Flugstein #4 - Maren El Gammal - E-Book

Flugstein #4 E-Book

Maren El Gammal

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Beschreibung

Episode 4 (von 5): Flora, Lluna und Odo sind auf dem Weg zum Segelmacher. Dringend benötigen sie einen neuen Gleiter. Doch ein Dieb hat es auf LLunas Flugstein abgesehen. Und dann wird auch noch der Gleiter gestohlen und der Segelmacher ist verschwunden. Stecken da etwa die Schwafelhunde dahinter? Gemeinsam begeben sie sich auf die Suche und ihr Weg führt in den gefährlichen Nachtwald....

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Seitenzahl: 80

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Flugstein #4

Ein Mellovien-Abenteuer

von

Impressum

Cover: Monika Klettner – Maren El Gammal - Karsten Sturm

© 110th / Chichili Agency 2014

EPUB ISBN 978-3-95865-314-6

MOBI ISBN 978-3-95865-315-3

 

Urheberrechtshinweis:

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Autors oder der beteiligten Agentur „Chichili Agency“ reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

 

Inhalt

23. Das Meisterstück

24. Freund oder Feind

25. Gleiter

26. Verfolgung

27. Befreiung

28. Die summenden Mollusken

29. Geschichten aus dem Nachtwald

30. Fiegelangriff

23. Das Meisterstück

Der Gleiter

Als Muriel zurück in den Garten kam, überreichte sie Lluna einen Zettel mit der Wegbeschreibung zum nächsten Segelmacher und führte die drei durch ein paar verwinkelte Gänge um den miefigen Gastraum herum zum Ausgang. Sie übergab Flora den Schlüssel für das Zimmer und drückte sie alle drei zum Abschied heftig an ihre Brust.

Als sie die Tür zur Eichhorngasse öffneten, blendete sie grelles Licht. In den kleinen, engen Gässchen war das Gedränge nicht so wild wie in den Hauptstraßen Orlas. Flora, Lluna und Odo machten sich auf zum Segelmacher.

Ihr Weg führte sie über den Naschmarkt, durch die Gasse der Handwerker, vorbei an fliegenden Händlern und weiter in die Straße der Künstler. Als sie die angegebene Adresse erreichten, hatten alle drei unterwegs an den verschiedensten Ständen Leckereien gekostet, Bonbons gekauft, frisch gebackenes Brot gegessen und jeder mindestens eine Zimtschnecke verdrückt. Odo fühlte sich elend. Ihm wären die Schnecken ohne Zimt lieber gewesen, aber in der süßen Glasur waren die Schneckenfühler so verführerisch knusprig herausgebacken, dass er nicht widerstehen konnte. Er hatte sicherlich fünf davon verdrückt und versuchte möglichst lautlos zu rülpsen.

„So, hier müsste es irgendwo sein“, sagte Lluna und verglich noch einmal die Adresse von Muriels Zettel mit ihrem Standort. Flora entdeckte ein unscheinbares Schild mit der Aufschrift „Aramis Bazoon – Segelmacher“.

„Das muss es sein!“, sie zeigte auf das Schild über einem schmalen Eingang, zwischen dem Laden eines Töpfers und der Werkstatt eines Schuhmachers.

Die unscheinbare Tür führte durch einen schmalen Gang in einen Innenhof, dessen linke Seite zum Teil überdacht war. Dort lag die Werkstatt. In der Mitte befand sich eine Werkbank und dahinter hingen Hobel, Bohrer, Messer, Schnitzwerkzeuge, Sägeblätter, Raspeln und Schleifmaterialien in verschiedenen Größen und Körnungen. In einem tiefen Holzregal an der Seite waren Stoffe fein säuberlich zusammengelegt. Auf der anderen Seite der Werkbank hingen Seile in unterschiedlichen Stärken und Längen, jeweils ordentlich zusammengedreht und verknotet.

Über den unüberdachten Innenhof führten drei Balken, an denen mehrere Seile lose herunterhingen. Und am hinteren Balken schwebte ein Gleiter.

Das Segeltuch war noch nicht aufgezogen, doch die Bohrungen und Verstrebungen dafür waren schon alle an Ort und Stelle.

Lluna konnte ihre Augen nicht davon lassen. Dieser Gleiter war eine Schönheit! Er musste unbezahlbar sein. Mit wenigen Schritten stand sie davor. Sie glitt mit ihren Händen über das glatte Holz. Es glänzte honigfarben und fühlte sich samtig an. Es roch nach Federholz und Nussöl. Sie legte ihre Wange an den Bug und blickte zum Ende des Gleiters. Der Schwung war perfekt. Jede Bohrung war glatt und abgerundet. Der Gleiter hatte keine scharfen Kanten oder Ecken. Alle Holzteile hatten eine leichte Biegung und verliehen dem Fluggerät ein dynamisches und elegantes Aussehen. Das Federholz machte den Gleiter so leicht, dass man ihn spielend mit einer Hand anheben konnte. Mit dem richtigen Segeltuch bezogen und den leichtesten verfügbaren Seilen würde dieser Gleiter sogar noch schnittiger im Wind liegen als Llunas Flederflieger. Doch ein Detail fehlte. Der Gleiter hatte keine Vertiefung für einen Flugstein. Dieser Gleiter wurde gebaut, um von erhobenen Stellen wie Türmen oder Bergkuppen abzuheben und durch Thermik in der Luft zu bleiben. Flugsteine, so wie Lluna einen besaß, waren in ganz Mellovien so selten wie gut erhaltene Dinosaurierskelette in Floras Welt. Und wer zufällig einen gefunden hatte, würde ihn immer noch nicht zum Leben erwecken können, es sei denn, er besäße die Kräfte eines Steinbändigers.

Was für Flugmanöver mussten mit diesem Gleiter möglich sein, wenn man ihn mit der Kraft eines Flugsteins ausrüstete?, dachte Lluna.

Flora räusperte sich. „Ich will euch beide ja nicht stören, aber wir sind doch hier, um so ein Ding zu kaufen, oder?“

„Oh, ’tschuldigung!“ Lluna ließ widerwillig ihre Finger von dem Gleiter. „Ja, natürlich!“

Alle drei sahen sich um und suchten nach einer weiteren Tür oder irgendeinem Zeichen, das sie zum Inhaber der Werkstatt führen würde.

Odo bemerkte die Schildkröte als Erster. Auf ihrem Panzer war ein Schild befestigt. Die Aufschrift lautete: Bei Interesse pfeifen.

„Na, das ist ja mal originell!“, meinte Flora. „Eine Schild-Kröte!“

Odo und Lluna sahen sich fragend an. Schildkröten waren in ganz Mellovien verbreitete Schildträger und nichts Besonderes.

Noch bevor Flora sich weiter wundern konnte, ertönte ein heller, lang gezogener Pfiff. Lluna rollte mit zwei Fingern ihre Zunge ein und pfiff noch ein zweites Mal so laut sie konnte.

Eine Tür im hinteren Bereich des Innenhofes öffnete sich. Das Haus, das hier den Hof begrenzte, schien auch zur Werkstatt zu gehören, und heraus trat ein hochgewachsener älterer Mann. Seine rotblonden Locken waren mit weißen Haaren durchsetzt. Seine Haut war sonnengebräunt, so dass man kaum seine zahlreichen Sommersprossen erkennen konnte. Obwohl seinem Gesicht die Jahre anzumerken waren, hatte er die lebendigen Augen eines Mannes, der seine Arbeit liebte.

„Hallo die Damen – und der Herr, womit kann ich dienen?“, fragte er mit einer warmen, freundlichen Stimme.

„Einen wunderbaren Gleiter haben Sie da!“, bemerkte Lluna.

„Das stimmt! Mein Meisterstück! – Er ist unverkäuflich.“ Er strich zärtlich mit der Hand über das samtige Holz.

„Das verstehe ich. Er ist eine Schönheit!“, antwortete Lluna mit deutlichem Bedauern. „Wir suchen einen Gleiter.“

„So, so – und wer will ihn fliegen?“

„Ich!“, erwiderte Lluna. „Und er muss zwei Personen tragen können.“

„Wie groß wären die Personen denn?“

„Na, ungefähr so groß wie wir zwei“, sagte Lluna und deutete auf sich und Flora. „Allerdings bräuchten wir noch eine weitere Bohrung im Bugholz.“

„Eine weitere Bohrung? Völlig überflüssig! Wofür sollte das gut sein? Meine Familie baut seit sieben Generationen Fluggeräte! Und meine Gleiter sind die besten in ganz Mellovien. Ich baue sie nach alten Plänen und habe sie über die Jahre selbst perfektioniert! Jeder Einzelne ist ein Meisterwerk! Wofür noch ein Loch?“

„Für den hier!“, sagte Lluna und zog langsam ihren Flugstein aus der Tasche. Das Auftauchen des Steins verfehlte seine Wirkung nicht. Aramis Bazoon riss seine blauen Augen auf. Er schnappte nach Luft, öffnete seinen Mund und schloss ihn kurz drauf wieder, ohne auch nur ein einziges Wort herausgebracht zu haben.

Über den Köpfen der kleinen Gruppe huschte ein Schatten vorbei. Odo bemerkte ihn als Erstes, doch als er hinsah, verschwand nur noch ein Fuß über dem Dach. Wen er nicht bemerkte, war ein Schwafelhund, der sie aus dem dunklen Schatten des Ganges, der von der Straße in den Innenhof führte, beobachtete. Es war der Schwafelhund mit der Narbe, der Odo bereits im „Einäugigen Riesen“ aufgefallen war.

Auf den Dächern Orlas waren nur zwei Kategorien von Melloviern unterwegs. Die eine, die dort erlaubten Gewerben nachging, wie Fensterputzer, Rauchfangkehrer und Vogelfänger. Die Mitglieder der anderen Gruppe gehörten der Gilde der Diebe an. Das jüngste Mitglied der zweiten Kategorie war gerade auf Streifzügen über den Dächern unterwegs, als seine Nase untrüglich zu jucken begann. Irgendetwas ging hier vor! Ein Stück von Wert wurde gerade den Blicken seiner Betrachter freigegeben. Das roch er förmlich. Es musste ganz in seiner Nähe sein! Er drehte sich um und starrte in den Hof des Segelmachers hinab. Dort standen vier Personen. Ein Handwerker, groß und stark, schwer zu überwältigen, zwei Mädchen, nicht der Rede wert, und ein mickriges Exemplar eines Glattschuppers. Eines der Mädchen hielt einen Flugstein in der Hand! Den muss ich haben, dachte der Dieb, und zog sich so weit hinter das Dach zurück, damit er gerade noch ungesehen das Geschehen beobachten und belauschen konnte. In Gedanken wog er bereits das Beutestück ab und kalkulierte den Preis, den er dafür erzielen würde.

Aramis Bazoon streckte seine Hand nach dem Stein aus. „Darf ich ihn mir bitte mal näher ansehen?“

Lluna zögerte, überlegte kurz und reichte dann Aramis den Stein.

Ob ich auch so ein Leuchten in den Augen hatte, als ich ihn das erste Mal gesehen habe, fragte sich Flora in Gedanken und erinnerte sich noch gut daran, wie sie den Stein bewunderte, als sie ihn vor Kurzem in ihrem Garten gefunden hatte. War das wirklich erst vor ein paar Tagen gewesen? Flora kam es schon wie eine Ewigkeit vor.

Aramis drehte den Stein zwischen seinen Fingern hin und her und betrachtete ihn gegen das Sonnenlicht. Die eingeschlossene Form einer Libelle war deutlich zu erkennen.

„Dass ich so einen jemals zu Gesicht bekommen würde – nicht im Traum hätte ich daran gedacht!“ Der Flugzeugbauer hatte Tränen in den Augen.

„So, wo wolltest du gleich das Loch hinhaben?“, fragte er Lluna.

„Etwa hier“, sagte Lluna und deutete auf die Stelle am Bugholz, an der auch bei ihrem Flederflieger die Vertiefung für den Flugstein angebracht war.

„Ich dachte, das ist Ihr Meisterstück?“, fragte sie erstaunt.

„Genau darum!“, sagte Aramis und strahlte sie an.

„Verstehe!“, sagte Lluna langsam. „Und die Bezahlung?“

„Lass mich nur einmal damit fliegen“, sagte Aramis, „und er soll für immer dir gehören!“

„Einverstanden!“, sagte Lluna. „Doch der erste Flug gilt uns beiden!“ Damit deutete sie auf Flora und sich.

„Abgemacht!“, bestätigte Aramis und schlug in Llunas Hand ein. Er vermaß den Stein sorgfältig und gab ihn Lluna zurück.

„Morgen früh könnt ihr ihn haben. Bis dann habe ich ihn mit Segeltuch bezogen und die Bohrung angebracht.“