Fixhalleluja & Sacklzement - Philipp Nadler - E-Book

Fixhalleluja & Sacklzement E-Book

Philipp Nadler

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Beschreibung

Im Zick-Zack auf Mörderjagd durch das bayerisch-fränkische Altmühltal – Kommissar Dörfler ermittelt in seinem zweiten Mordfall! „Fixhalleluja“, flucht der Eichstätter Hauptkommissar, als eine Frau während ihrer eigenen Hochzeit in der Suffersheimer Kirche vor seinen Augen erschossen wird. Und noch schlimmer: Auf der Verfolgungsjagd nach dem Täter fällt Dörfler kurz darauf in Ohnmacht. Er erinnert sich nur noch in Bruchstücken an den Schützen und dessen Aussagen, doch nach und nach kann er die Gedächtnislücken schließen. Ein heißer Ritt durch das idyllische Altmühltal erwartet das ungleiche Eichstätter Ermittlerteam.

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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Fixhalleluja & Sacklzement

Philipp Nadler wurde 1995 in Kösching in Oberbayern geboren. Heute lebt er als stolzer Vater eines Sohnes gemeinsam mit seiner Frau, einer gebürtigen Mittelfränkin, im Eichstätter Almtühltal. Als freiberuflicher Schriftsteller schreibt der studierte Sportmanager und im echten Leben als Web-Analyst arbeitende Nadler den Altmühltal Krimi, in welchem er seiner Leidenschaft für Kriminalgeschichten nachgehen kann. Ein großes Thema in seinen Büchern ist das humorvolle, dialektale Spannungsfeld zwischen Oberbayern und Mittelfranken, welches er selbst im Alltag erleben darf.

Mehr Infos zum Autor finden Sie unter www.philippnadler.de.

Es handelt sich bei diesem Buch um einen Roman. Sämtliche Handlungen und Personen sind frei erfunden, Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig.

Philipp Nadler

Fixhalleluja & Sacklzement

Ein Altmühltal Krimi

Dörflers zweiter Fall

© 2024 Philipp Nadler

Umschlaggestaltung und Umschlagmotiv: Grafikstudio Richter

Druck und Distribution im Auftrag des Autors/der Autorin: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland

ISBN

 

Paperback

978-3-384-03119-8

Hardcover

978-3-384-03120-4

e-Book

978-3-384-03121-1

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

Für meinen lieben Sohn

Inhaltsverzeichnis

Cover

Halbe Titelseite

Titelblatt

Urheberrechte

Widmung

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

KAPITEL 17

KAPITEL 18

KAPITEL 19

KAPITEL 20

KAPITEL 21

KAPITEL 22

KAPITEL 23

KAPITEL 24

KAPITEL 25

KAPITEL 26

KAPITEL 27

KAPITEL 28

KAPITEL 29

KAPITEL 30

KAPITEL 31

KAPITEL 32

DANKSAGUNG

KOMMISSAR DÖRFLERS KRIMINALFÄLLE

Fixhalleluja & Sacklzement

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

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KAPITEL 1

KOMMISSAR DÖRFLERS KRIMINALFÄLLE

Fixhalleluja & Sacklzement

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KAPITEL 1

Nun war es also so weit. Es war einer dieser Tage, den Frank Dörfler definitiv nicht herbeigesehnt hatte. Ganz im Gegenteil. Vor gut einem halben Jahr hatte ihn seine Verlobte Rebecca bereits darauf hingewiesen, dass er sich diesen Samstag im Mai freihalten müsste. Und doch musste sie ihn eine Woche vor diesem Termin erneut daran erinnern, da er ihn inzwischen längst vergessen, oder wohl eher: verdrängt hatte. Hinzu kam ein kleiner Streit, in welchem Dörfler nicht sonderlich amüsiert darüber war, dass er für diese Veranstaltung das letzte Saisonspiel seines geliebten SV Hausdorfs absagen musste. Sie konnten an diesem Tag aufsteigen und er konnte nicht dabei sein, weil er auf die Hochzeit einer Schulfreundin seiner Verlobten gehen musste. Einige Tage lang hing der Haussegen im Dörflerschen Heim in Eichzell gewaltig schief, doch irgendwann gab er nach. Und er gab seiner Rebecca ja irgendwo auch Recht: Wenn man vor über einem halben Jahr für solch einen Tag zugesagt hatte, dann sollte man eben zu diesem erscheinen. Arschlochhaft, so hatte es Rebecca bezeichnet, wäre es gewesen, wenn er seinen Boykott durchgezogen und aufgrund seines Fußballspiels ein paar Tage vor der Hochzeit von Jörg und Alexandra doch noch abgesagt hätte.

So stand er nun eben hier. Angezogen in einem dunkelgrauen Anzug, den ihm Rebecca gekauft hatte, damit er nicht »wie der letzte Penner« daherkommen würde. Sein alter Anzug hätte seiner Meinung nach noch wunderbar gepasst, er hatte sich diesen vor einigen Jahren zum Abiturball gekauft. Da er seit dieser Zeit kaum zugenommen hatte und den Anzug zudem sehr selten nutzte, sah Dörfler lange Zeit nicht die Notwendigkeit einer neuen Garderobe. Rebecca hatte allerdings drei Tage vor der Hochzeit ohne sein Wissen diesen Anzug eingekauft – und jetzt, wo dieser schon einmal da war, zog er ihn eben an. Rebecca zuliebe.

Sie waren innerhalb von zwanzig Minuten angereist, da Rebeccas Schulfreundin Alexandra Wörnhöfer ihren baldigen Mann Jörg Zulechner in ihrer Heimat heiraten wollte. Das baldige Ehepaar wohnte zuletzt in Eichstätt, doch die Hochzeit sollte in einem Örtchen zwischen Eichstätt und Weißenburg, genauer gesagt in Suffersheim stattfinden, da die beiden dort ihr gemeinsames Haus bauten und es zudem Alexandras Heimatort war. Dieses verschlafene, aber idyllisch gelegene Dorf hatte zweifelsohne an diesem frühsommerlichen Tag einen besonderen Charme: Der Schambach schlängelte sich durch die schmalen Straßen und Brücken umrundeten das Bild malerisch. An und für sich ein guter Tag für eine romantische Hochzeit, doch Dörfler war mit seinen Gedanken bei seinen Kumpels. 13.00 Uhr, Dörfler schaute vor der Kirche auf das große Zeiteisen.

»Etz werden sich die anderen gerade warmmachen«, wies Dörfler seine Verlobte darauf hin, dass er in diesem Moment durchaus gerne bei seinen Teamkameraden gewesen wäre.

»Bärli, bitte fang ned scho wieder mit dem Thema an. Die schaffen es sicher auch ohne dich, das eine Spiel. Und so viele Tore hast du in letzter Zeit auch ned geschossen.«

»Aber vorgelegt, das zählt ja wohl auch was!«, wand Dörfler ein.

»Schluss damit.«

»Wenn wir gewinnen und die auf Rang zwei verlieren, dann sind wir aufgestiegen. Wir könnten ja zumindest nach der Kirche in dem Fall nach Hausdorf fahren, den Aufstieg kurz mitbejubeln.«

»Frank Dörfler!«, Rebeccas Miene verfinsterte sich, »wir sind heute hier, um gemeinsam mit Alex und Jörg den schönsten Tag ihres Lebens zu begehen. Ich will von dem Fußball nix mehr hören die nächsten Stunden! Du willst ja wohl auch ned, dass sowas jemand auf unserer Hochzeit irgendwann mal macht.«

Oha, da hatte Rebecca zwei wunde Punkte beim Eichstätter Hauptkommissar erwischt. Zum einen würde er es tatsächlich komisch finden, wenn jemand aus solchen Gründen auf seiner eigenen Hochzeit absagen würde. Zum anderen betonte sie in ihrem Satz das Wörtchen irgendwann so sehr, dass Dörfler durchaus schnell verstand, was sie damit meinte. Nach seinem Antrag im letzten November war hochzeitstechnisch bei Rebecca und ihm nicht mehr viel passiert: Rebecca war Feuer und Flamme, schnell in die Planungen einzusteigen, doch Dörfler schob das Thema immer wieder nach hinten. Immerhin hatte er nach dem Ölkesselmord vor einigen Monaten alle Hände in der Nachbereitung zu tun und wollte hochkonzentriert arbeiten. Aber ja, Rebecca hatte sicherlich Recht. Irgendwann müssten sie tatsächlich Nägel mit Köpfen machen. Jedenfalls hatte er ihr zuletzt versprochen, dass sie in der kommenden Woche das Thema angreifen könnten: Dörfler hatte Urlaub und damit in der Theorie genug Zeit, loszulegen. In der Praxis allerdings war er sich da noch nicht so sicher, etwas Erholung würde ihm nach diesen stressigen Zeiten gut zu Gesicht stehen.

»Des sind ja lauter Franken da«, flüsterte Dörfler seiner Verlobten zu, als die beiden auf dem Weg in die St. Michael-Kirche waren.

»Pscht«, schüttelte sie den Kopf, »spar dir dein Gschmarri für später auf. Und freilich sind hier viele Franken auf der Feier, was hast du denn gedacht? Zwei Franken heiraten in Franken, da kann es schon einmal vorkommen, dass die Oberbayern in der Unterzahl sind.«

Auch wieder wahr, dachte sich Dörfler. Sie gingen über eine kleine Brücke über den Schambach, passierten zwei kleinere Gässchen mit vielen alten Handwerkerhäusern und gelangten zur evangelischen Kirche St. Michael. Dörfler war kein großer Fan von Kirchen, ganz unabhängig zu welchen Anlässen, weshalb sich seine Vorfreude in Grenzen hielt. Vor allem Trauungen hielt er in den Gotteshäusern für nicht allzu persönlich und für seinen Geschmack zu sehr gottfixiert, seiner Meinung nach sollten doch an solch einem Tag die beiden Protagonisten im Mittelpunkt stehen. Er würde mit Rebecca daher eine freie Trauung feiern, da waren sich die beiden einig.

»Warum is das Ganze überhaupt an einem Sonntag? Is sowas normal ned freitags oder samstags?«, hakte Dörfler nach.

»Da hast sogar mal Recht, Bärli«, schien Rebecca ihm vorerst für seine Bemerkungen zuvor verziehen zu haben, »aber die Alex und der Jörg haben das so mit dem Pfarrer ausgemacht. Dann fällt ihre Hochzeit auf den Hochzeitstag von Alexandras Eltern – romantisch, oder?«

»Mhm«, schnaufte Dörfler und ging seiner Verlobten langsamen Schrittes hinterher. Vor der Kirche trafen sie einige Schulfreundinnen Rebeccas, von denen Dörfler nur eine Handvoll kannte. Diese hatten größtenteils ihre Partner dabei, es wurde haufenweise Smalltalk geführt über alte Zeiten in der Schule, wer es zu was geschafft hatte in den letzten zehn Jahren, wer inzwischen schon Kinder hatte und wer nach Australien ausgewandert war. Dörfler war kein großer Freund von so einem Gelalle, wie er es immerzu bezeichnete. Er machte gute Miene zum für ihn bösen Spiel und nickte freundlich, lachte bei den Witzen artig mit – obwohl er mit all diesen Leuten kaum etwas zu schaffen hatte und auch seine Verlobte diese über Jahre nicht mehr gesehen hatte.

Nach einer gefühlten Ewigkeit verließ die bunt gemischte Gruppe den Vorplatz und marschierte in die Kirche ein. Sie war festlich geschmückt, die Bänke waren mit Blümchen und Schleifchen verziert. Sie setzten sich neben eine Freundin von Rebecca und warteten darauf, dass es in wenigen Momenten losgehen würde. Hatte Dörfler sein Handy auf lautlos geschaltet? Er war sich ziemlich sicher.

»Immer dieses Halleluja, das nervt mich etz scho«, raunzte Dörfler zu Rebecca hinüber, als der Gottesdienst mit einem Lied begann, dass die Gemeinde gemeinsam trällerte.

»Und kannst bitte deinen Freundinnen hinter dir sagen, dass sie weder Janis Joplin noch Rihanna sind«, flüsterte er hinterher, »die singen so schief, dass sich die Balken biegen. Ich kann auch ned singen, aber ich halt zumindest meinen Rand und schone die Gehörgänge der anderen.«

Er sah zu Rebecca hinüber und sah sie kopfschüttelnd lachen. Er wusste genau, dass sie exakt gleich darüber dachte. Doch er beließ es dabei.

Der Pfarrer hielt eine Rede über die Liebe zu Gott, die Alexandra und Jörg bald verbinden würde. Über die unbefleckte Empfängnis der heiligen Mutter Maria und darüber, dass Josef ihr trotzdem blind vertraute. Je länger der Pastor sprach, umso mehr sank das Interesse Dörflers. Der Theologe gab sich zwar alle Mühe, das musste Dörfler anerkennen, um den Gottesdienst interaktiv und lebendig zu gestalten, doch irgendwie konnte der Kommissar sich nicht auf die Predigt konzentrieren. Er merkte zudem, wie sich in ihm die Müdigkeit immer mehr breitmachte. Wenigstens konnte er im Gotteshaus für einen Moment die Augen schließen, das würde keinem auffallen. Im Zweifel könnte er sagen, dass er in sich gekehrt war und gebetet hatte oder etwas dergleichen. Es würde bestimmt niemand merken, wenn er einen kurzen Powernap einlegen würde.

KAPITEL 2

»TOOOR«, riss es Dörfler aus seinen Träumen. Zefix, ist er gerade tatsächlich eingeschlafen? Und war das wirklich sein Handy, welches dieses Geräusch mitten in der Rede des Pfarrers von sich gab? Er bemerkte, wie sich eine gehörige Portion Aufmerksamkeit auf ihn richtete, allerdings nicht von Begeisterung getrieben. Er mied den Blick in die Runde und tat so, als wäre nichts passiert. Angestrengt richtete er seine Augen nach vorne zum Pastor, um den Reaktionen der Hochzeitsgäste zu entkommen. Doch als auch dieser ihm einen fragwürdigen und leicht bösartigen Gesichtsausdruck zuwarf, wurde ihm bewusst, dass er Schuld an der Misere hatte.

»‘Tschuldigung, ich hab das Handy neu!«, flüsterte er in die Kirchengemeinde und freute sich darüber, als der Pfarrer nach einem kurzen »Bassd scho. Wer frei von Fehlern ist, der werfe den ersten Stein!« mit seiner Ansprache fortfuhr. Er hatte sich das Smartphone tatsächlich erst vor ein paar Tagen gekauft und war mit ihm noch nicht hundertprozentig vertraut. Anscheinend hatte er eine falsche Einstellung aktiviert – er bemerkte, als er das Handy aus seiner Hosentasche zog, dass er das Gerät nicht lautlos gestellt, sondern nur die Taschenlampe angeschaltet hatte. Dieses Malheur korrigierte er sofort, nicht, dass er erneut auffallen würde. Immerhin führten seine Kollegen vom SV Hausdorf im vielleicht entscheidenden Spiel um den Aufstieg mit 1:0, der Torschrei war somit zumindest positiv. Er ballte die rechte Faust und warf Rebecca eine Jubelpose unter der Bank entgegen, sie reagierte allerdings nicht darauf. Wahrscheinlich war sie ihm ob seines Missgeschicks etwas beleidigt.

»So kommen wir nun zu dem Moment, auf den wir alle gewartet haben. Liebe Freunde und Bekannte von Alexandra und Jörg, liebe Familie. Die beiden sind heute hier, um sich das Ja-Wort zu geben. Sie wollen das Wunder der Ehe gemeinsam vollbringen und stehen mit Freude an diesem Altar, Halleluja!«, begann der Pfarrer mit seinem Trauspruch, den er – wie fast alles, so kam es zumindest Dörfler vor – mit einem energischen Halleluja abrundete, welches die Gemeinde nur teilweise erwiderte.

»Was von Gott gebunden, soll der Mensch nicht trennen, seid euch dessen bewusst. So frage ich jetzt dich, den hier anwesenden Jörg Zulechner, willst du die liebe Alexandra Wörnhöfer zu deiner rechtmäßigen Frau nehmen, sie lieben und ehren, in guten wie in schlechten Zeiten? So antworte mit: Ja, mit Gottes Hilfe, halleluja!«

Zulechner antwortete mit dem ihm empfohlenen Satz, woraufhin der Pfarrer die Gemeinde erneut zu einem Halleluja animierte.

»Und wie ist es bei dir, liebe Alexandra, willst du den hier anwesenden Jörg Zulechner zu deinem Ehemann nehmen, ihn lieben und ehren an allen Tagen? So antworte auch du: Ja, mit Gottes Hilfe, halleluja!«

»Ja, mit Gottes Hilfe!«, sagte sie mit Tränen in den Augen. Der Pfarrer wollte bereits zu seinem Lieblingswort Halleluja ansetzen, da tat es einen lauten Knall. Von oben fiel ein Schuss, welcher die soeben vor Gott verheiratete Alexandra Zulechner von hinten in den Oberkörper traf. Die Braut fiel postwendend regungslos um. Dörfler dachte zuerst, dass er sich das alles nur eingebildet hatte – immerhin war er aufgrund seines Nickerchens zuvor noch leicht schläfrig. Doch nein, sein Blick auf die zusammengesackte Alexandra Zulechner und die Gäste, die langsam – wie er selbst auch – registrierten, was da gerade passiert war, ließen ihn verstehen, dass der Schuss auf die Braut keine Fantasie seinerseits, sondern bitterer Ernst war.

»Fixhalleluja, stehenbleiben da oben, Polizei!«, schrie Dörfler in Richtung der Empore, von welcher aus der Schuss kam. Natürlich, seinen Fluch hätte er sich sparen können, doch das war ihm in diesem Moment egal. Er quetschte sich an den entsetzten Gästen in seiner Bankreihe vorbei und rannte so schnell er konnte die Empore hinauf. Zum Glück war er in der letzten Reihe der Kirche, sodass er kaum an anderen Personen vorbeimusste. Er hörte, wie sich dort oben etwas bewegte, denn der Boden knarzte. Dieses Geräusch konnte er vernehmen, obwohl die Kirchengemeinde inzwischen in Panik versetzt und schreiend die St. Michael-Kirche zu verlassen begann. Kurz schaute er zurück und hoffte inständig, dass der Schütze Alexandra Zulechner nicht lebensbedrohlich verletzt hatte – doch er konnte es von seiner Position aus nicht erkennen.

Seine Pistole hatte Dörfler zu Hause gelassen – wer konnte auch davon ausgehen, dass die Braut an ihrer eigenen Hochzeit angeschossen werden würde. Sollte er den Schützen finden, so wäre er unbewaffnet. Doch dieses Risiko musste er nun eingehen. So könnte er den Täter auf frischer Tat ertappen.

Nachdem er die Treppen hinter sich gelassen hatte, stand er auf der Empore und schaute sich um. Wohin war der Täter verschwunden? Auf den ersten Blick konnte er nicht erkennen, wo es einen Ausweg geben würde. Doch irgendwo musste sich eine versteckte Tür oder etwas Ähnliches befinden, durch welche der Schütze verschwinden konnte. Nach einigen Sekunden wurde Dörfler fündig: Hinter der riesigen Orgel, welche einen großen Teil der Empore einnahm, versteckte sich ein unscheinbarer Griff auf einer noch unscheinbareren hölzernen Türe, die der Hauptkommissar sofort öffnete. Es knarzte laut, als er dies tat – das gleiche Geräusch, das er nur wenige Momente zuvor wahrgenommen hatte. Er musste auf dem richtigen Weg sein!

KAPITEL 3

Dörfler öffnete die alte Tür und schaute sich um: Er sah ein größeres, verschachteltes Plateau, das ziemlich alt und bereits mehrmals restauriert schien. Er lenkte seine ganze Aufmerksamkeit auf Geräusche, um die Schritte des Schützen identifizieren zu können. Doch dies gelang ihm bei der inzwischen aufkeimenden Lautstärke rund um die St. Michael-Kirche nicht. Also folgte der Hauptkommissar seinem Instinkt – vorbei an mehreren kleinen Bunkern, die durch noch kleinere Türen abgesichert waren. Er wusste nicht, wofür diese gut waren oder wofür man sie früher benutzt hatte. Links und rechts von ihm war es eng, ganz egal, in welche Richtung er sich bewegte. Er vernahm das Geräusch von hölzernen Stufen: Der Täter war ihm also voraus und verließ das unübersichtliche Plateau über die Treppen. Dörfler drehte sich wie ein Hund, der eine Fährte aufgenommen hat, in die Richtung des Geräusches und sah, wie eine mittelgroße Person aus seinem Blickfeld verschwand. Er hetzte direkt hinterher, quetschte sich durch die schmalen Gänge und fand die zuvor vernommene Treppe vor. Vorsichtig beugte er sich hinunter und versicherte sich, dass der Schütze nicht mit geladener Waffe auf ihn wartete. Als er diese Sicherheit hatte, rannte er die uralt scheinenden Stufen so schnell er konnte hinunter. Da die Treppe hinter der Kirche gebaut war, führte sie in einen großzügig angelegten Garten, der möglicherweise zum Pfarramt gehörte. Der Täter musste das gewusst haben – er umging somit die Aufregung auf der anderen Seite des Gotteshauses, wo sich aufgebrachte Menschen auf die Flucht begaben.

Diesen Vorsprung galt es nun einzuholen. Dörfler verließ die letzten Stufen und befand sich in einem großen Garten, in welchem verschiedene Obstbäume standen und zudem einige Gemüsearten angepflanzt waren. Mehrere steinerne Wege führten durch die riesige Anlage, doch für Dörfler sah dies alles nach einem unlösbaren Labyrinth aus. Er checkte die Lage ab und drehte sich erneut in alle möglichen Himmelsrichtungen, als er bereits weit hinter dem Garten einen Weg erblickte, auf den der Schütze just in diesem Moment einbog. Es handelte sich dabei um einen Feldweg, der in den nächstgelegenen Wald zu führen schien. Und dieser Wald ging bergaufwärts. Dörfler setzte sich also wieder in Bewegung, da er nun die richtige Richtung kannte. Er nahm keine Rücksicht mehr auf die Baum- und Pflanzenwelt des aufwendig angelegten Gartens und stürmte querfeldein durch die verschiedensten Beete hindurch. Solange, bis er ein kleines, hölzernes Gartentürchen erreicht hatte, das völlig aus der Zeit gefallen schien, setzte er seinen Dauerlauf durch das Gemüse fort.

Nachdem er das Tor und damit den Garten hinter sich lassen konnte, bemerkte er, dass seine Schritte schwerer wurden. Er hatte augenscheinlich einiges an Erde an seinen schönen, neuen Anzugschuhen haften, was ihn durchaus ein wenig in seiner Schnelligkeit bremste. Er erreichte nach einem kleinen Abschnitt auf dem Feldweg das Waldstück, in welches der Schütze vor einigen Minuten seine Flucht fortgesetzt hatte. Wie viel Zeit mochte dieser Vorsprung haben? Drei Minuten, fünf Minuten, oder gar noch mehr? Er wusste es nicht. Sein Gefühl für die Zeit hatte er bereits nach dem Schuss in der Kirche verloren.

Es handelte sich um einen relativ dicht bewachsenen Laubwald, der den kleinen Berg hinaufwuchs. Der Schütze konnte folglich in alle Richtungen abgebogen sein, da in kurzen Abständen immer wieder kleine Trampelpfade den Feldweg verließen. Wie gerne hätte er seinen Kollegen Günther Habmann in diesem Moment dabeigehabt – der Oldie in seinem Ermittlertrio war für seine Spürnase in solchen Fällen bekannt. Doch jetzt musste er es selbst lösen, ganz ohne die Hilfe seines Kollegen. Und er musste sich entscheiden, welchem der kleinen Trampelpfade er nun folgen wollte, denn zu seiner Unzufriedenheit musste er feststellen, dass der große Feldweg gemeinsam mit dem Wald ein Ende hatte.

Nach links oder nach rechts? Er kannte sich in dieser Gegend überhaupt nicht aus und musste daher seinem Instinkt folgen. Aus alten Studiumstagen erinnerte er sich an eine Methode, wie man aus solchen Situationen noch etwas herausholen könnte. Diese Methode besagte, dass man sich nach dem richten sollte, was man initial wahrnahm, man sollte seine Sinne schärfen und alles andere ausblenden. Und Dörfler nahm in diesem Moment ein Geräusch wahr, welches möglicherweise eine Straße sein könnte. Zwar etwas weiter weg, aber durchaus noch zu vernehmen. Wenn der Schütze also nicht die nächsten Kilometer zu Fuß oder mit einer Pferdekutsche flüchten wollte, so musste er fast zwangsweise in diese Richtung, um dementsprechend mit seinem Automobil über die nächste Landstraße abhauen zu können. Im schlimmsten Falle würde er die Bundesstraße nach Eichstätt oder nach Weißenburg nutzen. Sollte dies vor Dörflers Eintreffen geschehen, so würde er den Täter auf jeden Fall verlieren. Er beschleunigte also seinen Schritt und folgte dem Trampelpfad, der nach links und damit in Richtung Motorengeräusch führte. Dabei musste er allerlei Gehölz und alte Gartenabfälle, wie Reste von Baumschnitten oder Sträuchern, überspringen. Es gelang ihm trotz seiner dafür nicht ausgelegten Ausrüstung seines Erachtens nach ganz gut, auch wenn er immer mehr zu schwitzen begann. Der Anzug und das Hemd saugten sich fortwährend an seine Beine und an seinen Oberkörper. Hätte er sich nur – wie sonst zu jedem Anlass – seine sportliche Ankleide von seiner Verlobten nicht ausreden lassen.

Es wurde wieder stiller. War er doch auf dem falschen Weg, hatte er sich die Motorengeräusche nur eingebildet? Möglich. Genauso gut möglich war aber ebenso, dass diese Landstraße kaum befahren wurde und in diesen Minuten somit kein Verkehr lärmen konnte. Der Eichstätter Hauptkommissar ließ sich also nicht entmutigen und folgte dem Weg weiter, bis er Licht am Ende des Waldes aufblitzen sah. Und nicht nur das. Dort stand ebenfalls ein kleiner Wagen, der so aussah, als würde noch kein Insasse darin sein. War es überhaupt das Auto des Schützen? Theoretisch könnte an diesem Ort jeder Hundebesitzer parken, der gerade mit seinem Vierbeiner das Wandergebiet rund um Suffersheim durchstreifen wollte. Doch Dörfler hatte das komische Gefühl, dass dem nicht so war. Ganz im Gegenteil: Er war inzwischen der festen Ansicht, dass er auf der richtigen Spur war.

Nun war höchste Vorsicht geboten: Wenn das Auto dem Schützen gehörte, so musste dieser sich hier in den dichten Wäldern aufhalten und würde im schlimmsten Falle dem Kommissar auflauern. Dörfler war dies bewusst. Er verlangsamte alsbald sein Lauftempo und verschwand leisen Schrittes hinter einer Buche. Er musste nun sorgsam abwarten, was der Schütze als Nächstes tun würde. Hatte er ihn bereits gesehen, dann würde er sicher nicht sofort zu seinem Auto laufen, sondern die Flucht so lange unterbrechen, bis Dörfler wieder verschwunden wäre. Dieser Jemand wusste ja, dass es sich bei Dörfler um einen Polizisten handelte – er hatte dies lautstark in der Kirche kundgetan.

Er wartete einige Momente, die ihm wie Ewigkeiten vorkamen. Es war still. Totenstill. Niemand kam, niemand ging, nichts geschah. Sein Gefühl sagte ihm, dass da – irgendwo hinter einem anderen Baum – sein Widersacher warten würde.

WORKOUT BEENDET – DU HAST DEINEN BEWEGUNGSRING FÜR HEUTE GESCHLOSSEN!

Zefix, dachte sich Dörfler. Seine Smartwatch durchbrach die Ruhe mit einer in diesem Moment völlig kontraproduktiven Nachricht. Sein Handy hatte er auf lautlos gestellt, seine Smartwatch hatte er vergessen, mal wieder. Er hatte sie so selten an, nur zu besonderen Anlässen wie zu dieser Hochzeit, weshalb er wenig Ahnung hatte, wie man diese überhaupt bedienen sollte. Er fluchte leise in sich hinein und versuchte, das lästige Ding lautlos zu stellen, denn es sprach weiter von Tageszielen, Fitnessmetern und Pulsbereichen. Es gelang ihm nicht.

Mit einem Mal richtete sich Dörfler auf. Etwas bohrte sich schmerzhaft in seine Rückengegend. Eisig kalt, unförmig. Und doch wusste er sofort, was das war: Eine geladene Waffe. Die geladene Waffe, die soeben Alexandra Zulechner möglicherweise das Leben ausgehaucht hatte. War jetzt er an der Reihe?

KAPITEL 4

Er wollte sich gar nicht vorstellen, wie es wäre, jetzt zu sterben. Einige Extremsituationen hatte er in seinem beruflichen Leben bereits meistern müssen, eine solche allerdings noch nicht. Dabei war er doch mit seinen dreißig Jahren noch lange nicht am Ende, hatte noch so viel vor. Die Entscheidung lag nun aber nicht mehr in seiner Hand. Er hörte, wie sich die Person hinter ihm räusperte.

»Glückwunsch zum Schließen des Bewegungsrings, du Experte«, durchfuhr ihn eine düster klingende Stimme von hinten, die er nicht zuordnen konnte. Dörfler konnte noch nicht einmal sagen, ob es sich bei dieser rauen Stimme um eine Frau oder um einen Mann handelte.

»Ja mei. Was soll i machen, i bin Polizist und koa Elektronikhändler«, versuchte er cool zu bleiben. Seine souverän klingende Antwort überraschte ihn selbst. Doch dann haute ihm der Schütze mit voller Wucht die Waffe in den Rücken, sodass er nur noch schmerzvoll hecheln konnte.

»Du hältst etz die Goschn«, bekam er als Antwort von der mysteriösen Erscheinung zurück. »Wenn man als Bulle unbewaffnet eine Verfolgung nach einem potenziellen Mörder aufnimmt, dann ist das kein Pech, sondern einfach saudumm. Die Frage, die wir zwei Hübschen etzadla aber beantworten müssen, is gar ned so einfach.« Die Person machte eine rhetorische Pause. »Du stehst mir und meinem Vorhaben natürlich im Weg, das war so ned geplant. Folgendes Problem ergibt sich: Was tun mit dir Doldi? Es gibt zwei Möglichkeiten. Otion eins: Ich knall dich ab, um auf Nummer sicher zu gehen. Oder, Option zwei: Ich hau dir eins auf die Rübe, damit du eine Zeit lang gut schlafen kannst und nix von mir und meiner Flucht mitbekommst.« Der Schütze atmete tief durch, er schien mit sich zu ringen. Dörfler hatte es die Sprache verschlagen. Ihm fiel nichts ein, das er hätte entgegenbringen können. Der Monolog der Person, die nach wie vor die Waffe in den Rücken des Eichstätter Hauptkommissars drückte, setzte sich fort. »Auf der einen Seite kennst du meine Stimme. Die habe ich verstellt, seit ich mit dir sprech. Bringt dir also wenig bis nix.« Erneute Pause, Dörfler hoffte darauf, dass er halbwegs schadlos aus dieser Situation entkommen könnte. Er hörte weiterhin zu, doch er fühlte sich, als wäre er in Trance. »Und du hast da drüben mein Auto gesehen, samt Kennzeichen. Auch das bringt dir nix, da die Kiste geklaut ist und die Nummernschilder gefälscht. Also hast du nix gegen mich in der Hand. Ich tendiere zu Option zwei.« Die Person hüstelte kurz, schnaufte erneut tief durch. Dörfler wollte nur noch weg von hier, er wollte zu Rebecca, sagen, wie sehr er sie liebte. Ein Schauer nach dem anderen lief ihm über den Rücken, sein Leben wie ein Film an ihm vorbei. Was, wenn dieser Jemand sich doch für die erste Möglichkeit entscheiden würde?

»Vorteil dieser zweiten Option: Ich kann mir einen Mord sparen, das gibt ein paar Jahre weniger Fegefeuer«, lachte die Person triumphal, »denn ich hab ja noch drei Mördchen auf dem Plan.«

»Du Kranker willst noch drei andere Menschen umbringen?«, schoss es aus Dörfler heraus. Hätte er das tun sollen? Oder hätte er lieber weiterhin seinen Mund halten sollen, um seinen Widersacher nicht zu verärgern?

»Kranker? Ich könnte auch eine Kranke sein. Oder etwas Krankes. Wer weiß das schon in Zeiten der Diversität? So, genug geplaudert. Ich mache mich auf die Reise. Hab ja noch was anderes zu tun als so Möchtegern-Kommissaren beim Schließen ihrer Aktivitätsringe zu helfen. Ade!«

Dörfler zog es zusammen, als der Schütze aus der Kirche ihn losließ. Er sah in seinem Blickwinkel den Wagen des Täters, erkannte ein Weißenburger Kennzeichen. Doch Zeit, um sich diese Kombination aus Zahlen und Buchstaben einzuprägen, blieb nicht. Option zwei griff. Er verspürte nur einen Augenblick später einen kurzen, dumpfen Schlag auf dem Hinterkopf. Ein Gefühl der Ohnmacht überkam ihn.

»Wir sollten ihn langsam und mit Feingefühl aus seinem Zustand wecken«, sagte Rebecca ganz leise zu Günther Habmann, der inzwischen samt einiger Berufspolizisten und Leuten von der Spurensicherung am Ort des Geschehens eingetroffen war. Sie war zugleich die einzige, die sich als Nicht-Beamte in dem mit Polizei-Absperrband abgegrenzten Bereich des Waldes aufhalten durfte. Habmann war Mitte fünfzig, sein obligatorischer Schnauzbart war frisch rasiert, seine Glatze glänzte in der Sonne. Er und Dörfler kannten sich schon eine Ewigkeit. Habmann trug eine ausgewaschene Jeans und ein gelbes T-Shirt, dazu schwarze Halbschuhe. Er schaute zu Rebecca: Ihr Blick war schockiert, kleine Tränen kullerten ihre Wange herunter. Sie war besorgt um ihren Verlobten, der bewusstlos auf dem samtenen Boden des Laubwaldes lag.

»A ge, des werd’ma glei haben, Fräulein Biechele«, antwortete Habmann kurz und knackig, während er seine Wasserflasche öffnete und den eiskalten Inhalt mitten ins Gesicht seines Vorgesetzten schüttete. Dörfler sprang wie ein animiertes Erdmännchen nach oben und holte tief Luft. Er kam schnell wieder zu sich.

»Also du hast ein Feingefühl wie ein pubertierender Hund«, warf Rebecca dem lautstark lachenden Habmann entgegen.

»Des hält der scho aus. Eine saubere Erfrischung an so einem heißen Sommertag, noch dazu nach so einem Dauerlauf auf den Berg. Oder, Franky?«

»Ein Wasser willst du mir als eine Erfrischung verkaufen?«, entgegnete der Hauptkommissar. »Ein Weizen wäre recht. Wisst‘s scho, die Mineralstoffe und die Hefekulturen, die sind Gold wert für jeden Sportler.«

»Wenn du scho wieder an’s Bier denken kannst, dann geht es aufwärts«, lächelte seine Verlobte ihn an. Dörfler hatte in diesem Moment ein warmes Gefühl in sich. Rebecca gab ihm Halt und Rückendeckung, auch in dieser nicht besonders angenehmen Situation. Er sah sie einige Momente verliebt an, ehe Habmann den Blickkontakt der beiden auflöste.

»So, genug geturtelt«, die drei t in diesem Wort waren für den Mittelfranken eine hörbare Herausforderung, »etz wird die liebe Rebecca sich um ihre Schulfreundinnen kümmern, und die Kommissare nehmen langsam aber sicher ihre Arbeit auf.«

»Also Günther, ich lass mir doch ned sagen, wann ich…«

»Bassd scho, Spatzl«, beschwichtigte Dörfler seine Verlobte, »mir geht’s gut.«

»Wir haben Urlaub!«, pustete Rebecca ihm leicht beleidigt entgegen. Sie kannte die Antwort, die er ihr geben würde: Ein Mord hatte Vorrang. Immer. Vor allem. Das brachte sein Beruf nun mal mit sich, auch wenn seine Verlobte das nicht zu jeder Zeit begrüßte. Erst recht nicht im Urlaub, auf den sie sich so gefreut hatte, das war Dörfler durchaus bewusst. Diese freien Tage wären ganz im Zeichen der Planung des großen Events ihres Jahres gewesen: Ihre Hochzeit. Die ganz große Lust auf all diese Gedankenspiele hatte Dörfler ohnehin nicht. Nicht, dass ihm dieser Mordfall in dieser Hinsicht nun ganz gelegen kommen und dass er all diese Themen erneut verschieben können würde. Aber Rebecca würde ohne ihn und seine Grantlereien zweifelsfrei schneller in der Planung vorankommen.

»Chef, was hatte der für ein Kennzeichen?«, wollte Habmann wissen. Er schien auf Dörfler ungewohnt motiviert.

»Wild und gefährlich.«

»Hat die Bewusstlosigkeit bei dir doch ein paar Schrauben gelockert?«

»WUG. Weißenburg. Wild und gefährlich halt.« Dieses Wortspiel hatte Dörfler von seinem Vater übernommen.

»Ihr Oberbayern habt’s schon einen komischen Humor. Vor ein paar Minuten bezweckt der, dass es dich umhaut und du halb bewusstlos wirst. Und etz sprichst du über den wieder, als wäre er einfach nur zu schnell an einem Streifenwagen vorbeigefahren.«

»Günni, wie kommst du auf der? Wir wissen ned, ob es Männlein oder Weiblein war.«

»Das wirst du doch wohl gehört haben? Tiefe Stimme? Hohe Stimme? Chef, also ein bisserl musst du scho aufpassen bei solchen Sachen.«

»Wenn ich’s dir sag: Keine Ahnung. Die Stimme war verstellt.«

»Und der Körperbau? Über den kann man übrigens auch die Geschlechter unterscheiden, lieber Herr Hauptkommissar. G’scheider Arsch und Holz vor der Hütten?«

Dörfler schüttelte den Kopf. Nein, er konnte sich in diesem Moment überhaupt nicht festlegen, wen er da vor sich hatte. Er versuchte sich zwar, an die Statur und die Stimmlage des Schützen zu erinnern. Und wollte darüber hinaus dessen Laufstil zurück in sein Gedächtnis holen, aber es gelang ihm nur zu Teilen. Gedanklich ging er den Weg von Suffersheim aus der Kirche über den kleinen Wald bis hierher noch einmal durch: Dies hatte der junge Hauptkommissar alles anschaulich vor Augen. Auch die Bilder des Täters, die er in der Kirche, auf der Treppe und im Wald zusammenstopseln musste, wurden etwas klarer. Doch eine wirkliche Idee über das Geschlecht des Schützen kam nicht daraus hervor, was ihn maßlos ärgerte.

Gemeinsam mit Habmann lief Dörfler den Weg zurück in Richtung der St. Michael-Kirche. Ohne ein größeres Gespräch kamen sie am Tatort an, an welchem eine große Menge an schockierten Gästen sich außerhalb versammelt hatte. Einige Polizisten und Sanitäter waren im Einsatz, um die Anwesenden mit Getränken und Essen zu versorgen. Habmann hatte nach seiner Ankunft angeordnet, dass keiner das Areal rund um die Kirche verlassen dürfe: Die Personalien wurden Stück für Stück aufgenommen, damit ihnen niemand durch die Lappen gehen konnte. Eine Verbindung des Täters mit einem der Gäste könnte durchaus im Bereich des Möglichen liegen. Dementsprechend durften ebenjene die Szenerie nur in kleinen Schritten, nach Aufnahme der Personalie und einer kurzen Standardbefragung, bestehend aus »Wer sind Sie? Wie standen Sie zum Brautpaar? Ist Ihnen etwas Besonderes aufgefallen?«, wieder verlassen. Als die beiden Kommissare vor Ort eintrafen, sah Dörfler nach wie vor aus wie ein Marathonläufer, der seinen Sport in völlig falscher Montur ausgeübt hatte: In seinem brandneuen Anzug inklusive der teuren Lederschuhe kam er völlig verschwitzt und durch die kurze Bewusstlosigkeit wie eine Person aus dem völlig falschen Film daher. Zudem hatte er nach wie vor Kopfschmerzen nach seiner Ohnmacht, die durch die Hitze und die schwülen Temperaturen nicht besser wurde. Eine Cap hatte er ohnehin nicht dabei: Auch das war nicht von Nutzen für sein Wohlbefinden, da er in der Sonne sehr anfällig war. Trotzdem musste er seine Gedanken nun wieder in die Richtung des Falls richten und stapfte entschiedenen Schrittes zum Bräutigam hin, der geknickt auf einer Mauer unweit des Eingangs der Kirche saß. Um ihn herum standen einige ältere Damen und Herren, die höchstwahrscheinlich seine Eltern und Schwiegereltern sein mussten und ihm im Moment des Schocks Trost und Nähe spenden wollten. Dörfler deutete Habmann mit einer kleinen Kopfbewegung an, dass er ihm dorthin folgen sollte. Je näher sie der kleinen Personengruppe allerdings kamen, desto mulmiger wurde es Dörfler zu Mute: Feinfühligkeit war keine seiner Stärken, das hatte er bereits bei der Klärung des Ölmords im Winter merken müssen. Und nun musste er sich zwangsläufig mit dem Mann der Frau unterhalten, die vor gut eineinhalb Stunden während der eigenen Trauung mitten auf dem Altar abgeknallt wurde. Sie lag inzwischen im Krankenhaus in einem lebensbedrohlichen Zustand, der Täter auf freiem Fuß. Das Ergebnis: Trauer und Angst statt Freude und Feier. Und trotzdem gehörte genau das ebenso zu dem Job, den er sich herausgesucht hatte: Nicht nur das Ermitteln, die Spannung, die Teamarbeit und das Beweisen eines richtigen Riechers. Sondern auch die Kommunikation mit den Opfern und deren trauernden Familien. Habmann riss ihn aus seinen Gedanken: Sie standen inzwischen schon direkt vor der kleinen Gruppe.

»Herr Zulechner, lassen’S uns doch bitte kurz miteinander sprechen«, zog Habmann den Bräutigam aus der Menge heraus und schob ihn einige Meter davon weg, unter ein kleines Bäumchen, das ihnen während des Gesprächs etwas Schatten spenden sollte.

»Also Jörg«, nahm der immer noch bedröppelt wirkende Hauptkommissar die Unterhaltung in die eigene Hand, »des tut mir wirklich leid, was da heute passiert ist. Recht viel beschissener hätt der Tag ned laufen können. Aber du wirst dir denken können: Wir müssen uns auf die Jagd nach der Drecksau machen, die der Alexandra das angetan hat. Wie geht es ihr denn gerade? Gibt’s scho was Neues?«

Jörg Zulechner, der wie ein Häufchen Elend in seinem dunkelblauen Anzug an dem kleinen Bäumchen lehnte, wischte sich einige Tränen aus dem Gesicht. Der Mann war etwas kleiner als Dörfler, vielleicht 1,80 Meter groß. Er hatte mittellange, schwarze Haare und trug einen Vollbart. Mit einem Taschentuch beseitigte er die ein oder andere Träne aus dem Gesicht, das eine Designerbrille zierte. Dann räusperte er sich und wandte seinen Blick zu Dörfler: »Du merkst, wie schwer es mir gerade fällt, mich halbwegs zu beruhigen. Es hätte heute unser Tag werden sollen. Normalerweise wären wir gerade im Laubenthal beim Essen und würden auf uns anstoßen.«

Zulechner brach erneut in Tränen aus, während er auf sein Zeiteisen sah. Dörfler tat es ihm gleich: Schon fast 14.00 Uhr – er merkte, wie sein Magen das Knurren begann. Komisch, dachte er sich: Wie auf Knopfdruck begann sein Hunger sich Gehör zu verschaffen. Ja, er wäre jetzt auch lieber zu Tisch als verschwitzt im Zeugengespräch. Zulechner schniefte erneut in sein Taschentuch, dann fuhr er fort: »Also ich hab keinen neuen Stand seither bekommen, wie es ihr geht. Das lief alles so schnell ab: Zuerst der Schuss, dann schaute sie mir entgeistert in die Augen, fiel in sich zusammen. Schon ein paar Minuten später kam der Helikopter und man sagte mir, sie ist in Lebensgefahr. L-E-B-E-N-S-G-E-F-A-H-R, verstehst?«, schrie er schon fast wütend. »Das lief wie ein Film, wie ein Horrorfilm an mir vorbei. Und dann erzählen die mir, dass ich ned mit kann mit dem Heli, kannst dir das vorstellen? Stattdessen muss ich etz hier mit euch herumeiern, während es für meine Alexandra ums nackte Überleben geht.« Zulechner begann erneut zu weinen. Dörfler versuchte gar nicht erst, ihn zu trösten, da er sich nicht sicher war, ob er das überhaupt schaffen würde. Stattdessen wollte er die Befragung fortsetzen:

»Um dir und euch etz bestmöglich helfen zu können, brauchen wir leider deine sofortige Hilfe. Ich kann dir des ned ersparen. Wie du dir vorstellen kannst, brauchen wir Infos von dir. Ist dir heute irgendetwas Komisches aufgefallen? War Alex heute in irgendeiner Art und Weise anders? Gibt es Gäste, bei denen du dir vorstellen kannst, dass sie Alex lieber tot sehen würden? Denn – das sag ich dir in aller Offenheit – das Ziel dieser Aktion und dieses Schusses war ganz sicher eine Ermordung.«

»Heute war sie natürlich anders, aber wer ist das bei der eigenen Hochzeit nicht? Sie war nervös, freudig angespannt. Woher soll ich das denn wissen?«

»Also alles ganz normal bis hierher«, befand Habmann und gab Zulechner das Zeichen, dass er bitte fortfahren möchte.

»Wir haben uns halt gestern Abend und heute Früh ned gesehen, das ist ja so üblich in unseren Gegenden in Franken. Das wird bei euch in Oberbayern nix anderes sein, oder, Franky?«

»Bei denen ist so einiges anders«, funkte erneut Habmann dazwischen, »aber ein bisserl Zucht und Ordnung haben’s da drüben halt doch. Von daher kann ich hier genauso wenig etwas Ungewöhnliches herausfiltern. Wie war Ihre Frau denn drauf, als Sie sie heute Früh zum ersten Mal gesehen haben?«

»Wie gesagt: Freudig angespannt. Und etz lasst’s mich doch bitte wieder in Ruhe!«

»Keine Angst?«

»Wie soll ich das denn so genau unterscheiden?«, wollte Zulechner wissen. »Ich verstehe, dass ihr gerne von mir hören wollt, dass sie heute komisch war und irgendeine Vorahnung hatte. Das war aber nicht so. Ich kenn die Alex seit Jahren, sie war für ihre Verhältnisse aufgeregt. Aber sicher hatte sie nicht den Hauch einer Ahnung davon, was man ihr heute antun würde. Oder glaubt ihr, dass sie so blöd ist und trotz besseren Wissens dann die große Heldin spielt?« Zulechner brach erneut in Tränen aus.

»Nein, Jörg, das meinen wir nicht«, beschwichtigte Dörfler, »soweit haben wir dir aber folgen können. War trotzdem irgendwas heute ungewöhnlich? War einer der Gäste plötzlich weg? Oder gab es welche, die noch kurzfristig abgesagt haben?«

Zulechner nistelte in seiner Westentasche und holte sein Smartphone daraus hervor. Er daddelte eine Weile darin herum, ehe er anscheinend fündig wurde. Aus seinem Mailkonto öffnete er eine Excel-Datei und drehte dann sein Handy in Richtung der Kommissare. Er erklärte, nun in etwas ruhigerer Stimmlage, dass in dieser Datei eine Auflistung über alle Gäste zu sehen sei. Dörfler konnte trotz seiner akuten Kopfschmerzen folgen, Habmann allerdings hatte ohne seine Lesebrille sichtlich zu kämpfen, die kleinen Zahlen und Buchstaben auf dem Display zu erkennen. Zulechner zeigte dann auf drei Personen, die in den letzten Tagen spontan abgesagt hatten.

»Also ich brauch des auf meinem Tisch, sonst kann ich des ned sehen«, nörgelte schließlich Habmann. »Des is alles so klein, ich bin froh, wenn ich das Handy überhaupt erkenne. Schreiben’S uns doch bitte das alles zusammen – bitte mit allen Daten, die Sie zu den Leuten haben – und faxen es an 08421…«

»Günni, bitte im neuen Jahrtausend ankommen«, mahnte Dörfler kurz, »Faxen kann man vielleicht no im Museum. Oder in Franken.«

»Des neue Gschmarri braucht kein Mensch! Früher konnte man auch ohne des ganze Glump Fälle lösen. Außerdem ist Franken ein Land der Erfindungen und des Fortschritts. Was habt ihr in Oberbayern erfunden?«, reagierte Habmann gereizt auf die Stichelei seines Vorgesetzten.

»Das Reinheitsgebot.«

»Ja, und die Hälfte vom Hopfen für euer Reinheitsgebot holt ihr aus…«

»Schluss etz!«, unterbrach Dörfler die neuerliche Debatte ob des bedeutenderen Regierungsbezirkes, da er sah, dass Zulechner sich bereits abwinkend weggedreht hatte und sich auf den Weg zurück zu seinen Verwandten machte. Er hatte augenscheinlich die Nase voll von Dörflers und Habmanns Zankereien. Und Dörfler konnte das sogar verstehen. Es war ein wenig taktlos von ihnen, während der Befragung eines Mannes, dessen Frau vor wenigen Minuten lebensbedrohlich angeschossen wurde, über derlei Themen zu streiten. Trotzdem rief er dem abdampfenden Zulechner hinterher: »Jörg, du schickst mir das Ganze bitte einfach auf WhatsApp und ich schlage es dann für meinen Kollegen mit Hammer und Meißel in einen Stein, damit auch er seiner Arbeit nachgehen kann.«

Dörfler und Habmann verabschiedeten sich danach vom traurigen Bräutigam und beschlossen, in Richtung Eichstätt aufzubrechen. Sie informierten van Ouven über das bisher Geschehene und nahmen nun Kurs in Richtung Polizeiinspektion.

KAPITEL 5

Im Automobil Habmanns saßen die beiden Beamten den Großteil der Fahrt schweigend und grübelnd nebeneinander. Einen Anhaltspunkt hatten sie bisher nicht, ganz im Gegenteil. Zulechner konnte sich nicht vorstellen, wer seine Frau ermorden wollen würde, und hatte keinen blassen Schimmer, dass und warum seine Frau wohl Feinde hatte. Aber bislang waren sie ohnehin noch am mühevollen Start der Ermittlungen. Eine schnelle Klärung des Falls schloss Dörfler ob der Umstände gedanklich aus, hier war feine Detailarbeit gefragt. Habmann setzte Dörfler nach einer halbstündigen Reise durch das Altmühltal samt Überquerung der bayerisch-fränkischen Grenze in dessen Zuhause in Eichzell ab, damit dieser sich kurz duschen und umziehen konnte. Und essen musste er schließlich auch einen Happen, denn mit leerem Magen funktionierte Dörfler in keinster Hinsicht. Ganz im Gegenteil ließ ihn der hungrige Zustand eher zum Grantler werden, der schnell reizbar wurde.

Dörfler verabschiedete sich mit einem »Merci für’s Fahren, bis glei« von seinem Kollegen, betrat den kleinen Weg durch den sauber gepflegten Garten seines Hauses und klingelte an der Tür Dörfler/ Biechele. Zefix, dachte er sich – langsam musste wirklich etwas vorangehen bei der Planung der eigenen Hochzeit. Seine ganze Hoffnung lag bei seiner Verlobten Rebecca, da seine begrenzte Zeit aktuell dafür nicht ausreichen würde. Die Tür ging auf.

»Ah, tut’s des Hundsviech weg von mir!«, schrie Dörfler lauthals, als der inzwischen prächtig gewachsene Golden Retriever namens Daisy, die den Eltern Rebeccas gehörte, ihn mit einem freudigen