Frau ohne Welt. Teil 2: Der Krieg gegen das Kind - Bernhard Lassahn - E-Book

Frau ohne Welt. Teil 2: Der Krieg gegen das Kind E-Book

Bernhard Lassahn

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Beschreibung

Ein "Krieg gegen das Kind", wie kann das sein? Kinder sind doch unsere Zukunft! Warum sollten wir sie aufs Spiel setzen? Der Krieg gegen das Kind folgt aus dem feministischen Krieg gegen den Mann. Der Krieg gegen den Mann ist ein Krieg gegen die Familie – obwohl Kinder Mutter und Vater brauchen, Oma und Opa, Brüder und Schwestern.. Aber die Familie hat mächtige Feinde in Politik und Medien. Die neuen Ideale heißen "Toleranz", "Gleichstellung" und "sexuelle Vielfalt". Die natürliche Elternschaft soll keine besondere Wertschätzung mehr genießen. Aus "gleicher" Gültigkeit wird Gleichgültigkeit. Der Krieg gegen das Kind ist der Preis für die "geschlechtersensible" Welt von morgen. Ein anderer Preis ist die künstliche Befruchtung, die Befruchtung ohne Liebe … Denn Feminismus ist der Sexismus der emanzipierten Frau, die die dem Mann Sexismus vorwirft, weil er Frauen begehrt. Das alles beschreibt Bernhard Lassahn reflektierend bis heiter, in oft überraschenden Anekdoten, mal gelassen und mal amüsiert, manchmal traurig und immer scharfsinnig. Lassahn ist kein Pessimist. Es gibt ein Leben nach dem Feminismus, und das beginnt mit der Liebe. Wer an den Feminismus glaubt, macht sich unglücklich. Wer an die Frauen glaubt, dem gehört die Zukunft..

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FRAU OHNE WELT

Trilogie zur Rettung der Liebe von Bernhard Lassahn

TEIL II – DER KRIEG GEGEN DAS KIND

INHALT

Krieg gegen das Kind?

Non-Stop-Sex-Party

Das kleine Vergnügen

Der Doktor spielt nicht

Blutige Experten

Vorwärts in die Vergangenheit

Die Stärke der Schwäche

Aus der Suche nach dem Paradies

Der letzte Rest von Gottesfürchtigkeit

Die Insel der Seligen

Der Kita-Krieg

Gleich und gleich gesellt sich ungern

Es sieht nur so aus

Tiere sind besser als Menschen

Die Lila Pädagogik

Ein halber Völkermord

Billiger Kaffee

Die Familie wird verrechnet

Unsichtbare Gräben

Die Neue Mädchenordnung

Wie geht es eigentlich Nora?

Das Brandzeichen mit drei Buchstaben

Fahne und Familie

Löcher im Rettungsboot

Allein in einem leeren Haus

Heimliche und unheimliche Wünsche

Liebe ist ungerecht

Impressum

Bernhard Lassahn, 2012

© Foto: Fabian Nicolay

Krieg gegen das Kind?

Ein Krieg gegen das Kind erscheint uns – jedenfalls auf den ersten Blick – völlig abwegig. Ist es denn nicht selbstverständlich, für Kinder alles zu tun? Sie zu lieben, sie zu beschützen, sich für sie aufzuopfern und dafür zu sorgen, dass sie es später noch besser haben als wir? Kinder sind unsere Zukunft, heißt es. Warum sollten wir die aufs Spiel setzen?

Genau das geschieht aber. Dass Deutschland als nicht be sonders kinderfreundlich gilt, nehmen wir gelassen hin. Doch es ist noch schlimmer. Es wird tatsächlich ein Krieg gegen das Kind geführt, der in seinen Erscheinungsformen neu und in seinen Auswirkungen nicht unmittelbar erkennbar ist. Er wird nicht nur gegen das leibhaftige Wesen geführt, sondern schon gegen die Idee vom Kind. Er ist zugleich ein Krieg gegen die Familie, die wir als »Auslaufmodell« betrachten sollen, als »überholt« und »vorgestrig«, ohne dass wir etwas Besseres wüssten und ohne zu berücksichtigen, dass Kinder eine Familie brauchen. Sie brauchen Mutter und Vater, Oma und Opa, Brüder und Schwestern.

Die Familie hat mächtige Feinde bekommen, die sich fest in der Politik etabliert haben und in den Medien den Ton angeben. Sie sind blind oder stellen sich blind und tun so, als wüssten sie nichts von dem Scheitern aller bisherigen Versuche, die Familie abzuschaffen und einen »neuen Menschen« zu züchten, und als hätten wir nie erleben müssen, welche Gefahren von einem Staat ausgehen können, der sich immer mehr Zuständigkeiten anmaßt.

Wir haben es mit einer Agenda zu tun, die Kinder zunächst einmal zu verhindern sucht und zweitens die Lebensbedingungen der wenigen, die doch noch geboren werden, den Bedürfnissen mit sich selbst beschäftigter Erwachsener unterwirft. Die »Agenten des Wandels«, wie sie sich selbst nennen, versuchen, sich als moralische Instanz zu inszenieren; dabei müssen sie die Kosten verheimlichen, die »Risiken und Nebenwirkungen« – in dem Fall möchte ich die bekannte Formel ein wenig abwandeln und von den »riesigen Nebenwirkungen« sprechen –, sie müssen so tun, als existiere das Leid der unschuldigen Kinder nicht, die ohne Familie leben müssen.

Doch es ist sehr wohl bekannt, dass es dieses Leid gibt, denn in der Vergangenheit haben wir es stets als zweitgrößtes Unglück empfunden, wenn ein Kind einen Elternteil entbehren muss und als größtes Unglück, wenn ihm beide Eltern fehlen. Heute wird so ein Unglück bedenkenlos von Leuten herbeigeführt, die eine Verschiebung der Wertmaßstäbe mit allen erdenklichen Mitteln durchsetzen wollen, mit verhüllten und unverhüllten Drohungen und mit aggressiven Beschuldigungen gegenüber allen, die den Vorreitern der neuen »Ideale« im Wege stehen. Diese Ideale heißen »sexuelle Vielfalt«, »Toleranz« und »Gleichstellung«. Doch eine Gleichstellung, die alle sexuellen Orientierungen als gleich ansieht, geht über Kinder hinweg wie eine Planierraupe: Wenn eine Liebe, aus der Kinder entstehen, nicht bedeutender wäre als eine, aus der keine Kinder hervorgehen, dann wären Kinder bedeutungslos. Aus der gleichen Gültigkeit wird Gleichgültigkeit. Das Kind wird zu einem Nichts.

Der Krieg gegen das Kind ist der Preis für die »geschlechtersensible« Normalität, die auf uns zukommt.

Non-Stop-Sex-Party

Die Lesung war vorbei, der Schulbus war noch nicht da, die Kinder – es waren Schüler der dritten Klasse – hatten noch ein wenig Zeit. Sie durften sich auf eigene Faust in der Bibliothek umsehen und nach Büchern Ausschau halten, die sie vielleicht ausleihen wollten. Plötzlich wurde es laut. Einige Kinder kreischten:

»Iiih, nackte Bücher!«

Sie hatten beim Blättern blasse Buntstiftzeichnungen entdeckt, die Nackte darstellten. Ohne dass es ihnen bewusst war, hatten die Kinder mit ihrem Aufschrei »Iiih, nackte Bücher« eine überraschend gute Formulierung für den Stellenwert gefunden, den Sexualität heute für uns hat. Sie machten schreiend deutlich, was für ein Menschenbild wir haben.

Die Formulierung ist natürlich nicht korrekt. Die Kinder haben denselben Fehler gemacht, den wir machen würden, wenn wir von einem »dreistöckigen Hausbesitzer« sprächen – der Hausbesitzer selber ist nicht dreistöckig, und die Bücher sind nicht nackt. Die Kinder wollten auch nicht darauf hinweisen, dass irgendwo Bücher ohne Schutzumschläge herumlägen. Sie verrieten etwas anderes: Für sie war Nacktheit nicht etwas, was in gewissen Büchern vorkommt, sondern etwas, was diese Bücher durch und durch kennzeichnet.

Den gleichen Fehler machen wir, wenn wir von einer »Männersprache« reden oder von einer »männlichen Gesellschaft«. Unsere Sprache ist keine Männersprache. Und die Gesellschaft ist nicht männlich. Wir leben in einer Gesellschaft, in der es Männer gibt. Das ist selbstverständlich, das muss nicht extra erwähnt werden.

Es soll etwas anderes damit gesagt werden: Mit der Verkürzung auf »männliche Gesellschaft« machen wir eine Aussage darüber, welche Rolle die Männer in dieser Gesellschaft vermeintlich spielen. Wir unterstellen, dass Männer aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit die Gesellschaft – oder die Sprache – so stark dominieren, dass damit alles andere, was man sonst noch über sie sagen könnte, in den Schatten gestellt wird. So haben auch die Kinder gedacht, als sie von »nackten Büchern« sprachen: Sie meinten eigentlich Bücher, in denen es Zeichnungen von Nackedeis gibt. Doch das war für sie so überwältigend, dass alles andere zweitrangig, ja sogar nichtig wurde.

So wie die Kinder diese Bücher sehen, so sehen wir heute den Menschen, als würden wir alle auf der Reeperbahn leben und hätten es mit einer Non-Stop-Sex-Party zu tun. Auch wenn wir nur ein Konto eröffnen oder einen Text schreiben wollen, in dem es gar nicht um Sex geht, immer sollen wir »geschlechtersensibel« handeln und in allen Lebenslagen berücksichtigen, dass es Männlein und Weiblein gibt – als wüssten wir es nicht.

Stellen wir uns vor, jemand würde bei jeder passenden und auch unpassenden Gelegenheit seine Essensgewohnheiten erwähnen und sagen: »Ich möchte gerne eine Fahrkarte kaufen. Ich bin übrigens Vegetarier.« Oder: »Können Sie mir bitte sagen, wie spät es ist? Ich bin übrigens Vegetarier.«

So sollen wir uns verhalten.

Die allumfassende Sexualisierung ist zum obersten Gebot geworden. Doch die Überbetonung schlägt schnell in ihr Gegenteil um und führt zur Banalisierung. Wir werden ständig mit Reizen traktiert und stumpfen ab, je mehr die Sexualität aus den Zusammenhängen von Liebe und Fortpflanzung gelöst wird und nur noch kleine Vergnügungen übriglässt, die mehr und mehr an Bedeutung verlieren, so dass wir ohne Sehnsucht zurückbleiben wie Überlebende, denen man alles genommen hat und die längst emotional pleite sind.

Dennoch: Sex soll unser ein und alles sein.

Schon der Sprachgebrauch soll unsere Anpassung an die Zwangssexualisierung ausweisen: Bei jeder Pluralbildung sol len wir die Doppelnennung (Leserinnen und Leser) oder das Binnen-I (LeserInnen) verwenden. In der Schule gibt es heute keine Schüler mehr, sondern »SuS« (Schülerinnen und Schüler). Wir sollen auch das sogenannte generische Maskulinum (die Leser) meiden und stattdessen von Lesenden sprechen. Deshalb gibt es an unseren Universitäten keine Studenten mehr, sondern, obwohl sachlich falsch, nur noch Studierende, denn alles, was einen männlichen Beiklang hat, soll aus dem Sprachgebrauch und aus unserem Bewusstsein vertrieben werden.

Wir sollen so reden, als wäre unser Selbstverständnis dermaßen stark von unserer Geschlechtszugehörigkeit bestimmt, dass alles andere nicht mehr zählt. Als wären wir so gründlich von der Geschlechterfrage durchdrungen und durchfeuchtet wie eine Packung Papiertaschentücher, die versehentlich in die Waschmaschine geraten ist.

So ist es heute bei den Erwachsenen. Ist es bei Kindern, die noch nicht geschlechtsreif sind, auch so? Sind sie auch oversexed?

Als Sigmund Freud unterstellte, dass schon kleine Kinder ein – wenn auch verdrängtes – Interesse an Sex hätten, wurde er heftig angefeindet. Gerade von feministischer Seite wurde ihm vorgeworfen, dass er damit die Kinder verraten und den Päderasten ein Einfallstor geöffnet hätte. Von nun an würde Missbrauch als normal angesehen werden können. Freud, so meinten sie, hätte sich mit seinen Überlegungen mit Kinderschändern verbündet und auf ihre Seite geschlagen; denn die könnten nun behaupten, dass die Kinder eine sexuelle Begegnung genauso gewollt hätten wie sie selbst. Sie könnten sich problemlos auf »einvernehmlichen« Sex berufen.

Bei Freud war das noch Theorie, Spekulation. Alfred Kinsey ging einen Schritt weiter. Er wollte den Beweis erbringen, dass es eine frühkindliche Sexualität tatsächlich gibt, und legte dazu den Kinsey-Report vor, der aus zwei Bänden besteht: Sexual Behavior in the Human Male (1948) und Sexual Behavior in the Human Female (1953). Kinsey gilt bis heute als Pionier der sexuellen Revolution. Er hat in der Tat eindrucksvolle Zahlen in die Welt gesetzt, die sich zwar später als gigantischer Schwindel herausstellten, was aber seinem Ruhm nicht geschadet hat. Sein Report gilt nach wie vor als Grundlagenwerk.

Kinsey hat sich speziell für die Orgasmusfähigkeit von Kindern interessiert. Besonders die kleinen Jungs hatten es ihm angetan, die ganz kleinen, die Babys. Sie alle wurden bei ihm unter »male« subsumiert – also unter »männlich« –, ohne dass sie dafür ein Mindestalter haben mussten. Er unterstellte, dass sie wie Erwachsene zum Orgasmus, ja sogar zum multiplen Orgasmus kommen könnten. Eben das wollte er mit seinen Forschungen belegen. Indirekt war damit aber noch etwas anderes gesagt: Wenn Kinder zu Orgasmen kommen können, dann sollten sie sie auch haben.

An dieser Stelle kann man leicht einem wissenschaftstheoretischen Fehlschluss erliegen. Vielen, die mit statistischem Material arbeiten, ergeht es so. Man muss jedoch immer berücksichtigen, dass der Ist-Zustand noch nichts über den Soll-Zustand aussagt.

Wenn wir Fliegenbeine oder Erbsen zählen und schließlich wissen, wie viele es davon gibt, heißt das noch lange nicht, ob es mehr oder weniger davon geben sollte. Solche Fragen stehen immer außerhalb der Versuchsanordnung. Zahlen sind buchstäblich »nackt«. Sie sagen uns nicht, wie wir mit ihnen umgehen sollen.

Was wollte Kinsey mit seinen imposanten Zahlen zeigen? Für ihn war die behauptete Orgasmusfähigkeit eine Art Goldmine, die man unbedingt ausbeuten müsse. Das tat er dann auch.

Schon Säuglinge im Alter von fünf Monaten, so behauptete er, könnten wiederholte Orgasmen erreichen. In den berühmt gewordenen Tabellen (englisch tables) 30–34 präsentierte er Daten zur Orgasmusfähigkeit von insgesamt 317 männlichen Säuglingen und Kindern – wie beispielsweise in table 34 (aus Sexual Behavior in the Human Male, S. 180). Daraus kann man ersehen, dass ein elf Monate alter Säugling innerhalb von 38 Minuten 14 Orgasmen hatte, ein zweijähriges Kleinkind sieben Orgasmen in neun Minuten. Die Zahlen machen den Eindruck, als wollte jemand einen Rekord aufstellen. Genau darum ging es Kinsey. Das Maximum an Orgasmen, das Kinsey beobachten konnte, waren 26 Höhepunkte in 24 Stunden bei einem vierjährigen Jungen. Doch selbst das war ihm noch nicht genug. Kinsey spekulierte, dass in derselben Zeiteinheit noch mehr Orgasmen möglich gewesen wären.

Er hatte den Ehrgeiz, möglichst imposante Zahlen zu präsentieren, doch nur »32 Prozent der Jungen im Alter zwischen zwei bis zwölf Monaten kamen zum Höhepunkt«, wie er bedauernd einräumen musste, und er beklagte, dass es »einige« präadoleszente Jungen gäbe, »… die den Höhepunkt selbst unter anhaltender, verschiedener und wiederholter Stimulation nicht erreichten«. Dennoch blieb er davon überzeugt, dass eine bis dahin unentdeckte Orgasmusfähigkeit existiere: »Es ist sicher, dass ein noch höherer Anteil der Jungen multiple Orgasmen hätte haben können (…). Sogar die jüngsten Säuglinge, fünf Monate alt, sind zu solch wiederholten Reaktionen in der Lage.«

Seine Zahlen werfen verschiedene Fragen auf. Was bedeutet es für ein zehnjähriges Kind, wenn es 24 Stunden lang, wie in der Tabelle aufgeführt, pausenlos unter Beobachtung steht? Was für eine Art von Beobachtung wird das gewesen sein? Wie lange – und auf welche Art? – wurden Jungen stimuliert, bis man schließlich zu dem Ergebnis – besser gesagt: zu der Einsicht – kam, dass sie doch keinen Orgasmus haben können? Es sind immerhin 68 Prozent der Jungen, die getestet wurden, also gut zwei Drittel; denn, wie beschrieben, nur 32 Prozent von ihnen hatten einen Orgasmus. Einen Orgasmus?

Kinsey unterscheidet sechs verschiedenen Orgasmustypen, die er im Detail beschreibt. Er beobachtet beispielsweise: »Extreme Spannung mit heftiger Konvulsion. Oft mit plötzlichem Heben und Werfen des ganzen Körpers verbunden.« Außerdem stellt er fest, »dass die Beine oft steif werden, wobei die Muskeln kontrahiert und hart sind, Schultern und Nacken steif und oft nach vorn gebeugt, der Atem angehalten wird oder keuchend ist, die Augen starr sind oder fest geschlossen, die Hände klammernd, der Mund verzerrt, wobei manchmal die Zunge hervordringt, der ganze Körper oder Teile in spastische Zuckung geraten.« Er erkennt, was er einen Orgasmus nennt, »zuverlässig« an schwerem Atem, am Seufzen, am Schluchzen oder an heftigem Schreien und – besonders bei kleinen Kindern – an Tränenausbrüchen.

Der Orgasmus, den Kinsey erforschte, war mit Schmerzen verbunden.

Kinsey war Sadist und Masochist, er hat unzählige Kinder gequält oder quälen lassen, und er hatte sein Vergnügen daran. Er hat sich selbst schwere Verletzungen im Genitalbereich zugefügt, an denen er möglicherweise verstorben ist (offiziell wurden Herzleiden und Lungenentzündung als Todesursache angegeben).

Woher hatte er seine Versuchspersonen? Einer seiner Zulieferer, der ihn über viele Jahre mit »Material« versorgte, war Friedrich Karl Hugo Viktor von Balluseck, der als Nazioffizier Kreishauptmann von Jędrzejów und verantwortlicher Kommandant des dortigen Ghettos war.

Markus Roth, der über die Besatzungszeit geschrieben hat, zeigt in seinem Buch Herrenmenschen – die deutschen Kreishauptleute im besetzten Polen (2009), dass keiner der ehemaligen Kreis- und Stadthauptleute später verurteilt wurde, manche sogar in der späteren Bundesrepublik in hohe Ämter gelangen konnten. Diese Herrenmenschen fühlten sich als Auserwählte, die oft eigenmächtig ohne »Befehl von oben« handelten. Sie fühlten sich gesandt, die deutsche »Mission« im Osten zu erfüllen.

Weit weg von der Heimat, umgeben von einer Bevölkerung, die sie als minderwertig ansahen, konnten sie schalten und walten wie Tyrannen. Sie bereicherten sich, wo immer sie konnten; Frauen und Mädchen – auch Kinder – waren für sie Freiwild. Schon damals war bekannt, dass von Balluseck Kinder sexuell missbrauchte und ihnen drohte: Entweder ich oder die Gaskammer.

In Jędrzejów überlebte kein einziges jüdisches Kind. Auch nach dem Krieg missbrauchte von Balluseck Kinder, sogar seine eigene Tochter, und zwang sie, ihre sexuellen Erfahrungen aufzuschreiben – für Kinsey. Im Jahre 1957 stand er in Berlin wegen Kindesmissbrauchs vor Gericht und erklärte, dass Kinsey ihn gebeten hätte, solche Berichte zu verfassen.

In Deutschland wurde über den Fall berichtet, in den USA nicht. Kinsey überstand alle Skandale und Angriffe. An seiner Bedeutung hat sich nichts geändert – nicht dadurch, dass sein Doppelleben aufgeflogen ist, nicht dadurch, dass von kriminellen Machenschaften berichtet wurde, und auch nicht dadurch, dass sich die Ergebnisse seiner Forschungen als von – gelinde gesagt – zweifelhaftem Wert erwiesen haben. Mit dem Film Kinsey – die Wahrheit über Sex (freigegeben ab 12 Jahren) wurde ihm im Jahre 2004 symbolisch ein Denkmal gesetzt. Nach wie vor ist er der berühmte »Dr. Sex«.

Kinsey hat Kinder so gesehen, wie die Kinder in der Bibliothek »nackte Bücher« gesehen haben: als durch und durch von Sex bestimmte Lebewesen, als sexual beings by birth.

So sah er Kinder. Wie sah er Frauen?

Zu seiner Zeit war es nicht leicht, an Daten zu kommen, die die »Wahrheit« über Sex enthüllen konnten. Kinseys besonderes Verdienst wird gerade darin gesehen, dass es ihm trotzdem gelungen sei. Er hatte, wie wir gesehen haben, keine Hemmungen, wenn es darum ging, sich Daten über Jungs zu beschaffen. Bei Daten zu Frauen schon. Mehr noch, in Kinseys Statistiken taucht keine einzige verheiratete Frau auf, die gleichzeitig Mutter ist. Das ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass es in dem von Kinsey gegründeten Institut für Sexualforschung ursprünglich »Ehevorbereitungskurse« geben sollte, also Beratungen für junge Ehen und Familien. Der Soziologe Geoffrey Gorer, einer seiner besonders scharfen Kritiker, schreibt: »Es ist fast nicht zu fassen, aber dennoch wahr: Schwangerschaft, Geburt und Stillen von Kindern sind komplett außer acht gelassen. Für Dr. Kinsey hat Mutterschaft keinerlei Verbindung mit Sexualität.«

»Baby da, Lust weg?« So stand es vor einiger Zeit in der Bild-Zeitung. Im Film Harry und Sally werden schon im voraus die möglichen Widrigkeiten eines Zusammenlebens erörtert, ehe die beiden sympathischen Helden am Ende erwartungsgemäß zusammenkommen. Sallys Befürchtungen klingen so, als hätte sie die Bild-Zeitung gelesen: Mit einem Kind könnte das Sexleben aufhören und damit das, was sie als Grundlage des Zusammenlebens, als das Wichtigste in ihrem Leben ansieht, als etwas, was nicht gefährdet oder auch nur vorübergehend zurückgestellt werden dürfe. Ziel aller Sehnsüchte solle sie selber bleiben, ewig jung und kerngesund – eine Attraktion voller sexueller Lockstoffe.

Eine berauschende Liebesnacht mit ihr soll die »Endstation Sehnsucht« sein, wie der deutsche Titel des Dramas von Tennessee Williams A Streetcar Named Desire lautet (in New Orleans gab es tatsächlich eine Straßenbahnlinie mit der Endhaltestelle »Desire«). Der sexuelle Höhepunkt wäre nicht etwa ein »Unterwegsbahnhof«, wie in ICE-Durchsagen immer die Zwischenstationen genannt werden, sondern schon das Ziel.

Aber sobald »diese Liebeserwartungen zum primären Motiv des Sichfindens und der Heirat der Ehepartner werden«, mahnte Helmut Schelsky schon 1955 in seinem Werk Soziologie der Sexualität, »muß ein Familienleben (…) diese Ansprüche enttäuschen«. Die »ursprüngliche Gemeinsamkeit der erotischen Erlebniswelt« reiche nicht aus. Sex allein, und sei es noch so »guter Sex«, kann nicht der Klebstoff sein, der eine Ehe zusammenhält. Erst recht nicht, wenn die Bedeutung der sexuellen Erfüllung überstrapaziert wird. Es muss noch etwas hinzukommen; im Alter muss etwas anderes an die Stelle der Sexualität treten können. Wenn es nicht Tradition, Sitte und Gesetz sind, dann ist es für Schelsky die gegenseitige Fürsorge.

Die Tragik heutiger Liebesbeziehungen liegt darin, dass die Fürsorge für Kinder und die Fürsorge füreinander im Alter von der Gesellschaft immer geringer gewürdigt, die Bedeutung der Sexualität hingegen immer höher veranschlagt wird.

In dem Lied Have You Ever Really Loved a Woman von Bryan Adams heißt es, dass der schmachtende Liebhaber bereits die ungeborenen Kinder – »unborn children« – in den Augen der Frau erkennt. Es passt eigentlich nicht zu dem Film Don Juan DeMarco, für den der Song geschrieben wurde, denn ein Don Juan (der sowieso nur eine fiktive Figur ist) will nicht eine Frau lieben, sondern möglichst viele besitzen und in deren Augen auch nicht nach ungeborenen Kindern Ausschau halten.

»Eine Mutter wird geboren, die Frau stirbt?« So dramatisch – wenn auch mit Fragezeichen – wird es in der Rheingold-Studie für die Firma Milupa beschrieben, die der »deutschen Angst vorm Kinderkriegen« auf die Spur kommen will und nachfragt, worin sie denn begründet sei. Da wird erwartungsgemäß die Sorge genannt, dass das »liebe Geld« nicht ausreichen könnte. Doch auch die Angst vor dem Rollenwechsel sei groß. Frauen verhielten sich nach der Geburt eines Kindes wie multiple Persönlichkeiten. »Einerseits möchten sie voll und ganz Mutter sein, andererseits aber auch als Frau keine Veränderungen zulassen und die attraktive Lebenspartnerin bleiben, die selbstständig ihren Weg geht, so als hätte sie gar kein Kind.«

Da die Frauen nicht willens oder fähig sind, in diesem Konflikt klare Prioritäten zu setzen, heißt das: Das Kind stört. Es ist der Mutter im Weg, die sich von ihrer alten Rolle nicht trennen mag, bei der es in hohem Maße um Sex und um sexuelle Attraktivität ging. Die Schlagzeile aus der Bild-Zeitung kann man auch umdrehen. Dann erkennen wir die heimliche Leitlinie unseres Lebens: »Lust da, Baby weg!« Hauptsache, wir haben unser Vergnügen.

Wenn man den Schlagerweisheiten glaubt, dann wollen Frauen sowieso »nur spielen«, sie wollen »fun«, wie es bei Cindy Lauper heißt, die fröhlich verkündet, was »girls« in Wirklichkeit wollen, »fun« nämlich, »that’s what they really want«. Sie wollen bloß ihr Vergnügen. Mehr nicht. Jedenfalls in der Freizeit.

Was wollen sie in der Politik? Auch das Vergnügen. So sieht es auf den ersten Blick aus. Doch wollen sie das wirklich? Die Journalistin Dale O’Leary war nicht nur auf der Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking, sie war auch bei den Vorbereitungstreffen, sie hat sich die Referate angehört, sie hat hinter die Kulissen geschaut und hat versucht herauszukriegen, was mit The Gender Agenda – so auch der Titel ihres Buches von 1997 – angestrebt wird; sie wollte wissen, was die mächtigen Frauen des Gender-Establishments wirklich wollen. Das Motto der Konferenz in Peking lautete bekanntlich »Handeln für Gleichberechtigung, Entwicklung und Frieden« – wer könnte dagegen sein? Es klingt, als wäre es von Herzen gut gemeint und letztlich harmlos.

Doch was wollen diese Frauen wirklich?

Dale O’Leary hat es zu fünf programmatischen Forderungen zusammengefasst, die das Programm des sogenannten Gender Mainstreaming erklären, das mit der 4. Weltfrauenkonferenz in die Welt gesetzt wurde. Dabei taucht immer wieder die Formulierung »die Welt braucht« auf. Das erinnert womöglich so manchen Alt-Hippie an den Song What the World Needs Now, in dem es heißt, dass die Welt vor allem Liebe brauche, »love, sweet love«. Aber um Liebe geht es nicht. Es geht um das Vergnügen, das uns winkt, wenn wir die Postulate des Gender Mainstreaming umsetzen.

Die Forderungen wirken in ihrer Maßlosigkeit so abwegig, dass man leicht verleitet wird, sie nicht ernst zu nehmen. Nimmt man sie jedoch ernst, erkennt man schnell eine finstere Anti-Utopie: Wir erkennen die Zerstörung der Familie und der Liebe; die fünf Punkte sind eine Beschreibung eines Endstadiums der Menschheitsgeschichte und eine verdeckte Kriegserklärung gegen Kinder.

Bei Dale O’Leary liest es sich so:

1.In der Welt braucht es weniger Menschen und mehr sexuelle Vergnügungen. Es braucht die Abschaffung der Unterschiede zwischen Männern und Frauen sowie die Abschaffung der Vollzeit-Mütter.

2.Da mehr sexuelles Vergnügen zu mehr Kindern führen kann, braucht es freien Zugang zu Verhütung und Abtreibung für alle und Förderung homosexuellen Verhaltens, da es dabei nicht zur Empfängnis kommt.

3.In der Welt braucht es einen Sexualkundeunterricht für Kinder und Jugendliche, der zu sexuellem Experimentieren ermutigt; es braucht die Abschaffung der Rechte der Eltern über ihre Kinder.

4.Die Welt braucht eine 50/50-Männer/Frauen-Quotenregelung für alle Arbeits- und Lebensbereiche. Alle Frauen müssen zu möglichst allen Zeiten einer Erwerbsarbeit nachgehen.

5.Religionen, die diese Agenda nicht mitmachen, müssen der Lächerlichkeit preisgegeben werden.

Nun will ich auch einen Satz bilden, in dem ein »müssen« vorkommt: Wir müssen aufhören, das lediglich für eine abseitige Spinnerei zu halten, die uns nicht betrifft. Vergleichen wir diese Grundforderungen von 1995 mit der realen Situation von heute, so können wir sehen, wie weit die Entwicklung schon vorangeschritten ist. Nicht etwa weil wir es so wollen, sondern weil Rahmenbedingungen geschaffen wurden, die diese Entwicklung steuern. Wer es auf Fördergelder abgesehen hat oder Applaus für seine Meinungsäußerung sucht, sollte die Punkte unbedingt beachten. Wer sich vor Strafe schützen will, ebenfalls.

Es geht nicht nur um Vergnügungen. Hier wird eine Drohkulisse aufgebaut, die sich nur notdürftig hinter dem Versprechen von »mehr sexuellen Vergnügungen« versteckt, es blitzt immer wieder die Bereitschaft auf, die Forderungen auch mit dem nötigen Nachdruck durchzusetzen – das heißt: mit gesetzlichen Regelungen und mit harten Strafen. Das Programm läßt keine Alternativen zu. Niemand muss ja sagen, aber wehe, jemand sagt nein! Das ist nicht vorgesehen. Man kann nur »Gefällt mir« anklicken.

Wer auch nur zu einem dieser Punkte – Gleichstellung, Abtreibung, Förderung von Homosexualität, frühkindlicher Sex, Quote, Vollzeit-Berufstätigkeit der Frauen und Religionsfeindlichkeit – in Opposition geht, begibt sich ins gesellschaftliche Abseits und gehört nicht mehr zur Konsensgesellschaft.

Das kleine Vergnügen

Für Kinder wird so ein Programm die Hölle auf Erden. Es wird ihnen von Anfang an deutlich gemacht, dass sie nicht gewollt sind. Sie werden nur noch gebraucht, um das 50/50-Quoten-Modell am Leben zu halten, das jeden Ergeiz und Leistungswillen unterdrückt und Arbeit zur bloßen Pflichterfüllung macht. Damit wird dem Motor, von dem unser kultureller und wissenschaftlicher Fortschritt abhängt, schon bald der Treibstoff ausgehen.

Der Geburtsfehler der Frauenpolitik liegt darin, dass die Frauen, die sich als »Agentinnen des Wandels« sehen, immer unter sich geblieben sind, damit ihr Weltbild nicht irritiert wird. Ihre Weltanschauung ist nur die halbe Wahrheit (die eine ganze Lüge ist). Sie nehmen die Weltsicht der Männer gar nicht erst zur Kenntnis, sie verkennen das Interesse der Männer am Wagemut, am Spiel und am Aufbruch ins Unbekannte; sie verstehen nicht, was an Dynamik verlorengeht, wenn die Wunschträume der Männer in Fesseln gelegt werden. Schon der kleine Wilhelm Busch wollte, dass er »zauberhaft fliegen und hupfen könnte, hoch in der Luft, von einem Baum zum andern«. Und er stellte sich vor, dass seine Angebetete »es mit ansähe und wäre starr vor Bewunderung«. So sind sie, die kleinen, die mittelgroßen und die großen Männer; sie wollen Höhenflüge wagen, wollen den Frauen gefallen und der ganzen Nachwelt und speziell ihren eigenen Kindern Außergewöhnliches hinterlassen.

Doch wenn das Arbeitsleben zum Dienst nach Vorschrift gerät, der beargwöhnt und überwacht wird, resignieren die Männer. Dann macht sich ein Schlendrian breit, wie man ihn aus der Endphase des Sozialismus mit seinen Propagandaschlachten um die Planerfüllung kennt. In Zukunft könnte es heißen: »Es geht wirtschaftlich bergab, aber unsere 50/50-Quote ist erfüllt.«

Das Privatleben wird ebenso lustlos werden. Es wird nicht nur Dienst, sondern auch Sex nach Vorschrift geben. Die kreative Spannung zwischen Mann und Frau wird abgebaut; es wird spannungslos werden – und langweilig. Schon die Kleinen werden einer zwangsverordneten Sexualisierung unterworfen, an der fremde »Tanten« und »Onkel« mehr interessiert sind als sie selber. Die werden ihnen den Spaß gründlich verderben. Ein Familienleben, wie wir es (noch) kennen, wird es in dieser Welt nicht mehr geben.

Die Liste mit den fünf Punkten, die Dale O’Leary aufgeführt hat, gibt uns einen Universalschlüssel zum Verständnis vieler aktueller Diskussionen an die Hand. Der Schlüssel öffnet mehrere Türen zugleich. Schlagartig wird dasselbe Ziel hinter den verschiedenen Themen erkennbar, als hätte jemand mit einem Hauptschalter auf der gesamten Etage Licht angemacht. Nun stellt sich heraus, dass so mancher Journalist oder Politiker, der lautstark nach neuen Wegen ruft, in Wirklichkeit nur brav einfordert, was längst beschlossen ist. So jemand ist alles andere als mutig. Er passt sich nur im vorauseilenden (oder nachtrabenden) Gehorsam der kommenden Einheitsmeinung an.

Das Gender-Programm kommt von oben, es geht top down. Es geht nicht etwa, wie uns eine treuherzige Vorstellung von Demokratie nahelegt und wie man es bei einem mündigen Wahlvolk, das seine eigenen Interessen an die Politik weiterleitet, erwarten sollte, von unten – also von der Basis aus – nach oben, sondern umgekehrt: Es geht von oben nach unten. Die Würfel sind gefallen, die Weichen sind gestellt. Wir werden nicht mehr gefragt, sondern nur noch manipuliert und immer weiter in die vorgegebene Richtung gedrängt.

Es sind nur kleine Vergnügungen, die uns die Gender-Agenda gönnt. Wir sollen nur ein bisschen Spaß haben – wie in dem Lied Ein bisschen Frieden von Nicole, nur der »kleine Hunger«, den man aus der Werbung kennt, soll gestillt werden. Es geht um die sparsamen Vergnügungen für Leute, die ihre Leidenschaft nicht mehr aus der Unterschiedlichkeit der Geschlechter beziehen, denn die Unterschiede zwischen Mann und Frau, die für den großen Spaß sorgen, werden abgeschafft.

Das heißt, dass es einen neuen Begriff von Sexualität geben wird. Wir sollen einem Partner zukünftig nicht mehr tief in die Augen blicken, um nach ungeborenen Kindern Ausschau zu halten. Die Bryan-Adams-Frage, ob man jemals eine Frau wirklich geliebt hat, wird demnächst nicht nur pauschal mit Nein beantwortet werden, es wird auch viele geben, die auf Nachfrage zugeben müssen: Ich bin nicht sicher, ob es überhaupt eine Frau war.

Wir neigen dazu, hochnäsig zu sein, unsere Kultur für überlegen zu halten und jede Literatur, die aus einem Teil der Welt kommt, den wir früher als die »dritte« bezeichnet haben, als literarisch minderwertig anzusehen, womöglich als Kitsch. Mit der Liebesgeschichte, vor der Morgendämmerung erzählt hat die vietnamesische Autorin Duong Thu Huong das Glück und Unglück eines Paares beschrieben, dem wir seine besondere Liebe herzlich gönnen, das aber aufgrund von Verwicklungen, die mit Frauenrechten und mit Beschlüssen der Partei zusammenhängen, nicht heiraten und keine Kinder bekommen darf. Die beiden müssen sich heimlich treffen, ihre Liebe ist so schön wie »frische Blumen in einer Vase«; ihre Liebe ist wirklich wunderschön, aber sie ist zugleich tieftraurig und schon halbtot, weil die Blumen, so anmutig sie auch sein mögen, in einer Vase keine Wurzeln schlagen können.

Auch wir sollen keine Wurzeln schlagen können. Das Modell der Gender-Agenda erinnert an die Bedingungen im Paradies oder an die Geschichte von Blaubart. Im Paradies war es Gott, der zu Adam und Eva sagte: Ihr dürft alles, nur eins nicht. Im Märchen war es der unheimliche Blaubart, der seiner Frau einen Schlüsselbund anvertraute, von dem sie alle Schlüssel ausprobieren durfte, nur einen nicht. Das Gebot von heute lautet: Habt noch mehr sexuelle Vergnügungen als bisher, aber kriegt keine Kinder.

Das heißt, dass wir uns auf Vergnügungen spezialisieren sollen, die nicht mit Zeugung verbunden sind. Deshalb soll es auch mehr Homosexualität geben, mehr Verhütung, mehr Abtreibung – mehr Pornofilme. Die werden zwar im Programm von Peking nicht ausdrücklich erwähnt, gehören aber ins Gesamtbild.

Pornos sind Propagandafilme gegen das Kinderkriegen. Eine Befruchtung findet ganz offensichtlich nicht statt. Dazu wird der bildhafte Beweis geführt; es gibt eindeutige Szenen, die zeigen, dass auf diese Art keine Kinder gezeugt werden. So wie neuerdings im Abspann mancher Filme zu lesen ist, dass »für diesen Film keine Tiere gequält« wurden, so könnte es im Abspann von Pornos heißen: »Bei den Dreharbeiten wurden garantiert keine Kinder gezeugt.« Dabei geht es fast ausschließlich um das »Instrumentarium« der Zeugung, das nun für andere Zwecke genutzt wird: zum bloßen Vergnügen, das damit allerdings zum zweifelhaften Vergnügen wird.

Die Filme folgen einem Schema, bei dem festgelegte Stationen durchlaufen werden. Sie erinnern an einen sportlichen Wettkampf, an einen Dreikampf – oral, genital, anal – bei dem wir zum Schluss nicht überrascht wären, wenn die Kamera auf eine Jury schwenkte, die nach Punkten wertet, wie sich das Paar in den drei Disziplinen geschlagen hat.

Auf zweierlei Weise wird damit eine gigantische Gleichmacherei vorangetrieben. Zum einen durch die unendliche Menge der weltweiten Porno-Produktionen, die immergleiche Szenenfolgen mit austauschbaren Darstellern vorführen, als würde ein Ideal von »ewiger Gleichgültigkeit« angestrebt. Zum anderen dadurch, dass die jeweiligen »Disziplinen« – wie beim Dreikampf Werfen, Springen, Laufen – als gleich bedeutend hingestellt werden, was sie nicht sind. Sie sollen aber so gesehen werden.

Wie auch immer wir uns sexuell betätigen und auf welche Art wir zum Orgasmus kommen, es soll stets gleichwertig sein.