Flora Salmanteri und die Minipiraten Band 1 - Noora Kunnas - E-Book

Flora Salmanteri und die Minipiraten Band 1 E-Book

Noora Kunnas

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Beschreibung

Als Nick und Lilly ihren Ordnung liebenden, kinderhassenden Onkel besuchen, lernen sie seine aufregende, exzentrische Nachbarin kennen, Mabel Merryweather, und das Abenteuer nimmt seinen Lauf. Mabel und ihre Freunde bereiten sich gerade auf einen Blumenwettbewerb vor, als die Stadt von einem fiesen Juwelendieb heimgesucht wird. Doch es bleibt nicht bei diesem Problem, denn Mabels Deko-Minipiraten sind lebendig geworden und streunern/plündern nun durch die Gärten der Nachbarschaft. Und was ist überhaupt aus der Jurorin des Wettbewerbs geworden - einer Popsängerin, die am gleichen Tag verschwunden ist? Es muss etwas geschehen, um in der Stadt wieder Frieden und Ordnung herzustellen!

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Seitenzahl: 108

Veröffentlichungsjahr: 2021

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1. KAPITEL

Furchtbare Ferienpläne

»Das ist Kindesentführung! Kidnapping! Kinder in Not!«, schrie Lilli aus Leibeskräften durch das heruntergekurbelte Fenster. Im Fahrtwind flatterten ihre Haare wie wild und ihre Augen tränten.

Lillis kleiner Bruder Mikko schnappte sich entsetzt sein Handy von der Rückbank.

»Ich hole Hilfe!«, rief er. »Wie ist der Notruf?«

Bevor Mikko irgendwen anrufen konnte, riss sein Vater Jaakko ihm das Telefon aus der Hand.

»Lilli! Kopf ins Auto und Fenster zu!«, fuhr ihre Mutter Alina sie an und umklammerte das Lenkrad noch fester. Immer wenn die Kinder hörten, dass sie zu ihrem Onkel Jim sollten, brachen im Hause Junnila schwere Zeiten an. Die Geschwister mochten ihren Onkel nicht. Und der Onkel mochte sie nicht. Aber er war der Einzige, der sich um sie kümmern konnte, solange die Eltern auf Dienstreise waren. Auch ihre Großeltern waren verreist und spielten auf Lanzarote Bingo.

»Hilfe! Hi... «, schrie Lilli trotzdem noch einmal, zog dann aber plötzlich den Kopf zurück und hustete. »Dämliche Viecher!«

»Das hast du davon, wenn du den Kopf rausstreckst!«, meckerte ihr Vater.

»Das ist so unfair!«, maulte Lilli und pulte die Insekten von ihrer Zunge. »Ihr vergnügt euch am Strand in Afrika und bringt uns zu diesem grauenhaften Typen, der nichts liebt außer sich selbst und seine Geschäftsideen.«

»Können wir nicht mitkommen?«, stimmte Mikko ein. »Wir sind auch ganz still.«

Ihre Mutter Alina seufzte tief.

»Das ist kein Badeurlaub, sondern eine Dienstreise. Da können keine Kinder mitkommen. Und dieser grauenhafte Typ ist euer Onkel, der im Grunde genommen ganz nett ist«, sagte Alina, obwohl sie wusste, dass die Kinder nicht ganz unrecht hatten. Jaakkos Bruder Jim war in der Tat ein komplizierter Mensch.

»Wartet es doch mal ab, bei Onkel Josaf… Jim kann es auch ganz nett sein«, versuchte jetzt auch ihr Vater, sie aufzumuntern. Jaakko vergaß immer wieder, dass sein Bruder Josafat den Namen aus »Gründen der Glaubwürdigkeit« in Jim geändert hatte.

Lilli lachte trocken. Jim und nett! Ihre Eltern schienen total auszublenden, wie dieser Jim tatsächlich war. Als Mikko und sie das letzte Mal bei ihm waren, mussten sie die ganze Zeit auf Handtüchern sitzen.

»Kinder machen alles schmutzig«, hatte Onkel Jim zu ihnen gesagt.

Und als sie es doch einmal wagten, sich zu bewegen, hatte Jim sie danach keine Sekunde mehr aus den Augen gelassen und jeden ihrer Schritte bewacht.

»Jim ist nicht an Kinder gewöhnt, deswegen ist er vielleicht ein bisschen streng«, sagte Alina.

»Von wegen nicht gewöhnt. Er faselt ständig, dass er selber nie Kind war«, grummelte Lilli.

Ihre Eltern waren grausam, fand sie, sie dachten nur an sich. Wie konnte jemand nur seine eigenen Kinder zu einem Menschen wie Jim bringen?!

»Na klar war Jim auch mal Kind! Ich kann mich gut daran erinnern. Einmal ist im Winter seine Zunge am Laternenmast festgefroren, als er versucht hat, daran zu lecken«, lachte Jaakko. »Gleich sind wir da. Versucht, ein bisschen zu lächeln. Es wird alles gut«, sprach er ihnen Mut zu. Doch die sonst so fröhlichen Mienen der Kinder blieben finster. Es gab für sie keinen Grund zu lächeln.

Ihr roter Kombi bog in die Einfahrt zu Jims Grundstück ein und hielt neben einem glänzenden, funkelnagelneuen SUV vor einem modernen weißen Haus.

»Mein Bruder hat schon wieder ein neues Auto«, lachte Jaakko und sah am Wohnzimmerfenster einen Kopf auftauchen.

»So, jetzt raus mit euch!«, rief Alina aufmunternd.

Widerwillig kletterten die beiden aus dem Auto.

»Geht doch schon mal klingeln«, forderte ihr Vater sie betont fröhlich auf.

Sie schlurften langsam an die Tür und drückten auf die Klingel.

Keiner öffnete.

»Jim ist nicht zu Hause!«, jubelte Lilli. »Na, dann müssen wir doch mit nach Afrika.«

»Nun wartet erst mal«, widersprach ihr Vater und marschierte zur Tür.

»Jim, ich hab dich gesehen! Jetzt mach schon auf!«, rief er durch die geschlossene Tür.

Es dauerte trotzdem noch eine Weile, bis die Tür widerstrebend geöffnet wurde. Durch den Türspalt schob sich ein Kopf mit einem gezwungenen Lächeln und einer exakt gescheitelten Gelfrisur.

»Was soll das Rumgeschreie?«, schnaubte Jim.

»Da ist er, mein einziger Bruder!«, sagte Jaakko übertrieben lebhaft und schloss den sich sträubenden Jim in seine Arme.

»Lass mich los«, wehrte Jim mürrisch ab und befreite sich.

Jim ordnete sich die Haare. Sein Blick fiel auf die nur wenige Meter entfernt stehenden Kinder. Da waren sie, die fürchterlichen Bälger seines Bruders. Er konnte absolut nicht begreifen, wieso sich jemand sein Leben freiwillig mit solchen Monstern versaute. Sie dann auch noch Verwandten aufzuhalsen … das war wirklich das Letzte!

Sie sehen noch genauso schrecklich aus wie beim letzten Mal, stellte Jim fest und ließ seinen Blick prüfend über die Kinder streifen.

Lilli war die Ältere und las für ihr Leben gern. Auch dieses Mal hatte sie wieder eine riesengroße Tasche voller Bücher mitgeschleppt.

All dieser Kram in meinem Haus. Grässlich!, dachte Jim grimmig.

Mikko war ein kleiner, blasser Dreikäsehoch, der Postkarten sammelte. Beide Kinder hatten große Augen und kräftiges, ungezähmtes Haar. Lilli hatte ihres zu einem Pferdeschwanz gebunden.

»Wohin soll ich denn die Sachen der Kinder bringen?«, fragte Jaakko eifrig und hantierte mit den vier Reisetaschen­ungetümen.

»Im Schuppen ist Platz«, antwortete Jim.

Alina und Jaakko lachten nervös und hofften, Jim habe einen Scherz gemacht. Doch dieser verzog keine Miene.

»Nein, Jim, nicht in den Schuppen!«, widersprach Jaakko.

»Na, dann ins Gästezimmer«, schnaubte Jim und zeigte zum Haus. »Aber nichts anfassen. Und die Koffer werden nicht ausgepackt! Die Betten müssen immer gemacht sein!«, rief Jim hinter Jaakko her, der die Taschen der Kinder in das zugewiesene Zimmer schleppte.

In dem Zimmer standen ein großes Bett und eine weiße Kommode, und auf dem Boden lag ein heller, flauschiger Teppich.

»Ein einziger Fleck und ihr fliegt raus!«, zischte Jim den Kindern zu.

Kurz darauf saßen die Erwachsenen draußen auf der Terrasse und tranken Kaffee. Jim verfolgte mit Entsetzen aus den Augenwinkeln, wie die Kinder auf den blitzblanken Gartenstühlen seiner neuen Sitzgruppe aus Polyrattan mit den Beinen schaukelten.

Sobald Jaakko und Alina gefahren sind, ist damit Schluss, dachte er bei sich. Die Kinder würden ihm sonst noch seine Möbel beschmutzen.

In diesem Augenblick grüßte eine alte Frau über die Hecke zum Nachbargrundstück.

»Was für ein schöner Tag«, sagte Flora Salmanteri. »Ich musste gerade an den Sommer 1937 denken. Damals war es genauso herrlich warm wie dieses Jahr. Ich hatte mir gerade einen neuen Sonnenhut und einen dazu passenden roten Badeanzug gekauft.«

»Dieser Sommer ist wirklich außergewöhnlich schön«, pflichtete ihr Jaakko bei.

»Das ist Flora Salmanteri, die neugierige Eule von nebenan. Sie steckt ihren Schnabel in alles rein«, knurrte Jim, ohne den Kopf auch nur einen Millimeter in ihre Richtung zu drehen.

Lilli hatte sich ihr Buch geschnappt, und Mikko breitete seine Postkarten auf dem Tisch aus. Seine Postkartensammlung nahm er überallhin mit und er verfügte schon über einen ordentlichen Stapel. Mikko liebte es, die Bilder zu betrachten und sich die verschiedenen Orte der Welt vorzustellen.

»Runter damit!«, meckerte Jim. »Die Karten zerkratzen mir den Tisch!« Mikko erschrak, sammelte die Postkarten hastig ein und steckte sie zurück in seinen Rucksack.

»Die machen doch keine Kratzer«, versuchte Jaakko zu beschwichtigen, aber Jim blieb unerbittlich.

»Die Kinder haben alles dabei, was sie brauchen. Gib bitte acht, dass sie nicht zu spät schlafen gehen. Normalerweise verbringen sie ihre Zeit gemeinsam. Also in der Hinsicht brauchst du dir keine Sorgen machen«, erläuterte Jaakko.

»Das sollten sie auch besser, denn ich werde mich mit Sicherheit nicht mit ihnen beschäftigen«, fauchte Jim und schlürfte seinen Kaffee.

Der Nachmittag ging in den Abend über und es wurde Zeit für Alina und Jaakko aufzubrechen. Lilli und Mikko standen in der Tür und winkten ihren davonfahrenden Eltern wehmütig hinterher. Als das Auto auf die Straße einbog, verschwand es aus ihren Blicken.

»So, ihr geht jetzt unverzüglich schlafen«, befahl Jim.

Lilli und Mikko trotteten ins Gästezimmer. Jim zog die Tür hinter ihnen zu und sie konnten hören, wie er den Schlüssel im Schloss umdrehte.

»Damit ihr mir nicht nachts durch das Haus geistert!«, rief er durch die verschlossene Tür.

»Das ist ja wie im Gefängnis«, stellte Lilli fassungslos fest.

2. KAPITEL

Flora Salmanteri

Schon seit Tagen herrschte schönstes Sommerwetter. Die Sonne brannte am wolkenlosen Himmel. Überall war der Rasen verdorrt und die Erde ausgetrocknet. Obwohl die Rasensprenger in den Gärten unaufhörlich rieselten, sahen die Beete aus wie knorztrockene Knäckebrote. Am Seeufer drängten sich schwitzende Menschen, die die Hitze mehr oder weniger genossen. Kinder lachten, kreischten und plantschten im warmen See.

Der neue Tag stellte keine Ausnahme dar. Jim machte sich fertig, um zur Arbeit zu fahren. Er kämmte seine Haare zur Seite, rieb sorgfältig Gel hinein, reinigte seine schwarzrandige Brille und steckte ein Bündel 50- und 100-Euro-Scheine akkurat gefaltet in die Brusttasche seines Anzugs.

Mikko und Lilli schliefen noch tief und fest, als Jim die Tür zum Gästezimmer aufriss und brüllte:

»Aufwachen!«

Die Kinder fuhren mit vor Schreck geweiteten Augen hoch.

»Das hier ist kein Hotel«, verkündete Jim. »Raus mit euch!«

Jim marschierte in die Küche und ließ die verdutzten Kinder in ihren Betten zurück. Schlagartig wurde ihnen wieder bewusst, wo sie sich befanden.

Jim hatte Abdeckfolie auf dem Fußboden ausgelegt, die vom Gästezimmer zur Haustür führte und an zwei Stellen abzweigte: in die Küche und zum Gäste-WC. Er wollte kein Risiko eingehen, sich von den Bälgern sein blitzblankes, supertrendiges weißes Heim verschmutzen zu lassen.

Wenig später saßen Mikko und Lilli draußen auf dem warmen Betonboden und nagten an einem trockenen Kanten Roggenbrot zum Frühstück. Jim hatte ihnen verboten, sich auf die Terrassenstühle zu setzen. Lilli las dabei in ihrem Buch, und Mikko betrachtete wehmütig eine Postkarte, auf der ein Pferd eine Mohrrübe knabberte.

»Bleibt nicht die ganze Zeit an einer Stelle sitzen, damit sich keine Delle bildet! Und fegt die Krümel weg. Ich ertrage es nicht, wenn hier alles zugemüllt wird«, murrte Jim, als er auf die Terrasse trat.

Die Kinder erhoben sich und rückten ein Stück weiter. Vom Nachbargrundstück hinter der Weißdornhecke war ein verächtliches Schnauben zu hören.

»Von wegen Delle! Im Beton! Pfff.«

»Übrigens, hier in der Gegend treiben sich Diebe herum«, sprach Jim weiter, nickte mit dem Kopf in Richtung Hecke und sprach deutlich lauter weiter: »Es würde mich nicht im Geringsten wundern, wenn einer der seltsamen Freunde dieser Nachbar-Eule seine Finger dabei im Spiel hätte.«

Lilli hob den Blick vom Buch und fragte ehrlich besorgt: »Ist die Oma, die uns gestern begrüßt hat, eine Diebin?«

Jim zuckte mit den Schultern.

»Wer kann das schon wissen. In letzter Zeit ist aus den Juweliergeschäften der Stadt Schmuck gestohlen worden und in der Zeitung stand, dass Dietrich-Eki aus Ikaalinen immer noch nicht gefasst worden ist. Auf dem Nachbargrundstück trifft sich so viel Gesindel, dass es mich nicht wundern würde, wenn dieser Gauner darunter wäre. Also, verschließt immer sorgfältig die Tür, wenn ihr irgendwohin geht«, ermahnte Jim die Geschwister und sie nickten zur Bestätigung.

»Und du da«, sprach er weiter und zeigte auf Lilli. »Lesen ist völlig nutzlos. Du solltest dir ein Beispiel an deinem Onkel nehmen. Ein echter Geschäftsmann braucht keine Bücher! Ich habe noch nie einen Roman gelesen und bin trotzdem etwas geworden. Es wäre zum Beispiel viel nützlicher, du würdest putzen, als ständig deine Nase in diese unsinnigen Geschichten zu stecken.«

Lilli wollte ihrem Onkel etwas erwidern, aber Jim war mit seiner Predigt noch nicht am Ende.

»Und du«, sagte er und zeigte auf Mikko. »Bis ich zurückkomme, lässt du dir eine Geschäftsidee einfallen!«

Dann setzte sich Jim in seinen Wagen. Doch bevor er die Tür schloss, rief er ihnen noch zu:

»Und macht mir keinen Dreck! Wenn ihr etwas essen müsst, dann draußen! Ich habe eine Packung Knäckebrot neben die Spüle gestellt, davon könnt ihr euch etwas nehmen.«

Jim düste mit aufheulendem Motor davon.

»Eine Geschäftsidee! Ich werde ihm meine Ideen zeigen«, drohte Mikko und breitete seine Postkarten auf der ganzen Terrasse aus, ohne sich darum zu scheren, ob sie den Boden zerschrammten oder nicht.

Lilli bröselte absichtlich Brotkrümel in den Garten und ließ sie liegen.

»So. Da hat der Blödmann seine Unordnung. Soll er doch selbst aufräumen«, sagte sie schadenfroh.

In diesem Moment spähte die liebenswürdig aussehende alte Nachbarin über die Dornenhecke. Die gleiche, die sie gestern begrüßt hatte.

»Hallo!«, schmetterte sie vergnügt herüber.

Lilli und Mikko erschraken. Das war doch genau die Frau, vor der ihr Onkel Jim sie gewarnt hatte. Sie hatte schneeweiße, dicke lockige Haare und im Gesicht fröhliche Falten. Trotz ihres Alters wirkte sie äußerst rüstig. Ihre Augen hinter der Brille leuchteten lebhaft.

»Euer Betreuer ist ein bisschen barsch«, sagte sie amüsiert.

Die Kinder rührten sich nicht.

»Ich habe zufällig gehört, was er euch über das Lesen gesagt hat. Natürlich muss jeder Geschäftsmann auch lesen. Das ist gut für die Birne und macht außerdem Spaß. Ich habe so den Verdacht, dass euer Onkel vielleicht gar nicht lesen kann.«

Die Kinder lauschten still.

»Die da soll eine Diebin sein?«, raunte Mikko Lilli zu.

Floras Gehör war messerscharf. Sie lachte.