Foul Play - Laura Willud - E-Book

Foul Play E-Book

Laura Willud

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Beschreibung

SIE HAT SICH GESCHWOREN, DIE REGELN ZU BEFOLGEN. FÜR IHN WÜRDE SIE EIN FOUL BEGEHEN. Lori liebt erste Dates, es gibt nur ein Problem: Nie fühlt sie dabei auch nur einen Bruchteil dessen, was der Kuss mit Joshua Reed in ihr ausgelöst hat. Seit zwei Jahren geht sie dem Kapitän der Hopeville Dragons aus dem Weg, denn er ist der Bruder ihrer besten Freundin. Doch dann müssen sie gemeinsam den Jugendsporttag der Uni organisieren … Bei dem Freizeitevent für Kinder mithelfen zu müssen, geht Joshua ziemlich gegen den Strich. Die Energie würde er viel lieber in sein Basketballtraining investieren. Anstatt in Auseinandersetzungen mit Lori Evans. Sie geht ihm noch genauso unter die Haut wie vor zwei Jahren. Und sich auf sie einzulassen, wäre immer noch genauso riskant. Eine Sports-Romance über zwei Menschen, die lernen müssen, was wirklich im Leben zählt. Emotional, sexy und mitreißend.

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Seitenzahl: 475

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Laura Willud

Foul Play

Roman

 

 

 

Über dieses Buch

SIE HAT SICH GESCHWOREN, DIE REGELN ZU BEFOLGEN.

Lori liebt erste Dates, es gibt nur ein Problem: Nie fühlt sie dabei auch nur einen Bruchteil dessen, was der Kuss mit Joshua Reed in ihr ausgelöst hat. Seit zwei Jahren geht sie dem Kapitän der Hopeville Dragons aus dem Weg, denn er ist der Bruder ihrer besten Freundin. Doch dann müssen sie gemeinsam den Jugendsporttag der Uni organisieren …

 

FÜR IHN WÜRDE SIE EIN FOUL BEGEHEN.

Bei dem Freizeitevent für Kinder mithelfen zu müssen, geht Joshua ziemlich gegen den Strich. Die Energie würde er viel lieber in sein Basketballtraining investieren. Anstatt in Auseinandersetzungen mit Lori Evans. Sie geht ihm noch genauso unter die Haut wie vor zwei Jahren. Und sich auf sie einzulassen, wäre immer noch genauso riskant.

 

Eine Sports-Romance über zwei Menschen, die lernen müssen, was wirklich im Leben zählt. Emotional, sexy und mitreißend.

Vita

LAURA WILLUD, geboren 1997, wuchs in Niedersachsen auf und lebt mittlerweile in Zürich. In ihrer Jugend spielte sie selbst lange in einem Basketballverein. Mit ihren Büchern über die College-Basketballmannschaft der Hopeville Dragons erfüllte sie sich einen Autorinnentraum. Neben dem Schreiben und Lesen verbringt sie ihre Freizeit am liebsten beim Sport oder Bergwandern. Außerdem bloggt sie auf Instagram gemeinsam mit einer Freundin über Bücher und betreibt ihren eigenen Account @laurawillud.autorin.

Impressum

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Juli 2025

Copyright © 2025 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

Songtext «Breaking Free» von Jamie Houston

Covergestaltung ZERO Werbeagentur, München

Coverabbildung Kelley McMorris

ISBN 978-3-644-02329-1

 

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

 

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Alle angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Printausgabe.

 

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www.rowohlt.de

Für Mama und Papa

Weil ihr mir immer das Gefühl gegeben habt, genau richtig zu sein.

Playlist

Blank Space (Taylor’s Version) – Taylor Swift

Centuries – Fall Out Boy

Hot Mess – Zoe Clark

Somebody to Someone (I Just Wanna Fall in Love) – Natalie Jane

Breaking Free – Drew Seeley, Vanessa Hudgens, Zac Efron

20s – Bow Anderson

22 (Taylor’s Version) – Taylor Swift

Mr. Brightside – The Killers

Please Please Please – Sabrina Carpenter

we can’t be friends (wait for your love) – Ariana Grande

Tears For Fun – Griff

Good Luck, Babe! – Chappell Roan

Sweet Dreams – Koe Wetzel

1 step forward, 3 steps back – Olivia Rodrigo

us. (feat. Taylor Swift) – Gracie Abrams, Taylor Swift

Waiting for Superman – Daughtry

Be Kind (with Halsey) – Marshmello, Halsey

THATS WHAT I WANT – Lil Nas X

So High School – Taylor Swift

Slow Dance In A Parking Lot – Jordan Davis

Kapitel 1

Lori

Ich hatte schon viele erste Dates. Besonders in den letzten Monaten. Ich mag es zu daten. Und trotzdem bin ich jedes einzelne Mal nervös und aufgeregt.

Jede erste Verabredung könnte schließlich meine letzte erste Verabredung sein.

Fünf Minuten zu früh habe ich das kleine Restaurant erreicht, vor dem wir uns treffen wollten, und warte nun schon fast eine Viertelstunde lang darauf, dass Shane auftaucht. Normalerweise gehe ich beim ersten Kennenlernen nicht gerne essen, denn mit einem Kaffee durch den Park zu spazieren, finde ich viel ungezwungener. Da ist der Erwartungsdruck nicht gleich so hoch. Doch Shane hat darauf bestanden. Er wolle mich «unbedingt» einladen, also habe ich schließlich eingewilligt. Vielleicht wird es ja schön, und meine Vorbehalte bezüglich seiner Pläne erweisen sich als unbegründet.

Ich schaue mich vor dem Laden um, doch keiner der Passanten, die eingepackt in Mänteln und Wollschals an mir vorbeigehen, entspricht seinen Bildern.

Nach dem Fiasko mit Diätpillen-Dan wollte ich dem Onlinedating eigentlich abschwören. Ich hatte es meiner besten Freundin Joyce sogar versprochen. Mit Dan auszugehen, der nämlich weniger an mir interessiert war, als dass er mich als Kundin für seine Wunderpillen gewinnen wollte, war zwar ein persönlicher Tiefpunkt, aber nicht mein einziges Match, das sich als großer Fehlgriff herausgestellt hatte. In einem schwachen Moment habe ich dann aber doch wieder zu meinem Handy gegriffen und begonnen, eifrig auf meinem Touchscreen nach links und nach rechts zu wischen.

So habe ich Shane entdeckt.

Zuerst sind mir seine hellen grauen Augen aufgefallen, die einen selbst über den Bildschirm zu hypnotisieren schienen. Seine Fotos waren ansprechend, seine Ausstrahlung eine absolute Green Flag. Sein Profilbild zeigt ihn im Porträtausschnitt, mit einem offenen Lachen bei einer Wanderung in den Bergen. Das fast schwarze Haar zerzaust von der Anstrengung. So erfrischend natürlich. Auf seinem anderen Bild ist er komplett zu sehen, an einem Pier stehend und mit verschränkten Armen. Es war sein leicht verschmitztes Lächeln, das mich für ihn eingenommen hat.

Wir haben nicht lange geschrieben, ehe er vorgeschlagen hat, wir sollten uns doch lieber persönlich kennenlernen.

Und hier stehe ich nun, vor einem der wenigen Restaurants, die Hopeville zu bieten hat, und friere, weil die dünne schwarze Strumpfhose, die weder blickdicht noch warm ist, vielleicht doch nicht die beste Wahl für diesen grauen Dezemberabend war. Ich schaue auf mein Handy und tippe auf die Wetter-App. Ungefähr vier Grad müssten es sein, und trotz der dicken Stiefel mit dem hohen Absatz durchdringen der Wind und die Kälte ungefähr jeden Zentimeter meiner Kleidung. Unruhig wechsle ich die Anwendung, klicke stattdessen auf den Chat mit Shane.

LORI: Bist du schon da?

Um zumindest meinen Oberkörper einigermaßen warm zu halten, schlinge ich meine weite Lederjacke fest um mich, damit ja keine Wärme entweichen kann.

Ein weiterer Blick auf mein Handy.

Die Nachricht bleibt ungelesen, die Uhranzeige springt auf achtzehn Uhr. Ich scrolle weiter nach oben, checke noch einmal, ob ich beim richtigen Restaurant bin. Ich kenne seinen Nachnamen nicht, deswegen fürchte ich, nicht sonderlich viel Erfolg zu haben, sollte ich reingehen und nach der Reservierung fragen.

Also bleibe ich in der Kälte stehen, verteufle mich dafür, dass ich mein Outfit primär nach der Optik, weniger nach dem Wetter ausgesucht habe, und kontrolliere mit meiner Frontkamera mein Make-up. Aus meiner Jackentasche zücke ich die kleine Schachtel mit den Himbeerbonbons, die ich immer bei mir trage, und schiebe einen davon zwischen meine Lippen. Die Minuten vergehen, und ich denke darüber nach, wann der richtige Zeitpunkt wäre abzuhauen. Mir einzugestehen, versetzt worden zu sein.

«Lori?», höre ich es dann hinter mir und drehe mich um. Mein Blick findet sofort Shanes stahlgraue Augen. Das Herzflattern, das ich mir bei unserer ersten Begegnung erhofft hatte, bleibt leider aus, aber das schiebe ich darauf, dass sich mein Körper mittlerweile taub vor Kälte anfühlt.

«Ja, hi», erwidere ich, woraufhin er näher kommt und mich umarmt.

«Lass uns reingehen, oder?» Er entschuldigt sich nicht für seine Verspätung. Möglich, dass er im Stress war und gar nicht bemerkt hat, dass ich schon einige Minuten vor dem Laden warten musste.

Shane hält mir die Tür auf, ich bedanke mich und gehe hindurch.

«Du siehst toll aus», eröffnet er das Gespräch, nachdem wir von einem Kellner in weißem Hemd zu einem kleinen Tisch am Fenster geführt wurden und uns gegenüber voneinander niedergelassen haben.

«Danke. Du auch», gebe ich zurück und überfliege die Speisekarte vor mir.

«Darf ich euch schon Getränke bringen?» Der Kellner ist zurück und mustert uns mit einem Lächeln, das genauso falsch ist wie die Wimpern, die ich mir vorhin aufgeklebt habe.

«Wie wäre es mit einem Glas Wein?», wendet sich Shane an mich.

Die Frage überrumpelt mich, weil ich noch keine Zeit hatte, einen Blick in die Weinkarte zu werfen, um zu schauen, welche der Optionen die preiswerteste ist. «Äh, ja. Gern.»

«Dann bitte zwei Gläser Chardonnay», nimmt meine Begleitung mir die Entscheidung ab.

«Natürlich», antwortet der Kellner höflich mit einem Nicken, wirft mir aber einen Blick zu, den ich nicht richtig deuten kann, bevor er den Tisch verlässt.

«Wie kann es sein, dass eine so hübsche junge Frau wie du noch Single ist?»

Ich muss ein Augenrollen unterdrücken. Die Frage soll sicher charmant klingen, und vielleicht würden sich andere geschmeichelt fühlen, aber ich hasse sie. Als hätte der Beziehungsstatus einer Person nur etwas mit völlig subjektiven Äußerlichkeiten zu tun. Aber ich möchte dem Ganzen hier eine Chance geben. Es versuchen, mich wirklich auf diese Verabredung einzulassen.

Also setze ich ein Lächeln auf.

Vielleicht greift Shane ja auch nur zu solch abgedroschenen Floskeln, weil er nervös ist.

«Ich hatte in letzter Zeit scheinbar kein sonderlich gutes Händchen, was mein Dating-Leben betrifft», sage ich mit einem Schulterzucken.

«Vielleicht ändert sich das ja heute.» Ein halb anzügliches Grinsen umspielt seine Lippen. Er sieht wirklich gut aus, wenn er lächelt.

«Vielleicht.»

Ich richte meine Aufmerksamkeit wieder auf die Karte vor mir, um beim nächsten Auftauchen des Kellners besser vorbereitet zu sein. Die Gerichte klingen fantastisch, und ich spüre, wie sich mein Magen vor lauter Vorfreude auf eines der Pastagerichte zusammenzieht.

«Du möchtest nach dem Studium also als Lehrerin arbeiten?»

Ich klappe die Karte zu.

«Ja, genau. Ich liebe das Gefühl, das man hat, wenn man Kindern etwas vermitteln, etwas mitgeben kann. Dieser Moment, in dem der Groschen fällt und sie einen Zusammenhang wirklich verstehen, ist unbezahlbar. Deswegen würde ich das gern beruflich machen.»

«Das klingt schön. Scheint, als hättest du deine Passion gefunden.»

«Wie ist es bei dir? Wieso hast du dich dazu entschieden, in die Versicherungsbranche einzusteigen?»

«Es liegt mir, und der Verdienst ist gut», antwortet Shane, und ich habe keine Ahnung, was ich darauf erwidern soll, weswegen ich froh bin, dass unser Gespräch unterbrochen wird. Der Kellner tritt mit zwei Weingläsern und einer Flasche bewaffnet an unseren Tisch. Er stellt die bauchigen Gläser vor uns ab und schenkt dann Shane einen Fingerbreit davon ein. Dieser beugt sich über den Wein, um geräuschvoll daran zu riechen, bevor er ihn an seine Lippen führt und die Flüssigkeit eine gefühlte Ewigkeit in seinem Mund behält, ehe er sie runterschluckt.

«Ist in Ordnung», bestätigt er, woraufhin der Kellner unsere beiden Gläser füllt und sich erkundigt, ob wir bereits etwas zu Essen bestellen wollen. Er schaut mich dabei an, weswegen ich mit meiner Bestellung starte.

«Ich hätte gern die Spaghetti al pesto.»

«Parmesan und Knoblauch dazu?»

Noch ehe ich auf die Nachfrage reagieren kann, grätscht mein Date dazwischen.

«Kein Knoblauch.» Er schaut den Kellner mit einem überlegenen Lächeln an, das auf mich nun gar nicht mehr attraktiv wirkt. Dann wandern seine grauen Augen weiter zu mir. «Vielleicht kommen wir uns ja noch näher heute.» Er zwinkert mir zu, und ich bin so perplex, dass ich überhaupt nichts sage. Stumm sitze ich da, bekomme nur verschwommen mit, wie Shane sein eigenes Essen bestellt.

Hat er gerade wirklich eigenmächtig beschlossen, dass ich meine Pasta ohne Knoblauch essen werde? Hat er tatsächlich dem Keller angekündigt, wir würden heute vielleicht noch rummachen, und dabei wolle er gern auf Knoblauchgeruch verzichten? Ich merke, wie mir das Blut vor Wut in den Kopf schießt und sich eine unangenehme Hitze in meinem Brustkorb einnistet.

Ich nehme einen großen Schluck von dem Wein.

Er schmeckt mir nicht. Trotzdem führe ich das Glas erneut an meine Lippen.

«Seit wann bist du schon in Hopeville, Lori?» Konzentriert versuche ich meine Fassungslosigkeit abzuschütteln und mich wieder in unser Gespräch einzufinden. Manchmal glaube ich, ich hätte datingtechnisch alles erlebt. Und dann kommt ein Typ wie Shane und beweist mir das Gegenteil.

«Seit fast anderthalb Jahren. Und du?»

«Ich bin hier aufgewachsen, war dann nach der Highschool aber ein paar Jahre in Charleston und bin vor drei Monaten wieder zurückgekommen.»

«Was hat dich nach Charleston verschlagen?», erkundige ich mich, obwohl ich mir unsicher bin, ob mich seine Antwort überhaupt interessiert. Ob er mich überhaupt noch interessiert.

Es folgt ein ewiger Monolog, den er nur kurz unterbricht, als unsere Pasta serviert wird. Zwischen seinem Kauen und Schlucken, das mir tierisch auf den Geist geht, führt er ihn dann aber weiter. Ich murmle zustimmend, wenn ich der Meinung bin, es wäre angebracht, und schaue regelmäßig von meinem Teller auf, um Shane zu vermitteln, dass ich ihm zuhöre, auch wenn meine Gedanken immer wieder abschweifen und ich teilweise ganze Passagen gar nicht richtig mitbekomme. Schließlich sind unsere Teller leer, und ich bin erleichtert, dass sich der Abend nun dem Ende neigen kann.

«Wie wäre es noch mit einem Dessert?»

«Ich fürchte, ich kann nichts mehr essen», lüge ich. Eigentlich war meine Portion relativ klein, und ein Tiramisu oder ein Zitronensorbet hätte sicher noch Platz in meinem Magen. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich einen weiteren selbstbeweihräuchernden Monolog ertragen würde.

«In Ordnung. Dann können wir ja zum zweiten Punkt unseres Tagesplans übergehen.»

Ich weiß nicht, wovon er spricht. Abgesehen von dem Restaurantbesuch hatten wir nichts weiter besprochen. Da es manchmal aber leichter ist, einfach die Klappe zu halten, lächle ich nur und streiche mir eine verirrte, schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht.

Shane ruft den Kellner zu uns und bittet um die Rechnung. Ich versichere ihm, dass ich gern die Hälfte des Betrages übernehme, obwohl ich es mir eigentlich nicht leisten kann. Er winkt meinen Vorschlag ab und holt in einer langsamen, fast darstellerischen Geste sein Portemonnaie aus der Jackentasche. Obwohl der Kerl erst Mitte zwanzig ist, zückt er nicht seine Kreditkarte, sondern ein paar Scheine Bargeld, die er einzeln abzählt und schrecklich langsam auf die Rechnung legt. Als wolle er allen demonstrieren, wie viel Geld er gerade für mich und für dieses Date hinblättert.

Dann gehen wir endlich.

Die Kälte, die sich vorhin noch unangenehm durch meine dünnen Klamotten gebissen hat, genieße ich nach der Hitze des italienischen Restaurants nun.

«Danke für die Einladung», sage ich ein weiteres Mal.

«Es war mir eine Ehre – nein, es ist mir eine Ehre. Lass uns das Date noch nicht beenden.» Mit ausschweifender Bewegung deutet er auf die dunkle Straße vor uns. «Kann ich dich ein Stück Richtung Campus begleiten?»

Ich weiß nicht, wie ich Nein sagen soll, also nicke ich stumm und setze mich in Bewegung. Immerhin ist der Weg nicht weit, die Verabredung dürfte sich also nicht allzu lang ausdehnen. Zwischen uns entsteht immerhin kein unbehagliches Schweigen, dafür sorgt Shane sehr verlässlich.

Mittlerweile ist der Himmel in Dunkelheit gehüllt. Er wird nur von der schmalen Mondsichel und einzelnen Sternen erleuchtet.

«Ganz schön romantisch, findest du nicht?» Er hält in seiner Bewegung inne, greift mit seinen kalten Fingern nach meiner Hand. Ich weiß nicht, was genau er meint, denn unser Spaziergang führt uns nicht gerade durch die schönsten Ecken Hopevilles.

Ich bleibe dennoch stehen, als er sanft an meiner Hand zieht. Shane sieht mich an, und ich lasse mich von dem Nebelgrau seiner Augen einlullen, das in dem Sternenlicht fast von innen heraus zu leuchten scheint. Als sein Blick zwischen meinen Lippen und meinen Augen hin- und herspringt, spüre ich plötzlich, wie sich mein Herzschlag beschleunigt.

Vielleicht könnte da ja doch etwas sein. Eine Spannung zwischen uns. Elektrizität, die sich erst langsam aufbaut, der ich eine Chance geben sollte. Er lehnt sich nach vorn zu mir, und ich lasse es einfach geschehen. Weiß nicht, ob ich das überhaupt möchte, seine Lippen auf meinen, aber bin mir auch nicht sicher, es nicht zu wollen.

Ich schließe die Augen. Möchte fühlen, möchte endlich alles fühlen.

Kapitel 2

Joshua

Sie sagen, einen schlechten Tag zu haben, sei normal. Doch normal zu sein, bringt mich nicht weiter. Normal zu sein, lässt meine Ziele nicht zu meiner Realität, meine Träume nicht zu meinem Leben werden.

Und nur darum geht es. Bei allem, was ich tue, und bei allem, was ich nicht tue.

Also fordere ich den Ball von Willie zurück, nehme die Herausforderung an. Vega verteidigt mit etwas Abstand. Nicht zu viel, nicht zu wenig. Aus Kapitänssicht sollte ich ihn dafür loben, in Wirklichkeit wünsche ich mir aber, er käme dichter, würde den Fehler zu meinen Gunsten begehen.

Der Basketball in meiner Hand fühlt sich natürlich an, nicht wie ein Fremdkörper, sondern wie etwas, das voll und ganz zu mir gehört. Meine Finger legen sich ganz automatisch um das Leder. Ich muss nicht darüber nachdenken, wie ich ihn halte, nicht eine einzige Sekunde. Viele Menschen suchen nach ihrem Gegenpart, nach dem fehlenden Puzzleteil in einem Partner oder einer Partnerin. In einer romantischen Beziehung.

Ich habe mein Puzzlestück längst gefunden.

Und egal, wie seltsam es für die meisten klingen mag: Es ist dieser verfluchte Basketball. Und ich werde alles, wirklich alles dafür tun, dass wir unser Happy End bekommen.

Mit diesem Gedanken täusche ich einen Wurf an, nutze den winzigen Augenblick, den Vega dafür braucht abzuschätzen, ob ich es ernst meine oder nicht, um an ihm vorbeizuziehen Richtung Korb. Mit jedem Schritt lasse ich den Ball auf dem Boden aufprallen. Zweimal, dreimal. Der Korb befindet sich nun direkt vor mir, ist zum Greifen nah. Ich hebe ab, sehe den Ball vor meinem inneren Auge durch das Netz rauschen, noch bevor es überhaupt so weit ist. Fühle bereits einen Vorgeschmack des Glücksgefühls, das gleich durch meine Adern schießen wird. Im letzten Moment schiebt sich eine große, breite Statur vor mich.

Fuck. Young hat schnell reagiert, ist seinem Mitspieler erfolgreich zu Hilfe gekommen.

Der Basketball landet nicht im Korb, sondern wird von unserem Centerspieler weggeschlagen, wird in Höhe der Dreierlinie von Fields in Empfang genommen, der unmittelbar einen Fast Break auf der gegenüberliegenden Seite einleitet. Statt einen Sprint hinzulegen, bleibe ich stehen.

Diese Punkte sind sowieso verloren.

Ich bin schnell, so schnell ist aber niemand. Meine Hände ballen sich zu Fäusten. Meine Wut richtet sich nicht gegen Young, der einfach seinen Job gemacht hat, sondern gegen mich selbst. Weil so ein Fehler in einem richtigen Spiel über Sieg und Niederlage entscheiden kann. Weil jedes gewonnene Spiel mich meinen Zielen näher bringt, während jede Niederlage mich weiter davon entfernt. Ich zwinge mich, meine Wut zu unterdrücken. Sie loszulassen, ist mir nicht möglich. Dafür ist das hier zu wichtig. Jedes einzelne Training, jede einzelne Aktion. Also laufe ich auf die andere Seite des Spielfelds, hole mir den Ball bei Wheeler ab, der hinter der Grundlinie für den Einwurf bereitsteht, und beginne einen neuen Angriff.

Dieses Mal können wir erfolgreich abschließen, aber es bin nicht ich, der die Punkte einholt, sondern Willie. Und natürlich, Basketball ist ein Teamsport, aber ich kann mich nicht hinter meiner Mannschaft verstecken. Ich muss herausstechen, muss der Spitzenspieler der Hopeville Dragons sein, wenn ich die Scouts, die Vereine, die fucking NBAauf mich aufmerksam machen möchte. Es sind nur noch zwei Saisons, die ich habe, um mich auf den Radar dieser Leute zu bringen.

Die Zeit rennt, und gerade habe ich das Gefühl, nicht mit ihr mithalten zu können.

«Das reicht für heute, Jungs. Wir machen morgen weiter», dringt die einnehmende, kräftige Stimme von Coach Soto zu mir durch. Die Dragons verlassen das Spielfeld, schnappen sich ihre Wasserflaschen und Handtücher. Es ist wie ein Schalter, der umgelegt wird. Eben waren sie alle noch fokussiert, komplett bei sich und ihrem Spiel. Doch mit dem Schlusssignal unseres Trainers begeben sie sich in den Freizeitmodus. Sie sprechen über ihre Wochenendpläne, Dates, Tratsch und Vorlesungen.

In meinem Kopf dagegen kreisen die Gedanken noch immer um jeden einzelnen Fehler, den ich heute gemacht habe. Eine Dauerschleife der Szenen, in denen ich die falsche Entscheidung getroffen oder den Ball nicht in das Netz befördert habe.

Gemeinsam mit meinem Team mache ich mich auf den Weg in die Umkleidekabine. Das Logo der Hopeville Dragons ziert die Tür von außen, nicht von innen. Die Kabine ist ein liebloser, zweckmäßiger Raum mit angeschlossenen Gemeinschaftsduschen. Vielleicht wäre es gut, den Raum komfortabler und persönlicher zu gestalten. Möglicherweise wäre es etwas, das ich als Kapitän in die Wege leiten sollte. Andererseits kann keiner von uns die Ablenkung gebrauchen. Also sage ich nichts und finde mich mit der Kälte, die die weißen Spinde und grauen Bänke ausstrahlen, ab. Ich setze mich nicht, zerre nicht an meinen Schuhen, um sie auszuziehen, sondern steuere direkt auf meinen Schrank zu.

«Hey, hat noch jemand Lust, eine Kleinigkeit essen zu gehen? Jackson und ich wollen noch auf einen Burger ins Diner», fragt Wheeler in die Runde, und Willie stimmt ihm nickend zu, während er sich mit einer übertriebenen Geste über den Bauch streicht. Ein paar unserer Mitspieler willigen ein, andere sind schon anderweitig verplant.

«Was ist mit dir, Chef?», erklingt Willies muntere Stimme direkt hinter mir, weil unsere Schließfächer nebeneinanderliegen. Ich würde ihn vermutlich zu einem meiner engsten Freunde zählen, aber seine ständige Positivität und sein Tatendrang sind manchmal nur schwer zu ertragen, weswegen ich mir nicht selten einen Schrank am entgegengesetzten Ende wünsche.

«Bin nicht dabei heute. Ich bleibe noch in der Halle», antworte ich und ziehe meine Kopfhörer und mein Handy aus der großen grünen Sporttasche.

«Soto hat uns gerade fast drei Stunden lang fertiggemacht. Meinst du nicht, eine kleine Pause hast auch du dir verdient?»

«Nein», gebe ich die bittere Wahrheit zurück, schnappe mir zuletzt noch meinen Ball und schließe den Spind. Ohne ein weiteres Wort verlasse ich die Kabine.

Es ist nicht so, dass ich mich der Gesellschaft meines Teams ständig entziehe. Ich weiß, wie wichtig es für unsere Mentalität als Team und für ein gemeinsames Funktionieren auf dem Spielfeld ist, auch in der Freizeit gemeinsam Zeit zu verbringen. Deswegen gehe ich regelmäßig mit ihnen auf dämliche Collegepartys, auf Drinks ins Hope & Hops, obwohl ich keinen Alkohol trinke – initiiere viele solcher Aktivitäten sogar. Doch nicht heute. Nicht nach einem so beschissenen Training, bei dem meine Leistung weit unter meinen Erwartungen geblieben ist.

Die Sporthalle ist leer. Unser Coach hat sich in sein Büro am anderen Ende des Ganges zurückgezogen und bereitet sich auf die kommende Conference-Season vor, die in weniger als einem Monat startet. Er studiert vermutlich nicht nur Statistiken und Videos unserer vergangenen Matches, sondern auch die der Mannschaften, auf die wir in den nächsten Wochen treffen werden. Über jeden einzelnen Spieler wird er Bescheid wissen.

Genau wie ich.

Die Halle wirkt so viel größer, fast unendlich, wenn man allein ist. Ich dribble den Basketball auf dem Weg zur Bank, genieße das hallende Geräusch, das sich vom Boden über das Spielfeld bis zu den leeren Tribünen hinaus ausbreitet. Soto hat die Hauptbeleuchtung bereits ausgeschaltet, und ich lasse es so. Die anderen Strahler genügen, um alles zu erkennen, was wichtig ist.

Die Linien und den Korb. Mehr braucht es nicht.

An der Bank angekommen, hole ich die kleinen Kopfhörer aus der dazugehörigen Schachtel. Wenn ich allein trainiere, tue ich es am liebsten mit Musik. Laute, wütende, schnelle Klänge, die mich motivieren und pushen. Die mich vergessen lassen, wie erschöpft mein Gehirn und mein Körper nach einem langen Tag am College sind, geschweige denn nach so einem vorangegangenen Training. Außerdem hat die Musik den positiven Nebeneffekt, dass ich die Dragons, die gleich geduscht und in ihrer Freizeitkleidung die Kabine verlassen, nicht hören kann. So kann ich mich voll und ganz auf mein absolut notwendiges After-Training-Training konzentrieren und mich selbst an meine Grenzen und weit darüber hinaus bringen.

Mit einem Tippen auf meine In-Ear-Kopfhörer aktiviere ich die Musik. Centuries von Fall Out Boy blendet augenblicklich sämtliche Umgebungsgeräusche aus. Ich positioniere mich an der Freiwurflinie, fokussiere den Korb, lege mir den Ball zurecht, drehe ihn kurz in meinen Händen. Eine Routine, die seit vielen Jahren besteht und sich bewährt hat. Ich gehe leicht in die Knie. Den Blick weiter auf den Korb gerichtet. Dann strecke ich mich, lasse den Basketball in einem perfekten Bogen aus der Hand gleiten und schaue ihm nach, während er ohne den Ring zu berühren durch das weiße Netz schnellt.

Nummer eins.

Noch neunundneunzig weitere Treffer, ehe ich zur nächsten Position wechseln kann.

Kapitel 3

Lori

Ich gehe nach dem Date mit Shane nicht auf direktem Wege in mein Wohnheim, sondern brauche jetzt einen Zwischenstopp bei Joyce. Ich brauche dringend meine beste Freundin, um meinen Redebedarf zu stillen, nachdem ich stundenlang überhaupt nicht zu Wort gekommen bin.

Den Schlüssel, den ich für ihre Wohnung besitze, nutze ich nur manchmal. Auch heute schließe ich damit lediglich die Haustür unten auf, um der Kälte möglichst schnell zu entfliehen. Oben klopfe ich. Einmal lang, dreimal kurz, dann wieder lang. Ein Rhythmus, der mir in Fleisch und Blut übergegangen ist. Ich glaube, ich kann gar nicht mehr anders an einer Tür hämmern.

«Lori!» Joyce sieht mich kurz überrascht an, als sie mir öffnet, zieht mich dann aber erst in eine Umarmung und danach in ihre Wohnung. Joshua, ihr Bruder, sitzt auf der Couch, sein Tablet in der Hand. Vermutlich läuft darauf irgendein Basketballvideo von dem Team, gegen das sie als Nächstes spielen werden.

«Hey, Lori», begrüßt auch er mich, als er den Blick hebt. Das Pochen in meiner Brust beschleunigt sich merklich, und ich hasse mein verdammtes Herz dafür. Es hat kein Recht dazu, so zu reagieren. Es ist falsch und hoffnungslos und irritierend.

Joshuas dunkelblonde, kurze Locken sind etwas durcheinander, als wäre er ein paarmal zu oft mit den Fingern hindurchgefahren. Seine Augen wandern so schnell an meinem Outfit hinab und wieder hinauf, dass ich fast vermute, mir die Musterung nur eingebildet zu haben.

«Hi», antworte ich und straffe die Schultern, als würde ich so meinem Herzen klarmachen können, sich endlich wieder einzukriegen, und wende mich erneut meiner besten Freundin zu.

«Joy, ich hatte doch gerade das Date mit Shane und –», beginne ich.

«Ich bin dann mal weg», murmelt Joshua, erhebt sich von der Couch und steuert direkt sein Zimmer an. Ich rolle mit den Augen, kommentiere sein Verhalten aber nicht weiter. Genau wie Joyce. Wer weiß schon, was ihm gerade mal wieder nicht passt? Wahrscheinlich nur ein Training, das nicht ideal lief.

«Es war schrecklich», beginne ich mit der Kurzfassung, nachdem Josh die Tür hinter sich geschlossen hat.

«Oh, Mist. Das tut mir leid.»

Joyce holt uns Löffel und zwei Eisbecher aus dem Kühlschrank, womit wir uns auf das Sofa im Wohnbereich setzen. Immerhin bekomme ich so doch noch das Dessert, das ich ausgeschlagen habe, um Shane schon eher zu entkommen. Auch wenn mein Plan durch diesen Pseudospaziergang, der nur ein einziges Ziel seinerseits hatte, gescheitert ist. Ich erzähle ihr von der Weinbestellung, bei der er mich übergangen hat, seinen verdammten Floskeln, dem Knoblauch-Knaller und dem ewigen Gelaber darüber, wie viel Kohle er damit macht, irgendwelchen Leuten Versicherungen anzudrehen, die sie niemals brauchen werden.

«Und weißt du, was das Schlimmste ist?», beende ich den Bericht mit einer rhetorischen Frage.

Joyce schüttelt einfühlsam den Kopf.

«Ich habe ihn trotzdem geküsst. Obwohl das Date so unglaublich schlecht war und ich ihn eigentlich überhaupt nicht mochte, habe ich diesen Vollidioten geküsst.»

Mitleidig legt meine beste Freundin ihre vom Eis noch ganz kalte Hand auf mein Bein.

«Was ist das nur? Was ist falsch mit mir? Warum tue ich das ständig?» Ich lasse meinen Kopf verzweifelt in den Nacken fallen und stoße durch meinen Mund geräuschvoll Luft aus.

«Mit dir ist überhaupt nichts falsch.»

«Aber wer küsst denn bitte irgendwelche Typen, die sie nicht einmal mag? Da ist doch nicht normal», halte ich dagegen.

«Du möchtest dich verlieben. Daran ist nichts falsch oder verwerflich. Du bist nicht die Einzige, die erst mal hundert Frösche küssen muss, ehe sie ihren Traumprinzen findet.»

«Langsam glaube ich, dass hundert nicht genügen werden.»

«Dann ist das auch in Ordnung», beruhigt mich Joyce mit ihrer wunderbar positiven Art.

Und ich möchte es glauben. Möchte glauben, dass all die Dates irgendwann ein Ende finden, weil ich diese Liebesroman-Gefühle spüre, nach denen ich mich so sehr sehne. Den perfekten Takt des Trommelwirbels davor, das Feuerwerk währenddessen. Ich will genau das. Nicht weniger.

Ein einziges Mal habe ich es gespürt – soll es das gewesen sein? Ich wünschte, es hätte diesen einen verfluchten Kuss nie gegeben, dann wüsste ich nicht, wie es sich wirklich anfühlen sollte. Würde annehmen können, die Bücher, die ich so gern lese, hätten nichts mit der Realität zu tun. Kurz blitzen haselnussbraune Augen vor meinem inneren Auge auf. Ich hasse, dass er mich mit diesem Kuss kaputtgemacht, meine Erwartungen so hoch gesetzt hat, dass keiner der vielen Typen sie bisher erreichen konnte.

Ich schaue meine beste Freundin an und zwinge mich zu einem Lächeln. «Immerhin habe ich mittlerweile eine Menge guter Geschichten zu erzählen. Nicht vorzustellen, mit welch Storys ich in ein paar Jahren aufwarten kann. Vielleicht könnte ich neben meinem Job als Lehrerin noch eine Comedykarriere starten.»

«Ich würde bei jeder Vorstellung in der ersten Reihe sitzen. Versprochen.» Und obwohl wir beide wissen, dass es nur ein Spaß ist, mustert sie mich ernst aus diesen Augen mit dem pinken Eyeliner darüber, die seinen so ähnlich sind, dass es in diesem Moment wehtut.

«Danke für den moralischen Krisensupport. Und für das Eis. Deutlich besser, als jedes noch so fantastische Dessert in Begleitung von Shane hätte sein können.»

Kapitel 4

Joshua

Von einer sterbenslangweiligen Vorlesung wandere ich in die nächste. Am liebsten würde ich diese ganze Scheiße einfach sein lassen, meine Gehirnzellen nicht dafür opfern. Doch so läuft es nicht. Nur Basketballspielen ist nicht drin, das lässt das System nicht zu und meine Eltern genauso wenig. Collegebasketball ist eben an ein Studium gebunden, das man nicht komplett vernachlässigen darf. Also setze ich mich nach dem Pflichtprogramm in den Hörsälen, bis das Training heute Nachmittag startet, noch in die Bibliothek. Dort bringe ich meine Notizen in eine ordentlichere Form, damit ich auch in ein paar Wochen noch etwas damit anfangen kann. Viele Begriffe davon sind mir schon lange bekannt, was mir vermutlich einen kleinen Vorteil verschafft, den die anderen mit der Art Eigeninitiative und Leidenschaft, die ich nicht besitze, erst einmal wettmachen müssen.

Unsere Eltern waren nie sonderlich viel zu Hause. Aber wenn sie vor Ort waren, haben sie stets von der Arbeit gesprochen. Von ihrem Immobilienunternehmen. Also wurde irgendwann beschlossen, dass das ein vernünftiger Plan B für mich wäre. Der Notfallplan, falls ich scheitere und es nicht in den Profibasketball nach dem College schaffen sollte. Die sichere, vernünftige Option. Ein Abschluss in Immobilienmanagement, damit ich bei meinen Eltern einsteigen kann, auch wenn ich nicht das geringste Interesse daran habe.

Gelangweilt sehe ich von meinen Notizen auf, lasse den Blick über die Tische, die von anderen Studierenden belegt sind, und die hohen Bücherregale wandern. Viele der Lernenden haben zwar ihre Unterlagen ausgebreitet, scrollen, statt sich darin zu vertiefen, aber auf ihren Smartphones umher. Zu gern würde auch ich mein Handy zücken und mir stattdessen Clips meiner Lieblingsbasketballspieler ansehen. Spieler, mit denen ich in einer idealen Welt später gemeinsam auf dem Platz stehe, falls ihre Vereine irgendwann Interesse an mir bekunden.

Genervt widme ich mich wieder meinen Notizen, schaue dabei aber alle paar Minuten auf die Uhr. In meinem Kopf zähle ich einen Countdown hinab, bis ich aufstehen, mir meine Sporttasche schnappen und mich auf den Weg zum Training machen kann. Mein linkes Bein wippt unruhig auf und ab, und ich kassiere dafür einen genervten Blick von einem Typen mit Hornbrille, der zwei Stühle weiter sitzt. Provokant ziehe ich die Augenbrauen Richtung Stirn und starre ihn an, woraufhin er klein beigibt und sich wieder seiner Lektüre zuwendet, ohne ein Wort zu sagen.

Zehn Minuten eher als nötig packe ich meine Sachen zusammen und verlasse den Lesesaal.

Auf dem Weg nach draußen entdecke ich meine Schwester in einem der gläsernen Separees, die gerade ihre wöchentliche, ehrenamtliche Nachhilfe für Kinder gibt. Keine Ahnung, warum Joyce und Lori sich das antun. Besonders Joyce, die nicht einmal Geld dafür nimmt und eine Menge anderer Dinge zu tun hat. Für Lori ist Nachhilfe zu geben wenigstens eine Methode, ihr Studium zu finanzieren und den Lebenslauf hinsichtlich ihres Berufswunschs aufzupolieren. Trotzdem könnte ich mir nichts Nervigeres vorstellen, als mich nach meinen Vorlesungen noch mit kleinen Menschen und ihren noch kleineren Gehirnen herumzuärgern. Ich winke meiner Schwester durch die Glasscheibe zu, doch sie bemerkt es nicht. Sie ist zu sehr darin vertieft, dem Middleschool-Jungen irgendeine Matheaufgabe näherzubringen.

Ich verlasse die Bibliothek und trete hinaus auf den Campus. Die Winter in Georgia sind zwar mild, kühl ist es trotz meines grünen Dragons-Hoodies dennoch, weswegen ich zusehe, den Weg zur Sporthalle zügig hinter mich zu bringen. Die Riemen meiner schweren Tasche schneiden sich durch den Stoff in meine Schulter, aber das bin ich gewohnt. Ich schleppe sie an den meisten Tagen kilometerweit über den Campus der Hopeville University mit mir herum, weil mein Stundenplan absolut beschissen ist und meine Vorlesungen an den unterschiedlichsten Enden des Geländes stattfinden.

Ich erreiche die Sporthalle viel zu früh, weswegen das Feld noch für das Cheerleading-Training belegt ist. Sie üben gerade eine Pyramide, die noch ziemlich wackelig und gefährlich aussieht. Ich beeile mich, in die Umkleidekabine zu kommen, ehe mich ihre Kapitänin entdeckt.

Zu Beginn meines Studiums habe ich den Fehler begangen und eine lockere Sache mit Breanna begonnen. Sie war auch im ersten Semester, hatte wie ich Ambitionen, möglichst schnell ihr Team anzuführen, und ich dachte, das wäre perfekt. Wir hatten beide keine Intentionen, eine richtige Beziehung zu beginnen, weil niemand von uns eine Ablenkung gebrauchen konnte. Es gab keine Dates, keine mit Herzen versehenen Nachrichten, es war nur Sex.

Stressabbau. Nichts weiter.

Ich habe tagsüber keine Gedanken an sie verschwendet, konnte mich voll und ganz auf den Basketball und das Studium konzentrieren. Das Ganze hat für ungefähr fünf Wochen funktioniert. Dann war ich trotz unserer Abmachung das Arschloch, das sich gar nicht dafür interessierte, wie ihr Tag war. Seitdem lasse ich meine Finger von solchen Arrangements. Denn egal, wie deutlich man kommuniziert, die Gefahr, dass Drama daraus entsteht, ist einfach zu groß. Und darauf kann ich gut verzichten.

Es lenkt einen ab – und Ablenkung ist etwas, das alles zerstören könnte. Meine Zukunft, meine Träume – alles. Also erlaube ich sie mir nicht. Egal, wie schwer es manchmal fällt. Egal, wen man dafür zurücklassen muss.

Ich reibe mir eine schmerzende Stelle an der Brust und öffne die Tür zur Kabine. Sie ist wie erwartet leer. Der leichte Geruch von zitronigem Putzmittel hängt noch in der Luft. Ich stelle meine Tasche ab und krame meine Sportklamotten heraus.

Ich höre, wie sich die Türklinke bewegt, ehe Fields die Umkleidekabine betritt.

«Reed. Auch so früh da?» Der Freund meiner Schwester schließt die Tür hinter sich. Er trägt eine dicke, schwarze Jacke, nicht einfach nur einen Pulli, wie ich. Vermutlich, weil es mit dem Fahrrad mittlerweile doch ziemlich kalt sein muss, wenn er den weiten Weg von seiner Großmutter zum Campus auf sich nimmt.

«Ja», antworte ich, obwohl ich einen sarkastischen Kommentar nur schwer unterdrücken kann. Doch ich habe mir geschworen, netter zu dem Freund meiner Schwester zu sein. Schließlich ist er einer unserer besten Spieler und eigentlich gar nicht so übel, auch wenn ich noch weit davon entfernt bin, ihm das zu sagen.

Wir ziehen uns schweigend um. Nach wenigen Minuten tauchen nach und nach auch die anderen Dragons auf, und die Ruhe ist vorbei. Spätestens in der Minute, in der Willie und Murphy gemeinsam die Kabine betreten und sich gegenseitig dazu anstacheln, eine vermeintlich lustige Geschichte nach der nächsten in die Kabine zu posaunen.

Ich höre gar nicht richtig zu, weil ich mich mental auf das Training vorbereite, doch ihr durchdringendes Lachen ist nur schwer zu ignorieren.

Es ist die letzte Woche vor der Weihnachtspause. Die Feiertage bedeuten eine Unterbrechung des Trainingsplans, auf die ich am liebsten verzichten würde. Natürlich werde ich nicht weniger trainieren, während ich in der Heimat bin, aber es ist dennoch ein Unterschied, ob man alles nur in Eigenregie durchführen kann oder den Coach und das Team an seiner Seite hat. Außerdem haben die letzten beiden Jahre gezeigt, dass einige der Dragons dazu neigen, sich in den zwei Wochen außerhalb des Campus gehen zu lassen. Kein Kardiotraining, kein Krafttraining, keine Stunden auf dem Platz. Dabei ist der kommende Januar so verflucht wichtig. Die richtige Saison startet, und wir haben gut vorgelegt. Wenn wir an der Leistung aus der Non-Conference-Season anknüpfen, sind unsere Chancen auf den Titel so hoch wie noch nie.

Der Meistertitel könnte der Türöffner sein, den ich so dringend brauche, um auf dem Radar der Scouts zu landen. Die daraus folgende Teilnahme an der March Madness,dem Turnier, bei dem die Sieger der verschiedenen Ligen gegeneinander antreten, wäre eine Sensation. Etwas, das den Hopeville Dragons in der Geschichte der Universität erst ein einziges Mal gelang, und das ist verdammt lange her. Ich werde mein Team also nicht vergessen lassen, wie wichtig es ist, dass sie ihr Fitnesslevel über die Feiertage halten.

Motiviert verlasse ich gemeinsam mit den anderen die Umkleidekabine.

Coach Soto wartet bereits auf uns, und wir versammeln uns, wie zu Beginn eines jeden Trainings, um ihn herum.

«Da wir nun vollzählig sind …», beginnt unser Trainer und wirft einen mahnenden Blick in Willies Richtung, der als Letzter die Sporthalle betreten hat, «… können wir gleich mit dem Training starten. Vorher aber noch ein organisatorisches Thema.»

Soto seufzt und blättert eine Seite auf seinem Klemmbrett um.

«Die Stadt Hopeville organisiert im kommenden März wieder das jährliche Sport- und Freizeitcamp für Kinder. Die Universitätsleitung hat entschieden, sich in diesem Jahr einzubringen und einen Tag des Camps zu gestalten. Wegen der immer weiter steigenden Popularität unserer Hopeville Dragons wird dieser im Zeichen des Basketballs stehen. Die Studentin Lori Evans übernimmt dieses Projekt, benötigt aber selbstverständlich noch einen Spieler der Dragons an ihrer Seite, um neben den organisatorischen und pädagogischen Herausforderungen auch die sportlichen Aktivitäten abzudecken. Der entsprechende Spieler wird selbstverständlich mit zusätzlichen Credit Points und einem positiven Zeugnisvermerk entschädigt.»

Der Coach blickt von dem Papier auf, und man sieht ihm an, dass er sich nur knapp ein Augenrollen verkneifen kann. Eine weitere Ablenkung, die zum absolut beschissensten Zeitpunkt kommt.

«Kommen wir aus der Nummer noch heraus?», frage ich Soto, der sofort mit dem Kopf schüttelt.

«Keine Chance», bestätigt er meine Befürchtung.

Wieso hat Lori nichts gesagt? Sie hätte mich ruhig vorwarnen können. Wurde diese ganze Sache so spontan beschlossen, dass sie selbst vor ein paar Tagen noch nichts davon wusste?

Wieso muss dieses dämliche Camp auch ausgerechnet im März stattfinden? Die komplette Vorbereitungszeit überschneidet sich mit der wichtigsten Phase unserer Saison und möglicherweise – je nach unserer Leistung und der Tabelle am Ende der Saison – sogar mit der Meisterschaftsrunde.

«Hey, Reed, ist Lori Evans nicht die Freundin von deiner Schwester?», wendet sich Murphy an mich.

«Ja», antworte ich geistesabwesend, weil ich noch immer halb panisch den Spielplan durchgehe. Doch irgendwas an seinem Ton löst ein ungutes Gefühl in mir aus. «Warum?», hake ich deswegen nach.

«Na, die ist superheiß, und ich wollte sie eh mal nach einem Date fragen. Dafür dann quasi auch noch mit Credits belohnt zu werden, klingt nach mehr als einem guten Deal.»

Am liebsten würde ich dafür sorgen, dass ihm sein dämliches Grinsen vergeht. Doch nachdem ich Fields wegen seiner Beziehung zu meiner Schwester das Leben schwer gemacht habe, muss ich mich zurückhalten. Und meinen Mitspieler hier, direkt vor den Augen des Coaches, anzugehen, wäre an Dummheit kaum zu übertreffen.

Also versuche ich möglichst unbeteiligt zu klingen, während ich ihm diese Illusion direkt nehme.

«Sie datet keine Basketballer. Die Mühe kannst du dir also sparen.» Ich bin stolz auf meine Darbietung. Gelassener Ton, der gewohnt unbeteiligte Blick, der vermutlich etwas überheblich wirkt.

Diese Ich-date-keine-Basketballer-Regel, die Lori irgendwann mal aufgestellt hat, war wahrscheinlich die beste Idee, die sie je hatte.

Gut für sie, für mich und für das Team.

Besonders für mich, auch wenn sie das nicht weiß.

Sie sagt, dass es ihr mit der strengen Regel lediglich darum geht, nicht noch mehr Berührungspunkte mit einem Sport zu haben, dem sie eigentlich nicht sonderlich viel abgewinnen kann. Es genügt ihr, durch Joyce und mich immer wieder damit behelligt zu werden. Keine Ahnung, ob das tatsächlich der wahre Grund ist. Es sollte mir auch egal sein.

Theoretisch.

«Sie kennt mich ja auch noch nicht. Doch das würde sich durch die langen gemeinsamen Stunden der Vorbereitung sicher ändern», sinniert Murphy weiter, wird glücklicherweise aber von Soto unterbrochen, bevor ich reagieren kann.

«Macht euch über die Feiertage Gedanken. Wer sich freiwillig meldet, kann dies vor dem ersten Training im neuen Jahr tun. Sollte sich niemand finden, werde ich jemanden auswählen. Einen Freiwilligen gibt es aber ja scheinbar bereits.»

Mein Blick huscht kurz von unserem Trainer zurück zu Anthony Murphy, der mich überhaupt nicht beachtet. Warum sollte er auch? Er hat keine Ahnung, dass er mit seinen Worten schwieriges Terrain betritt. Terrain, das eigentlich völlig neutraler Boden sein sollte. Nur vergesse ich das dummerweise manchmal. Dann wird er eben sein Glück versuchen, na und? Vielleicht verstehen die beiden sich wirklich so gut, wie Murphy es sich ausmalt, und Lori findet endlich den einen.Sie hätte es verdient.

Meine Hände ballen sich unwillkürlich zu Fäusten.

Aber, Fuck, Murphy?

«Und egal, wer dieses Projekt letztendlich übernimmt», fährt der Coach fort. «Das Team hat selbstverständlich zu jeder Zeit Vorrang! Die Termine können um unsere Trainings- und Spielpläne herumgebastelt werden. In der kommenden Phase brauche ich alle Dragons in bester Disziplin.» Soto blickt mit ernster Miene in die Runde, und ich bin dankbar, dass diese Ermahnung zumindest nicht an mir hängen bleibt.Dann klatscht unser Trainer laut in die Hände – das Signal, nun endlich mit dem Aufwärmen zu starten.

Widerwillig, ganz automatisch, finden meine Augen immer wieder den dunklen Haarschopf von Murphy, und ich frage mich, wie ernst es ihm mit dem ist, was er gesagt hat.

Ich hoffe, Soto hat auf dem Trainingsplan für heute ein Eins-gegen-eins angesetzt. Meinen Gegner dafür würde ich mir nur zu gern selbst aussuchen.

Kapitel 5

Lori

Joyce und ich rollen gleichzeitig unsere Yogamatten ein, während sich die Stille der letzten Stunde in leise, verteilte Gespräche verwandelt. Ich fühle mich gut. Leicht, stark, zufrieden und ausgeglichen. So wie jedes Mal nach der Session mit Kendra. Es ist ein wahrer Glücksfall für mich, dass sie gegen einen kleinen Beitrag regelmäßige Stunden in den Räumlichkeiten der Universität gibt, weil ich mir die teureren Angebote in der Stadt schlicht nicht leisten kann. Und auch, weil mir die Mischung aus Yoga und Pilates, die sie praktiziert, einfach sehr gut gefällt. Besonders an den Tagen, an denen mich meine beste Freundin begleitet – wenn es ihr aus allen Nähten platzender Terminkalender zulässt.

So wie heute.

«Ich sollte wirklich öfter mitkommen. Mein ganzer Körper fühlt sich so … jung an», sagt Joyce und streckt ihre Arme über dem Kopf.

«Das könntest du, wenn du dich endlich mal für mehr Freizeit entscheiden würdest.»

«Oder das Universum ist endlich gnädig mit mir und gönnt meinem Tag ein paar Extrastunden. Ich meine, wer soll denn bitte mit vierundzwanzig Stunden auskommen, wenn man im Idealfall auch noch acht davon schlafen müsste?»

Joyce schüttelt den Kopf, während wir uns Schuhe anziehen und beide einen warmen Hoodie über die Sportklamotten streifen. Ich rolle nur mit den Augen.

«Diese Hoffnung solltest du wahrscheinlich langsam aufgeben», merke ich an, als wir an unserer Yogalehrerin vorbeikommen, die gerade ihre Sachen zusammenpackt. «Bis nächste Woche, Kendra.» Sie hebt den Blick, schenkt mir ein ehrliches Lächeln und verabschiedet sich ebenfalls knapp von uns, ehe wir, beladen mit den Yogamatten, die wir uns mit dem Stoffgurt über die Schulter gebunden haben, auf den Gang hinaustreten.

Eine breitschultrige, mir mittlerweile durchaus vertraute Gestalt scheint bereits auf uns zu warten. Austin Fields. Der Mann, der es geschafft hat, das Herz meiner besten Freundin im Sturm zu erobern, lehnt lässig an der Wand neben der Tür.

«Hey, ihr zwei», begrüßt er uns lächelnd.

«Austin! Was machst du denn hier?», reagiert Joyce begeistert und fällt ihm so überschwänglich um den Hals, dass die beiden To-go-Becher in seiner Hand gefährlich ins Schwanken geraten. Sobald meine Freundin sich von Austin gelöst hat, hält er ihr einen der beiden Becher entgegen, woraufhin sich ein breites Grinsen auf ihr Gesicht stiehlt.

«Ein Kaffee mit Hafermilch und Karamellsirup. Leider heute aus einem Einwegbecher.»

Austin setzt die Messlatte für meinen potenziellen, zukünftigen Freund ziemlich hoch. Natürlich ist auch er nicht perfekt, das ist schließlich niemand – aber nah dran würde mir auch schon voll und ganz genügen. Doch auch das erweist sich bisher als ein unerfüllbares Kriterium.

«Und ein Cappuccino mit Mandelmilch, richtig?», wendet sich Austin dann mit einem Lächeln mir zu.

Vielleicht muss ich mich korrigieren. Möglicherweise hat meine beste Freundin den einzigen tatsächlich perfekten Typen auf diesem Planeten gefunden. Ich meine, wer merkt sich denn bitte die Kaffeebestellung der besten Freundin der Freundin?

Außer natürlich die Book-Boyfriends aus meinen Romance-Büchern.

«Oh, danke! Das wäre wirklich nicht nötig gewesen.»

Austin zuckt nur mit den Achseln, als wäre es keine große Sache.

Zu dritt gehen wir den kahlen, breiten Gang hinunter, bis wir die breite Glastür erreichen und nach draußen treten.

Joyce hält ihren Becher mit der rechten Hand umklammert, die Finger der anderen sind mit denen von Austin verschlungen, als wäre das ganz natürlich. Der Anblick freut mich von ganzem Herzen und versetzt mir dennoch einen kleinen Stich. Was mich tierisch aufregt. Denn ich gönne meiner besten Freundin alles Glück auf dieser Welt, würde, ohne auch nur eine Sekunde überlegen zu müssen, mein Glück für das ihre opfern. Und trotzdem ist da dieser winzige Teil in mir, der einen Hauch Neid empfindet. Ich hasse mein Herz dafür, doch davon lässt es sich nicht beeindrucken. Jedes verfluchte Mal, wenn ich eines dieser schrecklich verliebten Pärchen auf dem Campus sehe, frage ich mich, warum es mir nicht vergönnt ist. Warum ich entweder an Arschlöcher gerate, zu denen ich mich auf rätselhafte Weise hingezogen fühle, oder nette Typen kennenlerne und überhaupt nichts empfinde.

«Was hast du jetzt noch vor, Lori? Möchtest du mit uns in die Bibliothek kommen?», wendet sich Joyce an mich und reißt mich so aus meinen ätzenden Gedanken.

«Nein, danke. Die Vorlesungen heute haben mir schon gereicht. Ich schätze, ich werde es mir mit einem Roman und einem Tee gemütlich machen.»

«Klingt nach einem guten Plan», bestätigt meine beste Freundin, die sich solch ruhige Abende viel zu selten gönnt. Auch wenn sie ihren Workload durch die Honeymoon-Phase mit Austin tatsächlich ein klein wenig runtergefahren hat. Unter dem Pensum würden die meisten anderen aber noch immer zusammenbrechen.

Vor der Abbiegung, die zur Bibliothek führt, verabschiede ich mich von den beiden und gehe allein weiter in Richtung meines Wohnheimes. Der Himmel ist bedeckt, die Sonne hat kapituliert und sich ergeben.

Ich nehme gerade einen Schluck meines angenehm warmen Kaffees, als mein Handy in der Seitentasche meiner Sportleggins penetrant zu vibrieren beginnt. Ich ziehe es heraus und muss ein Seufzen unterdrücken, sobald ich den Namen auf dem Display lese. Ich versuche, gelassen zu bleiben, und nehme das Gespräch an. «Hi, Mom.»

«Lori! Weißt du mittlerweile, wann ihr hier sein werdet?»

Shit, das hatte ich total vergessen. Ich wollte Joyce oder Joshua noch fragen, wann genau wir hier abreisen werden, um uns für die Feiertage auf den Weg in Richtung Heimat zu machen. Meine Mutter liegt mir deswegen schon seit Tagen in den Ohren, aber Josh wusste noch nicht genau, ab wann wir den Mietwagen am Freitag abholen können.

«Ich sage dir morgen Bescheid, in Ordnung?», versuche ich sie zum ungefähr zehnten Mal zu vertrösten und ernte dafür ein genervtes Schnauben.

«Ich gehe morgen Vormittag einkaufen. Es wäre wichtig, dass ich bis dahin weiß, ob ich dich für das Abendessen am Freitag mit einplanen muss.»

Sie klingt, als würde ich regelmäßig fünf Portionen verdrücken. Außerdem kocht sie sowieso immer zu viel, da macht es eigentlich überhaupt keinen Unterschied, ob sie mich mit einplant oder nicht. Doch das sage ich natürlich nicht laut.

«Wenn es dir Umstände macht, hole ich mir am Freitag gerne auf dem Weg etwas zu essen.»

«Damit du dir nur einen Müsliriegel besorgst und noch dünner wirst? Du hattest zwischen deinen letzten Besuchen schon abgenommen. Wenn du noch mehr Gewicht und alle deine Kurven verlierst, wirst du nie einen anständigen Mann finden.»

Mein Augenrollen kann sie zum Glück nicht sehen.

Das ewige Thema.

Während ich mich stets frage, warum sich die Liebe vor mir versteckt, hat meine Mutter eine ewig lange Liste mit Gründen dafür parat. Und diese Gründe teilt sie mir nur allzu gern mit. Immer und immer wieder.

Kurz bin ich versucht, ihr von Diätpillen-Dan zu erzählen, um zu belegen, dass ich offensichtlich nicht so schlank bin, wie sie es darstellt, lasse es aber sein. Es hat noch nie geholfen, sich auf ihre Diskussionen einzulassen.

Es ist ein Wunder, dass ich trotz ihres Einflusses ein einigermaßen vernünftiges Verhältnis zu meinem Körper entwickelt habe.

«Ich sage dir spätestens morgen früh Bescheid», versuche ich das Thema zu beenden.

«Mach das bitte.»

Das Wohnheimgebäude, in dem ich mein Zimmer habe, taucht vor mir auf. Da ich nicht weiß, ob Amber, meine Mitbewohnerin, gerade da ist, drehe ich noch eine kleine Extrarunde über den Campus, um sie durch mein Telefonat nicht zu stören. Denn aus langer Erfahrung weiß ich, dass meine Mutter das Gespräch nicht nach drei Minuten aufgeben wird, auch wenn sich der Grund für ihren Anruf mittlerweile erledigt hat. Ich nippe ein weiteres Mal an meinem Kaffee, der nun fast leer ist, und warte, bis sie unweigerlich das nächste Thema anschneidet, obwohl es nur noch drei Tage sind, ehe wir uns persönlich sehen.

«Rachel und Eric haben gestern übrigens ihre potenziellen Hochzeitstorten verköstigt, ist das nicht aufregend?»

Hätte ich darauf tippen müssen, was als Nächstes kommt, hätte ich ganz sicher gesagt, dass sie Rachel ansprechen wird. Seit meine Cousine im Sommer ihre Verlobung bekannt gegeben hat, gibt es nichts, über das meine Mutter lieber spricht. Rachel war schon vorher das Goldstück der Familie. Sie ist mit ihrem Freund – nun Verlobten – zusammen, seit sie dreizehn Jahre alt waren, und zum Highschool-Prom kam dann bereits der Heiratsantrag. Wenn ich daran zurückdenke, dass ich ein Jahr davor an meinem Abschlussball besorgt war, schwanger zu sein – ohne festen Freund natürlich –, verdeutlicht es die Kluft, die zwischen unseren beiden Leben liegt.

Eric ist direkt nach der Highschool in die Elektro-Firma seines Vaters eingestiegen und hat ein Haus für die beiden gekauft. Mit drei Kinderzimmern und eingezäuntem Garten für den Familienhund, der nach der Hochzeit folgen soll. Rachel studiert am Community-College, hat mir aber schon vor ihrer Immatrikulation verraten, dass sie eigentlich gar keine Karriere machen möchte, sondern viel lieber Hausfrau und Mutter wäre. Ein Traum, der sich nächstes Jahr dann voraussichtlich für sie erfüllt.

Was schön für sie ist.

Und auch, wenn es nicht meinem Lebensstil entspricht, hat er zweifelsfrei seine Berechtigung. Nur darauf, ständig mit ihr verglichen zu werden, könnte ich gut und gern verzichten.

«Unfassbar aufregend», stimme ich zu und versuche nicht zu sarkastisch oder gelangweilt zu klingen.

«Sie hat mir auch ein Bild von der Auswahl geschickt. Zeige ich dir am Wochenende gern mal. Die Torten sehen wirklich himmlisch aus. Ich will gar nicht wissen, wie viel Eric dafür hinblättern muss, aber für seine Rachel ist ihm ja kein Geld zu viel.»

«Mhm», murmle ich und lasse meinen Blick über den Campus gleiten, während meine Mutter sich wieder einmal in ihren Schwärmereien verliert. Die meiste Zeit des Jahres sind die Grünwiesen, die zwischen den Wegen liegen, voll von Gruppen Studierender. Manche von ihnen lernen draußen, weil das Wetter zu schön ist, um sich in der Bibliothek zu verschanzen, andere betätigen sich sportlich oder sitzen in einer gemütlichen Runde mit Take-away-Essen zusammen. Heute würde hier niemand lange verweilen. Für andere Gegenden wäre dies hier ein Tag mit durchschnittlichem Wetter, für uns Südstaatler ist es bitterkalt. Ich biege nach rechts ab, um langsam wieder in Richtung meines Wohnheims zu gelangen. In der leisen Hoffnung, dass meine Mom gleich genug über diese blöden Hochzeitstorten geredet hat.

«Ach, und weißt du, wen ich gestern auf dem Markt getroffen habe?»

«Nein», antworte ich wahrheitsgemäß. Aber du wirst es mir sicher gleich verraten.

«Ryan Frazier. Ist das zu glauben?»

Angesichts dessen, dass unser Heimatort nicht sonderlich groß und mein Ex, soweit ich weiß, nie weggezogen ist: Ja.

«Was für ein Zufall», gebe ich dennoch zurück, weil es das ist, was meine Mutter erwartet, um ihre Geschichte zu erzählen. Es ist leichter, einfach mitzuspielen, statt zu diskutieren und einen Streit zu provozieren.

«Hättest du dich damals nicht von ihm getrennt, wärst du nun bestimmt auch schon verlobt. Er sieht auch wirklich noch ganz toll aus. So ein höflicher junger Mann – er konnte sich sogar noch an mich erinnern. Das wäre eine gute Wahl gewesen, Lori. Vielleicht könntest du den Kontakt ja wiederaufleben lassen und ihn fragen, ob er dich zur Hochzeit von Rachel begleiten möchte. Er hatte zumindest keinen Ring am Finger.»

Grundgütiger, Ryan und ich waren in der zehnten Klasse drei Monate lang ein Paar. Drei winzige Monate, und meine Mutter klingt, als hätte ich ihr den Traum-Schwiegersohn entrissen.

«Wir haben uns seit dem Abschluss nicht mehr gesehen oder gesprochen», versuche ich ihr diesen Gedanken sofort auszutreiben.

«Ich meine ja nur. Das würde dir auch die Peinlichkeit ersparen, ohne Begleitung aufzutauchen.»

«Vielleicht finde ich ja noch eine Begleitung», halte ich dagegen und bin kurz davor, ihr etwas von einem imaginären Typen vorzugaukeln, entscheide mich dann aber doch dagegen.

Vielleicht ist das aber gar nicht so eine schlechte Idee. In den Büchern funktioniert das schließlich auch. Manchmal zumindest. Mal mehr, mal weniger. Ein Fake-Freund für die Hochzeit meiner Cousine, damit all meine geiernden, nervtötenden Verwandten ihre Klappe halten.

«Oh, es klingelt gerade an der Haustür. Ich muss auflegen, Lori. Du meldest dich dann spätestens morgen wegen eurer Ankunft, richtig?»

«Richtig», bestätige ich ein weiteres Mal und lege auf. Das Timing ist gut, denn ich bin gerade wieder vor der breiten Glastür meines Wohnheims angekommen.

Ich begrüße ein paar Leute, die ich auf dem Weg zur Treppe passiere, flüchtig mit einem Lächeln, eile dann aber schnell weiter. Nach diesem Telefonat ist mir nicht nach Small Talk, sondern nach Ruhe und einem guten Buch. Obwohl ich meine Mitbewohnerin mag, hoffe ich insgeheim, dass sie nicht da und die Tür verschlossen ist, als ich die Klinke zu unserem Zimmer hinabdrücke.

Die Holztür öffnet sich, ich werde heute Abend zunächst also nicht allein sein.

Amber sitzt mit Kopfhörern auf den Ohren an ihrem Schreibtisch, scheint mein Eintreten aber dennoch im Augenwinkel wahrgenommen zu haben und nimmt die Over-Ears herunter.

Unser Wohnheimzimmer ist weder sonderlich groß noch luxuriös, für den Preis aber durchaus angemessen. Jede von uns hat eine Seite des Raumes für sich beansprucht. In den hinteren Ecken stehen jeweils unsere Betten, an den seitlichen Außenwänden die Kleiderschränke, die viel zu klein sind. In der Mitte des Raumes sind unsere Schreibtische aneinandergestellt, sodass wir uns beim Lernen und Arbeiten gegenübersitzen und das Zimmer gleichzeitig in unsere zwei Bereiche geteilt ist.

«Wie war es beim Yoga?», fragt Amber mich und dreht sich auf ihrem Schreibtischstuhl in meine Richtung, während ich die Yogamatte neben der Tür abstelle.

«Richtig gut. Du solltest wirklich mal mitkommen.»

«Keine Chance», erwidert meine Mitbewohnerin. Amber ist ein absoluter Sportmuffel und für quasi nichts dahingehend zu begeistern. Sie sagt stets mit wackelnden Brauen und einem Lachen, der einzige Sport, den sie gernhat, sei Bettsport mit ihrem Freund. Alles andere könnte ihr gestohlen bleiben. Ein weiteres schrecklich glückliches Pärchen in meinem näheren Umkreis.

«Wie überraschend», kommentiere ich ihre Antwort grinsend und krame meinen Duschbeutel und frische Klamotten aus meinem Schrank.

Kurz darauf verschwinde ich wieder auf den Flur, von wo aus man zu den gemeinschaftlichen Duschen und Toiletten gelangt.

Am späten Nachmittag ist in den Waschräumen selten viel los, weswegen ich dort meine Ruhe habe. Ich lege meine Sachen auf der kleinen Bank neben der Dusche ab, ziehe mich aus, binde meine Haare zusammen und lasse das warme Wasser meine kühle Haut erwärmen und gleichzeitig den dünnen Schweißfilm vom Yoga abwaschen. Als ich den Hahn abstelle, wird mir aber sofort wieder kalt, weswegen ich mich hektisch in mein weiches Handtuch kuschle. Noch bevor ich mich eincreme oder anziehe, bemerke ich eine neue Nachricht auf meinem Handy. Sie ist von Logan, einem Typen, den ich vor ein paar Wochen bei einer Campusparty kennengelernt habe. Ehe wir uns richtig unterhalten, geschweige denn irgendwie näherkommen konnten, musste er aufbrechen, weil einer seiner Freunde in Schwierigkeiten geraten ist. Nummern haben wir trotzdem noch ausgetauscht. Neugierig öffne ich den Chat.

LOGAN:Hey, Lori, Netflix & Chill bei mir?

Ernsthaft? Ich bin sicher nicht prüde oder verklemmt, viele würden mir wohl eher das Gegenteil vorhalten, aber so plump zu sagen, dass ich für eine schnelle Nummer vorbeikommen könne, obwohl wir uns quasi nicht kennen, ist schon ziemlich dreist. Kurz überlege ich, den Chat einfach wieder zu schließen, lasse mich dann aber doch zu einer Antwort hinreißen.

LORI: Dein Ernst?! Nein, danke.

Der Status der Nachricht springt sofort auf Gelesen, und Logan beginnt zu schreiben. Ich ziehe das Handtuch etwas enger um mich, weil ich mich plötzlich schrecklich nackt fühle.

LOGAN:Ach, komm schon, tu doch nicht so. Ich weiß, dass du nicht gerade ein Kind von Traurigkeit bist. 😉

LOGAN:Also?

LOGAN:Kommst du?

Ich starre die Nachrichten viel zu lange an, ehe ich die App verlasse und in den Spiegel schaue. Dort mustern mich meine eigenen dunklen Augen, und eine eiskalte Hand scheint sich um mein Herz zu legen.

Das kann nicht alles sein