Fledermäuse - Eva Frieko - E-Book

Fledermäuse E-Book

Eva Frieko

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Beschreibung

Fledermäuse leben seit einiger Zeit in einem Stollen eines stillgelegten Steinbruchs im Annagraben in der Steiermark. Daneben lagern auch Fässer mit potenziell todbringendem Inhalt : Dioxin. Wurde diese Höhle nach dem Seveso-Unfall im Jahr 1976 als illegale Abfall-Lagerstätte missbraucht? Zufällig entdeckt der Hobby-Fotograf Hubert Steinwender die braunen Fässer und begibt sich in tödliche Gefahr. Es wird ernst, denn Il Bianco der weiße Mann geht über Leichen. Hubert Steinwender wird entführt und erpresst. Kriminalinspektor Edwin Bauer ist knapp vor der Aufklärung, doch der verzögerte Durchsuchungsbeschluss macht alles zunichte. Er wird zum Gespött der Medien und muss von vorne beginnen zu recherchieren. Kann er eine Umweltkatastrophe verhindern?

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Seitenzahl: 154

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Die einzigen Säugetiere die fliegen können sind unheimliche kleine Vampire. Eine verwesende Leiche in ihrer Höhle, Giftfässer die rosten und ein neugieriger Fotograf bringen Unruhe in die geschützten Tiere

Zitat von Al Capone:

Ein Anwalt mit Aktenkoffer kann mehr stehlen als 10 Mann mit Maschinenpistolen

Inhaltsverzeichnis

PROLOG

Kapitel 1

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

PROLOG

Mag. Hubert Steinwender, ein solider Finanzbeamter ist Hobby-Fotograf, der in seiner Freizeit die Natur auf Schwarz-Weiß-Bilder künstlerisch verewigt. Seine Fotoausflüge bringen ihn eines Tages in große Bedrängnis als er eine Höhle in einem verlassenen Steinbruch entdeckt. Wie diese Erforschung für ihn zur Todesgefahr wird muss er leidvoll erfahren.

Andre Tomaseli, genannt Il Bianco der weiße Mann ist Besitzer einer Müllverwertungsanlage, sowie einigen Lederfabriken und Kiesgruben. Er achtet darauf, dass sein blütenweißer Maßanzug makellos bleibt und seine Betriebe als umweltgerecht ausgezeichnet werden. Als großzügiger Spender und Sportförderer hat er mächtige Freunde aus Politik und Wirtschaft. Von seinen dunklen Geschäften, die ihn reich gemacht haben weiß nur er und seine Handlanger Bescheid.

Das Seveso Unglück war ein Chemie-Unfall, der sich am Samstag, 10. Juli 1976 in einer chemischen Fabrik im italienischen MEDA; 20 Kilometer nördlich von Mailand ereignete. Dort geriet ein Produktionsprozess außer Kontrolle, worauf sich eine Giftwolke über ein mehrere Quadratkilometer großes Gebiet senkt. Es verstaubten mutmaßlich zwei Kilogramm Dioxin, eines der stärksten jemals erfundenen Gifte, traurig bekannt aus dem Vietnamkrieg als Bestandteil des Entlaubungsmittels.

Zunächst wurde der Unfall verschwiegen.

In Seveso mussten bald hunderte Menschen ins Spital eingeliefert, Tiere notgeschlachtet und Schwangeren als Angst vor Missbildungen eine Abtreibung freigestellt. An eine Landwirtschaft war nicht mehr zu denken in diesem Gebiet.

Die Verantwortlichen hatten sich in den Folgejahren nicht nur mit Gerichtsgutachten und abtragen der hochgiftigen Rückstände zu beschäftigen. Der Unrat wurde in 41 Stahlfässer eingebracht, am 10. September 1982 in Richtung Frankreich abtransportiert. Dort wurde die Fracht offiziell als Industriemüll deklariert. Danach verlieren sich die Spuren.

Wohin sind diese Giftfässer verschwunden? Wurden sie in die DDR verschoben? Fragen über Fragen.

Hartnäckige Recherchen von Greenpeace und Reportern entdeckten eine große Anzahl 1983 ungesichert in einem alten Schlachthof in Frankreich. Diese wurden offiziell unter großen Sicherheitsmaßnahmen in einem Schweizer Spezialofen verbrannt.

Die Frage bleibt, wurden alle Giftfässer entsorgt? Rosten einige Relikte in einem geheimen Stollen nördlich von Graz dahin und haben dem Besitzer dieses Grundstückes eine satte Summe eingebracht?

Nach fast 40 Jahren bringt dieses Gift wieder Angst und Schrecken über die Menschen.

Wie stets, geht es nur um Macht und Geld.

1

Der Raum war weiß steril eingerichtet. Hinter einer Trennwand standen noch mehr medizinische Geräte. Stille! Hubert wartete auf die Untersuchung. Ein klapperndes Geräusch im Flur erschreckte ihn. Eine Ärztin schritt rasch und grußlos zu einem Tisch ihm gegenüber und tippte offenbar gedankenlos auf ihrem PC herum. Ihre Augen waren starr auf den Bildschirm gerichtet, das Gesicht mit der OP Maske war verdeckt.

Ihre Stimme klang rau, die Frage nach Geburtsdatum und Name drang militärisch knapp aus ihrem nicht sichtbaren Mund. Hubert stotterte krächzend die Worte

13. Juli 1971 Mag. Hubert Stein… Weiter kam er nicht.

»Danke!« Sie hatte sich bereits erhoben und stand hinter ihm um mit der Untersuchung seiner Schilddrüse zu beginnen. Er fröstelte, denn das feuchtkalte Gel für die Ultraschalluntersuchung schnürte ihm die Kehle zu. Er rang nach Luft. Ohne darauf Rücksicht zu nehmen fuhr sie mit diesem Gerät kräftig über seinen Hals wie beim Rasieren, murmelte irgendwelche lateinischen medizinischen Floskeln in ihr Mikrophon, reichte ihm wortlos ein Papiertuch zum Abtrocknen seiner Haut. Diese Untersuchung war laut seiner Hausärztin wieder ein Versuch um einen Befund zu diagnostizieren.

Röntgen, Herzuntersuchungen, MRT usw. Alles ohne Ergebnis. Seine Schlaflosigkeit und Kopfschmerzen waren kaum zu ertragen. Die wunde Fußsohle schmerzte beim Gehen und ohne Schmerztabletten waren der Alltag und seine Arbeit nicht zu bewältigen.

Verunsichert und nervös saß er auf dem Patientensessel und wartete. Das Weiß des Raumes mit den Technischen Geräten empfand er bedrohlich. Die Untersuchung hatte nur ca. 5 Minuten in Anspruch genommen. Trotzdem war es für ihn eine gefühlte Ewigkeit.

Sein Körper verkrampfte sich wieder zitternd. Ihm war kalt.

»Sie können gehen, der schriftliche Befund wird Ihnen zugestellt.«

Hubert erwachte, aus seinem Trancezustand. Eine Hand hielt sich noch krampfhaft an der Sessel-Lehne fest. Ach ja er saß in der Ordination des Schilddrüsenzentrums

und die unfreundliche Ärztin hatte zu ihm auf seine Frage wie es nun weiter ginge geantwortet:

»Das müssen Sie selbst herausfinden. Aber von medizinischer Seite aufgrund Ihrer Befunde sind Sie gesund. Vielleicht probieren Sie es mit Psychotherapie. Wie gesagt, Sie können gehen.«

Wie betäubt verließ er das Ärztezentrum setzte sich in ein Café und bestellte einen Cappuccino. Er kannte die Ursache seiner Beschwerden nur wollte er es sich nicht eingestehen. Wenn jede medizinische Untersuchung ohne Ergebnis verlief war es die Angst, die ihm den Nachtschlaf raubte. Seiner Frau erzählte er, dass der berufliche Druck seiner Vorgesetzten ihm zu schaffen machte, seine vielen Arztbesuche verschwieg er.

Er versuchte sich ein wenig zu entspannen und blätterte gedankenlos in einer Zeitschrift. In einer Stunde wollte er wieder im Finanzamt sein. Er hatte seinen privaten Arzttermin mit einem Außendienst Besuch bei einem Unternehmen geplant, so erklärte er den Grund seines späteren Dienstbeginns. Obwohl er als Abteilungsleiter nicht weisungsgebunden war.

Wenn er nur die Zeit zurückdrehen könnte!

Das Desaster begann, als er diese Höhle im Steinbruch entdeckte.

Ein Foto Ausflug zu einem gesperrten Steinbruch im Annagraben begann mit interessanten Motiven. Er war begeistert von den Steinformationen und kletterte auf den oberen Felsabschnitt was für ihn, den unsportlichen Büromenschen eine Herausforderung war. Deshalb wählte er einen anderen Rückweg.

Beim Abstieg auf der anderen Seite entdeckte er einen Höhleneingang im Berg und er konnte nicht widerstehen, diese zu erkunden. Mit dem Blitzlicht würde es vielleicht möglich sein, zu fotografieren. Er zwängte sich durch einen engen Gang, leuchtete mit dem Handylicht voraus und tastete sich vorsichtig weiter. Es war kalt und Wasser tropfte von oben in sein Genick. Die Neugier trieb ihn trotzdem weiter und gelangte in einen großen Raum mit Tropfsteinen. Einige ragten von der Decke bis zum Boden. Er fotografierte mit seiner Blitzlichtkamera dieses Naturphänomen und entdeckte dabei in einer Ecke einige rostige Stahlfässer. Wie diese in die Höhle gelangt waren, konnte er sich nicht vorstellen. Es musste irgendwo noch einen Eingang geben. Eine aufgeschreckte Fledermaus flatterte an seinem Kopf vorbei und mit Schaudern bemerkte er das braune Rinnsal am Boden das seine Schuhe und Socken durchnässt hatte. So rasch als möglich verließ er die Höhle und brachte sich und seine wertvolle Kamera in Sicherheit.

Eine Woche später schmerzte seine Fußsohle, ein eitriges Geschwür wollte nicht heilen.er dachte, er hätte sich bei der Kletterei wundgerieben. Jedoch war dies erst der Anfang seines Leidensweges. Das Schicksal katapultierte ihn und seine Familie in ein tiefes Tal und er wusste nicht wie sie da herauskommen könnten.

Obwohl es keinerlei private Verbindungen zu Italien in seiner Familie gab, wurde dieser Ort Seveso zu einem Alptraum für ihn.

Im Nachhinein bereute Hubert seine Neugier. Er, der jeder Gefahr aus dem Weg ging, soweit es möglich war, stand am nächsten Tag schon wieder auf dieser schwindelnd hohen Felswand am Abbruchgelände eines Steinbruchs. Den Annagraben hatte er bisher noch nie als Motiv gewählt. Das Schild, Betreten verboten hatte ihn abgeschreckt. Er durfte sich als leitender Angestellter beim Finanzamt Graz Stadt keine Anzeige wegen Besitzstörung erlauben. Seine tadellose korrekte Arbeitseinstellung im Beruf war konträr zu seiner Trägheit in sportlicher Hinsicht. Jedoch dieser verlassen wirkende Ort mit den uralten, rostigen Gittern und Abbruchmaschinen, war zu verlockend für ihn gewesen, sodass er über seinen eigenen Schatten sprang. Ein perfektes Bild als Ergebnis für die geduldige Suche nach dem richtigen Licht war sein mentaler Ausgleich zu seiner sonst eintönigen aber anstrengenden Büro- Tätigkeit beim Finanzamt. Er besprach und beaufsichtigte die Abschlussberichte der Kollegen Steuerprüfer bei Großprojekten. Es musste auf jedes kleines Detail geachtet werden. Sein Urteil war entscheidend ob die Ergebnisse mit einer Nachzahlung oder Strafzahlung abgeschlossen wurde.

Dieser korrekte Mag. Hubert Steinwender für den sogar ein eigenes Strafmandat wegen Falschparken ein unmögliches schweres Delikt wäre, versteckte sich hinter einem Felsen, weil er unten am Gelände ein Auto einfahren hörte. Seinen eigenen Wagen hatte er vorsichtshalber zwei Kurven entfernt in einer Nische neben der Straße geparkt. Er befand sich wieder im verbotenen Gelände vom Vortag, das wusste er und wollte keinesfalls entdeckt werden.

Bange Minuten. Auto-Türen wurden auf und zugeschlagen. Er konnte nichts sehen, verhielt sich ruhig. Er hörte knirschende Schritte am Kies, dann ein kratzendes Geräusch einer Eisentür. Eine endlos empfundene halbe Stunde lang wurde es bedrohlich still. Seine Muskeln verkrampften sich wegen der Hocke- Stellung, doch er wagte sich nicht, sich zu rühren.

Plötzlich waren wieder Schritte und das Zufallen der Autotüren zu hören. Das abfahrende Auto konnte er von seinem Aussichtsplatz aus hinter einer Staubwolke erkennen. Ein großer dunkelblauer BMW bog rechts ab. Noch einige Zeit verharrte er oben auf der Plattform, bis er den Abstieg wagte.

Vorsichtig um sich blickend, kletterte er hinunter. entdeckte hinter Büschen fast verdeckt, eine rostige Eisentür. Das interessante Fotomotiv ließ ihn leichtsinnig werden. Er zoomte die Tür zu voller Größe und schoss einige Bilder. Dann öffnete er sie und entdeckte dahinter wieder einen Höhleneingang. Dieser Eingang war wahrscheinlich die andere Seite der Höhle viel breiter. Von dieser Seite war es leicht, die Behälter in den Höhlentunnel zu bringen.

Vorsichtig tastete er sich in das Innere, schoss mit dem Blitzlicht wieder einige Bilder. Zögernd ging er weiter. Dort hinten entdeckte er die Metall- Fässer, die er auch am Vortag fotografiert hatte. Diesmal konnte er noch schärfere Bilder machen. Er war überzeugt, dass diese interessanten mystischen Eindrücke schwarz-weiß richtig zur Geltung kommen. Der Ort wirkte gespenstisch und drohend schön wie eine Gruft. Spinnweben und rostiges Metall. Ein Motiv für ein perfektes Schwarz-Weiß-Bild.

Er erschrak, als einige flatternde Fledermäuse, die aussahen wie Vampire, auf ihn zuflogen.

Fluchtartig verließ er die Höhle, krachend fiel die Eisentür hinter ihm zu.

Zu Hause angekommen, begab er sich gleich in seinen Hobby-Raum um die Filme auszuarbeiten.

Wie erwartet, waren die Bilder gut gelungen und werden bei seiner nächsten Ausstellung bewundert werden. Die Schwarz-Weiß Aufnahmen mit den Fässern vergrößerte er. PCDD

Hubert Steinwender hatte keine Ahnung was PCDD bedeutet. Er vermutete, dass es vielleicht Altöl-Fässer des Steinbruch-Betreibers waren, die einfach in der Höhle gelagert wurden. Altölfässer in stillgelegten Firmengeländen waren leider häufig vergessene Relikte und Gefahr für Umwelt und Trinkwasser. Er hatte das Gelände unbefugt betreten, durfte er seine Entdeckung melden und die Bilder als Beweis verwenden? Fragen über Fragen verfolgten ihn bis in die Nacht.

»Schatz, hast du schlecht geschlafen?«

Oh Gott, wie kann man am Montagmorgen so eine Frage stellen! Nach einer durchwachten Nacht.

Sophie saß ihrem Mann Hubert entspannt gegenüber, strich ihm sein Butterbrot, legte es auf seinen Teller.« Die Marmelade wirst du wohl noch selber auf das Brot streichen«, sagte ihr Blick. Hubert schwitzte

Tollpatschig und ungeschickt, wie er nun mal war, rann der Honig über den Finger. Er entschied sich für Honig, nicht für Marmelade. Soll gut für die Nerven sein, dachte er. Seine Brille war angelaufen, er wird stets nervös, wenn er sich beobachtet fühlt. »Ach Sophie, du kennst mich doch wie ich bin, schau mich nicht so tadelnd an, als ob du meine Mutter wärst.«

Ihr Blick wurde milder, dann wieder streng: »Weshalb hast du deine älteste Krawatte gewählt?« Sie rückte den Knoten gerade und etwas fester zu. Es drückte ihm die Luft ab. Man sollte auch ältere Dinge nicht vernachlässigen, deshalb nahm er die Krawatte die er lange unbenutzt hängen sah. Tracht kommt sowieso nie aus der Mode. Außerdem heute war Montag! Hubert mochte diesen Tag grundsätzlich schon in seiner Kindheit nicht. Doch dieser Montag wurde ihm bereits in der Vorwoche durch seinen Vorgesetzten vergällt.

Herr Hofrat Schneider zitierte ihn in dessen Büro.

Das kam selten vor, weil er, Mag. Hubert Steinwender seine Arbeit selbständig und korrekt erledigte. Außer zu den Ehrungen und Weihnachtsfeiern gab es keine Berührungspunkte mit dem Finanzamts-Leiter. Die Abschluss Berichte die Hubert ihm vorlegte überflog er meistens. Knapp, so wie es seine Art war teilte ihm sein Vorgesetzter mit, dass am Montag eine Volontärin seinem Büro als Unterstützung zugeteilt wird. Die Akten waren in letzter Zeit schon wegen der vielen Anträge zwecks Steueraufschubs in Großglockner-Höhe angewachsen. Als ob ihm da so ein junges Ding eine Hilfe wäre! Pah, die wird sich wahrscheinlich die Nägel maniküren und ihm hundertmal pro Tag mit Fragen nerven.

Statt einer Erleichterung wird dies eine Erschwernis bedeuten. Während der Fahrt ins Büro Conrad v. Hötzendorfstrasse kämpfte er mit Sodbrennen und Magenschmerzen. Der Sicherheitsgurt drückte in seinen Bauch. Seine sportlichen Ambitionen hielten sich zeit seines Lebens stets in Grenzen. Früher hatte er es mit Tennis-Spielen versucht. Mittlerweile war er auch schon bei diesem Sport aus der Übung gekommen. Im Gegensatz zu seiner Gattin, die keine Club-Meisterschaft ausließ. Ihre Figur konnte sich sehen lassen.

Der Verkehr floss zäh von Ampel zu Ampel.

Normalerweise fuhr er meistens mit der Straßenbahn von seinem Wohnort in Andritz zur Dienststelle. Doch an einem Regentag, wie diesen, war das Auto die bessere Option. Er dachte an diesem Morgen während der Fahrt an seine Frau und lächelte vor sich hin. Sie hatte Recht, es war eine seiner ältesten breiten alten Krawatten aus den siebziger Jahren die ihm nun seinen Hals abschnürte. Seine Gedanken zu seiner Entdeckung im Steinbruch und was er tun sollte, dem Umweltamt einen Tipp zu geben, verschob er.

Er bemühte sich deshalb, an angenehme Dinge zu erinnern, zum Beispiel an seine Frau Sophie.

Er liebte seine Frau Sophie sehr. Er sah in Gedanken ihr Gesicht. An die Mulden an ihrem Kinn, in der sie manchmal eine Fingerspitze legte. So wie heute Früh, als sie ihn prüfend ansah. Er liebte ihre Hände, ja er liebte alles an ihr. Während er mit dem Auto langsam vorankam, dachte er wieder an das Kennenlernen mit Sophie.

Sie hatten sich vor zwanzig Jahren bei einer privaten Feier getroffen. Er war damals schon fünfunddreißig Jahre alt, Junggeselle. Der Einzige in seinem privaten Umfeld. Alle seine Studienkollegen waren verheiratet Bei ihm gab es nur ab und zu eine unbedeutende Affäre mit Frauen. Stets war die Beziehung zu Ende, wenn es ernst werden sollte. Er war schuld. Seine Freundinnen waren ihm zu dominant und er ergriff die Flucht, bevor er zum Hampelmann wurde. Das Junggesellendasein gefiel ihm.

Bei Sophie war alles anders. Sie kam in sein Leben wie ein Wirbelwind. Mit ihrer offenen unkomplizierten Art gewann sie seine Liebe vom ersten Augenblick. Anfangs bekam er noch schweißnasse, zitternde Hände, wenn er nur an sie dachte. Sie tat stets so, als ob es seine Verklemmtheit nicht gäbe. Mit der Zeit kamen sie sich näher. Er taute auf. Sie gingen ins Kino, sie besuchten gemeinsam Konzerte, tranken Kaffee und er lud sie zum Essen ein. Sie war Kunst-Studentin im zweiten Semester, ständig in Geldnot. Er hatte sich beim Finanzamt Graz schon etabliert und verfügte über ein geregeltes gutes Einkommen. Sie wohnte in einer WG und in den Tag hinein. Er: Überpünktlich, korrekt biederer Beamter. Sie: Verträumt, neben der Zeit lebend, unpünktlich, chaotisch. Fünfzehn Jahre jünger als er.

Kompliziert wurde ihre Beziehung für ihn, als sie ihn ihren Eltern vorstellen wollte. Bisher wurde nicht über Familien gesprochen. Er hatte nur noch einen Bruder in Wien. Seine Eltern lebten nicht mehr. Selbstverständlich wollte er bis an sein Lebensende mit Sophie zusammen sein, so verliebt war er noch nie in seinem Leben gewesen. Seine Schüchternheit war ein Bremsklotz. Sie bereitete ihn vorsichtig auf das Treffen vor. Sie sagte damals zu ihm: »Mein lieber Hubsi, auch wenn du es nicht glaubst, meine Eltern sind nicht so schrecklich wie es aussieht, Lass dich nicht einschüchtern, überlasse mir das Sprechen.«

Das war ihm sogar lieber, denn das tat sie sowieso meistens. Jedoch blieb ein etwas mulmiges Gefühl bis zum Kennenlernen. Weshalb machte sie so ein Geheimnis aus ihrer Familie? war diese Familie womöglich wegen Steuervergehen in seiner Akte oder gar kriminell?

Er wurde zu einem sogenannten Dinner geladen. Hubert besorgte vorsorglich einen Blumenstrauß für die Gastgeberin, ihre Mutter. Auch Sophie wirkte an diesem Tag ein wenig nervöser als sonst. Sie war auch gegen ihre Gewohnheit korrekt gekleidet und pünktlich. Als sie vor dem Anwesen ankamen, dachte er, sie hätten sich an der Adresse geirrt. Eine Prachtvilla mit vorgelagertem Park empfing sie. Als sie ausstiegen und die Freitreppe hoch zur Villa gingen, flüsterte er.

»Sind deine Eltern Verwalter bei diesem Anwesen?«

»Nein, das Haus gehört meinem Großvater.«

»Sophie, du hast mir nie von deiner Familie erzählt, du warst für mich immer die arme liebe Studentin.«

Sie antwortete: »Wenn ich meinen vollen Namen meinen Freunden nenne, wissen sie sofort, dass ich ein Abkömmling der bekannten Kaufhaus-Dynastie von Graz bin. Die wollen dann immer Prozente beim Einkauf, oder Gratis-Gutscheine, das nervt. Deshalb beschloss ich den Namen einer Tante anzunehmen.

Außerdem gehört das Anwesen meinem Großvater, die übrigen Besitztümer sind in einer Stiftung verankert. meine Eltern wohnen nur hier in der Villa, weil er es so haben will, nicht freiwillig. Sie würden lieber für sich sein, aber so ist es für alle bequemer und Großvater kann weiter den Tyrannen spielen.« Das konnte ja heiter werden, dachte sich Hubert.

Der Empfang verlief steif und reserviert. Die Mutter dankte hoheitsvoll für die Blumen, um sie gleich einer Angestellten weiter zu reichen.

Die Ähnlichkeit mit Sophie sah man ihrem Gesicht noch an, allerdings nur wegen der Botox-Behandlung, die dem Aussehen der Frau Mama leider etwas Maskenhaftes verlieh.

Am Tischenden thronte der Patriarch, der Großvater. Sein Adlerblick mit den wasserblauen Augen musterte Hubert lange und ausführlich. Die Hakennase verlieh dem hageren weißen Haupt ausgeprägte Stärke und etwas Bedrohliches. Er sah wirklich einem Adler gleich.

»Setzt euch zu Tisch an diese Seite.« Dem Befehl folgte Sessel-Rücken, Sophies Eltern setzten sich am unteren Ende der Tafel und Sophie fand ihren Platz direkt neben ihrem Großvater, ihr gegenüber wurde der Platz für Hubert zugewiesen. Sophie streichelte unbekümmert die Hand des Patriarchen. »Opi, das ist er.« Sie deutete auf Hubert und dieser errötete bis hinter die Ohren wie ein Schuljunge.