Freidenker-Kosmos »Im Zeichen Orions« - Louis Eikemper - E-Book

Freidenker-Kosmos »Im Zeichen Orions« E-Book

Louis Eikemper

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Beschreibung

Die sechste Ausgabe von Louis Eikempers Freidenker-Kosmos erscheint unter dem Namen »Im Zeichen Orions.« In der neuen Bindung empfängt der Schriftsteller aus Frankfurt am Main die Leserschaft über 16 Kapitel mit Geschichten voller Tiefgang, Mystery, philosophischen Essays und Poesie.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhaltsverzeichnis

Freidenker-Kosmos

»Im Zeichen Orions«

Impressum

Louis Eikemper

Freidenker-Kosmos

»Im Zeichen Orions«

1st edition 2025

© Louis Eikemper

All rights reserved, in particular that of public performance, transmission by radio and television and translation, including individual parts. No part of this work may be reproduced in any form (by photography, microfilm or other processes) or processed, duplicated or distributed using electronic systems without the written permission of the copyright holder. Despite careful editing, all information in this work is provided without guarantee. Any liability on the part of the authors and the publisher is excluded.

Von hoher Kunst

"Kommt her und seht an die Werke Gottes, der so wunderbar ist in seinem Tun."(Psalm 66,5) Liebe Leserinnen und Leser, nun stellen Sie sich einmal folgendes Szenario vor: der Künstler Ihres Herzens lädt Sie ganz persönlich ein, um mit ihm seine wunderbaren Meisterwerke zu bestaunen. Ja, so malen Sie sich einmal aus, wie es wohl sein müsste, wenn Sie von Ikonen wie Leonardo da Vinci, Rembrandt van Rijn oder Pablo Picasso zu extra für Sie entworfenen und in die Realität gerufenen Ausstellungen geführt werden würden. Welch eine Ehre das doch wäre! Im eingangs zitierten Psalm aus den heiligen Schriften der evangelischen Christen, empfangen wir solch eine Einladung tatsächlich und von keinem Höheren, als dem größten und all ehrwürdigsten Künstler überhaupt! Wir erhalten sie vom großartigen Schöpfer dessen, was wir tagein, tagaus in unserer Umwelt bewundern und bestaunen dürfen. Gibt es unter uns überhaupt auch eine Person, die reinen Gewissens behaupten könnte, dass sie zeit ihres Lebens noch nicht sprachlos gemacht wurde, über all die unzählbar vielen Wunder, die sich unserem planetaren Kosmos ergeben?

Lasst mich hier nur etwas mehr als eine Handvoll Beispiele erwähnen, welche uns der größte aller möglichen Künstler jeden Tag aufs Neue in aller Hingabe darzubieten versteht. Wer am Horizont schon einmal die Sonne über dem rauschenden Meer hat aufziehen sehen - oder in den Bergen untergehen; wer sich die Einzigartigkeiten der schöpferischen Natur in all ihrer Vielfalt schon einmal hat bewusst werden lassen, wer sich gedanklich schon einmal zu den hohen Sternbildern gerichtet hat und den fröhlichen, wundersamen Zwitscher Gesang der Vogelarten entspannt belauschen konnte - ja, oder wer schon einmal staunen durfte, zum Beispiel über die Verwandlung einer kleinen, langsam kriechenden Raupe, die sich aus ihrem kunstvoll kreierten Kokon fein gewebter Seide als bildschöner Schmetterling erhebt, der mit wundervoll verzierten Flügeln über die grünen Wiesen, paradiesischen Gärten und blühenden Felder dieser Welt fliegt und alles, was ihm dort begegnet, mit seiner unglaublich ästhetisch anmutenden Erscheinung verzaubert. Wer die Kunst der Natur für sich zu erkennen weiß, der wird sicher mit Verständnis teilen können, dass die unendliche Größe und Güte des allmächtigen Schöpfers zu uns spricht - und in jedem Moment des Lebens mit Wärme durchströmt. Mit dem Zitat eines weiteren Verses aus den heiligen Schriften der evangelischen Christen (Jesaja 40,28), will ich das eben beschriebene in seliger Liebe bekräftigen: "Hast du es nicht erkannt, oder hast du es nicht gehört? Ein ewiger Gott ist der Herr, der Schöpfer der Enden der Erde. Er ermüdet nicht und ermattet nicht, unergründlich ist seine Einsicht." Das warmherzigste, höchst möglich schöne und wohl größte Meisterwerk der Liebe unseres allmächtigen Schöpfers ist neben den physischen Neugeburten von uns Menschen, die er ehrenvoll als Krone seiner Schöpfungen verheißt, auch die Kür seiner ewigen Gnade, welche er uns in der geistigen Geburt erweist - wenn wir uns ihm zuwenden, um gerettet und neugeboren zu werden. Diese Erlösung geschieht im Glauben an seinen eingeborenen Sohn auf Erden: Jesus Christus. Nehmen Sie Gottes Einladung dankend an, wenn er Sie so liebevoll beruft, um mit ihm all seine erschaffenen Wunder zu bestaunen. Er freut sich auf jede, so wie jeden von Ihnen - und nicht zuletzt alle Wunder, die Sie fortan an sich selbst geschehen lassen, sodass er auch für Sie eine neue Geburt (er)leben lässt.

Wünsch dir was

Nicht nur unsere westliche Gesellschaft bietet uns alles im Überfluss an und verteilt es nach dem Prinzip der Nachfrage - sondern auch unsere Seele. Energie ist omnipräsent - wie im Inneren, so im Äußeren. Die Welt in uns gleicht einer unendlichen Börse, in der wir wünschen dürfen - sobald wir gelernt haben, dass es nicht um das Suchen geht, sondern um das Freilegen. Wir investieren Energie, bevor wir sie empfangen. So erbauen wir unsere Welt gemäß unseren Vorstellungen; von innen nach außen - wir kreieren, bevor wir Gutes und Balance wahrnehmen.

Das Gesetz der Resonanz verheißt, dass man immer das anzieht, was einem gleicht - während sich Ungleiches abstößt. Gleiches wird durch gleiches sogar noch intensiviert; es resoniert - in etwa so wie beim Spielen des Klaviers. Betont man eine Taste auf dem Piano, so beginnen die gleichgestimmten Tasten ebenfalls zu schwingen, während die in einer anderen Frequenz gestimmten Saiten davon unberührt bleiben. Unsere Gedanken sind dem ganz ähnlich. Sie erstellen ebenfalls Energien, welche auf einer von uns gestimmten Frequenz schwingen. Was immer wir also denken, bringen wir mit Gleichschwingenden in Bewegung. Das funktioniert umgekehrt genauso - denn alles, was mit unseren Gedanken einher schwingt, bringt auch uns in Bewegung. Gedanken gleichen Magnetfeldern, welche all das anziehen, was ihnen ähnlich erscheint. Warum bekommen also in aller Regel jene, die bereits am meisten haben, noch viel mehr von allem Vorhandenen zugeteilt? Weil in ihrer Gedankenwelt Erfüllung vorherrscht - und nichts anderes existiert. Sie (er)leben in der Schwingung von Zufriedenheit, mit dem, was sie bereits besitzen.

Ist man zufrieden, so verläuft zusätzlich zu dem Glück, mit dem, was man hat, auch noch alles andere besser. Natürlich, da wir die Welt um uns herum mit positiven Augen wahrnehmen. Erst schöne Gedanken sind es, die eine positive Welt für unser Empfinden erschaffen. Wer zufrieden ist, dessen Sätze lauten also "Ich bin zufrieden" - und nicht etwa: "Ich will zufrieden werden." Der Kosmos unserer Welt empfängt und bearbeitet die Gedanken nach ebendiesem Prinzip. Ändern wir unsere Meinung und fühlen uns nicht mehr von der Liebe getragen, so beginnen wir noch im selben Augenblick alles mit einem viel kritischeren Blick zu betrachten. "Bestimmt liebt er mich nicht", "Ich bin nicht liebenswürdig" - "Sie betrügt mich bestimmt", oder "Die Welt hat sich gegen mich gerichtet." Entsprechend unserer gedanklichen Wünsche, die wir an unseren Kosmos entsenden, wird sich innerhalb weniger Zeit unser komplettes Erleben verändern. Die Quittung seiner Gedanken bekommt man - oftmals ohne sich im Klaren darüber zu sein, dass man selbst der Verursacher ist, welcher ihr Resultat gewünscht hatte. Wenn wir einen Tag lang bewusst auf unsere Gedanken achten, so werden wir wahrnehmen können, dass wir solche Wünsche/Befehle ständig innerlich aussprechen. Wir sind also eins mit der Schwingung, welche aktiv und passiv mit unserem gedanklichen Manifest resoniert - in allen Bereichen, ob nun positiv oder negativ geladen.

(Lebens)liebe

Ist es eine Kunst zu lieben? Nun, wenn die Ebenen von Liebe und die der Kunst eines gemeinsam haben, dann das sowohl der Liebende als auch der Künstler die Ebenen von Liebe und Kunst zuerst in sich selbst erkannt und begründet haben müssen, bevor sie überhaupt mit der Kraft ihrer eigenen Liebe bzw. der eigenen Kunst praktizieren können. Wenn die Liebe also eine Kunst ist, dann erwartet die Meisterschaft von ebendieser Kunst von ebenjenen, die sie ausüben möchten, dass man etwas von ihren Methoden in sich selbst verstanden hat und keine Mühen scheut, um sie mit der Welt zu teilen. Wie nach der Kunst suchen die meisten Menschen der heutigen Zeit auch in der Liebe einen Zufluchtsort, welcher ihnen das Gefühl gibt, verstanden zu werden, zu glänzen und aus dem Alltag in eine eigene Welt zu entfliehen. Den Menschen durstet es immerzu nach Liebe. Man sieht es nicht nur in der Vielzahl an Filmen, die von glücklichen oder herzzerreißenden Liebesgeschichten handeln, sondern hört es auch; in den bezauberndsten Schnulzen wie auch jedem noch so kitschigen Liebeslied.

Doch wer kommt am Ende von all der Unterhaltung in der Außenwelt auch wirklich auf die Idee, dass er an und in sich selbst zu beginnen hat, wenn er das Ausmaß der eigenen Befähigung zu lieben auch im eigenen Leben erfahren möchte?

Unsere Fähigkeit zu lieben trägt die Seele, wie die Füße unsere Körper tragen. Sie ist der Grund dafür, dass wir ins Leben gerufen wurden und somit auch die Antwort auf jede Frage, die sich uns im Lauf unserer menschlichen Existenz ergibt, wenn wir nach Wegen suchen, um eben nicht bloß zu existieren, sondern tatsächlich und wahrhaftig zu (er)leben. Jede Theorie über die Kraft der Liebe beginnt im Grunde also mit einer Theorie über die menschliche Natur an und in sich. Wenn wir die Liebe, oder alles, was der Liebe nahekommt, auch bei den Tieren finden, so sind deren Liebesbeziehungen zumeist Teil des Instinktapparats, der sich ihnen von Natur aus ergibt; während bei uns Menschen bloß noch Fragmente der ureigenen Ausstattung an Instinkten vorhanden zu sein scheinen. Im Einzelnen ist jeder von uns ein Teil des größeren Ganzen, welcher sich dem Kosmos der Erde ergibt. Auch wenn wir die weltlichen Gefüge wohl niemals ganz verstehen können, ohne sie dabei zu verlassen, haben wir uns mit der Erkenntnis von den transzendenten Ebenen der Natur im Wesentlichen über das Reich der Tiere und dessen instinktive Anpassungen erhoben - so meint man zumindest. Das nur die wenigsten mit dem Ansatz beginnen, dass man die Liebe in sich selbst ergründen muss, um geliebt zu werden, beruht auf der Einstellung, dass die meisten Menschen vom Wesen der Liebe zuerst erwarten geliebt zu werden, anstatt selbst zu lieben. Deshalb geht es für die meisten darum, wie man es erreicht "liebenswert" zu werden, ohne aktiv zu lieben. Um dahin zu gelangen, schlagen sie diverse Wege ein. Ein vor allem vom Maskulinum referierter Weg beläuft sich darauf, dass man seine Macht und seinen gesellschaftlichen Stellungswert monetär begründet. Während ein anderer, besonders vom Femininum bevorzugter Pfad um "liebenswert" zu werden darin mündet sich den Gesetzen der Ästhetik zu bedienen, etwa durch Kosmetik und andere optische Stilmittel, wie reizvolle Mode-Einflüsse. Sinnbildlich verstehen die meisten Menschen des modernen Kulturkreises unter Liebenswürdigkeit eine Fusion aus Macht und Sexappeal.

Doch warum denkt ein großer Teil der Masse, dass man nichts in sich selbst erlernen müsste, um wahrhaftig lieben zu können? Ich nehme an, dass die meisten es im Zuge des auf dem oben benannten, materialistischen Ansatzes, welcher sich über den Konsumgütermarkt begründet und der Gesellschaft ein kapitalistisches Gedankenkonstrukt schlichtweg aufzwingt, verlernt haben. Sie haben es verlernt in, mit und durch die eigene Seele zu blicken, um das Geschenk der Liebe und des Lebens wahrhaftig zu erfahren. Sie nehmen die Liebe wie ein Objekt wahr; und nicht etwa wie eine Fähigkeit. Das wiederum schließe ich auf die generelle, ganzheitliche Entwicklung der menschlichen, besonders westlichen Gesellschaft zurück. Blickt man im Verlauf der Geschichte zurück, um ein Resumé zu ziehen und beginnt dabei in etwa beim elften Jahrhundert - also dem Beginn der britischen Monarchie - schaut beispielsweise bis ins viktorianische Zeitalter und von dort aus bis zum Status Quo der Moderne, dann lässt sich erkennen, dass die Liebe den Menschen im Zuge kapitalistischer Hierarchien nicht wie ein Erlebnis deklariert wurde, sondern eher wie ein Tauschgeschäft. In vielen Kulturen, die sich im Zuge des genannten Zeitstrahls entwickelt haben, begann das Ganze bei Heiratsverträgen, welche zwischen zwei Familien, durch Heiratsvermittler oder auch unter der Hand abgeschlossen wurden. Vordergründig standen damals schon stets wie einzig die monetären Aspekte, über welche man seinen Stellungswert im Ansehen bemaß. Dabei wurde auf gut Glück spekuliert, unter der Annahme, dass sich das Wesen der Liebe nach der verhandelten Heirat für das Pärchen einstellen würde. In den Folgegenerationen hat sich das Konstrukt der romantischen Liebe dann fast schon zu einem generell verfügbar gemachten Allgemeingut klassifizieren lassen. Wenngleich in der westlichen Welt die Sympathien zur herkömmlichen Betrachtungsweise der Liebe nicht völlig abhandengekommen sind, befindet sich ein Großteil der Menschen doch auf der Suche, nach der oben benannten, objektbezogenen Liebe. Sie eifern nach einer individuellen Erfahrung der Liebe, die bestenfalls in der Eheschließung münden sollte. Diese verallgemeinernde Einstellung, welche die Bewertung von Freiheit und menschlicher Zuwendung als Mittel der zweckgerichteten Veräußerungen beinhaltete, hatte die Freilegung von der Bedeutung der Liebe als Objekt zur Folge - was ihren eigentlichen Ursprung, also einer von der Natur verliehenen Fähigkeit mit all ihren Funktionalitäten - noch weiter abschwächte. In unmittelbarem Zusammenhang damit steht ein weiterer elementarer Bestandteil vom Fundament des Charakters der modernen Liebeskultur. Wesentlicher Faktor, der das Verständnis unserer westlichen, kapitalistisch geprägten Gesellschaft gründet, findet sich hier bei der Freude am Kaufen und Konsumieren, also der Ideologie eines beidseitig einvernehmlichen Tauschgeschäfts. Ob man nun beim Surfen durch den mit Reizen überfluteten Daten-Ozean des Internets Online-Shopping betreibt, oder durch die Handelspassagen der Städte dieser Welt schlendert und sich die zahlreichen, zum Kauf einladenden Schaufenster ansieht, um sich alles was einen anspricht gegen Geld zu tauschen oder in Verbindlichkeiten zu takten - der Mensch scheint seine Glückseligkeit heutzutage in Rausch und Nervenkitzel zu suchen. Aus ähnlicher Perspektive blicken Mann und Frau augenscheinlich auch auf ihr persönliches Umfeld. Während er nach einer attraktiven Dame sinnt und darin eine Status-Symbolik definiert, findet sie ihren Attraktor in einem besonders gönnerhaften, bestenfalls mächtigen Gatten. Um als attraktiv verstanden zu werden, sind ein ganzes Paket an Attributen gefragt, die besonders im vom jeweiligen Zeitgeist indoktrinierten Trend stehen und auf dem (Personal)-Markt als erschwinglich gelten. Es hängt ganz von der aktuellen Mode ab, was das ist - sowohl in geistiger als auch in körperlicher Hinsicht. Bis zur Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts erwartete der Zeitgeist von den Frauen beispielsweise ein eher häuslicheres, zurückhaltendes Auftreten, während dem Mann ein besonders ehrgeiziges und dominantes Bildnis auferlegt wurde. Der Zahn der Zeit scheint sich in Bezug auf Frau und Mann fast gegenseitig ausgetauscht zu haben, wenn man auf den Wandel der modernen Liebeskultur schaut. Heutzutage gilt die selbstbestimmte, robuste, sexy Dame als besonders attraktiv, während ein sozial und toleranter eingestellter Herr eher den Vorzug bekommt, als ein dominanter, radikalerer Mann. Das Gefühl der Verliebtheit ergibt sich den Menschen augenscheinlich also nur unter Bezugnahme von Wertesystemen, für die man entsprechend angepasste Tauschmittel zur Verfügung stellt. Wenn ein Geschäft gehandelt wird, dann ist das Objekt der Begierde vorher vom Standpunkt eines gesellschaftlichen Wertes aus geltend gemacht worden und wurde vom Geschäftspartner nach Bedarf gehandelt. Genau so verlieben sich die Menschen in der breiten Masse auch ineinander, so scheint es. Wenn sie den Eindruck haben, dass sie das beste Objekt ihrer individuellen Bedürfnisse zu dem möglichst günstigsten Aufwand von eigenem Tauschwert verfügbar gemacht bekommen, dann werben sie um die Gunst der Partnerschaft des Anderen. Nicht zuletzt fließen hierbei auch (ähnlich wie bei Investitionen) oftmals individuelle Spekulationen um mögliche Entwicklungspotenziale mit in die Entscheidung für oder gegen die Beziehungen und Partnerschaften zu anderen Menschen.

In dieser Subkultur, die dem Anschein nach auf Marketing ausgerichtet funktioniert und in der kapitalistischer Erfolg den ranghöchsten Wert beigemessen bekommt, kann man sich also eigentlich kaum noch wundern, dass sich auch die menschlichen Beziehungen nach diesem übergeordneten Prinzip vom Waren- und Dienstleistungsmarkt gestalten; wo doch alles in unserem Kosmos per se kongruent und relativ zueinander existiert, bei gleichsam direkter wie indirekter Einflussnahme in, auf und zueinander.

Fragt man mich, so bleibt es zu guter Letzt jedoch eine Existenz in eingebildetem Irrtum, wenn man die Kunst des Liebens im ganzheitlichen Verständnis nicht für eine von der Natur verliehene, seelische Gabe erachtet, welche man im Lauf des Werdegangs als eigene Fähigkeit zu erkennen und zu kultivieren hat. Wir sollten uns darüber bewusst werden, dass die harmonische Liebe zum Leben eine Form der Kunst darstellt, in der wir Vollkommenheit nur über die Bereitschaft zu lernen finden können - so wie auch in allen Wissenschaften oder bildenden Künsten. Mehr als alles andere auf der Welt muss uns eben genau diese Meisterschaft, also die Kunst von der Liebe zum Leben, am Herzen liegen. Nichts sollte uns wichtiger sein, als diese Kunst!

Möglicherweise ist das auch die Antwort auf die Frage, weshalb der moderne Mensch die Form der Kunst von der Liebe des Lebens so selten für sich erkennt. Denn trotz der tief im Menschen verankerten Fähigkeit zum Wunder der Superkraft von Liebe, wird der wesentliche Fokus im Alltag auf Erfolg durch Prestige, Materialismus und Macht gelegt, anstatt sich dem Ziel zu widmen, die Kunst im eigenen Leben zu erkennen, zu verstehen und zu lieben.

Der erste Tag

Ludwig ging ein Stück beiseite, weg von den anderen, denn ihr Geplauder vermengte sich in seinem Verstand zu einem regelrecht monotonen Klang. Ob es bloß der Jetlag ihrer langen Anreise war, der ihn für das Besprochene derartig desinteressiert stimmte? Möglicherweise war es das gewesen, wenngleich er meistens auf Durchzug schaltete und in Gedanken verfiel, wenn alle durcheinander redeten. Insgeheim blieb er sich im Gefühl sicher, dass die Natur den Menschen nicht umsonst zwei Ohren und nur einen Mund verliehen hatte. Ludwig leitete daraus ab, dass es wohl wertvoller sein musste zuzuhören, als selbst zu sprechen - getreu des altbewährten Sprichworts: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.

Die Gruppe schien nicht einmal zu merken, dass Ludwig sich etwas zurückgezogen hatte - und wenn doch, dann wendeten sie nichts dagegen ein. Wie so oft schleppte er seine gesamte kreative Ausrüstung mit sich herum, für den Fall, dass ihm die Eingebungen unterwegs neue Inspirationen schenkten, welche er in Kunst verwandeln konnte. Inzwischen sagte man ihm nach, dass sie zu ihm gehörte - leibeigen, wie seine Arme und Beine. Hatte er sie einmal vergessen, war es beinahe, als fehlte ihm etwas Elementares; wenn er sein Zeichenset beispielsweise nicht mit sich führte, dann schlenderte er in aller Gewohnheit trotzdem so, als würde er es unter dem linken Arm tragen. Die hölzerne Malerstaffelei lehnte stets über der rechten Schulter, während seine Leinwände, Farbtuben und die Pinsel gemeinsam mit den Notizbüchern und dem Füllfederhalter in der Tasche lagerten, die er umgehängt hatte. Gewiss ließ sich aus diesem mittlerweile in ihm verankerten Automatismus herleiten, dass er in seiner seelischen Berufung als Künstler und Schriftsteller fündig geworden war - doch ebendiese unterbewusste Verknüpfung, welche auf seine Körperhaltung unnatürlichen Einfluss nahm, würde mit relativer Sicherheit auch nicht gesund für ihn enden; und dessen war er sich bewusst, wohl oder übel.

Leichtfüßig distanzierte sich Ludwig von der weitreichenden Lichtung, an der man ein großes Bienenhotel installiert fand, welches mit vielen, liebevollen Schnitzereien verziert worden war - und der Gruppe zuvor den Anlass für das Gespräch gegeben hatte. Gediegen lief er den Tiefen des Nibelungenwaldes entgegen, aus denen ihn die unverkennbar gut duftende, reine Waldluft einladend willkommen hieß.

Es war ein Apriltag gewesen - einer von jenen, die bereits die Wärme des nahenden Sommers ankündigten und zeitgleich noch Frühlingsfrische in sich trugen. Die Fusion aus Licht und Schatten, welche sich Ludwigs Wahrnehmung zwischen den vielen hochgewachsenen Bäumen, Sträuchern und Pflanzen ergab, wirkte magisch auf ihn ein. In unmittelbarer Reichweite bemerkte er einen Mückenschwarm, der sich in den durch die Wipfel einfallenden Sonnenstrahlen abzeichnete. Es war, als feierten sie deren Glanz in einem Tanz der heiteren Anmut. Beim Beobachten des Szenarios wunderte er sich einige Augenblicke darüber, dass die Bewegungen der kleinen, fliegenden Insekten aufeinander abgestimmt und einstudiert wirkten - so als folgten sie einem eingestellten Takt, wenn das Tageslicht grüßte. Die Tierchen erschienen Ludwig im Zauber des Moments fast verwunschen, wie Fabelwesen.

Der von Blättern, Moos und Baumrinde gepolsterte Waldboden unter seinen Füßen federte - hob er Ludwig doch bei jedem gelaufenen Schritt an. Nach einer Weile war er im Wald so tief vorgedrungen, dass seine Kollegen ihn nicht mehr sehen und er sie ganz und gar ausblenden konnte. Ludwig legte die Ausrüstung ab, streckte sich ausgiebig in die Länge und genoss dabei, wie seine Gelenke knackten und sich die verspannte Muskulatur dehnte. Als er den Karamell farbenen Rollkragenpullover über seinen Kopf zog, rutschte das weiße T-Shirt mit, was er darunter trug und setzte ein Stück von seinem Bauch frei. Den Pullover verband Ludwig in einem Knoten um die Hüfte, ehe er aufblickte und einen Abhang bemerkte, der nicht weit von ihm lag. Neugierig näherte er sich dem Punkt. Dort angelangt staunte er einige Momente über die Wunder der Natur, welche das Areal rund um den Nibelungenwald im Panoramablick einzuschenken wusste. Das Gebiet erstreckte sich einige Kilometer weit und verband die benachbarten Gemeinden von Fatum, Porta Fati und Amorem mit seinen Wanderwegen, die bis hinauf in das angrenzende Hieronymus-Gebirge leiteten. Ludwigs Bewunderung mündete in einem Gefühl der Verliebtheit, als er die mächtigen Berge sah, welche sich stolz gen Himmel reckten. Der fast zu flüstern scheinende Wind raschelte durch die Vielzahl der prächtigen, grünen Baumkronen, die in den verschiedensten Schattierungen von Smaragd und Oliv schimmerten. Die Sonne dieses Apriltages warf warmes, goldenes Licht auf sie, wodurch der lebhafte Glanz ihrer majestätischen Wipfel um so mehr betont wurde. In der Ferne bemerkte er das Glitzern des klaren, himmelblauen Wassers von Fatums Täufersee, dessen Oberfläche wie ein riesiger Spiegel einwirkte. Beinahe machte es den Anschein, dass sich in ihm nicht nur das Himmelszelt reflektierte, sondern auch alle anderen Eingebungen, welche die Natur ihren Betrachtern erwies. Je genauer Ludwig blickte, desto schärfer erweiterten sich seine Sinne. Er konnte die ruhigen Wellen des Sees hören, wie sie leise gegen die Ufer plätscherten. Die frische Luft fand Fülle im erdigen Duft des Waldes und vermischte sich mit dem süßen Aroma der zu dieser Jahreszeit üppig blühenden Wildblumen. Über ihm kreiste ein mächtiger Adler im Gleitflug seiner Schwingen. Er stieß eindrucksvolle Rufe in die Weiten, welche im Echo der Berge widerhallten und für jeden der Bewohner des Gebiets unüberhörbar verweilten. Ringsherum zwitscherten die nistenden Vögel fröhliche und muntere Gesänge und nicht weit von ihm registrierte Ludwig das sanfte Rauschen eines kleinen Baches, der sich seinen Pfad durch die Landschaft bahnte. Die Szenerie erschloss ein Fest für Ludwigs Sinne und schuf sogleich einen Ort der Ruhe und des Friedens, wo die Schönheit der schöpferischen Natur in ihrer reinsten Form auflebte.

Plötzlich riss ihn das laute Knacksen eines Zweiges aus dem Augenblick. Blitzschnell wirbelte er umher und versuchte ausfindig zu machen, was das Geräusch verursacht hatte. Ludwig erblickte die Silhouette einer Gestalt, welche hinter eine Lerche huschte, die etwa zehn Meter zu seiner linken empor gewachsen war."Hallo? Ist da jemand?", rief er aus. Eine Weile blieb es still. Die Gestalt verharrte hinter dem Baumstamm und regte sich nicht. Vorsichtig machte Ludwig zwei Schritte in Richtung der Lerche. Für den Bruchteil einer Sekunde lugte sie hinter dem Baum hervor, doch verschwand dann sofort wieder - in etwa so, als wollte sie Ludwig zum Versteckspiel herausfordern. Auch wenn er auf die Güte seiner Götter vertraute und das Schicksal zu lieben wusste, begann sein Herz mit einem Mal heftiger denn je zu pochen. Er ließ die Ausrüstung an Ort und Stelle liegen und ging weitere Schritte der Vorsicht auf die Lerche zu, wobei das Knistern und Knacksen der vielen verschiedenen, kleinen Äste, die den Waldboden bedeckten, jede seiner Bewegungen verriet. Damit das Wesen, welches sich hinter der Lerche versteckt hielt, auf keinen Fall den Eindruck bekam durch ihn gefährdet zu werden, zog Ludwig einen geschickten Bogen, während er auf den anvisierten Baum zulief. Endlich erfasste er die Gestalt in seinem Sichtfeld. Als sich ihre Blicke trafen, duckte sie sich sofort und gab über eine Abwehrhaltung zu verstehen, dass er bleiben sollte, wo er war. Ludwig hob die Hände und kehrte sie zu beiden Seiten, um dem Wesen zu deuten, dass er in guter Absicht kam. Aufmerksam musterte er es von Kopf bis Fuß und sollte vollkommen bezaubert sein, als er in dessen sonderbares Antlitz blickte. Es hatte bis zur Taille reichendes, engelblondes Haar und blinzelte ihm durch himmelblau leuchtende Augen entgegen, in schier übernatürlich funkelnder Anmut.

"Hey, du", stieß Ludwig leise hervor. Die Gestalt des Wesens wirkte in ihrer femininen Erscheinung zart, fast fragil und hielt sich sprungbereit auf den Zehenspitzen, sodass sie jederzeit bereit war zu fliehen, wenn er eine Bewegung machen sollte, die bedrohlich wirkte. Ludwig blieb stehen. Sie lächelte ihm schüchtern ins Gesicht. Bei genauerer Betrachtung fielen ihm die seltsam spitz ausfallenden Ohren auf, mit denen sie wachsam lauschte. Ihrem Rücken waren zwei perlmuttfarbene, schimmernde Flügel entwachsen, in denen die Sonnenstrahlen ultraviolett reflektierten. Ludwig staunte und rieb sich verwundert die Augen, um sicherzugehen, dass er nicht in einem Tagtraum versunken war. Die vielen Blätter der Lerche, welche wie ein hütendes Dach über dem zierlichen Kopf des Wesens im Winde raschelten, wogen sich im natürlichen Zusammenspiel vom einfallenden Tageslicht und den Schattenwürfen in ihrem blassen, von vielen kleinen Sommersprossen gezeichneten Gesicht.

Sie konnten den Blick nicht mehr voneinander abwenden, so schien es. An diesem schicksalhaften Apriltag sah Ludwig sie zum allerersten Mal - und es sollte der erste vom Rest seines Lebens werden, denn mit jenem magischen Moment ihrer Begegnung veränderte sich alles für ihn. Es gab den Ludwig, der er vor ihrem Aufeinandertreffen gewesen war - und den Mann, der er danach werden sollte.

Ein Freund fürs Leben

In Fatum gab es einst einen Mann, der dem Volksmund entsagt und es vorgezogen hatte abgeschiedener zu leben - getreu des Mottos, dass nur wer alleine wäre ganz sich selbst angehörte. Er war ein überaus feinfühliger Geselle gewesen - jemand, der die Welt mit anderen Augen sah und sich vom gewöhnlichen Standard unterschied. Wie so oft hatte der Pöbel der groben Masse zunächst wenig übrig für einen Typen, der sich in keinster Weise klassifizieren ließ. Bald schon galt der Mann als ausgegrenzter Sonderling, da die Gesellschaft der Menschen ihn in keiner ihrer eingebildeten Gedankenkonstrukte einzuordnen vermochte. Man wusste sprichwörtlich nicht so recht, in welche Schublade man ihn stecken sollte.

Mit all jenem Unrat der Leute entsprang dem Lauf der Zeit grausame Niedertracht. Hohn, Lästerei und Spott suchten den feinfühligen Mann heim, was ihn aus der Stadt vertrieb. So begab er sich auf die Mission einen Ort zu finden, an dem er sich verstanden und eines friedfertigen Lebens gewiss fühlte. Seine Intuition führte ihn rauf in die Weiten des hohen, an der Stadt grenzenden Hieronymus-Gebirges. Dort oben angelangt hatte er eine lange Weile der Geduldsprüfung zu bestehen, ehe er einen Ort entdeckte, an dem er sich wohlauf fand.

Eines frühen Morgens erreichte der Mann eine paradiesische Kaskade und er dankte seinen Göttern von ganzem Herzen dafür, da sie ihn genau zur rechten Zeit ereilte. Hier wusch er die Kleider, badete seinen Körper und trank aus der frischen Quelle, bis sein Durst gestillt sein sollte. Als alle Kleidung wieder getrocknet war und er eine gediegene Weile am Ufer ausgeruht hatte, beschloss der Mann sich die Felsen, aus denen der Wasserfall entsprang, genauer anzusehen. Hier fand er einen verborgenen, mit Moos bedeckten Eingang vor, aus dem ihn ein kalter, lauer Wind grüßte - und in eine dunkle Höhle leitete."An diesem Ort könnten mir hohes Glück und tiefes Grauen gleichermaßen geweiht sein! Entweder ich berge in dieser Höhle versteckt gelegene Schätze oder wecke eine schlafende Bestie.Da ich im Glauben manifestiere, dass alles, was mir zeit meines Lebens widerfährt, nur zu meinem Besten dienen kann, will ich gelassen bleiben und kein Unglück zu fürchten haben, wenn ich den Eingang zu dieser Grotte betrete. In aller Regel muss ein guter Mann ja auch nur dann seinen Mut sammeln, wenn er mit seiner Angst in Zusammenkunft steht.So gibt es wohl grundsätzlich zweierlei Betrachtungs- und Herangehensweisen, wie man sich dem Leben gegenüber besinnen kann, wenn es darum geht die eigene Komfortzone zu verlassen und ins Ungewisse aufzubrechen. Die einen streben nach den Schätzen der Welt und haben keine Scheu alles Notwendige zu tun, um sie sich anzueignen - während die anderen Risiken fürchten, welche sie dafür einzugehen haben", dachte der Mann ruhigen Gewissens, als er im Antlitz der Pforte stand - und passierte ihre Tiefen entschlossen.

Nach einiger Distanz, die er im leisen Echo seiner Schritte in der Höhle eingestiegen war, wich auch der letzte Sonnenschein in düsterer Finsternis. Zur Koordination tastete der Mann sich an den rauen Wänden entlang, wenngleich sie im Felsen recht unregelmäßig verliefen. Die Luft war erfüllt vom Duft der nassen Erde und wurde immer feuchter, je tiefer er voranschritt. In der Ferne konnte er die feinen Tropfen des Wassers spüren, welche von der Decke hinab fielen und es sollte nicht lange dauern, ehe ihm die ersten der kleinen, perlenden Platscher auf der Nasenspitze landeten. Nach weiteren Schritten, die er in den Ebenen der Höhle vorgedrungen war, hielt er inne, blickte auf und verharrte im Moment. Die Dunkelheit, die sich seinem direkten Sichtfeld ergab, wurde durch das mystisch schön funkelnde Leuchten der lumineszenten Gesteinsschichten und Mineralien erhellt. Mit genauerer Betrachtung erkannte er, dass sich nicht weit von ihm ein Felsvorsprung befand, welcher einige Meter nach unten reichte.

Plötzlich spürte der Mann, wie ein eiskalter Schauer seinen Rücken herunterfuhr. Je weiter er der Dunkelheit folgte, desto deutlicher wurde ihm bewusst, dass er in der Höhle nicht alleine war. Immer stärker und stärker wirkten die entsendeten Frequenzen eines weiteren Wesens auf ihn ein, dessen Präsenz ihn etwas Mächtiges erfahren ließ, dass geprägt war von Erhabenheit und unerschütterlicher Kraft. Erschrocken zuckte der Mann zusammen, als er ein tiefes Grollen hörte, welches über in einem wehleidigen Brüllen mündete. In all seiner unverkennbaren Natur musste es der Klang eines Löwen gewesen sein, so schien er sich im Gefühl wohl gewiss. Kaum etwas war doch so einzigartig, wie die einmalige Anatomie vom König der Tiere, dessen legendäre Laute sich über die Stimmlippen und die Bewegungen des Suspensoriums begründeten. Gerade wollte der Mann umkehren und um sein Leben fliehen, als er registrierte, dass sich das große Wesen in der Dunkelheit nicht etwa bedrohlich auf ihn zu, sondern von ihm weg bewegte. Es wirkte in seiner Motorik überaus schwerfällig - beinahe so, als würde es nur mit drei statt vier Pfoten auftreten können. Er hielt den Atem an und staunte in gebannter Bewunderung, als der König der Tiere sich ihm in seinem ganzen, prächtigen Erscheinungsbild erkenntlich gab. Die starke, hoheitlich anmutende Großkatze war zu dem Felsvorsprung gelaufen und streckte den kräftigen Körper, welcher dank des Leuchtens der lumineszenten Vorkommnisse einen mächtigen Schatten an das Innere der Höhlenwände warf. Sofort bemerkte der Mann, dass das Tier ihn um Hilfe ersuchte. Vorsichtig und ohne den Blick von ihm abzuwenden, lief er langsam auf das große Wesen zu und erkannte unweigerlich, dass dessen linke Tatze sehr geschwollen und entzündet zu sein schien. Mitleidig und in allem buchstäblichen Löwenmut untersuchte er die Pfote genauer und stellte fest, dass ein spitzer, scharfkantiger Kristall im Ballen des Tieres steckte. Behutsam zog er diesen heraus, legte ihn bei Seite und wusch die blutende Wunde mit dem Wasser sauber, dass er zuvor an der Quelle geschöpft hatte. Der Mann verband die Tatze des Löwen mit einem Stück Leinen, dass er von seinem Hosenbein abriss. Als er mit dem Verarzten des Tieres fertig war, stieß die majestätische Katze ein tiefes, dankbares Grollen hervor und schmiegte den mächtigen Körper gegen den Mann, sodass er augenblicklich aus der Balance gehoben wurde. Von diesem Tage an wurden die beiden zu den besten Freunden. Auch als die Verletzung des Löwen längst abgeheilt war, blieben sie noch zusammen in der Höhle. In aller Selbstverständlichkeit teilte das Tier jeden der eigenen Beutefänge mit seinem Freund und begleitete ihn auf dessen Expedition durch das Höhleninnere treuselig, wie ein Hund.

Eines Tages war es jedoch so weit gewesen, dass der Mann das Gebiet vollständig erforscht hatte und bei der Sehnsucht nach der Zivilisation von Menschen gepackt wurde. Er hielt es in der Dunkelheit nicht mehr aus, sodass er sein sicheres Versteck verließ - still und leise, als der Löwe im Schlaf versunken war.

Doch wie es sein Unglück wollte, wurde er auf dem Rückweg nach Fatum sogleich von den Stadtwachen erkannt, die um seinen Bruch mit der Gemeinde in Kenntnis gesetzt waren - und ihn augenblicklich in Ketten legten. Sie nahmen ihm alles, was er hatte und gaben den Katzenfreund weiter in die Verwaltung der städtischen Sklavenhändler. Dort blühte ihm das denkbar schrecklichste Schicksal, was einem zur Gefangenschaft in dieser Zeit erwarten konnte. Zur Warnung für andere Rebellen und Sonderlinge, die sich an ihm ein Beispiel nehmen wollten, wurde er beim nächsten von Fatums Gladiatorenkämpfen den wilden Tieren zum Fraß vorgeworfen.

Bald schon war sein Tag gekommen. Der Teil der Gemeinde, welcher an diesem entsetzlichen Schauspiel Freude fand, drängte sich förmlich um die besten Sitze auf den steinernen Rängen des oval ausgerichteten, kolossalen Theaters. Die exotischen, wilden Tiere brüllten kampflustig vor Hunger in ihren eisernen Käfigen und fletschten bereits die Zähne, als die Wachen den Mann in das innere Areal der Kampfarena stießen und einen der großen Löwen auf ihn losließen.

An diesem Tage sollten jedoch Zeichen und Wunder geschehen, welche den Menschen in Erinnerung überdauerten. Der zuvor noch blutgierig brüllende Löwe veränderte vom einen auf den anderen Moment den ganzen Ausdruck, welcher in seinem hoheitlichen Großkatzengesicht zu lesen war. Mit dem Schweife wedelnd legte er sich demütig zu Füßen des Mannes und schleckte dessen in Ketten gelegte Hände, die er fast zart umgarnte. Eine Expression der Freude wandelte über seine Miene. Es war kein Geringerer als des armen Mannes alter Freund aus der Höhle!

Ein ganzes Momentum des stillen Staunens verging, dann aber brachen die Ränge in einem Sturm des Applauses aus. Jubelnd verlangten sie um Gnaden und darum, dass das Leben des Sklaven verschont werden sollte. Doch es kam noch viel besser! Der Magistrat der Gemeinde Fatum ließ den Mann vortreten - und als dieser die Geschichte von der Loyalität und Dankbarkeit des starken Löwens berichtete, befahlen die Stadthalter im Herzen ergriffen: "So schenkt beiden die Freiheit zu leben - dem Katzenfreund und dem Löwen!"

Der Glücksschmied: Ein Stein auf dem Herzen

Daniele ehrte die Atmosphäre der traditionellen Stadtfeste, den Trubel der Gemeinde und oftmals auch den Lärm, ihren Schimmer von Glanz und nicht zuletzt all die verliebten Blicke, welche man seiner Erscheinung zuwarf. Oftmals hatte er bitter über die Monotonie des einsamen, aus seiner Perspektive fast nihilistisch anmutenden Alltags geklagt, der sich dem Dasein als Schüler der Glücksschmiede ergab - und es gewagt die Behauptung in die Welt zu setzen, dass die Lehrlinge anderer Meister viel lustiger lebten, als die des hohen Glücksschmieds es taten. So auch an diesem Dienstag wieder, zur Mittagszeit.

Der Meister hörte die Klagen und Vorwürfe seines Schülers geduldig an, fuhr ihm mit der gewohnten, feinfühligen Geste von Gebärde durch die langen, weichen Locken und sprach gutmütig: »Sei getröstet, Daniele. Ich verspreche, so wahr ich hier vor dir stehe, dass ich dich zum nächsten großen Stadtfest, auf das ich eingeladen werde, mitnehme. Soll ich dir zur Erheiterung eine Parabel erzählen?«

»Ja, hoher Glücksschmied!«, freute sich Daniele, als er zum Meister aufschaute.

Der Meister erzählte: »Rings um einen hohen Hügel, welcher mit dem Blick auf eine weit blühende Landschaft und in einem paradiesisch angelegten Garten thronte, war es einst gewesen. Hier, an diesem Ort, der mit diversen Obstbäumen, reichlich grünem Moos, einer Vielzahl von wunderschönen Blumen und Gräsern sowie einem tiefen Teich zu beeindrucken wusste, lag ein herzförmiger Peridot - einsam und allein. Einmal sah er vom Hügel runter zur Landstraße, wo er andere Steine erblickte - und verspürte Lust, zu ihnen hinabzusteigen. So sprach er in Gedanken zu sich selbst: "Sag, welchen Mehrwert von Freude versprühen mir diese verzärtelten, vergänglichen Wildblumen und Gräser überhaupt noch? Besser wäre es wohl, wenn ich unter meinen Nächsten weile. Unter meinen Brüdern und Schwestern, die wie ich anmuten - unter anderen Steinen, die meinesgleichen sind!"So kam es, dass der Peridot zur Landstraße hinunterrollte - zu denjenigen, die er seine Nächsten und Geschwister nannte. Doch kaum war er dort angelangt, ereilte ihn das blanke Entsetzen! Hier erdrückten ihn die Räder der schwer beladenen Wagen, die Hufe voll bepackter Esel und Zugpferde; wie auch die dreckigen Schuhe und Stiefel der vielen, unzähligen Fußgänger. Manchmal gelang es ihm zwar, sich wieder etwas zu erheben und frei aufzuatmen - doch wenn er sich erhob, dauerte es zumeist nicht lang, ehe ihn klebriger Kot und Unrat der unachtsamen, umher streunenden Tiere bedeckte. Bald schon blickte er reuevoll und wehmütig zu seinem einstigen Heim hinauf - zu der einsamen Stätte, die sich rings um den hohen Hügel für ihn ergeben hatte. Ja, jetzt erschien sie ihm wahrhaft wie ein Paradies auf Erden.« Daniele staunte mit leuchtenden Augen und war in einer Art der Trance verfallen, als er dem Meister gespannt gelauscht hatte - ehe dieser schließlich ergänzte: »Merke, Daniele: genauso ergeht es jenen, die ihren stillen Frieden freien Willens aufgeben, um sich in die ewig böse Unbescheidenheit der Menge zu stürzen.«

Ultra Porta

An jenem tristen, entlegenen Ort in der Eiswüste von Ultra Porta gab es zahlreiche Möglichkeiten, um das zeitliche zu segnen. Der Polarforscher Ezequiel Cor hatte den Gefahren dieses sagenumwobenen Areals jahrelang die Stirn bieten können und war immer wieder mit einem blauen Auge davon gekommen - doch dieses Mal sollte ihm ein Schicksal blühen, dass ihn vollkommen unvorhergesehen ereilte. Das Quartett der Samojeden, welches Cors Schlitten mit den Seismografen quer durch die von meterdicken Schneeschichten durchflutete Kältewüste des Grenzgebiets zog, hielt plötzlich an - und wandte sich mit den Blicken gen Himmel. "Hey, ist alles in Ordnung?", stutzte Ezequiel in Richtung seiner Hunde, als er sich aus der Versenkung des Schlittens erhob. In der Gegend hatte sich ein dichtes Wolkengeflecht breit gemacht, welches von einem glänzenden, platinfarbenen Objekt durchbrochen wurde, dass ihm in der Form einer Scheibe erschien. Es reflektierte das spärlich einfallende Sonnenlicht und mutete beinahe wie ein leuchtend strahlender Stern an, als es sich in sanften, geschmeidigen Kreisen auf ihn zu bewegte, die nicht von dieser Welt waren. Zunächst schwebte das Flugschiff still über Ezequiels Kopf hinweg, dann jedoch begann es zu beschleunigen und zog eine kurvenreiche Bahn entlang des Himmelszeltes. Er vernahm ein Kribbeln in der Magengrube, während er das Szenario fasziniert und gleichzeitig verängstigt bestaunte. 

Die Geräusche in der Umgebung waren so still, dass er das leise Surren des Ufos vernehmen konnte, welches fast wie ein sanftes Brummen auf ihn einwirkte. Plötzlich sendete das Objekt einen Lichtstrahl aus, der den Schnee unter Ezequiel erhellte und eine seltsame, fast hypnotisierende Atmosphäre aufklaren ließ. Er konnte kaum glauben, was er sah - und sein Herz begann regelrecht zu rasen.

So vergingen einige Minuten im Gefühl von einer Ewigkeit, ehe er registrierte, dass die Zeit um ihn vollkommen aufgehoben zu sein schien. Cor rätselte, ob all das gerade wirklich geschehen oder es nur eine Illusion gewesen war. So weit westlich hatte er noch nie ein Objekt am Himmel gesehen. Die Maschine landete etwa zwanzig Meter weiter und wirbelte Cor eine kristalline Wolke aus Eisschnee entgegen. Eine Luke öffnete sich am Bug des Ufos. Zwei mit Sturmpistolen bewaffnete Männer in Mitternacht-blauer Allwetteruniform sprangen heraus und schritten zielgerichtet auf ihn zu. "Sind Sie Ezequiel Cor?", sprach einer der Herren. "Ja, wieso? Woher haben Sie meinen Namen?", fragte der Polarforscher verblüfft. "Wer sind Sie denn überhaupt, wenn ich fragen darf?" "Keine Fragen, Herr Cor. Taten brauchen wir von Ihnen, nichts weiter. Holen Sie bitte Ihr Funksprechgerät heraus", antwortete der andere der beiden entschlossen. "Moment einmal, wie bitte?" "Nun auf! Machen Sie schon. Wir haben nicht ewig Zeit." Cor gab klein bei, bevor er das Funkgerät aus seiner Manteltasche zog. "Wozu brauchen Sie den Funk?", fragte er zögerlich und fuhr die Antenne des Gerätes aus. "Nochmals zum Verständnis für Sie: keine Fragen! Wir brauchen Taten von Ihnen." Cor spürte einen leisen Anflug der Verunsicherung in sich aufsteigen, als sein linkes Augenlid enerviert zuckte.

"Stellen Sie die Frequenz auf 111 Kilohertz."111? Cor verschlug es die Sprache. Auf dieser Resonanzebene, welche wie die Teslaspulen im niedrigen Hochfrequenzbereich lag, konnte kein Mensch etwas empfangen. Aufgrund der Impulsnatur des Funkens würde sie breitbandiges Rauschen erzeugen und ohne Abschirmung eine Quelle für Funkstörungen darstellen, welche den Empfang im näheren Umkreis erheblich beeinträchtigte. Der zweite der beiden hob seine Maschinenpistole und richtete den Lauf gegen die Schläfe Ezequiels. "Sie tun jetzt besser genau das, was wir Ihnen befehlen, Herr Cor." Der Partner zückte ein Notizbuch mit gelb-goldenem Einband aus seiner Tasche, öffnete es und riss eine der Seiten heraus. Mit emotionslosem Gesichtsausdruck präsentierte er ihm den Zettel, auf dem eine Nachricht in gespiegelter Schrift geschrieben stand.

"Moment einmal, ist das Spiegelschrift?", stutzte Cor verwundert. "Sind Sie schwer von Begriff? Keine Fragen! Lesen und sprechen Sie die Nachricht genauso wie Sie auf dem Zettel steht, Cor." Mit eingeschüchterter Stimmlage übermittelte Ezequiel die seltsame Nachricht in das Gerät hinein. "Sehr gut, Cor. Braver Polarforscher!", schnalzte der Mann, ehe er hinzufügte: "Und jetzt steigen Sie mit uns in das Flugschiff. Wir sollten hier schleunigst verschwinden." "Warten Sie! Ich muss in die andere Richtung. Meine Samojeden sind schon den halben Tag mit mir unterwegs und haben sicher Hunger - so wie ich! Bitte lassen Sie mich gehen. Nehmen Sie das Funkgerät gerne mit, wenn Ihnen das helfen sollte", antwortete Cor empört. Der zweite der beiden Uniformierten hob erneut seine Pistole und richtete Sie auf Ezequiel, der ihm völlig verängstigt entgegenschaute. Unter vorgehaltener Waffe der Männer schob dieser den Schlitten samt den sich sträubenden Vierbeinern die Ladeluke rauf - und in die Frachtebene des Flugobjektes hinein. Der Raum erschien Cor im ersten Eindruck überaus weitläufig und architektonisch gut organisiert worden zu sein. Verschiedene Fächer und Halterungen boten mehr als genügend Platz für alle Ladung, die man darin verstauen wollte. Die Wände bestanden aus einem glatten, metallischen Material, dass graublau schimmerte. Sie waren von diversen leuchtenden Anzeigen und Kontrollpaneelen bestückt, welche die Fracht überwachten; und den Zustand des Ufos anzeigten.  Die Beleuchtung schien dezent und erhellte den Raum ausreichend, ohne allzu sehr zu blenden. Insgesamt wirkte das Innere des Objekts sehr funktional, mit einem Hauch von futuristischem Design, dass auf Effizienz und Sicherheit ausgelegt worden war. Als Ezequiel einstieg, starteten auch schon die Motoren des Flugschiffes. Sie hoben ab in Richtung Norden.

"Wer sind Sie überhaupt?", sprach er den Uniformierten zu. "Und was hatte diese Notiz zu bedeuten, die ich an das Signal senden sollte?" Die Männer ignorierten ihn stillschweigend. Je weiter das Flugobjekt an Höhenlage zunahm, desto verängstigter schienen Ezequiels Samojeden zu werden, die immer noch in ihrem Geschirr waren - und allmählich anfingen zu winseln. Als das Schiff über Ultra Portas Eismeer hinwegflog und rund 800 Meter Höhe erreichte, legte es sich in eine steile Kurve. Unversehens standen die beiden Uniformierten auf, packten den schwer beladenen Schlitten und schoben ihn in Richtung der Ladeluke. "Halt, warten Sie! Was tun Sie denn da?", rief Cor entsetzt, ehe sich die Tür öffnete. Unter Schockstarre hatte er zuzusehen, wie seine Samojeden sich um das eigene Leben bellend und bangend gegen das Gewicht stemmten. Nur einen Moment später verschwanden sie in den schneebedeckten Tiefen, welche sich direkt unter ihnen auftaten. Ezequiel sprang vom Jähzorn gepackt auf und in Richtung der Männer. Gerade wollte er mit den Fäusten auf den ersten der beiden einschlagen, als dieser in letzter Sekunde auswich - und sein Partner ihn mit einem kräftigen Tritt gegen den Piriformis-Muskel aus der Balance hob. Cor stolperte nach vorne - und sah sich nur eine Sekunde später ebenso den Abgründen der eisigen Tiefen Ultra Portas entgegenfliegen, in denen ihn die bittere Kälte das eigene Ende grüßen ließ ...

Im Zeichen Orions

Unzählbar viele Omen hatten genau diesen Moment vorher gedeutet. Deshalb wusste Caterina bereits in den frühen Morgenstunden, noch bevor sie das eilige Hämmern an ihrer Wohnungstür vernahm, dass dieser Tag ihr Leben wohl für immer verändern würde. Seit Wochen hatte sie ebenjene Zeichen vernommen, die bei ihren luziden Träumen begannen, welche von einem brüllenden Löwenjungen unter blutrot getränktem Himmelszelt reichten - bis hin zu einer schwangeren Frau, der die Geburt vom Retter der Welt aufgetragen worden war. In den Laubwäldern südlich von Fatum hatte ein Ozelot mit zwei Schädeln das Licht der Welt erblickt und in den Straßen der benachbarten Gemeinde von Amorem erzählte man sich neuerdings, dass der hohe Rat der Götter die anstehende Geburt des Erlösers prophezeite.

---ENDE DER LESEPROBE---