Förderung der mündlichen Sprachproduktion im Fremdsprachenunterricht - Claudia Schlaak - E-Book

Förderung der mündlichen Sprachproduktion im Fremdsprachenunterricht E-Book

Claudia Schlaak

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Beschreibung

Die Förderung der mündlichen Sprachproduktion gehört zu den wichtigsten Bereichen des Fremdsprachenunterrichts. Ein Werk, das den aktuellen Forschungsstand verständlich zusammenfasst und umfangreich Vorschläge für die unterrichtliche Praxis präsentiert, fehlte bisher. Der vorliegende Band schließt diese Lücke. Er soll Studierende und Referendar*innen in der Vorbereitung auf den Schuldienst unterstützen sowie versierten Fremdsprachenlehrkräften neue Anregungen geben. Dazu werden im ersten Teil theoretische Grundlagen der Sprechkompetenzförderung mit den spezifischen didaktischen Herausforderungen dargestellt und verschiedene Förderungsmöglichkeiten des monologischen sowie des dialogischen Sprechens präsentiert. Auch Mittel und Methoden der Evaluation und Leistungsmessung der Sprechkompetenz werden behandelt. Der zweite Teil zeigt konkrete Praxisbeispiele für unterschiedliche Fremdsprachen auf. Die einzelnen Unterrichtskonzeptionen berücksichtigen die Diversität und Heterogenität in verschiedenen Lerngemeinschaften von der Grundschule bis zur gymnasialen Oberstufe.

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Claudia Schlaak / Aline Willems

Förderung der mündlichen Sprachproduktion im Fremdsprachenunterricht

Perspektiven aus Wissenschaft und Praxis

Umschlagabbildung: XXX

 

© 2022 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetztes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich.

 

Internet: www.narr.deeMail: [email protected]

 

ISSN 0941-8105

ISBN 978-3-8233-8334-5 (Print)

ISBN 978-3-8233-0275-9 (ePub)

Inhalt

Abkürzungsverzeichnis1 Einleitung1.1 Thematische Einführung1.2 Forschungsstand1.3 Ziel und Aufbau des BandesTeil I: THEORETISCHE GRUNDLAGEN2 Kompetenzorientierung im Fremdsprachenunterricht2.1 Vom Wissen zum Handeln: Kompetenzen fördern2.2 Kompetenzorientierung und Sprechen2.3 Planung kompetenzbasierter Unterrichtseinheiten3 Sprechkompetenz im Fremdsprachenunterricht – fachdidaktische Grundlagen3.1 Definitionen3.1.1 Sprechkompetenz – Definitionsansätze der Linguistik3.1.2 Die Sprechkompetenz im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen3.2 Kognitionswissenschaftliche Hintergründe3.3 Alternative Ansätze und neuere Entwicklungen4 Förderungsmöglichkeiten der Sprechkompetenz4.1 Kommunikativer Ansatz und individualisiertes Lernen4.2 Individualisierung und Differenzierung4.2.1 Analoge didaktisch-methodische Möglichkeiten4.2.2 Digitale Ansätze4.2.3 Unterstützungsangebote auf Ebene der sprachlichen Mittel5 Umgang mit Fehlern, Evaluation und Leistungsmessung5.1 Feedback5.2 Evaluation und Leistungsmessung5.3 Umgang mit mündlichen Fehlern5.4 Besonderheiten mündlicher PrüfungenTeil II: BEISPIELE AUS DER UND FÜR DIE PRAXISMündliche Klassenarbeiten – Konzeptionshinweise und analog-digitale Umsetzungsmöglichkeiten | Manuela Franke & Kathleen Plötner7 Unterrichtsideen und UnterrichtsentwürfeDas Unterrichtsvorhaben „Lifeline: Das Experiment“ (Android, iOS) | Astrid Acker und Michaela QuastLondon – At the souvenir shop | Clara JuchelkaGenerisches Sprechen im Englischunterricht der Sekundarstufe I – New York: The city that never sleeps | Sebastian Lippert unter Mitarbeit von Angela KislatPartir en SVE – une année de perdue ? | Anne SchwabAlors, on discute ! – Die Gasteltern überzeugen, zu einer Party gehen zu dürfen | Michaela SchlaakDoit-on interdire les jeux vidéo ? – Debattieren im Französischunterricht | Céline Wieders-LohéacMediar en una tienda de ropa – Mündliche Sprachmittlung im Anfangsunterricht | Katharina Kräling & Anja SchreckUn año de intercambio – ¿sí o no?: Zur Förderung des dialogischen Sprechens im zweiten Lernjahr | Bianka Götz¡Nuestras actividades de tiempo libre! – Una encuesta | Victoria del ValleLernaufgabe zum Sprechen in Japanisch | Monika UnkelVon erschöpften Treidlern und traurigen Bräuten: das russische Zarenreich in Bildern. Zur Entwicklung der Kompetenz Sprechen im fortgeschrittenen Russischunterricht | Tino TöpelBibliografie

Abkürzungsverzeichnis

1Einleitung

1.1Thematische Einführung

Seit der kommunikativen Wende in den 1970er Jahren und dem seitdem in der Praxis des Fremdsprachenunterrichts angestrebten Primat der Mündlichkeit müssen sich Lehrkräfte verstärkt der Vermittlung der Kompetenz ‚Sprechen‘ widmen. Bei der Konzeption ihres Unterrichts gilt es stets, darüber nachzudenken, wie die mündliche Sprachproduktion systematisch aufgebaut, weiterentwickelt und dabei gleichzeitig beurteilt werden kann. Das gipfelt darin, dass Lehrwerke inzwischen eine stark pragmatisch-kommunikative Ausrichtung haben und erkennbar einen Fokus auf das Mündliche im Fremdsprachenunterricht legen (vgl. z. B. hierzu auch die neue Auflage von Á plus ! 1 – Blume & Gregor & Jorißen & Mann-Grabowski 2020).

Neben den Bemühungen in der praktischen Umsetzung leistet auch die Wissenschaft – etwa von der Fremdsprachendidaktik über die Linguistik bis hin zur Pädagogik und Psychologie – ihren Beitrag, um die Förderung der Sprechkompetenz konzeptionell und auch praxisorientiert weiterzuentwickeln. Gerade in einer zunehmend stärker vernetzten und zusammenwachsenden Welt ist die mündliche Sprachproduktion für die Gestaltung der Welt von morgen und für partizipative Verfahren, für interkulturellen Austausch und ein friedliches Miteinander entscheidend. Kinder und Jugendliche sollen in die Lage versetzt werden, informierte und für das Gemeinwohl sinnvolle Entscheidungen für die Gegenwart und Zukunft zu treffen. Kurz: Sie sollen im Fremdsprachenunterricht zu mündigen und diskursfähigen Bürger*innen heranwachsen, denn schließlich gilt: „Wer eine Sprache lernt, der will sie sprechen“ (Nieweler 2002, 4). Kommunikation hat dafür einen immensen Stellenwert, denn sie ermöglicht die Vermittlung von Zusammenhängen, Wissen, aber auch die Austragung von Konflikten und Kontroversen. Dafür werden in der Wissenschaft Theorien erarbeitet, Modelle konzeptioniert und empirische Studien vorgenommen. Empiriebasiert wird erörtert, inwiefern die Mündlichkeit im Unterricht vermehrt Beachtung finden kann.

Auf Ebene der Curricula werden verschiedene Kompetenzbereiche im Fremdsprachenunterricht zur Förderung genannt: Zur funktional kommunikativen Kompetenz gehören neben dem Sprechen auch das Hör-/Hörsehverstehen, das Leseverstehen, das Schreiben und die Sprachmittlung. Fakt ist aber, dass in den Bildungsstandards, den Lehrplänen aller Bundesländer und den einheitlichen Prüfungsanforderungen der Mündlichkeit ein hoher Stellenwert zuteilwird, um die Lernenden zum adressatengerechten Agieren in verschiedenen Interaktionsprozessen zu befähigen. Dabei ist auffällig, dass Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Ausbildung des Sprechens sowie die Sprechkompetenz an sich nicht isoliert betrachtet werden können. Sie stehen stets im Zusammenhang mit anderen Kompetenzbereichen, die sich auf das Sprechen auswirken. Das Hör- und Hörsehverstehen oder die Sprachmittlungskompetenz spielen eine wichtige Rolle bei der Förderung der Sprechkompetenz im Fremdsprachenunterricht. Dies überrascht nicht, denn die Lernenden sollen schließlich dazu befähigt werden, Gespräche in der Zielsprache führen zu können. Dabei ist nicht nur der Akt des Sprechens, sondern auch der Akt des Verstehens – hier ebenso des Verstehens bzw. der Entwicklung eines Verständnisses anderer Kulturen – enorm wichtig. Im Vergleich zur Förderung der Schriftkompetenz kommt es bei der mündlichen Sprachproduktion zu anderen Herausforderungen, da das Sprechen häufig in spontanen, von den Fremdsprachenlernenden nicht kontrollierbaren, aber auch je nach Kommunikationpartner*innen sowie Situation und Ort variationsreichen Formen stattfindet. Fremdsprachenlernenden im Anfangsunterricht fällt dies besonders schwer, vor allem dann, wenn die zu erlernende Zielsprache in ihrer sprach­lichen Dimension, etwa der Aussprache, von der L1-Sprache (‚Erstsprache‘) stark abweicht.

Im Fremdsprachenunterricht gilt es als Ziel, kommu­nikative Situationen zu schaffen, um die Schüler*innen im monologisch-zusammenhängenden Sprechen und im dialogischen bzw. interaktionalen Sprechen – darunter sind auch mehr als zwei Kommunikationspartner*innen zu verstehen – zu befähigen. Zwischen monologischem und dialogischem Sprechen bestehen zahlreiche Unterschiede. Das monologische Sprechen beinhaltet häufig einen hohen Planungsgrad, weil sich die Lernenden auf einen größeren Redeanteil in einer kommunikativen Situation, wie etwa bei der Formulierung einer Rede oder eines Vortrags, vorbereiten können. Beim dialogischen Sprechen hängt die konkrete Kommunikation vom jeweiligen Gegenüber und dessen*deren vorab unbekannten Äußerungen ab. Informationen der jeweiligen Nachricht sind in einer relativ kurzen Zeit zu enkodieren. Auch ist eine angemessene Reaktion zu produzieren. Hierfür gilt es die Lernenden vorrangig zu sensibilisieren, da das dialogische Sprechen in der Regel den Normalfall der Kommunikation darstellt.

1.2Forschungsstand

Dass die Förderung der Sprechkompetenz schon lange kein Stiefkind mehr im Bereich der fremdsprachendidaktischen Publikationen darstellt, beweist bereits die Fülle an Ergebnissen, die auf Anfrage nach dem Schlagwort ‚Sprechen‘ vom Informationszentrum für Fremdsprachenforschung (kurz: IFS) an der Phillips-Universität Marburg im Sommer 2021 zusammengestellt wurden: Seit 2015 verzeichnet das IFS allein 486 Hinweise mit Bezug zum Themenfeld oder anders formuliert, mit Ausnahme des laufenden Jahres etwa 83 Publikationen – überwiegend Aufsätze – pro Jahr. Es wäre vermessen, alle rezipieren und an dieser Stelle besprechen zu wollen, darum sei nachfolgend ein struktureller Überblick gegeben.

Zunächst fällt die hohe Zahl an Publikationen zu konkreten Unterrichtsvorschlägen auf, die ein sehr breites Angebot darstellen, das von einer Fokussierung auf ausgewählte, aktuelle Inhalte unter Berücksichtigung der Sprechkompetenz bis hin zur gezielten Förderung von Teilbereichen der Sprechkompetenz inklusive Aspekten wie Kommunikationsstrategien, Lerntechniken und Sprachbewusstheit reicht. Neben themenspezifischen Aufsätzen in Zeitschriften bieten inzwischen alle großen Lehrmittelverlage Methodenbücher für Fremdsprachenlehrende an, um sie in der Gestaltung entsprechender Unterrichtssequenzen zu unterstützen. Darüber hinaus wird dem digitalen Lehren und Lernen ein wichtiger Stellenwert eingeräumt, sowohl auf thematisch-inhaltlicher wie methodischer Ebene, um die Schüler*innen zum verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien zu befähigen und dadurch ihre Entwicklung zu mündigen Bürger*innen zu unterstützen (vgl. u. a. Carretero Gomez & Vuorikari & Punie 2017; Unkel & Willems 2021). Ebenso bieten sich durch den Einsatz digitaler Medien im Fremdsprachenunterricht neue Gelegenheiten zur Förderung der Sprechkompetenz an. Hier erscheint vor allem die Nutzung virtueller Lernräume mit Kommunikationspartner*innen in anderen Ländern sinnvoll sowie die Möglichkeit, die grundsätzlich fluiden Sprechprodukte kostengünstig und einfach aufzuzeichnen sowie damit besser bewertbar zu machen. Allerdings mangelt es diesbezüglich bislang an Studien hinsichtlich der tatsächlichen, kurz-, mittel- wie langfristigen Auswirkung auf die Sprechkompetenz. Gleichzeitig muss jedoch angemerkt werden, dass zu allen Aspekten der Verbesserung zielsprechsprachlicher Kompetenz empirische, experimentelle Untersuchungen und Interventionsstudien mit eingebetteten Prä- und Posttests ein Desiderat darstellen (vgl. ebf. Burwitz-Melzer 2014, 25; Schramm 2014).

Erfreulich ist jedoch, dass sich in den letzten Jahren immer wieder Wissenschaftler*innen im Rahmen von Dissertations- und Habilitationsprojekten umfangreicher mit der Förderung der Sprechkompetenz beim Fremdsprachenerwerb und im Fremdsprachenunterricht auseinandergesetzt haben als dies in Einzelstudien in der Regel möglich ist. Exemplarisch sei hier verwiesen auf Stöver-Blahak (2012) und Ruhm (2014) unter einem literaturdidaktischen Ansatz, Wild (2015) und Abel (2018) zur Ausspracheförderung, Hoffmann (2013) zum Zusammenhang zwischen der mündlichen Kompetenz und dem Bewusstsein, Süleymanova (2011) zur Reduktion von Sprechangst, Delius (2020) zum generischen Lernen in Verbindung mit Dramapädagogik und Miede (2019) für die gymnasiale Oberstufe. Eingeräumt werden muss allerdings auch, dass diese Beispiele im Vergleich zur Grundgesamtheit der entsprechenden Arbeiten mit Bezug zur Fremdsprachendidaktik nur einen sehr geringen Anteil ausmachen.

1.3Ziel und Aufbau des Bandes

Wie können nun in einem auf Kompetenz- und Outputorientierung ausgerichteten Fremdsprachenunterricht komplexe Lernaufgaben zur Förderung des Sprechens konzipiert werden? Inwiefern können im Fremdsprachenunterricht individuelle Ängste beim Sprechen abgebaut und auch individuelle Sprechanteile der Lernenden erhöht werden? Welchen Anteil sollten das monologische und das dialogische Sprechen im Fremdsprachenunterricht im Anfangsunterricht bzw. in fortgeschrittenen Lernangeboten erhalten? Welche Strategien und methodischen Möglichkeiten zur Förderung des Sprechens sind bei der Beachtung einer heterogenen Lerner*innenschaft zielführend? Inwiefern können alternative Formen der Leistungsbeurteilung bzw. -bewertung genutzt werden, um sowohl das Spannungsfeld zwischen objektiver und transparenter Bewertung als auch unterschiedliche Potenziale in der Lerngruppe zu berücksichtigen? Diese Fragen, die Theorie und Praxis zum Teil seit Jahrzehnten beschäftigen und die die Komplexität des Gegenstandes unterstreichen, sollen im Rahmen dieses Bandes grundlegend behandelt werden.

Ziel ist es also, in die moderne Forschung und in die praxisorientierte Lehre der mündlichen Sprachproduktion im Fremdsprachenunterricht einzuführen und die wichtigsten in der Wissenschaft entwickelten Grundannahmen zur Sprechkompetenz darzulegen. Zahlreiche der in den letzten Jahren gewonnenen aktuellen Forschungserkenntnisse zur Sprechkompetenz und ebensolche Überlegungen aus der Praxis zur Förderung der Sprechkompetenz im sowohl kompetenz- als auch outputorientierten und zugleich die individuellen Potenziale beachtenden Fremdsprachenunterricht werden in diesem Band zusammengeführt. Darüber hinaus besteht das Ziel, Erkenntnisse aus verschiedenen Fachdidaktiken von Fremdsprachen zusammenzutragen, da ein interdisziplinärer Ansatz verfolgt wird. In diesem Sinne wurden Unterrichtsentwürfe aus dem Englisch-, Französisch-, Spanisch-, aber auch Japanisch- und Russischunterricht mit aufgenommen, damit in der Praxis tätige Lehrkräfte im Bereich des Fremdsprachenunterrichts gegenseitig voneinander profitieren können. Ein Schwerpunkt ist ferner, theoretische und praktische Ansätze produktiv miteinander zu verbinden. Diese Anforderungen sind bewusst ambitioniert. Da verschiedene Expert*innen an der Konzeption und Umsetzung beteiligt sind, sind wir als Autorenteam guter Dinge, dass wir uns diesem Ziel nähern, obgleich wir uns bewusst sind, dass wir an verschiedenen Stellen nur einen Auszug darstellen können bzw. eine didaktische Reduktion vornehmen müssen, da der Umfang nicht ausreicht, jedes Detail oder jedes Modell darzustellen.

Nach einer thematischen Einführung und Darstellung des Forschungstandes werden die Perspektiven aus Wissenschaft und Praxis in der Weise zusammengeführt, dass in einem ersten Teil des Buches theoretische Grundlagen (vgl. Kap. 2-5) erarbeitet und im zweiten Teil konkrete Unterrichtsbeispiele aus der Praxis (vgl. Kap. 6-7) vorgestellt werden1. Beide Bereiche stehen aber nicht streng getrennt nebeneinander, sondern werden miteinander verknüpft, indem etwa im Theorieteil auf besondere Merkmale der im Praxisteil angeführten Unterrichtsbeispiele eingegangen wird.

Abschließend möchten wir uns ausdrücklich bei allen Beteiligten, die zum Gelingen des Bandes beigetragen haben, bedanken. Unser besonderer Dank gilt den Lehrkräften, die sich trotz der Corona-Pandemie die Zeit genommen haben, ihre Unterrichtskonzeptionen zu verschriftlichen und ‚der Wissenschaft‘, aber auch Kolleg*innen und zukünftigen Lehrkräften zur Verfügung zu stellen. Außerdem gilt ein besonderer Dank dem Narr Verlag für die konstruktive Zusammenarbeit.

Teil I: THEORETISCHE GRUNDLAGEN

2Kompetenzorientierung im Fremdsprachenunterricht

Der Ansatz der kommunikativen Didaktik führte in den 1970er Jahren zu weitreichenden Änderungen im Unterrichtsprozess von Fremdsprachen. Zuvor orientierten sich der Lehr- und Lernprozess an sprachlichen Strukturen. Nun sollten die Lernenden dazu befähigt werden, sich in der Fremdsprache äußern und agieren zu können. In den 1990er Jahren wurde dies durch den Ansatz der neokommunikativen Didaktik (vgl. u. a. Reinfried 2001) weiterentwickelt, und zwar in der Weise, dass Handlungsorientierung, fächerübergreifendes Lernen, ganzheitliche Spracherfahrung und Lernorientierung als weitere Grundansätze im Fremdsprachenunterricht beachtet werden sollten. Mit der Einführung der Bildungsstandards (vgl. Kap. 3) kam es darüber hinaus zu einem weitreichenden Paradigmenwechsel, wodurch sich seither „das allgemeinbildende Schulwesen in Deutschland […] in einem tiefgreifenden Umbruch [befindet]“ (Lersch & Schreder 2013, 9). Lehr- und Lernprozesse sollen von nun an so umgestaltet werden, dass nicht mehr Inhalte, sondern der Erwerb von Kompetenzen im Fokus des Unterrichts stehen.

Die Kompetenz- und Outputorientierung in einem handlungsorientierten Fremdsprachenunterricht ist heute der alles bestimmende Grundansatz. Es besteht weitgehend Konsens darüber, dass es im Unterricht darum gehen muss, Fertigkeiten und Fähigkeiten der Schüler*innen so zu fördern, dass sie situationsadäquat Probleme lösen können bzw. in verschiedenen Situationen (sprachlich) handlungsfähig sind. Im kompetenzorientierten Unterricht soll kein starres Lehrkonzept verfolgt werden. Vielmehr gilt es, allgemeine Prinzipien und Verfahrensweisen festzulegen, um einen auf Kommunikation ausgerichteten und auf Aufgaben basierenden Fremdsprachenunterricht umzusetzen (vgl. Neuner 2003, 231). Im Fremdsprachenunterricht sollen Lernende kommunikative Fähigkeiten aufbauen, um konkrete Alltagssituationen etwa bei einem Auslandsaufenthalt oder auch in anderen kommunikativen Situationen, bei denen fremdsprachliche Kenntnisse notwendig sind, außerhalb der Zielländer bewältigen zu können. Der Unterricht soll demnach ergebnisorientiert ausgerichtet sein.

Das Erfordernis einer Kompetenz- und Outputorientierung in einem handlungsorientierten Fremdsprachenunterricht stellt Lehrende im Englisch-, Französisch-, Spanisch- oder dem Unterricht anderer Fremdsprachen vor die Frage, wie dieser konzipiert und gestaltet werden kann, wenn es neben der Schaffung kommunikativer Situationen und der Vermittlung von fremdsprachlichen Inhalten auch noch zentrale Aufgabe ist, verschiedene Lernende mit unterschiedlichen Potenzialen (vgl. Kap. 4) zu fördern. Dazu gehören sprachlernbegabte Schüler*innen genauso wie Lernende mit Schwierigkeiten beim Sprachenlernen oder auch Lernende mit mehrsprachigem Hintergrund mit ihren jeweiligen Potenzialen.

2.1Vom Wissen zum Handeln: Kompetenzen fördern

Im kompetenzorientierten Unterricht ist nicht mehr ausschließlich das Wissen in der Sprache, sondern der handelnde Umgang mit solchem Wissen das Vermittlungsziel. Wissen soll in Können überführt werden. Dies erreicht man unter anderem, indem träge, isolierte Wissenbestände (vgl. Caspari et al. 2008, 170) beim Lehren und Lernen vermieden und überwunden werden. Anders formuliert: Es geht um den Aufbau von Handlungskompetenz.

Lehrende müssen demnach eine Wissensvermittlung, die die Lernenden handlungsfähig macht, statt einer reinen Vermittlung von vorbestimmten deklarativem Wissen, anstreben. Grundlage bildet hierbei der Ansatz der Outputorientierung, bei der eine Aufgabe in Form eines Problems konkret gelöst werden soll und stets ein Produkt entsteht. Die Bewältigung von Problemen im Fremdsprachenunterricht bedeutet, dass kommunikative Situationen geschaffen werden sollen, die die Lernenden meistern müssen. Dabei wird „eine komplexe, meist situativ eingebettete und lebensweltlich orientierte fremdsprachliche Handlungsfähigkeit“ (Thaler 2014, 104) gefördert. Kompetenzorientierung im Unterricht meint „eine stärkere Hinwendung zur Ausbildung von Handlungsfähigkeit zur Lösung konkreter sprachlicher und/oder interkultureller Probleme bzw. Aufgaben“ (Arras 2009, 207).

Beim Erwerb einer Fremdsprache ist Kompetenz in der Weise zu verstehen,

wie gut man kommunikative Situationen bewältigt, wie gut man Texte unterschiedlicher Art verstehen und selbst adressatengerecht Texte verfassen kann, aber unter anderem auch in der Fähigkeit, grammatische Strukturen korrekt aufzubauen und bei Bedarf zu korrigieren, oder in der Fähigkeit und Bereitschaft, sich offen und akzeptierend mit anderen Kulturen auseinander zu setzen. (Klieme et al. 2003, 21)

Hierfür sollen die Fremdsprachenlernenden spezifische Fertigkeiten und Fähigkeiten entwickeln, damit sie schließlich kommunikative Situationen bewältigen können. Mit der Umsetzung eines kompetenzorientierten Unterrichts ist auch der Ansatz der Aufgabenorientierung verbunden; es geht hierbei um die Gestaltung eines Lernarrangements, „das die Lernenden mit realitätsnahen, alltagsbezogenen Handlungssituationen konfrontiert, innerhalb derer Themen bearbeitet werden, Problemsituationen bewältigt und Ergebnisse erzielt werden sollen“ (Mertens 2010, 7).

Im kompetenzorientierten Unterricht werden die Lernenden zu Mitgestalter*innen. Dies lässt sich bereits von der Definition des Kompetenzbegriffs nach Weinert (2001, 27f.) ableiten, nach dem Kompetenzen

bei Individuen verfügbare […] oder durch sie erlernbare […] kognitive […] Fähigkeiten und Fertigkeiten [sind], bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösung in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.

Die Lernenden müssen daher zu Akteur*innen im Unterricht werden. Beim Kompetenzverständnis wird zwischen fachlichen Kompetenzen, fachübergreifenden Kompetenzen sowie Handlungskompetenzen (vgl. Weinert 2001, 28) unterschieden. Kompetenz ist demnach „mehrdimensional“ (Arras 2009, 207), da sie „Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Einstellungen und Motivation, aber auch volitionale (Absicht, Bereitschaft) und soziale Aspekte ebenso wie Erfahrungen und konkretes Handeln“ (Caspari et al. 2008, 166) einbezieht.

In den Lehrplänen der Unterrichtsfächer wird festgelegt, welche Kompetenzen die Lernenden im Laufe eines Schuljahres bzw. im Laufe ihrer Schulzeit in dem jeweiligen Fach erwerben sollen (vgl. Weirer & Paechter 2019). Beim Erwerb der verschiedenen Kompetenzen müssen unterschiedliche Ebenen Berücksichtigung finden: erstens ein vorgegebenes deklaratives Wissen, also das theoretische Fachwissen um bestimmte fachspezifische Inhalte, zweitens ein prozedurales Wissen, also das Wissen über die konkrete Anwendung (vgl. Fischer & Wecker 2006). Drittens geht es um Aspekte, die sich aus der jeweiligen Persönlichkeit des Lernenden ergeben. Das deklarative und prozedurale Wissen soll von den Lernenden in variablen Kommunikationssituationen genutzt werden, um konkrete Probleme – also eine kommunikative Situation im Fremdsprachenunterricht – zu lösen. Die Lernenden sollen sich hierbei fließend, sprachlich akkurat ausdrücken sowie an die jeweilige Situation, den Ort und die Kommunikationspartner*innen anpassen. Durch die Beachtung aller in den curricularen Vorgaben festgelegten Kompetenzen des Fremdsprachenunterrichts und schwerpunktmäßig der funktional kommunikativen Kompetenz werden die Schüler*innen befähigt, eine fremdsprachliche Kommunikationsfähigkeit aufzubauen. Dies bezieht sich auch auf das Sprechen, das zu den Grundfertigkeiten der funktional kommunikativen Kompetenz gehört. Hierzu sollen kommunikative Situationen geschaffen werden, um etwa einerseits an Gesprächen teilnehmen zu können und andererseits das zusammenhängende monologische Sprechen zu üben (vgl. hierzu auch Kap. 3).

2.2Kompetenzorientierung und Sprechen

Aufgrund der zunehmenden Globalisierung und Internationalisierung sowie Vernetzung unserer Welt mit etwa vermehrten privaten und beruflichen Beziehungen ins Ausland wird der mündlichen Sprachproduktion eine besondere Rolle im Fremdsprachenunterricht beigemessen, ohne dass sie den anderen Kompetenzen vorzuziehen ist. Die Lernenden können jedoch nur dann sprachlich handeln, wenn sie sich in der jeweiligen Fremdsprache sowohl situations- als auch adressat*innengerecht in einer jeweiligen Kommunikationssituation ausdrücken können und ihnen somit eine gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht wird – und dies erfolgt vermehrt im Alltag in mündlichen Kommunikationssituationen.

Bis zur kommunikativen Wende in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts, aber mit Nachwirkungen auch noch einige Jahre darüber hinaus, bestand der Ansatz des Lehrens und Lernens einer Fremdsprache darin, dass Lernende vor allem über sprachliche Strukturen, also über Grammatik, Wortschatz etc., und damit über einen großen Wissensschatz verfügen sollten, um in der Lage zu sein, die Fremdsprache zu realisieren. Heutzutage besteht kaum noch Zweifel daran, dass das Wissen über sprachliche Mittel nicht ausreicht, damit die Schüler*innen eine kommunikative Situation, in der sie die Fremdsprache nutzen müssen, meistern können. Insbesondere das Sprechen einer Fremdsprache geht in seiner Komplexität weit über das Wissen über sprachliche Strukturen hinaus (vgl. hierzu auch Haß 2011). Es verlangt von den Lernenden sowohl linguistisches Wissen, d. h. etwa Kenntnisse über Grammatik, Syntax, Wortschatz, Phonetik/Phonologie, als auch extralinguistisches Wissen, d. h. soziokulturelles und kulturell spezifisches Wissen (vgl. Thornbury 2005). Für eine gelingende Kommunikation ist es notwendig, dass die Lernenden in beiden Bereichen über ausreichend Wissen und Können verfügen, um in der konkreten kommunikativen Situation adäquat zu handeln. Das Sprechen wird daher vielfach nicht mehr nur als eine Grundfertigkeit der funktional kommunikativen Kompetenz gesehen, sondern wird in verschiedenen Ansätzen auch als komplexe interaktionale und interkulturelle Kompetenz verstanden.

Die Lernenden müssen im kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht auf typische Kommunikationssituationen vorbereitet werden, da der fremdsprachliche Kommunikationsprozess nicht so automatisiert verläuft wie im Bereich der muttersprachlichen Kommunikation. Sprachliche Strukturen, sprachliche und kulturelle Normen sowie Wertvorstellungen weisen je nach Zielsprache Unterschiede auf, sodass die Lernenden in vielen Bereichen beim Sprechen ständig vor konkreten Herausforderungen stehen, insbesondere weil in den jeweiligen kommunikativen Situationen häufig relativ schnell und spontan reagiert werden muss. Eine mentale Vorbereitung auf diese Situationen und damit verbunden die Erarbeitung von Strategien sowie ein ständiges Üben im Fremdsprachenunterricht sind daher entscheidend, damit eine erfolgreiche fremdsprachliche Kommunikation gelingen kann. Während sich die Lernenden im schriftsprachlichen Prozess im Vergleich zum Sprechen in einem relativ geschützten Rahmen bewegen, können sich bei Lernenden Ängste vor allem dann herausbilden, wenn sie häufig mit Misserfolgen bei der fremdsprachlichen Kommunikation im Prozess des Sprechens konfrontiert sind. Die Automatisierung von verschiedenen Prozessen ist beim Sprechen besonders wichtig, aber im Erlernen auch langwierig und bedarf konsequenter Übung von Anfang an (vgl. Blume 2006, 4). Ein Mangel an Übungsmöglichkeiten wird auch als ein wesentlicher Faktor dafür gesehen, dass sich Sprechängste aufgrund einer andauernd anhalten Unsicherheit im kommunikativen Prozess herausbilden. Dies hindert die Lernenden entscheidend daran, Kommunikations- und Handlungsfähigkeit in der Fremdsprache – sprachlicher wie auch interkultureller Natur – auszubilden (vgl. Thornbury 2005), was, da dies ein Ziel eines kompetenzorientierten Fremdsprachenunterrichts darstellt, zu vermeiden ist.

2.3Planung kompetenzbasierter Unterrichtseinheiten

Mit dem Ansatz des kompetenzorientieren Unterrichtens ist auch ein Umdenken im Planungsprozess des Lehrens notwendig geworden. Es handelt sich um „eine neue Akzentuierung und Reflexion der pädagogischen Arbeit, die die Lernenden explizit in den Fokus rückt“ (Drieschner 2009, 64). In diesem Kontext sind in den letzten Jahren zahlreiche Modelle und Konzepte entstanden, die die Umsetzung eines kompetenzorientierten Unterrichts in der Praxis diskutieren. Da verschiedene Ansätze vorliegen, auf die im Rahmen des vorliegenden Bands nicht in Gänze eingegangen werden kann, wird hier exemplarisch ein Fünf-Schritte-Modell (Peitz & Schlaak 2018; 2020) vorgestellt, das als Synthese verschiedener gegenwärtiger Ansätze (vgl. u. a. Grundannahmen von Klafki 1991; Klieme et al. 2003; Lersch 2012; Lersch & Schreder 2013; Meyer & Meyer 2007; oder Ziener 2013; 2016) gelten kann. Es ermöglicht die strukturierte Planung kompetenzbasierter Unterrichtseinheiten. Wie dem Orientierungsschema (vgl. Abb. 1) zu entnehmen ist, sind 5 Schritte einzuhalten: 1. Auswahl und Operationalisierung des Kompetenzziels, 2. Auswahl und didaktische Prüfung des Unterrichtsinhalts, 3. Qualitätsprüfung, 4. Konzeptualisierung des Lernwegs und 5. Performanz.

Abb. 1:

Schematische Darstellung der Planungsphasen kompetenzorientierten Unterrichts (Peitz & Schlaak 2018, 71)

Im ersten Schritt soll – ausgehend von den Vorgaben der entsprechenden Bildungsstandards – ein Kompetenzziel hergeleitet werden, das bereits auf die jeweilige Lerngruppe bzw. das Lernjahr heruntergebrochen wird. Das Kompetenzziel muss also ausgewählt und operationalisiert werden, indem eine Analyse des Kompetenzziels, eine Proximatisierung und eine Formulierung des proximalen Kompetenzunterrichtsziels vorgenommen sowie Kompetenzförderaspekte formuliert werden. In der zweiten Phase erfolgt die Auswahl des Themas, welches zum Erwerb der Kompetenz geeignet erscheint, wobei die Anwendung von Wissen in situativen Handlungskontexten beachtet werden soll. Dabei wird eine inhaltliche Konkretisierung des zu behandelnden Gegenstandes sowie eine didaktische Legitimierung desselben in den Vordergrund gerückt. In der dritten Phase wird eine Qualitätssicherung vorgenommen. Hierbei soll überprüft werden, ob etwa die Kernprinzipien und Kernbereiche des Unterrichtsfaches berücksichtigt wurden sowie Verständlichkeit und Realisierbarkeit des Unterrichtsinhalts gegeben sind. Im vorletzten Schritt, der Konzeptualisierung bzw. Aufbereitung des Lernwegs, steht die Entwicklung adäquater Aufgabenformate im Zentrum. Die Unterrichtsreihe wird in diesem Schritt konkret mit Aufgaben und Übungen geplant, wobei ein sinnvoller Einstieg in die Unterrichtsreihe konzipiert sowie eine darauf aufbauende Phase der Aneignung und Vertiefung angeschlossen werden soll. In diesem Kontext, und vor allem zum Schluss der Reihe, sollen Instrumente zur Reflexion Anwendung finden. In der letzten, also fünften Phase, geht es darum, die kommunikative Situation bzw. das vorhandene Problem tatsächlich im Unterricht, also in der Praxis, zu lösen, indem die Lernenden in der Anwendungssituation alle während der Unterrichtsreihe erlernten Fähigkeiten und Fertigkeiten nutzen, bündeln und schließlich die Erfahrung machen, dass sie dazu befähigt sind, die kommunikative Situation zu bewältigen.

Auch wenn die Planungsschritte auf den ersten Blick vielleicht einen sehr theoretischen Zugang darstellen, ist darunter nichts anderes zu verstehen, als dass die Lernenden im konkreten Unterricht mit der Aufgabenstellung und dem zu behandelnden Thema vertraut gemacht werden sollen, welche zuvor von der Lehrkraft ausgewählt, anhand von Kriterien legitimiert und operationalisiert wurden. Dadurch erwerben die Schüler*innen im Unterricht linguistische und extralinguistische Kenntnisse, um schließlich die Aufgaben durchführen zu können, sodass abschließend im Unterricht ein Produkt, z. B. eine Debatte, ein Gespräch etc., erarbeitet und umgesetzt werden kann. Bei allen Schritten soll zudem ein Einbezug der Lernenden möglich sein; die Fremdsprachenlernenden sollten stets ein Mitspracherecht erhalten und auch einbezogen werden.

In a nutshell

Kompetenzorientierter Fremdsprachenunterricht bereitet die Lernenden auf die Anforderungen einer globalisierten und stark vernetzten Welt sowie auf berufliche und private Kommunikationssituationen in der Fremdsprache vor.

Beim kompetenzorientierten Unterricht steht der bzw. die Lernende im Mittelpunkt. Er*sie nimmt eine aktive Rolle im Lernprozess ein und wird zum/zur Mitgestalter*in des Unterrichts.

Es geht nicht mehr um eine reine Wissensvermittlung, z. B. von sprachlichen Strukturen, sondern um den Erwerb von Kompetenzen, die dazu führen sollen, dass die Schüler*innen (sprachlich) handlungsfähig sind.

Arbeitsaufträge

Fassen Sie zusammen, was unter einem kompetenz- und handlungsorientierten Fremdsprachenunterricht verstanden wird. Diskutieren Sie, welche Vorteile der Ansatz bei der Förderung der Sprechkompetenz hat.

Stellen Sie mögliche Probleme dar, die sich bei der Vermittlung der Sprechkompetenz ergeben können, wenn Lernende kompetenzorientiert unterrichtet werden.

Studieren Sie die Beschreibung der Planung kompetenzbasierter Unterrichtseinheiten und entwickeln Sie eine eigene Unterrichtsreihe, indem Sie alle 5 Schritte durchlaufen. Überlegen Sie sich hierbei, welche Schritte in der Regel beim dauerhaften Lehren im Schulalltag zusammengefasst werden können.

3Sprechkompetenz im Fremdsprachenunterricht – fachdidaktische Grundlagen

3.1Definitionen

Wenngleich das Schreiben im Fremdsprachenunterricht traditionell eine dominante Rolle einnahm und auch weiterhin umfangreich gefördert wie geprüft wird, besteht seit der kommunikativen Wende in den 1970er Jahren (vgl. bspw. Piepho 1974; Widdowson 1978; oder für eine kurze Diskussion von deren Entwicklung in der Schule Edelhoff 2009) eine zunehmende Tendenz hin zu einem Primat der Mündlichkeit1. Dieser fußt auf der Annahme, dass die menschliche Kommunikation überwiegend auf medial mündlicher Ebene erfolgt und weniger auf schriftlicher, weshalb es wiederum im Fremdsprachenunterricht von besonderer Bedeutung ist, die Sprechkompetenz zu fördern.

Dabei ist es zunächst wichtig, das Konstrukt ‚Sprechkompetenz‘ zu definieren. Für den Fremdsprachenunterricht sind dabei zwei Quellenarten von hoher Relevanz: a) die Erkenntnisse der Linguistik zur Sprechkompetenz im Allgemeinen und b) die Betrachtungsweisen der curricularen Vorgaben, mittels derer die Ziele, Strukturen sowie Inhalte des Unterrichts legitimiert werden. Darum soll nachfolgend zunächst eine allgemeine Definition der Sprechkompetenz erfolgen (vgl. Kap. 3.1.1) und anschließend sollen die Definitionsansätze im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen (vgl. Kap. 3.1.2) und in den Bildungsstandards (vgl. Kap. 3.1.3) betrachtet werden. Ergänzend bietet Kap. 3.2 einen Einblick in die dem Sprechen zugrunde liegenden kognitiven Prozesse. Kap. 3.3 wirft einen Blick auf alternative Konzepte im Fremdsprachenunterricht.

3.1.1Sprechkompetenz – Definitionsansätze der Linguistik

Sprachwissenschaftler*innen gliedern die Sprechkompetenz i. d. R. in drei Hauptbestandteile: a) das semantische Wissen – Was bedeuten die Worte, die genutzt werden?, b) das phonologische Wissen – Wie spricht man die Worte aus? und c) das grammatikalische Wissen – Wie werden Sätze korrekt gebildet, welche Flexionen müssen genutzt werden etc.? (vgl. bspw. Byrnes & Wasik 2019, 37). Da Sprache meist in sozialen Kontexten verwendet wird, um Absichten auszudrücken bzw. Sprachhandlungen zu vollziehen, lässt sich noch eine vierte Dimension – d) das pragmatische Wissen – Wie wird Sprache (im sozialen Kontext korrekt) gebraucht? – hinzufügen (vgl. u. a. Gleason & Ratner 2016, 6-9), wenn man eine etwas weitere, aber im Rahmen des Fremdsprachenunterrichts nicht unbedeutende Perspektive einnimmt. Nicht zuletzt ausgehend von der Sprechakttheorie von Austin und Searle (vgl. z. B. Austin 1962; Searle 1969) hat sich die Forschungslandschaft der Pragmalinguistik in den letzten Jahrzehnten auch im Hinblick auf die Fremdsprachendidaktik enorm ausgeweitet, sodass die pragmatische Kompetenz der Fremdsprachenlerner*innen heute in drei wesentlichen Feldern beforscht wird und damit reziproken Einfluss auf das Lehren und Lernen nimmt: a) die ursprünglichen linguistischen und soziokulturellen Fragestellungen danach, welche sprachlichen Formen in welchen Kontexten genutzt werden sollten, b) die Einführung des Konstrukts der interaktionalen Kompetenz, also der Fähigkeit, das Wissen aus a) flexibel an den wechselnde Kontext anpassen zu können und c) das Verfügen über eine learner agency1 und damit die Fähigkeit, eine bewusste Entscheidung darüber treffen zu können, ob und wann das Wissen aus a) tatsächlich im Sinne von b) eingesetzt wird oder auch nicht (vgl. bspw. Taguchi 2019, 4).

Ausgehend von dieser Definition der Sprechkompetenz und ihren Bestandteilen müsste die Förderung der Sprechkompetenz im Fremdsprachenunterricht also streng genommen stets alle vier o. g. Komponenten berücksichtigen. Da dies in realen Unterrichtssituationen – insbesondere in der frühen Spracherwerbsphase – jedoch schnell zu Überforderung führen kann, wird den Teilkomponenten Semantik (hier v. a. Wortschatz), Grammatik und Phonologie (also Aussprache und Intonation) ein eigener Kompetenzbereich im Fremdsprachenunterricht zugeordnet, nämlich das Verfügen über sprachliche Mittel, sodass sie zwar einerseits ‚nur‘ eine dienende Funktion zugewiesen bekommen, aber andererseits gezielt separat auf- und ausgebaut werden können. Die Förderung der Sprechkompetenz selbst fokussiert schließlich eher auf die Bewältigung von Sprachhandlung bzw. authentisch glaubhaften sprachlichen Situationen – gemäß den curricularen Vorgaben meist unterteilt in monologisches und dialogisches bzw. interaktionales Sprechen. Die Aspekte des pragmatischen Wissens werden dabei in den Bereichen Interkulturelle Kompetenz, Methodenkompetenz und Sprachbewusstheit speziell gefördert, wobei es bei den curricularen Vorgaben der Bundesländer zu Abweichungen kommen kann.

Darüber hinaus wird bei der Betrachtung der Sprechkompetenz schnell deutlich, dass es sich dabei eigentlich um eine integrative Kompetenz handelt, denn neben den o. g. Fähigkeiten und Fertigkeiten ist es ebenso von Bedeutung, über welchen Grad an Hörverstehens- sowie Text- und Medienkompetenz ein*e Sprecher*in verfügt. Schließlich kann eine gelingende Kommunikation ohne diese Teilkompetenzen durchaus eingeschränkt werden.

3.1.2Die Sprechkompetenz im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen

Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen (kurz: GeR; Europarat 2001) wurde nach langjähriger Entwicklung und Pilotierung erstmals 2001 in englischer sowie französischer Sprache publiziert und seither in über 40 Sprachen übersetzt (vgl. CoE 2020b, 30). Der Europarat versteht den GeR als Angebot einer gemeinsamen Basis an Zielen, Inhalten und Methoden beim Lehren und Lernen von Fremdsprachen in allen europäischen Ländern, um innereuropäische Bildungsbarrieren zu überwinden sowie einen Beitrag zur Vergleichbarkeit von Bildungszielen, -inhalten und Lehr-/Lernmaterialien zu leisten (vgl. Europarat 2001, 14). Zu diesem Zweck wurden u. a. umfangreiche Deskriptoren für Sprachkompetenz entwickelt, die zunächst in die sechs Niveaustufen A1 bis C2 bzw. Breakthrough, Waystage, Threshold, Vantage, Effective Operational Proficiency und Mastery gegliedert wurden (vgl. Europarat 2001, 33f.). Im Jahr 2018 wurde ein Companion Volume with New Descriptors (CoE 2018) zum GeR zunächst online herausgegeben, in dem die bestehenden Deskriptoren ergänzt bzw. ersetzt sowie ein „Pre A1-Level“ und in der Praxis bereits häufig genutzte sowie zunächst nur optional vorgeschlagene Zwischenniveaus (vgl. Europarat 2001, 42), wie bspw. B1+ oder B1.2, eingeführt werden (vgl. CoE 2018, 36). Nach entsprechender Diskussion der neuen Version in den Fachcommunities erschien schließlich 2020 der nächste Companion Volume (CoE 2020a) als leser*innenfreundliche Version einer Kombination des 2001er und 2018er-Dokumentes oder, wie die Herausgeber*innen schreiben:

This volume presents the key messages of the CEFR in a user-friendly form and contains all CEFR illustrative descriptors. For pedagogical use of the CEFR for learning, teaching and assessment, teachers and teacher educators will find it easier to access the CEFR Companion volume as the updated framework. The Companion volume provides the links and references to also consult the chapters of the 2001 edition, where necessary. Researchers wishing to interrogate the underlying concepts and guidance in CEFR chapters about specific areas should access the 2001 edition, which remains valid. (CoE 2020a, 6)

Etwas verwirrend mag sich die Situation ggf. für deutschsprachige Rezipient*innen gestalten, denn zwischenzeitlich wurde auch eine Übersetzung des Companion Volumes angefertigt (vgl. CoE 2020b), die auf der Version von 2018 basiert.

Sowohl in der Ursprungsfassung von 2001 als auch in der aktualisierten Version von 2020 wird die Sprechkompetenz im GeR den Kommunikativen Sprachaktivitäten1 zugeordnet, allerdings anders als z. B. in den Bildungsstandards (vgl. Kap. 3.1.3), gliedern sich diese wiederum in:

Rezeption

Hörverstehen

Leseverstehen

Produktion

Mündliche Produktion

Schriftliche Produktion

Interaktion

Mündliche Interaktion

Schriftliche Interaktion

Online-Interaktion

Mediation

Mediation von Texten

Mediation von Konzepten

Mediation von Kommunikation

Tab. 1:

Elemente der kommunikativen Sprachaktivitäten gemäß GeR (vgl. bspw. CoE 2020b, 26)

Dadurch wird die Sprechkompetenz in einen monologischen (hier: Produktion → Mündliche Produktion) und einen dia- bzw. multilogischen Bereich (hier: Interaktion → Mündliche Interaktion) separiert (vgl. Tab. 1), während in den Bildungsstandards und zahlreichen bundeslandspezifischen Curricula die beiden Sprecharten der Oberkategorie Produktion zugeordnet werden. Ergänzend sollte noch erwähnt werden, dass in der Kategorie Mediation (s. o.) natürlich auch sprechsprachliche Elemente enthalten sind. Die Sonderform der Online-Interaktion wurde erst 2018 in die Deskriptorenliste aufgenommen und kann sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen.

In der Kategorie Mündliche Produktion wird zunächst eine Deskriptorenliste für die mündliche Produktion allgemein angeführt und anschließend das monologische Sprechen in die Makro-Funktionen interpersonell, transaktional sowie evaluativ gegliedert (vgl. hier und im Folgenden CoE 2020b, 75). Diese werden wiederum ergänzt durch zwei Sonderformen: vor Publikum sprechen und öffentliche Ankündigungen machen – wobei diese beiden Kategorien von Fremdsprachenlerner*innen in authentischen Kommunikationssituationen wohl eher weniger häufig gefordert werden, weshalb diese nachfolgend nicht weiter vertieft werden (zum Weiterlesen vgl. z. B. CoE 2020b, 79f.).

Die im Rahmen des Fremdsprachenunterrichts stärker berücksichtigten Sprechkompetenzbereiche sind hingegen:

a)

zusammenhängendes monologisches Sprechen: Erfahrungen beschreiben

b)

zusammenhängendes monologisches Sprechen: Informationsvermittlung

c)

zusammenhängendes monologisches Sprechen: Argumentieren (z. B. in einer Diskussion).

Dabei sind für a) Deskriptoren ab Niveaustufe VOR A1, für b) von A1 bis C1 und für c) ab A2 aufwärts vorgesehen. Dies zeigt, dass die drei o. g. Bereiche einen aufsteigenden Schwierigkeitsgrad abbilden und man zum Argumentieren bereits über umfangreichere Sprachkenntnisse verfügen muss als um Erfahrungen zu beschreiben. Außerdem muss angemerkt werden, dass v. a. auf einer niedrigen Niveaustufe auch das Vortragen kurzer auswendig gelernter Texte oder das entsprechende Vorlesen bereits als monologisches Sprechen betrachtet werden, obschon dabei einige Phasen der Sprachproduktion (vgl. Kap. 3.2) ausgelassen werden.

Analog zur Mündlichen Produktion wird auch in der Kategorie Mündliche Interaktion zunächst eine Deskriptorenliste für die mündliche Interaktion allgemein angeführt (vgl. hier und im Folgenden CoE 2020b, 88f.). Anschließend erfolgt wiederum die Gliederung in die Makro-Funktionen interpersonell, transaktional und evaluativ sowie eine Ergänzung um spezielle Genres, etwa Gesprächssituationen. Somit ergeben sich die folgenden Deskriptorenlisten für die mündliche Interaktion, die immer sowohl produktive als auch rezeptive Aspekte beinhalten, denn eine Interaktion kann nur gelingen, wenn der*die Gesprächspartner*in auch verstanden wird:

a)

eine/n Gesprächspartner/in2 verstehen

b)

Konversation, bspw. zur Gestaltung persönlicher Beziehungen

c)

formelle Diskussion

d)

informelle Diskussion und Besprechungen

e)

zielorientierte Kooperation, bspw. in der Schule im Rahmen von Gruppen- oder Partner*innenarbeiten

f)

Transkationen: Dienstleistungsgespräche

g)

Informationsaustausch

h)

Interviewgespräche

i)

Telekommunikationsmittel benutzen. (CoE 2020b, 89-100)

Wenngleich seit Jahrzehnten Aufgaben in fremdsprachlichen Lehr- und Lernmaterialien, die Telefongespräche o. Ä. simulieren, zum Standardrepertoire gehören, ist die Kategorie g) erst in der GeR-Version von 2018 aufgeführt worden. Dabei bezieht sie sich auch nicht allein auf das Telefonieren, sondern schließt die Kommunikation via „internetbasierte[n] Apps für Audio- und Videokommunikation über eine Distanz hinweg“ (CoE 2020b, 100) mit ein. Ebenso repräsentieren alle anderen o. g. Deskriptorenlisten authentisch glaubhafte Gesprächssituationen und somit potenzielle Aufgabenstellungen im Fremdspra­chen­unterricht, die sich auf unterschiedlichen Niveaustufen ab spätestens A2 realisieren lassen.

Neben den genannten Kompetenzen fließen jedoch auch spezifische Strategien in die Produktion mündlicher Sprache – sowohl im Bereich des monologischen Sprechens als auch in demjenigen der Interaktion – mit ein. In der Kategorie Produktion finden sich darum drei Deskriptorenlisten zu Produktions­strategien:

a)

planen

b)

kompensieren

c)

Kontrolle und Reparaturen. (CoE 2020b, 84-86)

Ebenso werden in der Kategorie Interaktion drei Deskriptorenlisten zu Interaktionsstrategien angeführt:

a)

Sprecherwechsel (das Wort ergreifen, turntaking)

b)

kooperieren

c)

um Klärung bitten. (CoE 2020b, 109-111)

Selbstverständlich kann mündliche Kommunikation nur dann gelingen, wenn die Sprecher*innen ebenfalls über entsprechende Linguistische Kompetenz verfügen, unter die im GeR die folgenden Elemente fallen:

a)

Spektrum sprachlicher Mittel allgemein

b)

Wortschatzspektrum

c)

Grammatische Korrektheit

d)

Wortschatzbeherrschung

e)

Beherrschung der Phonologie (inkl. Aussprache und Intonation)

f)

Beherrschung der Orthographie. (CoE 2020b, 153-160)

Während die meisten der o. g. Aspekte eigene Teilkompetenzbereiche bilden, die im Fremdsprachenunterricht – v. a. in der Spracherwerbshase – separat gefördert werden, ist die Kategorie e) jedoch unmittelbar an die Förderung der Sprechkompetenz geknüpft so wie Kategorie f) an das Schreiben. Dabei wurde eben jener Kompetenzbereich der Phonologie im Vergleich zur GeR-Version von 2001 für den Companion Volume von 2020 umfangreich überarbeitet, um bspw. von der veralteten Idealvorstellung der Artikulation in Anlehnung an diejenige von Muttersprachler*innen abzukehren und eher die Verständlichkeit trotz Vorliegen (nicht zielsprachlicher) Akzente in den Vordergrund zu rücken (vgl. CoE 2020b, 157). Die Deskriptorenliste umfasst darum die folgenden Kernbereiche:

Artikulation, einschließlich Aussprache von Lauten/Phonemen;

Prosodie, einschließlich Intonation, Rhythmus und Betonung – sowohl Wort- als auch Satzbetonung – und Sprechgeschwindigkeit/chunking;

Akzentuierung, Akzent in der Aussprache und Abweichung von einer ‚Norm‘;

Verständlichkeit, Bedeutungsoffenheit für Gesprächsteilnehmer/innen (üblicherweise als ‚Verständlichkeit‘ bezeichnet). (CoE 2020b, 158)

Zwei weitere Faktoren, die zum Gelingen von Kommunikation beitragen, sind die Soziolinguistische Kompetenz und die Pragmatische Kompetenz, die beide große Schnittmengen zur Interkulturellen Kompetenz aufweisen. Unter Soziolinguistischer Kompetenz werden im GeR folgende Aspekte subsummiert und im Deskriptionskatalog der Soziolinguistischen Angemessenheit entsprechend berücksichtigt:

Bewusstsein über und Gebrauch von Höflichkeitsformen,

angemessenes Ausführen von Sprachfunktionen (unter Berücksichtigung des Registers),

Knüpfen und Aufrechterhalten von Kontakten unter Berücksichtigung von Floskeln, Humor, Register etc.,

Erkennen und Berücksichtigen soziokultureller Hinweise,

Nutzung des angemessenen Registers (ab Niveau B2). (vgl. CoE 2020b, 160f.)

Unter der Überschrift der Pragmatischen Kompetenz, also den „Kenntnissen der Prinzipien des Sprachgebrauchs“ (CoE 2020b, 162), werden zudem individuelle Soft Skills und einige der Elemente angeführt, die in den Bildungsstandards in den Bereich der methodischen Kompetenz und der Sprachlernkompetenz fallen, nämlich Deskriptorenlisten zu:

a)

Flexibilität

b)

Sprecherwechsel

c)

Themenentwicklung

d)

Kohärenz und Kohäsion

e)

Genauigkeit der Aussage

f)

Flüssigkeit. (CoE 2020b, 163-167)

Dabei muss natürlich berücksichtigt werden, dass die Bereiche, die unter der Soziolinguistischen und der Pragmatischen Kompetenz angegeben werden, nicht ausschließlich auf die mündliche Sprache begrenzt sind, sondern auch die schriftliche Textproduktion betreffen.

Basierend auf der Annahme, dass das Erlernen einer neuen Sprache stets im unmittelbaren Zusammenspiel zum bereits im Individuum vorhandenen sprachlichen Repertoire geschieht, darf ebenso der Bereich der plurilingualen und plurikulturellen Kompetenz des GeR bei der Förderung der Sprechkompetenz nicht negiert werden (vgl. CoE 2020b, 144-151). Auch hier lassen sich wieder starke Parallelen zur Interkulturellen Kompetenz erkennen, wie sie u. a. in den Bildungsstandards aufgeführt wird, allerdings fokussiert der GeR nicht so stark auf die zielsprachliche/n Kultur/en der zu erlernenden Fremdsprache, sondern berücksichtigt hier stärker sämtliche Vorkenntnisse der Lernenden, die es mit der neuen Sprache bzw. den neuen Kulturen in Beziehung zu setzen gilt.

3.1.3Die Sprechkompetenz in den Bildungsstandards

Gegen Ende der 1990er Jahre beschloss die Kultusministerkonferenz (kurz: KMK) eine wissenschaftliche Überprüfung des deutschen Schulsystems im internationalen Vergleich (vgl. hier und im Folgenden KMK 2005a, 5). Der somit angestoßene Prozess mündete im Bildungsbericht für Deutschland (Avenarius et al. 2003), welcher wiederum zu bundesweit einheitlichen Bildungsstandards – zunächst für die Fächer Deutsch, Mathematik und Erste Fremdsprache – führte, um „sich auf anspruchsvolle gemeinsame Bildungsziele und Standards [zu] verständigen und Verfahren [zu] entwickeln, mit denen die Wirksamkeit unseres Bildungssystems regelmäßig systematisch überprüft werden“ kann (KMK 2005a, 5). Somit wurden zu den Schuljahren 2004/2005 die ersten Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (i. e. am Ende von Jahrgangsstufe 10) verbindlich eingeführt, diejenigen für den Primarbereich und den Hauptschulabschluss sowie die naturwissenschaftlichen Fächer folgten zum Schuljahr 2005/2006 und wurden 2012 um solche für die Allgemeine Hochschulreife ergänzt (vgl. KMK o. J.). Aktuell befinden sich die Bildungsstandards für die Sekundarstufe I in der Überarbeitung und sollen Mitte 2024 in einer neuen Version veröffentlicht werden. Generell lassen sich die Bildungsstandards wie folgt beschreiben: Sie

greifen die Grundprinzipien des jeweiligen Unterrichtsfaches auf,

beschreiben die fachbezogenen Kompetenzen einschließlich zugrunde liegender Wissensbestände, die Schülerinnen und Schüler bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ihres Bildungsganges erreicht haben sollen,