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**Stell dir vor, du betrittst einen Raum, in dem die Luft schwer von Kerzenwachs und alten Geheimnissen ist. Vor dir sitzt eine Frau, umgeben von dunklen Vorhängen und vergilbten Büchern, ihre Finger ruhen sanft auf einer leuchtenden Kristallkugel.** Elvira Nachtweber hat jahrelang ihr Geld als Wahrsagerin verdient – mit geschickter Manipulation und klugem Menschenverstand. Ihre Prophezeiungen sind nicht echt, aber ihre Fähigkeit, in den Gesichtern ihrer Kunden die Wahrheit zu lesen, macht sie überzeugend. Doch eines Tages beginnt sich die Welt um sie herum zu verändern. Dinge geschehen, die sie nicht erklären kann. Stimmen flüstern in der Dunkelheit, Gegenstände bewegen sich von selbst, und eine unheimliche Botschaft auf ihrem Spiegel stellt ihr gesamtes Leben infrage: "Du hast uns betrogen." Verzweifelt sucht sie Hilfe, doch je tiefer sie in die Wahrheit eintaucht, desto klarer wird ihr, dass sie nicht nur mit einem Fluch zu kämpfen hat, sondern auch mit ihrer eigenen Vergangenheit. Als sich die Geister ihrer Opfer erheben und der Tod um sie herum seine kalten Finger ausstreckt, bleibt ihr nur ein Ausweg – aber dieser hat seinen Preis. Ein düsterer, spannungsgeladener Roman über Schuld, Betrug und die Frage, was passiert, wenn Lügen auf eine Macht treffen, die sich nicht täuschen lässt.
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Seitenzahl: 197
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Vorwort
Stell dir vor, du betrittst einen Raum, in dem die Luft schwer von Kerzenwachs und alten Geheimnissen ist. Vor dir sitzt eine Frau, umgeben von dunklen Vorhängen und vergilbten Büchern, ihre Finger ruhen sanft auf einer leuchtenden Kristallkugel.
Elvira Nachtweber hat jahrelang ihr Geld als Wahrsagerin verdient – mit geschickter Manipulation und klugem Menschenverstand. Ihre Prophezeiungen sind nicht echt, aber ihre Fähigkeit, in den Gesichtern ihrer Kunden die Wahrheit zu lesen, macht sie überzeugend. Doch eines Tages beginnt sich die Welt um sie herum zu verändern. Dinge geschehen, die sie nicht erklären kann. Stimmen flüstern in der Dunkelheit, Gegenstände bewegen sich von selbst, und eine unheimliche Botschaft auf ihrem Spiegel stellt ihr gesamtes Leben infrage: „Du hast uns betrogen.“
Verzweifelt sucht sie Hilfe, doch je tiefer sie in die Wahrheit eintaucht, desto klarer wird ihr, dass sie nicht nur mit einem Fluch zu kämpfen hat, sondern auch mit ihrer eigenen Vergangenheit. Als sich die Geister ihrer Opfer erheben und der Tod um sie herum seine kalten Finger ausstreckt, bleibt ihr nur ein Ausweg – aber dieser hat seinen Preis.
Ein düsterer, spannungsgeladener Roman über Schuld, Betrug und die Frage, was passiert, wenn Lügen auf eine Macht treffen, die sich nicht täuschen lässt.
Über die Autorin / den Autor:
Vanessa Drexen – Zwischen Schatten und Worten
Vanessa Drexen wurde in einer kleinen, verregneten Stadt geboren, in der die Grenzen zwischen Realität und Fiktion oft zu verschwimmen schienen. Schon als Kind verbrachte sie unzählige Stunden damit, in alten Bibliotheken zu stöbern, Märchen zu verschlingen und sich Geschichten auszudenken, die das Dunkle mit dem Geheimnisvollen verbanden. Ihre Faszination für das Übernatürliche, die Abgründe der menschlichen Psyche und die Frage nach dem, was hinter dem sichtbaren Vorhang der Welt lauert, prägte sie früh und wurde zum Kern ihrer schriftstellerischen Identität.
Nach ihrem Studium der Literaturwissenschaften und Psychologie widmete sie sich ganz dem Erzählen – immer mit einem Fuß in der Schattenwelt, immer auf der Suche nach Geschichten, die die Grenzen zwischen Traum und Albtraum ausloten. Ihre Romane sind geprägt von düsterer Atmosphäre, tiefgründigen Charakteren und einem Hauch von unheilvoller Magie. Sie versteht es, ihre Leser in emotionale Abgründe zu ziehen und ihnen gleichzeitig Hoffnung zu schenken – denn in jedem Schrecken, so sagt sie, liegt auch ein Funken Wahrheit, und in jeder Dunkelheit ein Hauch von Licht.
Vanessa Drexen lebt heute zurückgezogen an einem Ort, an dem die Nebel über den Feldern hängen und die Nächte länger scheinen als anderswo. Sie schreibt meist in den stillen Stunden der Nacht, begleitet vom Knistern alter Bücher und der leisen Melodie des Regens. Wenn sie nicht an neuen Geschichten arbeitet, geht sie auf ausgedehnte Spaziergänge, sammelt Inspiration an vergessenen Orten oder lauscht der Stille, in der – so glaubt sie – die besten Geschichten verborgen liegen.
Titel: Fluch der Lügen – Wenn die Geister dich holen
Kapitel 1: Das perfekte Geschäft
Elvira Nachtweber wusste genau, wie sie die Sehnsüchte und Ängste ihrer Kunden ansprechen konnte, noch bevor diese selbst wussten, wonach sie suchten. In einem altmodischen, aber geschmackvoll eingerichteten Raum, in dem der Duft von Weihrauch und alten Büchern in der Luft lag, hatte sie sich ein kleines, aber äußerst profitables Imperium aufgebaut. An der Wand hingen verblasste Porträts längst vergangener Zeiten, und auf einem antiken Holztisch lagen verschiedenste Kristallkugeln, Tarotkarten und handgeschriebene Zettel, die – so überzeugend sie auch aussahen – allesamt nur Hilfsmittel waren, um den Zauber ihres Angebots zu verstärken.
An diesem regnerischen Nachmittag, als der Dunst der Stadt über die Fenster kroch und die Straßen im diffusen Licht der Straßenlaternen versanken, bereitete sich Elvira auf den nächsten Kunden vor. Sie war eine Frau um die vierzig, mit einem Blick, der so scharf war wie ein Rasiermesser, und einer Ausstrahlung, die zugleich geheimnisvoll und einladend wirkte. Ihre schlanken Hände glitten über die gut gealterten Seiten eines alten Buches, in dem sie sorgfältig Notizen über vergangene Sitzungen führte – immer mit einem Hauch von Ironie, wenn sie an die naive Leichtgläubigkeit ihrer Besucher dachte.
Sie lehnte sich zurück in den samtbezogenen Sessel, den sie liebevoll „den Thron der Zukunft“ nannte, und ließ den Blick über den Raum schweifen. Für Außenstehende schien alles perfekt inszeniert: Das gedämpfte Licht, die sanften Klänge eines alten Klaviers im Hintergrund, der dezent eingestellte Duft von Lavendel und Myrrhe – alles trug dazu bei, eine Atmosphäre heraufzubeschwören, in der Wunder und Geheimnisse greifbar schienen. Doch hinter dieser sorgfältig gepflegten Fassade verbarg sich Elviras wahre Kunst: Ihre außergewöhnliche Menschenkenntnis.
Die Kunst, die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen zu erkennen, war das Fundament ihres Erfolgs. Sie wusste, dass ihre Prophezeiungen nie in Stein gemeißelt waren, sondern vielmehr wie ein raffiniert gesponnenes Netz arbeiteten, das jedem Kunden das Gefühl gab, individuell wahrgenommen zu werden. „Sie kommen hierher, weil sie Hoffnung, Trost und manchmal auch ein kleines bisschen Nervenkitzel suchen“, dachte sie leise, während sie eine Schachtel mit allerlei schimmernden Edelsteinen sortierte, die sie als „Glücksbringer“ anbot – natürlich alles nur Teil der Show.
Plötzlich öffnete sich die Tür mit einem leisen Knarren, und ein junger Mann trat ein. Sein Gesicht war von Sorgenfalten gezeichnet, und seine Augen suchten sofort nach Antworten, als wären sie auf einem verzweifelten Pfad in einem dunklen Wald. Er setzte sich zögerlich auf einen der antiken Stühle, die in einem Halbkreis um den Tisch angeordnet waren, und sah sich um, als ob er in jedem Winkel ein verborgenes Geheimnis erahnen könnte.
Elvira lächelte charmant und sprach mit einer Stimme, die zugleich warm und leicht sarkastisch klang: „Willkommen, mein Lieber. Setzen Sie sich, die Zukunft wartet nicht, und manchmal ist sie schneller, als man denkt.“ Mit dieser Bemerkung, halb scherzhaft, halb ernst, brach sie das Eis und begann, ihre übliche Zeremonie einzuleiten. Sie nahm eine Tarotkarte aus ihrem Deck, ließ sie langsam über ihren Tisch gleiten und fixierte den Mann mit einem durchdringenden Blick.
„In Ihrem Leben gibt es viele Fragen, und es scheint, als ob sich gerade der Sturm zusammenbraut“, begann sie, während sie scheinbar die Linien seines Schicksals studierte. Dabei achtete sie penibel auf jede kleine Regung in seinem Gesicht – das leichtes Zucken, das Zusammenziehen der Augenbrauen, den Hauch eines seufzenden Atemzugs. All diese subtilen Hinweise ließen sie schmunzeln, denn sie wusste, dass ihre Worte – so vage sie auch klangen – wie Magie wirkten. Ein Kunde, der sich in den endlosen Weiten der Möglichkeiten verlor, glaubte sofort, dass sie den geheimen Code seines Lebens entschlüsseln konnte.
Sie fuhr fort: „Die Zeichen deuten auf eine Veränderung hin, eine neue Begegnung, die Ihr Schicksal in unerwarteter Weise berühren wird.“ Dabei ließ sie ihren Blick kurz über einen kleinen, silbernen Anhänger schweifen, den sie sorgfältig auf einem Kissen platziert hatte. Dieser Anhänger, den sie gelegentlich als „Schlüssel zur Zukunft“ bezeichnete, war natürlich nichts weiter als ein hübsches Schmuckstück, das sie von einem Antiquitätenhändler erworben hatte. Dennoch wirkte er in dem schummrigen Licht fast magisch.
Während Elvira sprach, spürte sie, wie der junge Mann sich in ihren Worten verlor. Er nickte langsam, als ob jedes ihrer Worte ein Puzzleteil in einem großen, unerklärlichen Bild zusammenfügte. Mit jeder Minute wuchs seine Faszination, und Elvira genoss diesen Moment der absoluten Kontrolle. Ihr Geschäft beruhte nicht auf übernatürlichen Kräften, sondern auf der Kunst, die menschliche Psyche zu verstehen und geschickt zu beeinflussen.
Mit schlagfertiger Präzision ließ sie kleine, humorvolle Einwürfe in ihre Zeremonie einfließen. Als der junge Mann leise fragte, ob seine Zukunft „nicht zu düster“ sein könnte, erwiderte sie mit einem Augenzwinkern: „Ach, die Zukunft ist wie ein guter Kaffee – manchmal bitter, manchmal süß, aber immer ein bisschen aufregend, wenn man genau hinschaut.“ Diese Bemerkung brachte den Mann zum Schmunzeln, und für einen kurzen Moment schien es, als hätte sie nicht nur sein Schicksal, sondern auch seine Stimmung gewendet.
Doch während die Worte in der warmen Atmosphäre des Raumes ihre Wirkung entfalteten, war Elvira sich selbst der Tragweite ihres Handelns durchaus bewusst. Ihre Kunst bestand darin, den Glauben der Menschen an das Übersinnliche zu nähren, auch wenn sie selbst niemals daran geglaubt hatte. Für sie war es ein Spiel – ein Spiel mit den Emotionen, Hoffnungen und Ängsten, das ihr ein bequemes Auskommen sicherte. Sie wusste, dass jeder, der den Raum betrat, ein kleines Stück seines eigenen Mysteriums mitbrachte, und sie hatte gelernt, diese Stücke so zusammenzufügen, dass ein überzeugendes Bild entstand.
Zwischen den Sitzungen nahm sie sich immer wieder einen Moment der Ruhe, um ihre eigenen Gedanken zu ordnen. Während sie in ihrem Büro saß, umgeben von antiken Spiegeln und funkelnden Kristallen, fragte sie sich manchmal leise, ob sie nicht selbst einmal Opfer ihrer eigenen Täuschung werden könnte. Doch der Gedanke verflog schnell, ersetzt durch den wissenden Blick in die Zukunft – zumindest in der Welt, die sie selbst geschaffen hatte.
Elvira hatte im Laufe der Jahre unzählige Geschichten gehört: von verlorenen Lieben, verpassten Chancen und dunklen Geheimnissen, die unter der Oberfläche der scheinbar gewöhnlichen Existenz lauerten. Jede Geschichte gab ihr die Gelegenheit, ihre schlagfertigen Bemerkungen und pointierten Prophezeiungen zu verfeinern. Mit einem unerschütterlichen Selbstbewusstsein und einer Prise Ironie begegnete sie jeder neuen Geschichte, als sei es das perfekte Puzzlestück, das sie in ihr großes Mosaik einfügen konnte.
In jenem Moment, als sie sich wieder dem jungen Mann zuwandte, lag eine gewisse Vorahnung in der Luft. Es war, als ob das Schicksal selbst einen Moment der Stille einlegte, bevor es mit einer neuen Wendung zuschlug. Elvira spürte, dass dies nicht nur eine weitere Sitzung war, sondern ein weiterer Schritt in einem Spiel, dessen Regeln sie zwar selbst festgelegt hatte, dessen Ausgang aber manchmal unvorhersehbar schien. Ihre scharfen Augen funkelten im gedämpften Licht, als sie mit fester Stimme verkündete: „Manchmal sind es die kleinen Zufälle, die den größten Wandel bringen – seien Sie bereit für das Unerwartete.“
Der junge Mann lauschte gebannt, während in seinem Inneren bereits eine Mischung aus Angst und Hoffnung emporstieg. Er hatte nicht nur Antworten erwartet, sondern eine Bestätigung für all die Fragen, die ihn nachts wach hielten. Und in diesem Moment, in dem die Dunkelheit draußen mit den Schatten im Raum verschmolz, wusste er nicht, dass er in Elviras geschicktem Netz bereits gefangen war.
Mit jedem Satz, den sie sprach, verfestigte sich ihr Ruf als die unangefochtene Meisterin der Wahrsagerei. Und während der Regen leise gegen die Scheiben trommelte, bereitete sich Elvira darauf vor, dem nächsten Besucher, dem nächsten verlorenen Geist auf der Suche nach Antworten, dieselbe Mischung aus Charme, Witz und messerscharfer Menschenkenntnis zu bieten, die sie zu ihrer erfolgreichsten Maske gemacht hatte.
So begann wieder ein Tag in ihrem kleinen, geheimnisvollen Reich, in dem der Glaube an das Übersinnliche und die Kunst der Täuschung Hand in Hand gingen. Das perfekte Geschäft lief, und während draußen die Welt in grauen Regentropfen versank, schuf Elvira Nachtweber in ihrem Raum eine Oase des Unbekannten – bereit, jeden, der vor der Tür stand, mit einem Versprechen auf eine Zukunft zu locken, die so verführerisch wie gefährlich war.
Kapitel 2: Der Trick mit der Menschenkenntnis
Elvira Nachtweber war eine Meisterin darin, den Menschen hinter der Fassade zu erkennen. Noch bevor ein Kunde den Raum betrat, hatten ihre scharfen Augen und ihr feines Gespür bereits angefangen, Geschichten zu entwirren – Geschichten, die in jeder Falte, jedem Zögern und jeder scheinbar unbedeutenden Bewegung verborgen lagen. Es war diese Fähigkeit, kleine Details zu bemerken und zu deuten, die ihren Erfolg als Wahrsagerin erst möglich machte.
An einem kühlen Morgen, als der erste sanfte Dunst des Tages durch die Vorhänge schimmerte, bereitete sich Elvira in aller Ruhe auf die Begegnungen vor, die ihr bevorstanden. Sie ordnete ihre Tarotkarten mit präziser Sorgfalt, justierte die Kristallkugel so, dass sie das gedämpfte Licht optimal einfing, und kontrollierte noch einmal die kleinen Accessoires, die sie zur Schau stellte – jeder Gegenstand hatte seine eigene Geschichte, und jede Geschichte sollte die Illusion ihrer Gabe verstärken. Während sie in ihrem stillen Moment über die Symbole nachdachte, schweiften ihre Gedanken zu all den Begegnungen, in denen sie das wahre Ich ihrer Kunden entdeckt hatte – oft mit einem wissenden Lächeln, das sie kaum verbergen konnte.
Kaum hatte sich der erste Kunde, ein nervöser Geschäftsmann in einem teils abgetragenen Anzug, in den Raum gewagt, begann Elvira schon damit, seine Körpersprache zu studieren. Sein unsicherer Gang, das nervöse Zupfen an der Krawatte und das ständige Wechseln des Blicks verrieten ihm, dass hinter der Fassade des Erfolgs eine Furcht vor dem Scheitern lauerte. Ohne ein Wort zu verlieren, registrierte sie jeden seiner unbewussten Hinweise. Mit einem charmanten Lächeln begrüßte sie ihn und ließ ihre Blicke in ihm verweilen – ein Blick, der all seine Sorgen aufzunehmen schien, ohne dabei seine Geheimnisse preiszugeben.
Die Kunst, die Menschen zu lesen, beruhte für Elvira nicht nur auf dem, was offensichtlich war. Es waren auch die feinen Nuancen – ein unbedachtes Zucken der Augenbrauen, ein winziges Erröten an den Wangen oder die Art, wie jemand seine Hände hielt –, die ihr halfen, den inneren Zustand eines Menschen zu entschlüsseln. In den leisen Momenten der Stille, wenn Worte noch nicht den Raum füllten, lauschte sie aufmerksam auf das, was zwischen den Zeilen geschah. Einmal saß sie einer jungen Frau gegenüber, die in einem eleganten Kleid und mit funkelnden Augen erschien, doch in ihrer Haltung schwang eine tiefe Unsicherheit mit. Der Blick, der immer wieder unauffällig zu den feinen Schmuckstücken an ihrem Hals glitt, erzählte von einer Suche nach Bestätigung und einer Furcht vor dem Alleinsein – Details, die Elvira später in eine Prophezeiung einfließen ließ, die der Frau das Gefühl gab, endlich verstanden zu werden.
Während der Sitzung nahm Elvira sich immer wieder Zeit, die subtilen Signale zu deuten. Mit leiser, fast schon meditativer Aufmerksamkeit beobachtete sie, wie sich der Gesichtsausdruck ihrer Kunden bei bestimmten Fragen veränderte. War es der Hauch eines Zweifels, der sich in einem flüchtigen Lächeln versteckte? Oder war es die stille Verzweiflung, die sich in zusammengezogenen Augenbrauen abzeichnete? Jede Reaktion war für sie ein Baustein, den sie zu einer stimmigen, individuell zugeschnittenen Zukunftsgeschichte zusammensetzte. Dabei mischte sie die Elemente ihrer Technik mit einem feinen Sinn für Humor. Wenn ein Kunde beispielsweise zögerlich von einer großen Lebensveränderung sprach, erwiderte sie mit einem Augenzwinkern: „Manchmal ist das Leben wie ein schlecht gemischter Cocktail – ein bisschen bitter, ein bisschen süß, und manchmal überrascht es einen mit einem Spritzer Schuss Wahnsinn.“ Ihre Bemerkungen brachten oft ein leichtes Lachen hervor, das nicht nur die Stimmung auflockerte, sondern auch das Eis brach, damit der Kunde sich in ihrer Gegenwart sicher fühlte und noch mehr von sich preisgab.
Für Elvira war jeder Kunde ein Rätsel, das darauf wartete, gelöst zu werden. Sie verband die äußeren Indizien – die Wahl der Kleidung, die Art des Schmucks, sogar der Schnitt in der Frisur – mit den kleinsten Verhaltensweisen, um ein umfassendes Bild zu entwerfen. Sie wusste, dass ein gut gewählter Kommentar, der direkt auf einen dieser Punkte einging, die Illusion verstärkte, als ob sie tatsächlich in das Unsichtbare blicken könnte. So sprach sie einem Kunden, der in einem altmodischen, aber makellos geschnittenen Anzug erschien, von „vergangenen Zeiten, in denen die Entscheidungen eines Mannes über Wohlstand und Niedergang bestimmten“, obwohl sie in Wahrheit nur an der kleinen, abgenutzten Ecke seines Einstecktuchs gelesen hatte.
Mit jedem neuen Besuch verfeinerte Elvira ihr System. Spätestens dann, wenn die untergehende Sonne das Zimmer in warmes, goldfarbenes Licht tauchte, setzte sie sich oft in ihren Sessel und notierte in einem geheimen Notizbuch, welche Gesten und kleinen Details ihr an diesem Tag besonders aufgefallen waren. Diese Aufzeichnungen waren nicht nur Erinnerungen, sondern dienten als Inspiration für zukünftige Sitzungen. Sie verband die Beobachtungen mit einer Art innerem Kompass, der ihr half, den wahren Charakter ihrer Kunden zu entschlüsseln – und so ihre Erzählungen noch überzeugender zu gestalten.
An diesem Tag, während der Regen leise gegen die Fenster trommelte und der Abend sich langsam näherte, ließ Elvira erneut ihre Sinne schärfen. Mit der gleichen unermüdlichen Präzision, mit der sie jeden Blick, jede Geste und jedes noch so kleine Detail registrierte, bereitete sie sich auf die nächsten Begegnungen vor. Denn für sie war es ein ständiges Spiel, ein Tanz zwischen Realität und Illusion, bei dem sie stets die Führung behielt. Die Kunst der Menschenkenntnis war für sie nicht nur ein Werkzeug, um ihr Geschäft zu führen – es war die Seele ihrer Kunst, das Geheimnis hinter jeder Prophezeiung, die sie in den Raum fließen ließ.
So verging der Tag, während Elvira in der stillen Gewissheit schwelgte, dass jede Begegnung, jeder flüchtige Blick und jede kleine Geste sie weiter zu ihrer nächsten, noch größeren Täuschung führen würde – immer begleitet von einem Hauch von Humor, der selbst den trübsten Tag ein wenig heller erscheinen ließ.
Kapitel 3: Ein unheimlicher Kunde
Der späte Nachmittag neigte sich dem Ende zu, als ein ungewöhnliches Klopfen an der Tür von Elviras beschaulichem Laden erfolgte. Das trübe Licht des herabziehenden Tages tauchte den Raum in schummrige Schatten, in denen die altmodischen Dekorationen beinahe lebendig wirkten. Elvira, die sich gerade in Gedanken über die Feinheiten ihrer nächsten Prophezeiung verlor, hob den Blick, als das Knarren der Tür sie aus ihrer Routine riss. Mit einer Mischung aus Neugier und einer leisen Ahnung, dass etwas Außergewöhnliches bevorstand, erhob sie sich und öffnete die Tür.
Dahinter stand ein Mann, dessen Erscheinung sofort alle Sinne schärfte. Er war groß und schlank, in einen abgetragenen, dunklen Mantel gehüllt, der ihm den Eindruck eines Wanderers zwischen den Zeiten vermittelte. Sein Gesicht war von feinen Falten durchzogen, die nicht nur das Alter, sondern auch ein tiefes Leid zu erzählen schienen. Seine Augen, von einem durchdringenden Grau, funkelten zugleich misstrauisch und sehnsüchtig – als hätten sie bereits das Dunkel seiner Zukunft erblickt. Ohne ein förmliches „Guten Tag“ zu verlieren, trat er langsam ein, als ob er den Raum erst betreten wollte, um sich mit jedem Schritt an dessen Atmosphäre zu laben.
Elvira, gewohnt, ungewöhnliche Besucher willkommen zu heißen, musterte ihn aufmerksam. Es war nicht das erste Mal, dass jemand mit solch einem düsteren Auftreten vor ihr stand, doch an diesem Tag lag etwas ganz Besonderes in der Luft. Der Mann zögerte einen Augenblick am Eingang, bevor er mit einer Stimme, die kaum lauter als ein Flüstern war, seine Bitte äußerte: „Ich muss wissen, wann und wie mein Ende kommt. Ich kann dieses nagende Gefühl des Unvermeidlichen nicht länger ertragen.“
Die Worte hallten in dem stillen Raum nach, und für einen Moment schien es, als ob die Zeit selbst innehielt. Elvira spürte, wie sich ihre gewohnte Fassade der Schlagfertigkeit und des selbstbewussten Humors mit einer unerwarteten Ernsthaftigkeit vermischte. Der Kunde schien nicht nur ein weiterer Seelensuchender zu sein, sondern jemand, der sich bewusst und mit fast schon resignierter Erwartung in den Abgrund seiner eigenen Zukunft stürzte. Sie bat ihn, Platz zu nehmen, und führte ihn zu dem antiken Sessel, der in der Mitte des Raumes stand – ein Sessel, der schon unzählige Geschichten von Hoffnungen, Ängsten und verlorenen Träumen aufgenommen hatte.
Während der Mann sich langsam setzte, begann er, nervös an den Kragen seines Mantels zu zupfen. Elvira beobachtete jede seiner Bewegungen mit scharfem Blick. Sein nervöses Zupfen, das leichte Zittern in seinen Händen – all dies verriet ihr, dass er weit mehr empfand als nur eine bloße Neugier auf das Schicksal. Es war fast, als hätte er bereits das Bild seines eigenen Endes vor Augen, und nun suchte er verzweifelt nach einem Weg, diesem unausweichlichen Schicksal zu entkommen oder es wenigstens zu verstehen.
„Sie wollen also wissen, wann der Vorhang fällt?“ fragte Elvira mit einem sarkastischen Unterton, der jedoch nicht die kühle Neugier in ihrer Stimme verbergen konnte. Ihr Blick ruhte auf den feinen Linien, die sich um die Augen des Mannes zogen – Zeichen von unzähligen schlaflosen Nächten und von einer Last, die schwer auf seinen Schultern lag.
Der Mann nickte langsam, und sein Blick senkte sich kurz, als wolle er sich selbst vor der Schwere seiner eigenen Frage schützen. „Ja,“ murmelte er fast unhörbar, „ich habe das Gefühl, als ob ich in einen Abgrund blicke, und jeder Tag rückt mir näher, ohne dass ich etwas dagegen tun kann.“
Elvira lehnte sich zurück, schloss für einen Augenblick die Augen und ließ in Gedanken über die vielen Schicksale schweifen, die ihr in den vergangenen Jahren anvertraut worden waren. Dabei durchlief sie in ihrem Geist die Feinheiten ihres bewährten Repertoires – die kunstvolle Mischung aus Andeutungen, symbolischen Bildern und scharfsinnigen Beobachtungen, die ihren Ruf als die unangefochtene Meisterin der Prophezeiungen begründet hatten. Doch in diesem Fall war etwas anders. Dieser Mann strahlte eine Intensität aus, die selbst ihre geschulten Sinne nicht völlig zu deuten vermochten. Es war, als ob er bereits auf einem schmalen Grat zwischen Vorahnung und Verzweiflung wandelte, ein Grat, den sie so oft mit ihrem Charme überquert hatte, der jedoch hier wie ein unsichtbarer Abgrund wirkte.
„Wissen Sie,“ begann sie schließlich mit der Stimme einer Frau, die selbst in den dunkelsten Stunden noch einen Funken Humor bewahren konnte, „manche sagen, der Tod sei wie ein guter alter Freund, der einen irgendwann abholt – doch wenn Sie möchten, dass ich Ihnen sage, wann dieser Freund erscheint, dann sollten Sie sich vielleicht fragen, ob Sie bereit sind, ihm die Tür zu öffnen.“ Ihre Worte hatten einen spöttischen Unterton, doch gleichzeitig lag darin ein Hauch von Ernst, der dem Raum eine fast greifbare Spannung verlieh. Der Mann runzelte die Stirn, als ob er versuchte, die Bedeutung ihrer Worte zu entschlüsseln, während er in seinem Blick einen Moment lang Resignation und Angst offenbarte.
Elvira erhob sich, ging zu dem kleinen Schrank, in dem sie ihre Tarotkarten aufbewahrte, und zog langsam ein Deck hervor, das in seinem abgenutzten Zustand fast genauso geheimnisvoll wirkte wie die Geschichten, die es erzählte. Mit ruhiger Hand mischte sie die Karten, während sie den Mann unaufhörlich musterte. Jede Bewegung, so schien es, war ein Teil eines ungesprochenen Dialogs zwischen den beiden – ein Dialog, in dem Worte oft überflüssig waren und Blicke mehr sagten als tausend Erklärungen.
„Bevor wir fortfahren,“ sagte Elvira schließlich, während sie eine Karte zog, „möchte ich, dass Sie sich einen Moment lang ganz auf sich selbst konzentrieren. Lassen Sie die Worte, die Sie jetzt aussprechen, in sich nachklingen – spüren Sie die Schwere und zugleich die Leichtigkeit, die mit der Erkenntnis Ihres eigenen Schicksals einhergehen.“ Der Mann schloss für einen Augenblick die Augen, als würde er den Mut sammeln, in die Tiefen seines Inneren zu blicken. Die Stille im Raum wurde fast unerträglich, unterbrochen nur vom leisen Knistern des alten Holzbodens und dem entfernten Rauschen des Regens, der langsam wieder einsetzte.
Als der Mann schließlich die Augen wieder öffnete, lag in seinem Blick ein schwaches Funkeln, als ob ein Funken Hoffnung inmitten der Dunkelheit aufglomm. Elvira fuhr fort, indem sie die gezogene Karte vor ihm ausbreitete. Das Bild einer finsteren Gestalt, umgeben von Schatten und geheimnisvollen Symbolen, spiegelte auf unheimliche Weise die Unsicherheit und Furcht des Mannes wider. Mit einer Mischung aus fachsimpeln und leicht ironischem Unterton erklärte sie: „Diese Karte zeigt nicht nur den nahenden Abschied, sondern auch den Weg, der Sie dorthin führt. Es ist, als ob das Schicksal Ihnen bereits den Zeitpunkt Ihres letzten Atemzugs angedeutet hat.“
Ihre Worte lösten bei dem Mann ein Zittern aus, das nicht nur körperlicher Natur war, sondern auch tief in seinen Gedanken widerhallte. Er atmete tief ein und schien einen Moment in sich zu gehen – als ob er in diesem Augenblick die volle Tragweite dessen erkannte, was er zu erfahren suchte. „Ist es unvermeidlich?“ fragte er leise, fast als fürchtete er, die Antwort könnte ihn in den Abgrund reißen.
Elvira lächelte wissend, doch in diesem Lächeln lag keine Hohn, sondern vielmehr die Melancholie derer, die tagtäglich mit den dunklen Seiten des Lebens konfrontiert werden. „Das Schicksal ist ein eigensinniger Begleiter,“ erwiderte sie, „es führt uns auf Wegen, die wir nicht immer verstehen, und manchmal auch nicht kontrollieren können. Aber bedenken Sie: Der Tod ist nur ein Teil des Lebens – so schmerzhaft und beängstigend er auch sein mag, er ist ebenso unvermeidlich wie der morgendliche Sonnenaufgang.“