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Endlich Feierabend! Wenn die Zivilisation das Klo runter gespült ist und dein Vermieter mit der Fahrradpumpe totgeprügelt wurde, wird es Zeit sich nach einer neuen Bleibe umzusehen. Tief im Wald treffen stinkende Männer auf verwahrloste Frauen, die alle nur das eine wollen: Fleisch. Doch wie romantisch kann es werden, wenn deinem Schwarm nicht nur das Herz, sondern auch die Eingeweide fehlt und seit drei Wochen untot ist? Drei Freunde fummeln munter drauflos, um der Sache auf den Grund zu gehen. Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass sich Apokalypse UND Grillparty nicht zwangsläufig ausschliessen. Stefan Kalbers fantasiert in seinem neuen Roman Fleisch sehr eindrucksvoll darüber, wie der Alltag in einem Land nach dem Zusammenbruch jeder öffentlichen Ordnung aussehen könnte.
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Seitenzahl: 266
Veröffentlichungsjahr: 2014
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1. Auflage Februar 2014
©opyright 2014 by Autor
Titelgestaltung: Melissa Hötger
Lektorat: Christian Ritter
Satz und Konvertierung: Fred Uhde (www.buch-satz-illustration.de)
ISBN: 978-3-942920-34-6
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Stefan Kalbers
Fleisch
It’s a zombie fantasy
Die Sonne glühte vom Himmel wie ein junges Mädchen, das vor kurzem seine Unschuld verloren hatte und es kaum abwarten konnte, ein weiteres Mal genommen zu werden: Erbarmungslos heiß, hemmungslos ausdauernd und fest entschlossen, alles klein zu kriegen, was sich unter ihr bewegte. Ein Mann hatte sich trotzdem auf den Weg gemacht, um dem kranken Bodensatz der Gesellschaft zu zeigen, was es hieß, seine Würde zu bewahren. Er stand mitten auf der Straße an diesem Samstagnachmittag im Juli und verstimmte mit bewundernswerter Hingabe seine Gitarre, im festen Glauben, der Welt damit einen Dienst zu erweisen. Die Autos parkten am Straßenrand wie immer. Die Geschäfte hatten geschlossen, aber das war für einen Samstagnachmittag nicht zwangsweise ungewöhnlich. Dass manche Fensterscheiben der Geschäfte allerdings große Löcher aufwiesen oder zur Gänze fehlten und die Autos ineinandergeschoben und ausgebrannt waren, schon eher. Außerdem war es für diese Gegend in der Innenstadt verdächtig still. Niemand war mit dem Handy am Ohr eilig unterwegs. Es fuhren keine Straßenbahnen und selbst die 24-Stunden-Tankstelle stand zwar dort, wo sie immer gestanden hatte, aber es war weit und breit keine Menschenseele zu sehen, die sich eine Cola oder ein belegtes Brötchen kaufen wollte. Benzin gab es schon lange keines mehr. Zumindest nicht an den Zapfsäulen. Die Cola war umsonst und die Brötchen im Normalfall verschimmelt und absolut ungenießbar. Müll und Asche bedeckte den Beton, soweit das Auge reichte.
Der Mann zog seinen Flachmann aus der Jackentasche, ließ den Whisky in großen Sturzbächen die Kehle hinunterfließen, wischte sich den zotteligen Bart dort, wo es juckte, und zog eine widerliche Grimasse. Lampenfieber war die begehrenswerte Schönheitsprinzessin unter den Ängsten. Nervös zog er sich den Cowboyhut noch etwas tiefer in die Stirn. Würde das Publikum zu schätzen wissen, was es zu hören bekam? War es möglich, dass er die Aufmerksamkeit aller verlorenen Seelen auf sich ziehen konnte? Einmal im Leben ein begehrenswerter Star zu sein – war das zu viel verlangt? Auch dann, wenn die Zuhörerschaft aus hirnlosen Idioten bestand? Aus sabbernden Egozentrikern, die nur ihrer eigenen Bedürfnisbefriedigung Folge leisteten? Und der Künstler weder Singen, noch Gitarre spielen konnte? Chris, der Kämpfer, verbot sich diese Gedanken. In der linken Hosentasche steckte die Mundharmonika, rechts im Hosenbund die vollautomatische Schusswaffe. Das Publikum würde bekommen, was es verdiente. Er konzentrierte sich vorerst einzig und allein auf die Akkorde, die er seit einiger Zeit auswendig gelernt hatte. Er räusperte sich lautstark und begann die einzelnen Töne auf der Gitarre anzuschlagen. Mit brüchiger Stimme und einer Inbrunst, die dem Meister persönlich würdig gewesen wäre, begann er den Text zu intonieren: »Are you lonesome tonight? Do you miss me tonight? Are you sorry we drifted apart? Does your memory stray to a bright summer day when I kissed you and called you sweetheart? … Scheiße!« Chris hatte sich verspielt. Er war noch lange nicht Profi genug, um einfach darüber hinweg zu gehen. Er konnte den Anschlussakkord nicht finden, wenn nicht alles aus einem Guss war. Also fing er noch einmal ganz von vorne an. Mit dem rechten Fuß wippte er den Takt und zählte im Geiste ein: »Are you lonesome tonight? Do you miss me tonight? …« Ja, so würde es gehen. Chris hatte die Augen geschlossen. Innerlich gab es einen seltsamen Ruck, ein Raum tat sich auf, von dem er nicht wissen konnte, woher er auf einmal kam. Die Finger machten plötzlich von ganz allein, was sie machen sollten. Seine rostige Kehle schien wie ein eigenständiges Organ, das ohne sein Zutun funktionierte. Er traf die Töne nur ungefähr, aber das war egal. Sein Puls beschleunigte. Auf Chris’ Stirn stand der Schweiß, das Shirt klebte ihm am Körper.
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