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Ein abgelegener Fjord. Eine seltsame Spur. Und jemand, der ihr folgt — direkt ins Verderben. Als Lisa und Mark ihren Urlaub in einem kleinen Ferienhaus in Dänemark beginnen, ahnen sie nicht, dass sie bald in die Fänge eines Mannes geraten, der nichts dem Zufall überlässt. Gleichzeitig betritt ein Journalist die Bühne. Tollpatschig, fehl am Platz und doch genau richtig, tritt er direkt ins Zentrum des Grauens. Ein Psychothriller, der tief geht, schmerzt und mit skurrilem Humor dort grinst, wo man am wenigsten damit rechnet Düster. Brutal. Und überraschend komisch.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Inhaltsverzeichnis
Widmung
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Epilog
Danksagung…
Über die Autorin
Mehr von der Autorin
"Lauf. Die Jagd hat längst begonnen."
"Kaffee, Liebe und Legenden"
Zwischen Kaffee, Wahnsinn und Wirklichkeit
Impressum
Dieses Buch ist allen gewidmet, die glauben, sie seien nur Zuschauer. Du bist vielleicht schon in deinem nächsten Urlaub ein Teil davon.
Vorneweg – damit du es gleich weißt
Ja, du siehst richtig. Die Schrift ist größer. Die Absätze sind zahlreicher. Und das ist kein Versehen – das ist volle Absicht. Ich habe mir erlaubt, die Lesbarkeit über Konvention zu stellen. Denn ganz ehrlich: Warum sollte man sich durch Textwüsten quälen, wenn es auch angenehm fürs Auge geht?
Mag sein, dass das in manchen literarischen Kreisen als „unorthodox“ gilt – aber weißt du was? Künstlerische Freiheit ist eine feine Sache. Und dieser Stil hier? Ist meiner. Du wirst dich dran gewöhnen. Und vielleicht wirst du es sogar mögen.
Und wo wir schon beim Thema Freiheit sind:
Dies ist eine fiktive Geschichte; alle Personen sind frei erfunden und etwaige Ähnlichkeiten mit realen Menschen, Tieren oder Fleischprodukten sind reiner Zufall.
Ich, die Autorin, weise sämtliche Vorwürfe von Diskriminierung gegen Menschen, Tiere oder Fleischprodukte entschieden zurück – und wünsche viel Spaß beim Lesen.
Und übrigens: Guten Appetit!
Das Fleisch war von seltener Schönheit.
Sein Schnitt – so präzise, so gleichmäßig – wirkte fast zärtlich. Fein durchzogen von hellen Fettadern, die im warmen Licht glänzten wie weiches Wachs. Es lag auf einem schweren Holzbrett, das gezeichnet war von Jahren, vielleicht Jahrzehnten – kleine Rillen, dunkle Einkerbungen, Erinnerungen an viele Mahlzeiten davor.
Der Duft im Raum war schwer. Rauchig, würzig, tief. Ein Geruch, der an Kaminabende erinnerte, an Geduld, an Handarbeit. Kein Lärm, keine Hektik – nur dieses stille Ritual.
Mit ruhiger Hand hob der Mann das Messer.
Nicht schnell. Nicht langsam. Einfach richtig.
Seine Hand ruhte auf dem Griff des Messers. Er spürte das Holz, glatt vom Gebrauch, eingelassen von Jahren. Es war das Werkzeug, das ihn begleitete - Tag für Tag, Schnitt für Schnitt. Nicht einfach eine Klinge, sondern eine Verlängerung seiner selbst.
Er wartete. Einen Moment lang.
Nicht aus Unsicherheit. Sondern aus Ehrfurcht.
Dann setzte er an.
Die Bewegung war langsam. Fast zärtlich.
Die Klinge war so scharf, dass sie durch das Fleisch glitt wie durch warme Butter. Kein Reißen. Kein Widerstand.
Und in diesem Moment - diesem Bruchteil einer Sekunde - durchzuckte ihn jedes Mal ein Gefühl, das er nicht benennen konnte.
War es stolz? Vielleicht.
Liebe? Möglich.
Aber es war mehr. Etwas Tieferes. Eine stille, dunkle Freude.
Die erste Scheibe fiel.
Langsam, fast schwebend, legte sie sich sanft auf das Brett, als hätte sie genau dorthin gehört.
Dünn. Gleichmäßig. Wunderschön.
Er hielt inne.
Blickte auf das, was er geschaffen hatte.
Und spürte diesen Moment – ganz.
Ein leiser Laut – Metall auf Holz.
Kaum hörbar. Doch wer ihn kannte, erkannte ihn sofort.
Ein Ton, so vertraut, dass er ihn manchmal auch im Traum hörte.
Schnitt für Schnitt entstand eine Ordnung.
Ein Muster. Eine Komposition.
Er schichtete die Scheiben mit einer Präzision, die nie technisch war – sondern fast liebevoll.
Als würde er nicht einfach nur Fleisch anrichten, sondern eine Geschichte erzählen.
Dann war es still. Diese besondere Stille, die sich nur einstellt, wenn jemand ganz bei der Sache ist. Wenn nichts ablenkt. Wenn jedes Detail zählt.
Jetzt kam der letzte Schritt. Der wichtigste.
Ein paar Körner grobes Meersalz, mit Fingerspitzen gestreut. Nicht einfach fallen gelassen – sondern ganz behutsam. Etwas Rosmarin, kaum zu sehen, nur ein Hauch in der Luft. Und eine Spur Zitruszeste. So fein, dass man sie fast übersehen konnte. Aber ihr Aroma... ihr Aroma war eine Offenbarung.
Dann stieg der Duft auf. Warm. Erdverbunden. Fast berauschend.
Rauch. Salz. Fleisch.
Aber nicht laut. Er schlich sich heran – wie eine Erinnerung, die man nicht ganz greifen kann, aber nicht loswird.
Und mit ihm kam ein Gefühl.
Ein Ziehen im Bauch.
Ein Kitzeln auf der Zunge.
Die Vorfreude, die so drängend war wie die Sehnsucht.
Es war der Moment, in dem selbst der kulinarischste Gast wusste:
Das hier war nicht einfach eine Mahlzeit.
Das hier war etwas anderes.
Etwas, das blieb.
Man sprach darüber. In den besten Kreisen, hinter verschlossenen Türen. In Städten mit teuren Uhren und noch teureren Namen.
Paris. Brüssel. Zürich.
Dort, wo nicht gefragt wurde, woher etwas kam - solange es vollkommen ist.
Und dieses Fleisch war vollkommen.
Man konnte es nicht einfach so bestellen.
Man fand es auch nicht auf den Karten.
Es wurde nicht verkauft.
Es wurde angeboten. Diskret. Bedacht.
Und wer es einmal probiert hat, weiß: Es gab kein Zurück.
Nur einer wusste, wie es gemacht wurde.
Ein Mann, irgendwo im Norden.
Abgelegen. Kein Schild. Kein Empfang. Nur Wind, Holz und Rauch. Ein alter Hof. Ein Ofen aus Stein. Eine Stille, die fast unheimlich wirkte.
Niemand kannte seinen Namen. Aber jeder kannte das Ergebnis seiner Arbeit.
Sein Fleisch.
Sein Werk.
Der Rauch stieg langsam auf.
Der Mann sah auf das Brett. Nichts an ihm wirkte hastig. Keine Geste zu viel.
Er legte das Messer ab, wischte sich die Hände mit einem Leinentuch. Die Scheiben lagen da, leicht überlappend, glänzend – wie ein Versprechen.
Es war angerichtet.
Und bald würde jemand davon kosten.
Ein weiterer Gast. Ein weiterer, der nie wieder gewöhnliches Fleisch wollen würde.
Ein weiterer, der nicht fragte.
Denn niemand stellte je die eine Frage:
Woher es kam.
Der dänische Horizont dehnte sich weit und endlos aus, während der schwarze Hyundai mit leisem Surren über die schmale Landstraße glitt. Die Sommersonne stand tief, tauchte das weite Land in warmes Gold und ließ die Schatten der Bäume lang über die Felder wandern.
Lisa zog die Beine an, saß quer auf dem Beifahrersitz, einen ihrer Schuhe längst abgestreift und schmiegte ihre Zehen an Marks Oberschenkel. Er fuhr mit einer Hand locker am Lenkrad, die andere ruhte auf ihrem Knie, seine Finger trommelten im Rhythmus des Songs aus dem Radio.
„Noch dreißig Minuten, dann sind wir da“, sagte er mit einem kurzen Seitenblick, während seine Lippen sich zu diesem schiefen Lächeln verzogen, das sie so sehr liebte. Lisa drehte den Kopf und ließ ihren Blick an seinem Profil entlanggleiten..
Die Abendsonne spielt auf seinen Wangenknochen, taucht sein markantes Gesicht in bernsteinfarbenes Licht.
Für andere war Mark ein Rätsel aus kantigen Linien, ein stiller Fels. Sie aber kennt ihn anders. Für sie ist er der Mann, der mitten in der Nacht mit ihr auf dem Küchenboden sitzt, Wein trinkt und Witze erzählt, bis sie sich vor Lachen nicht mehr halten kann. Der Mann, der jetzt, während sie fahren, plötzlich die Lautstärke aufdreht und mit gespieltem Pathos zu dem Popsong mitsingt, nur um sie zum Lachen zu bringen. Schief, aber voller Inbrunst. Dieser Moment war einfach perfekt.
Sie schüttelt grinsend den Kopf, schnappt sich sein Handgelenk und tut so, als würde sie sein lautes Gegröle stoppen wollen, doch er ist viel zu stark.
"Mark! Hör auf! Du bringst uns noch um!" Sie quietscht vor Lachen, aber er weicht dem Schlag auf seinen Arm geschickt aus und gibt stattdessen nur noch mehr Gas, lacht selbst, während die Landschaft an ihnen vorbeizieht.
Obwohl sie lachte, schlich sich ein kurzes Unbehagen in Lisas Brust. Es gab Momente, in denen Marks Unbekümmertheit wie ein dünner Schleier wirkte, der etwas Tieferes verbarg - eine Ruhelosigkeit, die sie spürte, wenn er nachts neben ihr lag und nicht schlafen konnte. Sie liebte ihn, doch manchmal fragte sie sich, ob da noch etwas war, was er nicht erzählen konnte. Ob seine unbeschwerte Art eine Mauer war, hinter der er sich vor etwas versteckte, das er vielleicht selbst nicht in Worte fassen konnte.
Endlose Weiten, hier und da ein kleiner, roter Hof mit weißen Fensterrahmen, dahinter Wiesen, auf denen Kühe träge in der Sonne stehen. Die Straße windet sich durch das Herz des Nordjütlands, einem stillen, fast verwunschen wirkenden Fleckchen Erde, wo die Natur in ihrer vollen Wildheit gedeiht. Am Straßenrand breiten sich dichte Büsche aus, übersät mit tiefroten, prallen Hagebutten, die sich in der leichten Brise wiegen. Dazwischen ranken sich Brombeersträucher, ihre dunkelvioletten, fast schwarzen Früchte hängen schwer an den stacheligen Zweigen, als würden sie nur darauf warten, gepflückt zu werden. Lisa streckt eine Hand aus dem offenen Fenster und streift mit den Fingern das hohe Gras, das sich sanft an die Straße schmiegt!
"Ich liebe es hier", murmelt sie leise, fast ehrfürchtig. Mark blickt kurz zu ihr, seine sonst so ruhigen, tiefblauen Augen leuchten in der Abendsonne auf. "Ich weiß", sagt er nur, aber in diesen zwei Worten steckt so viel mehr. Erinnerungen. Ihr letzter Urlaub hier. Die stillen Nächte am Fjord, das kalte Wasser, das sie morgens wachgeküsst hat, der Geschmack von Salz auf ihrer Haut, wenn sie sich später mit einer Decke am Strand eingerollt haben. Es war perfekt gewesen. Und jetzt kehren sie zurück - nur sie zwei, so wie sie es am liebsten haben.
Doch als sie die Hand ausstreckte, um das Gras am Straßenrand zu streifen, zog sich ein unangenehmer Schauer über ihren Rücken. Ein kurzer, unvermittelter Moment, als ob jemand sie beobachtete. Sie drehte sich um, sah hinaus auf die Felder, die unberührt im warmen Sonnenlicht lagen. Niemand war zu sehen. Doch das Gefühl blieb, schwer und klebrig. Mark merkte nichts – wie so oft.
Lisa schüttelt ihre Haare zurück und setzt sich wieder normal hin, lehnt sich in ihrem Sitz zurück. "Ich kann es kaum erwarten, den Fjord wiederzusehen", sagt sie nach einer Weile. Sie hatten für sich den perfekten Ort gefunden, um abzuschalten und die Seele baumeln zu lassen. Mark brummt nur zustimmend. Auch Erik, ihr Gastgeber, war beim letzten Mal die perfekte Mischung aus dänischer Zurückhaltung und herzlicher Gastfreundschaft gewesen. Er hatte sie mit seinem trockenen Humor überrascht, mit ihnen Bier getrunken und Geschichten über den Fjord erzählt. Er hatte ihnen Tipps für versteckte Wanderwege gegeben, für einsame Strände, die nur die Einheimischen kannten. Und sein Hof, ein alter Bauernhof direkt am Wasser, war ein Paradies gewesen - das kleine Ferienhaus, das sie gemietet hatten, stand so nah am Fjord, dass sie jeden Morgen als Erstes die salzige Luft riechen konnten, wenn sie die Tür öffneten.
Der Sommer war heiß gewesen, zu heiß für ihren Geschmack. Die Stadt hatte geschwitzt, als hätte sie selbst die Hitze satt und die Luft hatte süßlich nach Asphalt und überhitzten Autoreifen gerochen. Lisa hatte die Tage in ihrem kleinen Büro verbracht, wo der Ventilator mehr heiße Luft durch den Raum geschoben hatte, als dass er für Abkühlung sorgte. Mark hatte sich mit seinen Kollegen auf der Baustelle einen Spaß daraus gemacht, Eiswürfel in ihre Helme zu stecken und um die Wette zu schwitzen. Sie hatten beide gearbeitet, als würden sie durch die Tage rennen, nur mit einem Ziel vor Augen: den Urlaub.
Jedes Jahr war Dänemark ihre Zuflucht. Der Fjord, das kleine Ferienhaus mit seinen weiß gestrichenen Fensterläden, die ruhige Abgeschiedenheit, die ihnen erlaubte, für ein paar Tage zu vergessen, dass es eine Welt außerhalb dieser Idylle gab. Sie hatten die Tage gezählt, die Taschen gepackt, die Vorfreude genossen, als wäre sie ein köstliches Gericht, das man langsam auf der Zunge zergehen ließ.
Lisa war diejenige, die den Urlaub immer akribisch plante. Sie war organisiert, strukturiert, aber auf eine Art, die Mark amüsierte, weil sie dabei trotzdem immer chaotisch wirkte. Ihre Koffer waren perfekt gepackt - bis Mark sich einmischte und seine Schuhe quer über ihre ordentlich gefalteten Kleider warf, nur um sie zu ärgern. Sie war fröhlich, herzlich, eine Frau, die man sofort mochte, weil sie einem das Gefühl gab, dass man genau richtig war, so wie man war. Ihre blonden Haare trug sie meist offen, nur der Pony war locker nach oben gesteckt und
wenn sie lachte, tat sie das mit ihrem ganzen Körper. Ihre Hüften waren ein wenig kurviger, als sie es sich wünschte, aber Mark liebte genau das an ihr.
Mark war das Gegenteil von ihr - groß, breitschultrig, stark, mit einem Gesicht, das für Fremde immer ein wenig ernst wirkte. Er hatte diese ruhige, wortkarge Ausstrahlung, die ihn für Außenstehende fast unnahbar machte. Doch sobald er mit Lisa zusammen war, schmolz dieser harte Ausdruck dahin. Dann war er verspielt, machte Witze, die sie zum Lachen brachten und zog sie in seine Arme, als wäre sie die einzige Frau auf der Welt. Und für ihn war sie das auch.
Die Autofahrt nach Dänemark war jedes Mal ein Abenteuer für sich. Lisa war diejenige, die die Snacks vorbereitete, die Mark dann immer viel zu schnell aß.
Mark fährt die letzte Kurve und dann, endlich, öffnet sich vor ihnen die Zufahrt zum Hof. Lisa kann spüren, wie sich ein warmes Gefühl von Vorfreude in ihrer Brust ausbreitet. Sie sind zurück. Zurück an dem Ort, der sich schon beim ersten Mal wie ein Zuhause angefühlt hat. Und noch ahnen sie nicht, dass dieser Urlaub anders wird. Dass sich die Idylle, die sie so lieben, bald in etwas Unvorstellbares verwandeln wird. Doch jetzt, in diesem Moment, gibt es nur das sanfte Wiegen der Hagebutten im Wind, das leise Summen der Reifen auf dem Kiesweg – und das Gefühl, angekommen zu sein.
Mark nickt, fährt den Wagen bis vor das kleine Haus und schaltet den Motor aus. Für einen Moment genießen sie die absolute Stille, bevor sie aussteigen. Die salzige Luft des Fjords schlägt ihnen entgegen, frisch und belebend.
Kaum steigt Lisa aus dem Auto, sieht sie ihn - eine breite Gestalt, langsam, lautlos, zwischen den Schuppen. Für einen Moment treffen sich ihre Blicke. Dunkel, schwer zu deuten. Dann verschwindet er. Einfach so. "Wer war das?", fragt sie leise, doch Mark hört sie nicht. In ihr regt sich eine leise, unsichtbare Unruhe.
In der Ferne öffnet sich die schwere Holztür des Haupthauses. Sein grauer Bart ist ordentlich gestutzt und seine blauen Augen mustern sie mit freundlicher Wärme.
Erik geht mit langsamen, bedachten Schritten auf sie zu, seine schweren Stiefel hinterlassen tiefe Abdrücke im Kies. Er reicht zuerst Mark die Hand – ein fester Griff, warm und rau von der Arbeit.
Lisa bemerkte die Art, wie Erik sie musterte - freundlich, aber durchdringend. Ein kurzer Moment, in dem sie dachte, dass seine Freundlichkeit nur eine Maske war, ein gut sitzendes Kostüm. Als seine Augen auf Marks Schulter ruhten, zuckte ein winziges Lächeln über sein Gesicht, schnell, kaum merklich, aber da. Lisa unterdrückte das Bedürfnis, sich umzudrehen, ob jemand aus dem Schatten heraus zusah.
Dann nimmt Erik Lisas Hand in seine, nicht zu grob, aber bestimmt.
Erik war einer dieser Männer, die man leicht übersehen konnte, wenn man nicht genau hinsah. Er war weder besonders groß noch besonders auffällig, sein Auftreten ruhig, fast bedächtig. Mit seinen Anfang sechzig wirkte er noch immer sehr kräftig, doch seine Bewegungen hatten die Gelassenheit eines Mannes, der gelernt hatte, dass die Welt in ihrem eigenen Rhythmus funktionierte und dass es keinen Sinn ergab, sich gegen diesen Strom zu stemmen.
Sein Gesicht war wettergegerbt, gezeichnet von unzähligen Tagen im Freien. Die Sonne und der Wind hatten feine Linien um seine blauen Augen gezeichnet, die stets freundlich funkelten, als würde er über einen guten Witz nachdenken, den er noch nicht erzählt hatte. Sein Haar war dunkelblond, mittlerweile von grauen Strähnen durchzogen, was ihm ein gewisses ehrwürdiges Aussehen verlieh und sein Bart, den er immer akkurat gestutzt hielt, machte ihn noch ein wenig bäriger.
Er war ein Mann, der mit seinen Händen arbeitete. Raue, schwielige Finger, die eine Geschichte von Jahrzehnten körperlicher Arbeit erzählten – von Holz hacken, von Netzen flicken, von Häusern renovieren und von der Erde, die sich tief in seine Haut grub, wenn er im Gemüsegarten arbeitete. Er trug fast immer einfache Kleidung, die schon bessere Tage gesehen hatte – eine alte, aber saubere Arbeitsjacke, robuste Hosen, feste Stiefel. Und doch hatte er eine gewisse Eleganz in seiner Bescheidenheit, eine aufrechte Haltung, die ihn nicht gebeugt, sondern gestärkt wirken ließ.
„Willkommen zurück“, sagt er mit seiner tiefen Stimme und dem dänischen Akzent. „Ich habe euch schon erwartet.“
Seine Stimme war warm, tief und beruhigend, mit diesem unverkennbaren dänischen Akzent, der jedes gesprochene Wort weicher klingen ließ. Er sprach nicht viel, aber wenn er es tat, hatte es Gewicht. Er war kein Mann für überflüssige Worte. Lieber hörte er zu, beobachtete, nahm seine Umgebung in sich auf. Doch wenn er erzählte, dann war es, als würde man mit einem alten Freund am Feuer sitzen, mit einem Mann, der die Welt nicht durch Hast, sondern durch geduldiges Warten verstand.
Er liebte die Natur, das war offensichtlich. Schon am frühen Morgen konnte man ihn über den Hof gehen sehen, wie er die feuchte Morgenluft einsog, die Vögel in den knorrigen Birken beobachtete oder einfach für einen Moment in Richtung Fjord blickte, als würde er mit dem Wasser sprechen. Er hatte eine besondere Verbindung zu diesem Land, zu dem Hof, den er mit seinen eigenen Händen restauriert hatte, zu den Tieren, die auf seinen Weiden grasten. Es war sein Zuhause, sein Lebenswerk – und er mochte es, wenn Gäste kamen, um es zu erleben.
Seine Freude an neuen Menschen zeigte sich nie aufdringlich. Er war keiner, der sich mit übertriebenen Willkommensgesten in den Mittelpunkt drängte. Nein, er war einfach da. Wenn man ihn brauchte, tauchte er auf und wenn man ihn in Ruhe ließ, blieb er auf Abstand. Für viele Urlauber war das genau das, was ihn so angenehm machte. Er war kein Gastgeber, der einem das Gefühl gab, sich ständig bedanken zu müssen, sondern eher wie ein weit entfernter Onkel, der einem das Gefühl gab, willkommen zu sein, ohne es jedes Mal betonen zu müssen.
Er war hilfsbereit, aber nicht aufdringlich. Wenn jemand Feuerholz brauchte, brachte er es, ohne viele Worte zu verlieren. Wenn ein Grillabend anstand, hatte er immer einen Rat parat, wie das Fleisch am besten gegart wurde – und natürlich eine Empfehlung für sein eigenes, geräuchertes Fleisch, das er in seiner Räucherkammer hinter dem Hof herstellte. Wer einmal probiert hatte, kam immer wieder darauf zurück.
Es gab Leute, die behaupteten, Erik wüsste alles über seine Gäste, lange bevor sie den Hof betraten. Dass er jeden ihrer Schritte mitbekam, auch wenn er sich nicht zeigte. Doch niemand nahm das als etwas Beunruhigendes wahr. Es war eher, als hätte Erik eine Gabe dafür, sich um die Menschen zu kümmern, ohne dass sie es merkten.
Er wirkte wie ein Fels in der Brandung, einer, der in sich ruhte, der das Leben so nahm, wie es kam. Doch wer genau hinsah, wer seine Bewegungen beobachtete, wenn er abends auf der Veranda saß und langsam seinen Kräutertee trank, der konnte manchmal einen Hauch von etwas anderem in ihm sehen. Etwas, das tiefer ging.
Etwas, das niemand so genau benennen konnte.
„Ich habe das Haus vorbereitet. Alles so, wie ihr es kennt“, sagt er, während er einen Schlüssel aus seiner Manteltasche zieht und ihn Mark hinhält.
Lisa blickt zu dem größeren Ferienhaus hinüber. Ein junges Pärchen steht auf der kleinen Terrasse, das Kind – nicht älter als fünf – hält sich schüchtern am Bein der Mutter fest. Lisa winkt ihnen zu, aber sie reagieren kaum, schauen nur kurz herüber, bevor sie ins Haus verschwinden.
„Neue Gäste?“, fragt Mark beiläufig.
Erik nickt und zuckt mit den Schultern. „Sie sind erst gestern angekommen. Ich denke, sie brauchen noch etwas Zeit, um sich einzugewöhnen."
Er sagt es mit einem Tonfall, der etwas Seltsames in sich trägt – als wäre er sich nicht sicher, ob sie sich wirklich einleben werden.