Sie fassen es nicht, dass sie, die alles gut im Griff hatten, jetzt die eigene Tasse nicht mehr halten können und diese auf dem Fußboden zerschellt. Hier geht nicht nur Porzellan, sondern auch Selbstvertrauen und Lebensmut zu Bruch.

Dann die vielen anderen Veränderungen, die Sensibilität nicht nur auf Worte und spitze Fragen, sondern auch auf Lärm, Gerüche und Hektik. Auch der Magen und Darm, die Blase und die Augen sind gereizt, nervöse Herzbeschwerden, Spannungskopfschmerzen und Wetterfühligkeit kommen hinzu.

Charlotte S.

Viereinhalb Jahre nur Schmerzen

Seit 2012 plagten mich unerklärliche Schmerzen in den Armen und in den Handgelenken. Ich konnte nichts Schweres mehr heben, und mitunter glitten mir auch Gegenstände aus den Händen. Mein Hausarzt verschrieb mir wegen eines unerkannten Zeckenbisses zunächst Antibiotika.

Im selben Jahr trat ich eine orthopädische Reha-Behandlung an, die mir Erleichterung brachte, sodass ich wieder arbeiten gehen konnte. Ich glaubte, das Schlimmste überwunden zu haben: Die Schmerzen waren zwar nicht ganz weg, schränkten mich aber nicht in einem solchen Maß ein wie zuvor.

Das Jahr 2013 belehrte mich eines Besseren: Zu den vorhandenen Schmerzen kamen noch Schmerzen im Schulter-Nacken-Bereich sowie in den Knie- und Fußgelenken. Ich suchte wieder meinen Hausarzt auf, der mich in physiotherapeutische Behandlung schickte und mir eine Wärmebehandlung verordnete. Die Wärme tat mir gut und linderte die Schmerzen.

Mitte 2015 gab es einen neuen Schub, und ich hatte nun auch Muskelschmerzen in den Oberschenkeln und in den Waden. Die Kälte der Wintermonate führte dazu, dass ich arbeitsunfähig wurde.

Im Februar 2016 äußerte mein Hausarzt zum ersten Mal den Verdacht, dass ich unter einem Fibromyalgie-Syndrom (FMS) leiden könnte. Ich stellte einen Reha-Antrag und reiste nach Bad Pyrmont. Anfang Juli wurde dort Fibromyalgie bei mir diagnostiziert. Mir fiel ein Stein vom Herzen, denn nun wusste ich endlich, was mich all die Jahre geplagt hatte.

Das Beschwerdebild der Fibromyalgie

Schmerzen stehen im Vordergrund des Fibromyalgie-Syndroms. Doch kommen zahlreiche Schlafstörungen, Müdigkeit und vielfältige Organbeschwerden hinzu.

Am Morgen wurde sie gefragt, wie sie geschlafen habe. »Oh, schrecklich schlecht!«, sagte die Prinzessin. »Ich habe meine Augen die ganze Nacht nicht geschlossen! Gott weiß, was das im Bette gewesen ist. Aber auch nicht eine Minute habe ich schlafen können. Ich habe auf etwas Hartem gelegen, sodass ich braun und blau über meinen ganzen Körper bin! Es ist ganz entsetzlich!« … So empfindlich konnte niemand sein außer einer wirklichen Prinzessin.

Echte Prinzessinnen sind seit den Tagen des großen Erzählers Hans-Christian Andersen selten geworden, wohingegen vielfältige Schmerzen am ganzen Körper, verbunden mit quälenden Schlafstörungen, in den meisten Arztpraxen keine Seltenheit darstellen.

Schmerzen am ganzen Körper

Im Vordergrund der Beschwerden bei Fibromyalgie stehen Schmerzen, die meistens an einer oder wenigen Stellen beginnen und sich im Laufe von Jahren über den gesamten Bewegungsapparat ausbreiten können.

Die Wirbelsäule ist häufig zuerst betroffen, oft im Bereich des Kreuzes mit Ausstrahlung in das Gesäß, die seitlichen Hüften und manchmal bis ins Knie. Ähnlich häufig beginnen die Beschwerden im Nacken, ziehen schmerzhaft in den Hinterkopf, manchmal auch in die Schultern, später in die Ellbogen und Hände. Auch die Kiefermuskeln können betroffen sein. Hier kommt es aufgrund der Verspannung der Kaumuskulatur zu nächtlichem Zähneknirschen mit großer Belastung für die Kiefergelenke und Zähne. Schmerzen in der Brustbeinregion können im Rahmen der Fibromyalgie bei den Betroffenen Herzangst hervorrufen. Manche Patienten haben starke Schmerzen in den Finger- und Zehengelenken und die Ärzte denken nicht selten an ein beginnendes Gelenkrheuma. Bei jeder Erkrankten ist der Verlauf