Franziskas Ferien - Werner Bönzli - E-Book

Franziskas Ferien E-Book

Werner Bönzli

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Beschreibung

Eigentlich wäre Franziska in den Ferien ja lieber zu Hause geblieben, da hätte sie für ihr Fußballteam im Tor stehen können. Aber dann ist sie doch mit ihren Eltern für einen Kurzurlaub nach Griechenland geflogen. Zunächst findet sie Thessaloniki ziemlich langweilig. In den letzten paar Tagen passiert dann jedoch plötzlich so einiges, was Franziska viel Kopfzerbrechen bereitet und sie vor interessante Fragen stellt.

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Seitenzahl: 156

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Fußball

Das Kleid

Im Taxi

Fisch oder Schnitzel

Komische Namen

Drillinge

Es scheppert

Nichts zu lesen

Das Kind im Wasser

Einkaufen

Auf dem Balkon

Ein kleines Geschenk

Im Kloster

Koffer packen

Der letzte Strandtag

Fußballnachrichten

Spiel auf ein Tor

Am Flughafen

Franziska hat Durst

Über den Wolken

Wieder zu Hause

Sonntagmorgen

Eine lange Geschichte

Für Sophie vom Opa Werner

Fußball

Franziska ist mit ihren Eltern im Urlaub. Nur für eine Woche, länger konnte ihr Vater dieses Jahr nicht freinehmen. Sie sind nach Thessaloniki geflogen. Das ist eine große Stadt in Griechenland.

Eigentlich wäre Franziska lieber zu Hause geblieben. Dort hätte sie sich mit ihren Freundinnen aus dem Fußballverein treffen können. Nicht mit Dörte, die ist nämlich auch mit ihren Eltern weggefahren. Und auch Maria musste mit ihren Eltern und ihrem Bruder verreisen, nach Italien, weil ihre Eltern eigentlich Italiener sind, obwohl sie schon viele Jahre in Stuttgart wohnen. Und Moni ist auch weg. Aber sonst, die anderen aus der Mädchenmannschaft, die sind alle zu Hause geblieben, die treffen sich jetzt jeden Tag auf dem Sportplatz und spielen. Eine ganze Mannschaft bekommen sie zwar nicht zusammen, aber das macht ja nichts, während der Ferien spielen sie nur so.

Franziska findet Thessaloniki langweilig. Beim Hotel gibt es keinen Sandstrand, nur den Hafen mit ein paar rostigen kleinen Schiffen und eine lange Autostraße, die am Meer entlangführt. Zum Strand fahren sie immer mit dem Bus, ein Stück aus der Stadt hinaus. Dort mieten sich ihre Eltern jeden Tag an einer kleinen Bretterbude einen blauen Sonnenschirm, und unter dem legen sie sich dann auf die Faule Haut. So nennt Franziskas Vater das große Strandtuch, das sie von zu Hause mitgebracht haben. Er liest dann irgendein Buch, das er ebenfalls von zu Hause mitgebracht hat, und Franziskas Mutter liegt einfach da, schläft ein bisschen, schaut ein bisschen den Leuten zu und „erholt sich vom Stress“, wie sie sagt.

Franziska geht von Zeit zu Zeit ans Wasser, watet ein Stück hinaus, schwimmt ein wenig. Richtig hinausschwimmen darf sie nicht, das ist zu gefährlich, wegen der Strömung, die unten, an den Füßen, ins offene Meer hinauszieht und sogar einen guten Schwimmer mitnehmen kann. Das weiß sie von ihrem Vater. Sie kann sich zwar vorstellen, dass das gar nicht wirklich stimmt und dass ihr Vater es nur gesagt hat, weil er denkt, dass sie noch keine ganz sichere Schwimmerin ist, aber vorsichtshalber hält sie sich an seine Regel.

Das Wasser hier ist lauwarm und schmeckt salzig. Die Wellen sind nicht hoch, aber doch höher als zu Hause im Schwimmbad. Hin und wieder platscht ihr ein Wasserschwall unerwartet ins Gesicht, dann hat sie das Salzwasser auch in der Nase.

Wenn sie genügend abgekühlt ist, legt sie sich wieder unter den blauen Sonnenschirm, setzt sich die supercoole Sonnenbrille auf, die sie extra für diesen Urlaub kaufen durfte, und blättert in den Pferdezeitschriften, die ihre Eltern für sie von zu Hause mitgenommen haben. Ihre Eltern haben so viele Dinge von zu Hause mitgenommen, dass sie vor dem Abflug in Stuttgart sogar noch extra bezahlen mussten, weil das Gepäck zu schwer war. Ihr Vater hat sich ganz laut darüber geärgert. „Billigflieger! Dass ich nicht lache!“ hat er die Frau angeschrien, die das Geld einkassieren musste. Aber genützt hat es ihm rein gar nichts, er musste trotzdem zahlen. Erst danach durften die beiden Koffer, erst der hellgrüne, dann der dunkelgrüne, und die drei Reisetaschen alle im Gänsemarsch über das schwarze Förderband ins dunkle Loch hineinfahren, hinter dem es für die Gepäckstücke dann irgendwie zum richtigen Flugzeug weiterging.

Am dritten Tag der Ferien, als Franziska gerade wieder unter dem blauen Schirm auf ihrem Badetuch sitzt, das sie immer noch extra auf die Faule Haut legt, damit die nicht zu nass wird, kommt plötzlich ein Ball geflogen und trifft sie an der Schulter. Sie schaut sich um. Schräg hinter ihr, ein Stück weiter weg, stehen einige Jungs und schauen zu ihr hin, oder eigentlich zum Ball. Sie haben Fußball gespielt, Franziska hat schon vorher ein paarmal kurz zugesehen, wie sie spielen. Sie spielen nicht schlecht. Vielleicht spielen sie regelmäßig zusammen.

Die Jungs schauen und sind offenbar gespannt, wie Franziska reagieren wird. Ein paar von ihnen grinsen schon ein bisschen, und einer beginnt langsam auf Franziska zuzulaufen, um den Ball zu holen.

In ihrer Mannschaft ist Franziska die Torfrau. Und das will sie diesen spöttischen Jungs jetzt auch zeigen. Erst nimmt sie ihre Sonnenbrille ab, vorsichtshalber, und legt sie in ihre Badetasche, dann nimmt sie den Ball in die Hände und steht auf. Mit einer leichten Drehbewegung wirft sie den Ball ganz wenig in die Höhe, dann schießt sie ihn volley zu den Jungs hinüber, genau so, wie sie bei den Klubspielen den Ball immer vom Tor aus in die gegnerische Spielhälfte schickt. Das feine Goldkettchen mit dem Uhu-Anhänger, das sie zur Firmung von ihrer Tante Hedwig geschenkt bekommen hat und das sie seither fast immer um den Hals trägt, tanzt einen Moment lustig vor ihrem Gesicht, der Uhu streift leicht ihre Nase, und der Ball fliegt in einem schönen Bogen durch den blauen griechischen Himmel und landet genau bei den Jungs. Die schauen jetzt nicht mehr spöttisch, sondern überrascht, sogar fast ein bisschen ungläubig.

Franziska setzt sich wieder hin und schaut den Jungs beim Spielen zu. Bald ist ihr klar, wer von ihnen zu der einen Mannschaft gehört und wer zu der anderen. Eine der Mannschaften hat einen Spieler weniger als die andere. Und einen miserablen Torhüter. Es gibt natürlich keine richtigen Tore, sondern nur Kleiderbündel, die die Torpfosten markieren. Und die Tore sind bei weitem nicht so breit, wie sie eigentlich sein sollten, da fehlen mindestens zwei Meter.

Das Spiel wird allmählich fast ein bisschen spannend. Franziska steht auf und geht langsam auf das Spielfeld zu. Gerade lässt der schlechte Torhüter den Ball zwischen seinen Beinen hindurchrollen. Mit Glück kann ihn einer seiner Mannschaftskameraden noch vor der Torlinie wegspielen. Doch schon beim nächsten Angriff geschieht es: Der Ball wird mit einem scharfen Schuss genau auf den Torhüter gespielt, und anstatt ihn zu halten, bückt sich der Junge etwas zur Seite und lässt den Ball durch.

Seine Mannschaftskameraden schimpfen laut mit ihm. Franziska versteht natürlich kein Wort. Aber es ist ja klar, was sie sagen. Einer der Jungs schaut zu Franziska herüber, deutet mit dem Daumen auf seinen Torhüter, grinst und schüttelt den Kopf. Dann geht das Spiel weiter.

Es dauert keine fünf Minuten, da fällt das nächste Tor. Diesmal geht der Ball wirklich zwischen den Beinen des Torhüters durch und über die Torlinie. Die Jungs schimpfen noch mehr, sie sind ganz verzweifelt. Der eine Junge schaut wieder zu Franziska herüber. Er denkt einen Moment nach, dann deutet er mit dem Finger zuerst auf Franziska, dann auf das Tor, und macht dazu ein fragendes Gesicht.

Franziska ist überrascht. Dann macht sie die Bewegung des Jungen nach: Sie deutet zuerst auf sich selbst, dann auf das Tor, und hält dabei fragend den Kopf schräg. Der Junge nickt, und ein zweiter Junge nickt ebenfalls und winkt ihr, dass sie ins Tor gehen soll. Schon steht einer der Jungs bei dem unglücklichen Torhüter, redet auf ihn ein und schickt ihn in die Mitte des Platzes.

Franziska weiß gar nicht, wie ihr geschieht, aber im nächsten Moment steht sie im Tor dieser griechischen Strand-Schülermannschaft, und die beiden Teams haben endlich gleich viele Spieler. Lange hat sie nicht Zeit, sich über ihre unerwartete Aufgabe zu wundern: Schon kommt der erste Ball geflogen, allerdings nicht besonders gut geschossen, sie kann ihn mit Leichtigkeit halten. Einer der Jungs aus ihrer Mannschaft klatscht fröhlich in die Hände, ein anderer ruft ihr auf Englisch zu: „Yes!“

Bald wundert sich Franziska nicht mehr, sondern freut sich einfach, dass sie mitspielen kann. Sie ärgert sich wie die anderen, wenn einer aus ihrer Mannschaft einen unnötigen Fehler macht, und fiebert mit, wenn es auf der Gegenseite gefährlich wird. Hin und wieder hält sie einen Ball und kickt ihn dann in hohem Bogen nach vorn.

Irgendwann steht das Spiel drei zu drei; sie weiß es, weil einer ihrer Mitspieler es mit seinen Fingern anzeigt. Die Jungs spielen immer hitziger, vielleicht geht das Spiel seinem Ende zu. Noch einmal kommt es zu einem Angriff auf ihr Tor. Gerade als ein gegnerischer Spieler zum Schuss ansetzen will, stellt ihm einer der Abwehrspieler ein Bein, so dass er in den Sand fällt.

Die Jungs der gegnerischen Mannschaft protestieren laut, es gibt viel Geschrei und Diskussion, und endlich einigen sie sich: Es gibt einen Elfmeter. Der größte der Jungs legt sich den Ball zurecht; dann geht er acht oder zehn Schritte zurück und läuft an. Der Ball fliegt auf Franziska zu, in die linke Torhälfte. Franziska weiß sofort, dass dies ein Ball ist, den sie halten kann; fast automatisch springt sie nach links und schafft es wirklich, den Schuss zur Seite abzuwehren. Ihre Mannschaft jubelt, die anderen sind enttäuscht und schimpfen mit dem Schützen.

Dann ist das Spiel vorbei. Der Junge, der als erster zu Franziska hingeschaut hatte, kommt auf sie zu und sagt etwas auf Griechisch. Dabei zeigt er auf den Boden. Franziska versteht gar nichts. Der Junge rollt kurz die Augen, kratzt sich im Haar. Dann zeigt er auf Franziska und sagt auf Englisch: „Tomorrow?“ Jetzt versteht Franziska. Sie lächelt und nickt. Die Jungs nehmen ihre Torpfosten-Kleider auf, winken ihr zu und gehen weg.

Franziska setzt sich wieder unter den blauen Sonnenschirm. Ihre Mutter schaut kurz zu ihr herüber und fragt: „Ist das Wasser warm?“ Franziska sagt: „Ja.“ Ihr Vater murmelt: „Schön.“

Franziska angelt sich ihre Sonnenbrille aus der Badetasche und setzt sie sich wieder auf die Nase. Sie freut sich auf morgen.

Das Kleid

Franziskas Mutter hat den hellgrünen Koffer auf das Hotelbett gehoben und wühlt darin herum. „Ich hab’s doch eingepackt! Ich weiß genau, dass ich es eingepackt habe!“ sagt sie schon zum zweiten Mal und schmeißt drei oder vier Röcke miteinander auf die andere Hälfte des Doppelbetts.

„Reg dich nicht auf“, sagt Franziskas Vater. „Ist doch nicht so wichtig. Dann ziehst du eben etwas anderes an.“

Franziskas Mutter sagt nichts, wühlt weiter, macht ein verbissenes Gesicht.

„Es ist ja nicht so, als gingen wir in die Oper. Oder auf eine Hochzeit. Wir gehen nur essen, das ist alles.“

Aber es hilft nichts, das Gesicht von Franziskas Mutter wird nur noch verbissener.

„Ich hab’s extra eingepackt für wenn wir mal schön essen gehen! Da lass ich es doch jetzt nicht im Hotel zurück.“ Blusen fliegen aufs Bett, ein Pullover, Unterwäsche.

„Wenn du’s überhaupt eingepackt hast“, sagt Franziskas Vater.

Franziskas Mutter schaut ihn ganz grimmig an. „Natürlich hab ich’s eingepackt!“, blafft sie. „Ich seh’s doch noch vor mir, wie ich es beim Packen in der Hand hatte!“

Dann ist der hellgrüne Koffer leer, und Franziskas Mutter ist fassungslos.

„Das kann einfach nicht sein! Das gibt’s nicht! Es muss da sein!“

„Wirklich“, sagt Franziskas Vater nach einer kurzen Pause, „nimm’s doch nicht so wichtig. Du willst dir deswegen doch nicht den Abend verderben. Hier, zieh diese Bluse an, die steht dir sehr gut. Und dazu einen hellen Rock. Den da zum Beispiel!“, und er nimmt einen hellbeigen Rock in die Hand, hebt ihn hoch.

Franziskas Mutter schnappt sich den Rock, sie zieht ihn einfach ruckartig aus seiner Hand und wirft ihn aufs Bett.

„Der hat einen Fleck, den kann ich nicht mehr anziehen. Der muss in die Reinigung.“

„Dann nimm den da, der ist auch prima.“

Franziskas Mutter schaut kaum hin. „In dem habe ich einen Bauch!“

„Du hast doch hoffentlich immer einen Bauch. Und ganz besonders, wenn wir essen gehen“, murmelt Franziskas Vater. „Irgendwo musst du das Zeug ja hintun.“

Aber Franziskas Mutter ist gar nicht zu Späßen aufgelegt, sie schüttelt nur heftig den Kopf.

Franziskas Vater schüttelt auch den Kopf, aber nur leicht.

„Hör mal, es ist doch wirklich nicht so wichtig. Wir gehen nur essen. Schau, Franziska macht doch auch kein solches Theater.“

Franziska steht angelehnt am Rahmen der offenen Verbindungstür zwischen ihrem eigenen Hotelzimmer und dem Zimmer ihrer Eltern. Während der ganzen Sucherei ist sie so still geblieben, als sei sie gar nicht da. Nur die Finger ihrer rechten Hand bewegen sich ein wenig, die spielen mit dem kleinen Uhu an ihrem Halskettchen. Aber das merkt Franziska gar nicht.

Und nach dem letzten Satz, den ihr Vater gesagt hat, hat auch diese Bewegung aufgehört, und Franziska ist noch stiller geworden, wenn das überhaupt möglich ist. Sie schaut nicht zu ihrem Vater hin, und schon gar nicht zu ihrer Mutter.

Aber jetzt schaut die Mutter zu Franziska herüber. In jeder Hand hält sie eine Bluse, aber das hat sie vielleicht schon vergessen.

„Du solltest dich besser auch umziehen, statt hier herumzustehen“, sagt sie. „Was ziehst du eigentlich an?“

Franziska schaut immer noch nicht zu ihr hin. „Ich bin schon fertig“, murmelt sie.

„Was?“, fragt ihre Mutter, „wie meinst du das, schon fertig? Du willst doch nicht etwa so mitkommen zum Essen?“

Jetzt blickt Franziska ihre Mutter an. „Warum nicht? Doch, genau so. Wie Papa gesagt hat, wir gehen nicht in die Oper, wir gehen nur essen. So fühl’ ich mich bequem, und so komme ich mit.“

Franziskas Mutter zieht scharf Luft durch die Nase und schaut dabei ganz schnell zu Franziskas Vater hinüber. Dann schaut sie wieder auf Franziska. Ihre Augenbrauen stehen dicht beisammen.

„Nein, Franziska, so kommst du mir nicht mit. Du ziehst ein Kleid an. Das mit dem schwarzen Gürtel, das blaue. Los, mach, wir wollen nicht nachher auf dich warten.“

„Ich will aber kein Kleid anziehen“, sagt Franziska und schaut zu ihrem Vater hinüber. „Ich bin kein Kleidertyp. Ich trage immer Jeans, und ich möchte auch zum Essen Jeans tragen.“

Franziskas Mutter wirft die beiden Blusen mit einer heftigen Bewegung auf das Bett. „Du ziehst ein Kleid an! Das Kleid mit dem schwarzen Gürtel, verstanden? Keine Diskussion!“

Wieder sieht Franziska zu ihrem Vater, aber er schaut sie nicht an, er schaut ihre Mutter an.

Franziska sagt: „Ich habe das Kleid aber gar nicht dabei. Ich hab überhaupt kein Kleid dabei. Ich dachte, wir fahren in Urlaub …“

Zwei, drei Sekunden lang ist es still. Franziskas Mutter schaut zu ihrem Vater. Verbeißt sich ihr Vater ein Grinsen? Franziska ist nicht ganz sicher.

Endlich spricht Franziskas Mutter. Aber sie spricht nicht zu ihr, sondern zu ihrem Vater.

„Lass sie selber packen, hast du gesagt. Sie ist groß genug, sie muss das lernen, hast du gesagt. Sie kann selber überlegen, was sie einpacken soll. Ich wollte für sie packen, aber nein, sie ist kein kleines Kind mehr, hast du gesagt. Und jetzt hat sie nicht mal ein Kleid eingepackt.“

Ihre Augen funkeln vor Zorn.

Plötzlich nimmt Franziskas Vater ihre Mutter in die Arme. „Hör mal“, sagt er leise, „ist das denn so schlimm? Franziska hat doch recht, wir sind nur in Urlaub gefahren. Im Urlaub soll man sich doch wohlfühlen, man soll sich gut fühlen.“

Franziskas Mutter stößt ihn von sich, aber nur halbherzig, sie will nicht wirklich, dass er sie loslässt. Plötzlich ist ihre Stimme auch ganz leise. „Aber ich hatte doch extra gedacht, wenn wir schön essen gehen …“ Sie legt ihren Kopf an seine Schulter. Sie ist zwar einen Tick größer als er, aber das kriegt sie trotzdem hin, irgendwie.

„Ja, ich weiß. Ich verstehe dich ja. Aber wo das Kleid jetzt nicht da ist, ist das doch nicht so tragisch. Und wenn Franziska in ihren Jeans kommt, ist das auch nicht tragisch. Wir sitzen doch sowieso wahrscheinlich draußen, da ist dann alles ganz leger.“

Franziskas Mutter sagt nichts. Sie lässt ihren Kopf eine kleine Weile an seiner Schulter liegen. Dann strafft sie sich plötzlich und sagt: „Okay, dann ziehe ich auch meine Jeans an. Dann konzentrieren wir uns eben ganz aufs Essen und denken überhaupt nicht an die Bekleidung.“

„Genau“, sagt Franziskas Vater, „so machen wir’s.“ Franziska freut sich, dass das Drama vorüber ist und dass sie in Jeans zum Essen gehen kann.

Im Taxi

Es wird schon langsam dunkel, als sie vor dem Hotel in ein Taxi steigen. In Griechenland gehen die Leute erst um zehn oder um elf Uhr essen, hat Franziskas Vater erklärt. Das Taxi ist extra für sie drei gekommen, der Mann am Empfang hat es telefonisch für sie bestellt.

Franziska ist nach ihrer Mutter hinten eingestiegen, ihr Vater vorne. Er sagt dem Fahrer den Namen des Restaurants. Der Fahrer fragt etwas zurück, auf Griechisch. Der Vater zeigt dem Fahrer den Zettel, auf den ihm der Mann am Hotelempfang den Namen des Restaurants geschrieben hat. Der Fahrer macht eine Bewegung mit dem Kopf, die wie ein „Nein“ aussieht. Aber dann fährt er trotzdem los.

Zuerst nimmt er den gleichen Weg wie der Bus, der sie jeden Tag zum Strand bringt, aber schon bald biegt er an einer Kreuzung, wo ihr Bus immer geradeaus fährt, rechts ab. Von da an fährt er durch Straßen, die Franziska noch nie gesehen hat. Sie fragt sich, ob er sie zum richtigen Restaurant bringt. Sie hat jetzt Hunger. Egal, denkt sie, Hauptsache, irgendein Restaurant, von mir aus kann es auch ein anderes sein als das auf dem Zettel.

Das Taxi fährt sehr schnell, die Straßen sind holprig. Die Fahrt dauert viel länger, als Franziska sich das vorgestellt hat. Entlang der Straße sind kaum noch Häuser zu sehen, die Stadt liegt offenbar schon hinter ihnen. Vielleicht ist das gar kein Taxifahrer, denkt Franziska. Vielleicht ist es ein Bandit, er bringt uns an eine einsame Stelle und raubt uns dann unser ganzes Geld. Und vielleicht erschießt er uns. Wahrscheinlich wird er das tun, denkt sie, er kann uns ja nicht frei herumlaufen lassen, wir könnten ihn sonst nachher bei der Polizei identifizieren. Nein, eigentlich nicht, denkt sie dann, wir haben sein Gesicht ja gar nicht richtig sehen können, weil es im Taxi schon ein bisschen dunkel ist. Ob er uns glauben wird, dass wir sein Gesicht nicht gesehen haben, und uns freilassen wird? Aber wie kommen wir dann zum Hotel zurück, ohne Geld? Und dann fällt ihr ein, dass sie ihm ja gar nicht erklären können, dass sie sein Gesicht nicht richtig gesehen haben, weil er wahrscheinlich nur Griechisch kann und sie können nur Deutsch und etwas Englisch. Na ja, ihre Mutter kann auch sehr gut Französisch, aber das wird wohl auch nicht helfen.