Fremdgesteuert - J. U. Pope - E-Book

Fremdgesteuert E-Book

J. U. Pope

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Beschreibung

Laura landet mit dem Flugzeug in der Wüste in einer Zwischenwelt zwischen Wachen und Schlafen. Sie wird zu der Rebellin geführt, während ihr Bruder Leo in Gefangenschaft gerät. Über eine Kappe wird er für die Machenschaften der Wächter Fremdgesteuert. An einer verbotenen Liebe droht die Befreiung aller zu scheitern.

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Inhaltsverzeichnis

Impressum

Das Flugzeug

Im Sand

Auf dem Flugplatz

Zwischenwelt: Die Graukappen

Im Baumhaus

Paulas Rückblick

Im Baumhaus

Die Wächter

Im Saal

Die Wächter

Die Pflegekraft

Reale Welt: Emma

Zwischenwelt: Emma

Im Wohntrakt

An der Lagune

Auf der Krankenstation

Im Saal

Reale Welt: Montago

Zwischenwelt: Mia

Leo

Auf der Krankenstation

Reale Welt: Uniklinik

Der Plan bröckelt

Uniklinik

Zwischenwelt

Paula

Reale Welt: Unikliniksaal

Zwischenwelt: Leo

Mia

Simon

Reale Welt: Unikliniksaal

Auf der Suche

Epilog

Danksagung

Über die Autorin

J. U. Pope

Graukappen

Verschwunden in der anderen Dimension

All Age Thriller

Impressum

Der vorliegende Text darf nicht gescannt, kopiert, übersetzt, vervielfältigt, verbreitet oder in anderer Weise ohne Zustimmung der Autorin verwendet werden, auch nicht auszugsweise: weder in gedruckter, noch in elektronischer Form. Jeder Verstoß verletzt das Urheberrecht und kann strafrechtlich verfolgt werden.

1. Auflage, 2024

© 2024 J.U. Pope – Alle Rechte vorbehalten

Julia Conrad, Sylter Bogen 35, 24107 Kiel

www.jupstexte.de

ISBN: 9783757966829

Inhaltsverzeichnis

Das Flugzeug

Die Sitze in diesen Kurzstreckenflugzeugen wurden immer enger. Laura versuchte verkrampft, ihren Gurt festzuschnallen.

»Oh Mann, Leo, rutsch mal n Stück, ich komm gar nicht an meinen Anschnaller!«, ranzte Laura ihren stocksteifen Bruder an.

Widerwillig rutschte dieser auf die vordere Sitzkante.

»Ich will aber am Fenster sitzen!«, nörgelte er.

»Du sitzt immer am Fenster! Heute bin ich mal dran!«, ihr Bruder nervte sie mal wieder.

Diese ganze Fliegerei ging ihr auf die Nerven. Doch seit Papa auf El Hierro wohnte, war das zu einer Art Routine geworden. Zwar fuhr eine Fähre auf diese westlichste Kanareninsel, aber die Überfahrt dauerte ewig. Außerdem war es billiger mit einer dieser kleinen Bintermaschinen zu fliegen, die zwischen den Inseln pendelten.

Mama hat gesagt, Papa sei aus »beruflichen Gründen« umgezogen. Dabei wusste Laura genau, dass da diese andere Frau mit im Spiel war. Er versuchte, es zu verheimlichen, aber ey, sie war ja nicht doof.

Und jetzt flogen sie in den Ferien wieder auf diese langweilige Insel, auf der sie jedes Vulkangeröll auswendig kannte. Lange machte Laura das nicht mehr mit. Alle ihre Freunde durften schon allein verreisen, sie war schließlich gerade neunzehn geworden und kein Baby mehr. Nur ihre starrköpfigen Eltern bestanden darauf, dass sie mitflog.

Jetzt jedenfalls saßen sie und ihr Bruderherz schon wieder in so einem unsäglichen Flugzeug. Und Laura war gezwungen, sich abermals um Leo zu kümmern, ihren anhänglichen Bruder. Sie hatte es satt, seine Aufpasserin zu sein.

Als Leo geboren wurde, war Laura selber erst zwei Jahre alt gewesen. Im Kindergarten hat er sich schon an seine große Schwester geklammert, alles Fremde war ihm unheimlich vorgekommen. Laura liebte ihren Bruder über alles. Sie waren unzertrennlich. In der Schule war sie stets an seiner Seite. Nur wenn sie nachmittags in den Reitstall verschwand, war sie für sich. Dort fühlte Leo sich nicht wohl, die Pferde waren ihm zu unberechenbar. Lauras Herz aber hing an diesem Stallgeruch, an diesen Vierbeinern. Leo verbrachte seine Freizeit überwiegend vor dem Computer.

Heute sollten sie nun wieder zu ihrem Vater fliegen. Ihre Mutter brachte die Geschwister zum Flughafen. Sie checkten ein. Leo folgte mit seinem Scheuklappenblick seiner Schwester dicht auf den Fersen. Es war, als hielte er die Luft an, bis sie endlich auf ihren Plätzen im Flugzeug saßen. Diesmal saßen sie direkt bei den Notausgängen. Und heute bestand Laura mal darauf, am Fenster zu sitzen. Ihr lästiger Bruder nörgelte. Wütend drehte sie sich von ihm weg. Die Türen schlossen sich. Alle Passagiere hatten sich auf ihren Plätzen niedergelassen und sich angeschnallt, wie es das blinkende Zeichen von ihnen verlangte. Erwartungsvoll warteten sie auf dieses Brummen, das Vibrieren des Flugzeugs, wenn es in den Startlöchern stand. Die perfekt gestylten Flugbegleiterinnen begannen mit ihrem Sicherheitstheater, Schwimmweste an, Notausgänge hier, Notausgänge da. Immer freundlich lächelnd.

»Sollte sich Ihre Schwimmweste nicht von selbst aufblasen, pusten Sie bitte in dieses Röhrchen.«

Synchron deuteten die beiden Flugbegleiterinnen im Gang das Aufpusten an. Laura musste sich zusammenreißen, um nicht laut loszulachen. Die Damen verstauten ihre Requisiten wieder und verschwanden nach vorne. Das Flugzeug hatte noch immer nicht die Triebwerke gestartet.

Die Stimme des Kapitäns klang grell über die Lautsprecher:

»Leider können wir nicht starten. Es gibt Probleme mit der Startbahn. Bitte bleiben Sie ruhig auf ihren Plätzen sitzen.«

Verwirrt sahen sich die Passagiere um. Die Leute an den Fenstern versuchten, draußen etwas zu erkennen. Durch die Scheiben war nur Sand zu sehen, jede Menge Sand. Und komische zottelige Tiere, die aussahen, wie aus der Form geratene Pferde.

Ein Schreck zuckte durch die Reihen, plötzlich öffnete sich die Bordtür. Es erschien zuerst ein Hirtenstab, dann eine Frau mit einem Schlapphut. Sie stank fürchterlich nach Kuhmist.

»Bleiben Sie sitzen!«, befahl sie den Fluggästen.

Sie drehte sich um, öffnete die Toilettentür und verschwand dort. Die Passagiere verharrten starr auf ihren Plätzen. Die Tür flog wieder auf, die Frau mit dem Schlapphut kam heraus. Suchend checkte die Fremde das Innere des Flugzeugs ab. Ihre Augen blieben an Laura hängen. Sie durchbohrte sie geradezu mit einem stechenden Blick. Dann drehte die Hirtin sich wieder um und verschwand aus der Flugzeugtür.

Hektisch sprangen die ersten Passagiere auf. Jetzt hielt sie nichts mehr auf ihren Plätzen. Laura saß zum Glück direkt am Notausgang und hatte die Tür schnell geöffnet. Der Bauch des Fliegers war so tief in den weichen Sand eingesunken, dass das Fahrwerk komplett verschwunden war. Benommen von dem intensiven Blick dieser Schlapphutfrau ließ Laura sich wie in Trance fallen und stampfte direkt auf die Vierbeiner zu, die um das Flugzeug herumstanden. Sie vergaß alles um sich herum, sogar ihren Bruder und fühlte sich magnetisch von diesen ungewöhnlichen Zotteltieren angezogen.

Aus den mit filzigem tiefbraunem Fell bewachsenen Köpfen wuchsen drei Ohren, ein rundes Auge saß mitten auf der Stirn. Laura hockte sich hin, streckte eine Hand aus, wie sie es zu Hause bei den Pferden immer tat, um sie anzulocken. Eines der riesigen Tiere trottete auf sie zu. Laura blieb in der Hocke. Es schaute sie aus dem kugelrunden tiefbraunen Auge an. Sie hatte das Gefühl, seine Gedanken zu spüren. Wie ein Summen breiteten sie sich in ihrem Körper aus. Das Wesen kam näher und legte sich vor dem Mädchen auf den Boden.

»Ich bin ein Opien«, kam Laura surrend in den Sinn.

Was für ein seltsamer Name, dachte sie, bevor sie auf den Rücken ihres neuen Freundes kletterte und ihre Finger in dem flauschigen, langen Pelz vergrub.

Laura nahm nichts anderes um sich herum mehr wahr. Ihr Opien stand auf, drehte sich einmal um sich selbst und raste los. Ihr wehte das weiche Fell um die Ohren, der scharfe Wind trieb ihr Tränen in die Augen, ihre langen Zöpfe flogen waagerecht. Sie drückte ihren Oberkörper eng an den Rücken des Opiens. Die Landschaft veränderte sich, der Boden wurde fester, sie näherten sich einem Wald. Dort standen weitere dieser Tiere, die Köpfe in ihre Richtung gedreht. Sie schienen zu warten. Laura spürte, wie sich ihr neuer Freund langsamer bewegte. Bei der Herde angekommen, blieb er stehen.

Mit großen Augen blickte sie sich um. Auf einem anderen Opien saß diese Hirtin aus dem Flugzeug. Sie trug eine braune Kordhose und eine abgetragene Lederjacke. Um ihren Hals hing ein Lederband mit einem Muschelanhänger. Ihr Opien warf den Kopf in den Nacken, wieherte und die kleine Herde galoppierte gemeinsam an. Sie hielten auf eine Bergkette zu, eine dichte Staubwolke hinter sich herziehend. Laura roch frisches Gras und den Duft von Pinien. Sie wurde eins mit dem Tier.

Sie merkte, dass ihr neuer Freund langsamer wurde. Laura öffnete die Augen. Die Herde stand vor einem Höhleneingang. Die Opiens legten sich auf den Boden. Die Hirtin stieg ab und gab ihr ein Zeichen es ihr gleichzutun.

»Willkommen in dieser Welt, ich bin Paula.«

»Wo sind wir?«, fragte Laura.

»Es ist so eine Art Zwischenwelt. Mach dir keine Sorgen, hier bist du erstmal in Sicherheit!«

Sie schob ihren Schlapphut etwas höher und wischte sich über die Augen. Die Frau strahlte Vertrauen aus.

Die Opiens schnaubten, Wind kam auf und die Tiere spitzten ihre drei Ohren. Paula sprang auf.

»Komm, wir müssen hier weg! Folge mir!«

Sie stiegen wieder auf den Rücken ihrer Opiens. Die Hirtin ritt zu dem Berg und blieb vor einer Felswand stehen. Hier verharrte sie, streckte eine Hand aus und beschrieb einen Kreis. Der Fels bewegte sich etwas und schob einen Eingang frei. Dort ritten sie hinein. Die Luft war feucht und kühl. Dunkelheit umgab sie.

Laura klammerte sich an dem langen Fell ihres Opiens fest, die Augen angstvoll aufgerissen. Hoffentlich stolperte ihr Tier nicht. Doch die Reittiere trugen sie trittsicher über den nassen, rutschigen Felsboden. Das Klacken der Hufe dröhnte durch die Höhle, vervielfacht durch das Echo. Laura spürte die Luft wärmer werden. Weiter hinten sah sie einen Lichtstrahl. Es wurde heller.

Sie waren in einem grünlich leuchtenden Saal angekommen. Alles um sie herum funkelte. Aus der gegenüberliegenden Wand plätscherte ein silberner Wasserfall in ein rundes Wasserbecken. Das schäumende Wasser hallte im Berg wider. Laura sah sich um. Gegenüber entdeckte sie einen endlos tiefen schwarzen Abgrund. Die Hirtin war abgestiegen und griff nach einem Stein, den sie in das Loch fallen ließ. Laura erschrak, als der Stein ein Platschen verursachte. Kreise bildeten sich in dem Bergsee um die Einwurfstelle. Das war gar keine Schlucht. Das Deckengewölbe hatte sich in dem glatten See gespiegelt. Wo war sie hier nur gelandet? Was für eine bezaubernde Welt, dachte Laura.

Sie sah zu Paula, die eine steinerne Treppe neben dem Wasserfall hinaufstieg. Laura beeilte sich, ihr zu folgen. Hinter dem Vorhang aus Wasser verbarg sich eine weitere Höhle. Die Hirtin blieb an einer runden Platte im Boden stehen.

»Hier, schau her!«, forderte sie Laura auf.

Die gläserne Scheibe hatte etwa 80 cm Durchmesser. Laura erkannte eine zweite Höhle unter ihnen. Da bewegte sich etwas. Sie sah genauer hin. Dort liefen Menschen herum! Alle hatten so seltsame graue Kappen auf dem Kopf. Manche von denen schritten zielstrebig voran, andere schraubten und hämmerten und wieder andere sortierten Metallteile auf verschiedene Stapel. Und sie murmelten vor sich hin. Jeder schien zu wissen, was er tat oder wohin er wollte.

»Was ist das? Warum sind die da, was machen die da?« Laura schaute fragend zu Paula.

»Das sind die anderen. Die Gefangenen.«

Bevor Laura etwas erwidern konnte, hörten sie eine Sirene schrillen und überall in dem unterirdischen Saal blinkten rote Warnleuchten auf. Sie erschrak und sah zu Paula. Doch diese strahlte weiterhin Ruhe aus. Abrupt erstarrten die Graukappen in ihren Bewegungen. Wie auf Befehl drehten sich alle in dieselbe Richtung und marschierten aus der Höhle. Das Licht unter der Glasscheibe erlosch.

»Was sollte das?«, fragte Laura, sichtlich benommen.

»Die werden fremdgesteuert. Die Wächter entführen sie. Aber du hast Glück gehabt, du bist entkommen.«

»Was für Wächter?«

Laura glaubte das alles nicht. Träumte sie?

»Die nennen sich so, weil sie ihre Macht über die grauen Kappen ausüben. Es ist wie eine Parallelgesellschaft. Sie arbeiten im Untergrund und planen, die Menschheit zu manipulieren.«

Im Sand

Wie still es hier in der Wüste ist, dachte Nina, die sich für eine Siesta auf ihr Strohbett gekuschelt hatte. Ihre Augen wanderten träge die Zeltwand ab, bis sie erschöpft zufielen.

Plötzlich knallte und krachte es draußen ohrenbetäubend. Ruckartig fuhr sie in die Höhe und setzte sich auf. Die Wolldecke unter ihr war verrutscht und die Halme piksten ihr fies in die Beine. Sie wartete auf einen weiteren Knall. Doch es blieb still. Erschrocken von dem Krach stand Nina auf und stampfte durch den Sand zur Zeltöffnung.

Draußen herrschte Trubel. Das Team war die Düne hochgeklettert. Das Materiallager mit den Kappen, Kissen und Lebensmitteln stand sperrangelweit offen. Hektisch wurden die Ankunftsmaterialien auf den Platz vor den Zelten getragen. Alle liefen durcheinander. Mit einem Mal hellwach, zog sich Nina ihr Gewand über, bändigte ihre roten Haare mit einem Tuch und trat aus dem Zelt.

Hinter dem Hügel leuchtete es. Nina stakste durch den tiefen Sand die Düne hinauf. Was sie da sah, war unfassbar: Eine Propellermaschine steckte im Wüstensand fest. Aus den Türen drängten die Passagiere hervor, fielen direkt in den Sand.

So viele waren noch nie auf einmal angekommen. Die Gestrandeten kamen hier unter, um die kümmerte sich Nina und ihr Trupp, bis der Transport in das Hauptquartier der Wächter kam. Das sah nach Arbeit aus.

Nina gehörte mit den anderen zu der Delegation für die Neuankömmlinge. Das große Ankunftszelt füllte sich langsam. Sie mischten sich unter die Flugzeugpassagiere und ermunterten sie, ihnen zu folgen. Nina fiel ein dunkelhaariger Junge auf, ungelenk, faszinierend blaue Augen, eindeutig desorientiert.

Er zitterte und rief andauernd:

»Laura, wo bist du?«

Nina berührte seinen Arm, er zuckte zurück.

»Wer ist Laura?«

»Meine Schwester, sie verlässt mich nie, ich kann sie nicht finden!«

»Komm erst mal mit, ich zeig dir hier alles.«

Sie kletterten über den Hügel und ihr Zeltdorf kam in Sicht.

»Oh, ihr wohnt hier? Mitten in der Wüste? Und wir sind gleich neben euch notgelandet? Obwohl ... Wir sind gar nicht erst gestartet ... Ich verstehe das nicht ...«

»Keine Angst, komm erstmal her, setz dich hier hin.«

Nina zeigte ihrem Schützling ein Sitzkissen im Sand und setzte sich zu ihm.

»Ich heiße Nina und du?«

»Leo.«

Um sie herum wütete das Chaos weiter. Viele irrten hilflos, suchend umher, nur einige waren schon auf die Kissen geschleust worden und beruhigten sich langsam. Nina begann mit den anderen, für Ordnung zu sorgen.

»Leo, bleib hier, ich komme gleich wieder!«

Er nickte nur, schlang seine Arme um die Knie und steckte den Kopf zwischen die Beine. Der Tumult um ihn herum ängstige ihn, das konnte Nina deutlich sehen.

Wie gut, dass wir so viele Helfer vor Ort haben. Mit unseren Tricks schaffen wir es, Ruhe in das Chaos zu bringen.

Ein Rundumblick bestätigte ihr, dass alle Helfer geistesgegenwärtig im Einsatz waren. Jeder hatte seine Aufgabe und Hand in Hand hatten sie einen funktionierenden Ablauf geschaffen, durch den sie in der Lage waren, sogar so viele Menschen auf einmal in die Fremdsteuerung zu bekommen.

Bald hatten sämtliche Passagiere einen Platz gefunden und einen Becher Tee in der Hand.

Nina sah, dass ihr Anführer zum Megafon griff.

»Hey, hört mal alle her! Ich bin Bob. Seid gegrüßt. Ihr seid aufgewühlt und durcheinander. Euer Flugzeug ist hier in der Wüste aufgetaucht. Wie das passiert ist, wissen wir auch nicht, aber ihr seid hier in Sicherheit. Wir kümmern uns um euch. Bald wird der Bus kommen und euch ins Zentrum fahren, habt keine Angst.«

Einige der Gestrandeten sprangen auf und riefen:

»Wo sind wir?«

Andere hielten das Handy in die Luft, in der Hoffnung, ein Netz zu empfangen.

Bob sprach erneut in das Megafon:

»Tut mir leid, Leute, aber hier gibt es keinen Handyempfang. Doch ihr seid in Sicherheit. Alle. Niemandem ist etwas zugestoßen. Habt ein bisschen Geduld und versucht euch zu entspannen. Bald werdet ihr mehr erfahren.«

»Das sind zu viele«, sagte Nina leise neben ihm.

»Wie viele von den grauen Kappen sind im Lager?«

»Ich weiß es nicht genau.«

Nina zuckte mit den Schultern.

»Lass uns lieber weiter den Tee ausschenken, bevor hier jemand Ärger macht.«

»Ja, verteilt den Tee, seht zu, dass kein Becher leer bleibt, schnell!«

Bob wandte sich von Nina ab und hob das Megafon erneut an die Lippen.

»Alle noch mal herhören. Es wird hier nachts extrem kalt. Wir verteilen jetzt Tee und besondere Wärmemützen, um euch zu schützen. Damit ihr nicht auskühlt, müsst ihr unbedingt die Mütze aufsetzen. Am Kopf ist man am anfälligsten. Außerdem erhält jeder ein Kissen und eine Decke. Also macht es euch gemütlich und ruht euch aus!«

Bob beobachtete die Neuen scharf, damit ihm keiner durch die Lappen ging. Nina und ihre Helfer verteilten zielgerichtet Tee und Kappen an die aufgeregte Menge. Das war erstmal das Wichtigste. Decken und Kissen wurden in der zweiten Runde ausgeteilt. Nach und nach kamen die Neuankömmlinge zur Ruhe. Bob lächelte. Dieser Tee aus der Schlafwurzel wirkte Wunder.

In Leos Ohren sauste es. Was sagte der Mann? Leo war so in seiner Angst gefangen, ohne seine Schwester zu sein, dass er diesen Megafonsprecher gar nicht verstand.

Obwohl er bei Laura oft nicht durchblickte und sie für ihn manchmal echt oberkompliziert war. Jetzt brauchte er sie, um ihm in diesem fürchterlichen Durcheinander einen Halt zu geben. Das konnte nur sie. Um sich sicher zu fühlen, benötigte er vorhersehbare Strukturen, am liebsten jeden Tag die gleichen und keine Neuen. Neues verursachte Angst.

Und heute hatte der Tag bereits so furchtbar angefangen. Leo war mit Laura schon oft geflogen, aber er hatte immer am Fenster gesessen. Nur dieses Mal hat seine Schwester unbedingt darauf bestanden, außen zu sitzen, warum nur?

Sie war richtig böse geworden, so kannte Leo Laura gar nicht. Aber er hat seinen Platz nicht so einfach aufgeben können. ER hat doch IMMER am Fenster gesessen. Als dann die Durchsage gekommen war, dass das Flugzeug nicht starten konnte, hat er gespürt, wie die Panik in ihm hochgekrochen kam.

Seine Atmung war flach geworden, seine Beine haben sich wie gelähmt angefühlt. Laura, die eben noch neben ihm gesessen hat, war auf einmal verschwunden. Sie hat ihn sonst nie allein gelassen, wenn es brenzlig wurde. Die anderen Passagiere waren aufgesprungen und brüllten wild durcheinander. Leo hat sich wie an seinen Sitz gefesselt gefühlt und die Augen geschlossen und von tausend immer dreizehn subtrahiert, wie sein Therapeut es ihm für panische Situationen eingebläut hatte. Seine Atmung beruhigte sich allmählich, der Lärm war weniger geworden. Langsam traute Leo sich, die Augen zu öffnen. Er war der letzte, der noch im Flugzeug saß. Alle anderen Passagiere waren rausgeklettert. Nur der Gedanke an seine Schwester gab ihm die Kraft, aufzustehen und den anderen zu folgen. Er war aus der Tür in den Sand gesprungen. Dass er die ganze Zeit nach Laura rief, merkte er gar nicht. Erst als ihn jemand am Arm festhielt und fragte, wer denn diese Laura sei, fiel ihm das auf.

Neben ihm stand eine Frau mit roten Haaren, die ihm irgendetwas sagen wollte. Aber er hörte gar nicht richtig zu, so gefangen war er von seiner Angst. Er lief einfach hinter ihr her. Jetzt saß Leo auf einem der Kissen, die hier haufenweise herumlagen, trank Tee und hatte eine graue Kappe auf. Laura war nirgends zu entdecken.

Auf dem Flugplatz

Albert wartete ab, bis der Einsatz begann. Jetzt standen zig Krankenwagen um das Flugzeug auf dem Airport in Teneriffa herum und holten die komatösen Passagiere und das Flugpersonal aus dem Flieger heraus. Allesamt waren ins Koma gefallen. Die Helferbrigade war aufgeregt, die Presse überschlug sich, Erklärungen gab es keine.

Nur er war im Bilde. Er benötigte die Computerteile des Cockpits für ihre Mission.

Albert hatte sich als Rettungssanitäter verkleidet und mischte sich unter die aufgewühlte Menge auf dem Flugplatz, die um das Flugzeug herumschwirrten. Er war mit einem geklauten Rettungswagen gekommen, in dem er seine Beute ins Hauptquartier schaffen würde.

»Hey, lasst mich durch, aus dem Weg! Weg da, ich habe es eilig!«, brüllte er die anderen an.

Diese unbändige Dominanz zu zeigen war nötig, damit keiner hinterfragte, ob er dazugehöre. Nur wenige wagten es, lauten und aggressiven Personen in die Augen zu sehen, die meisten duckten sich instinktiv und erkannten die Autorität an.

Albert bahnte sich einen Weg durch die Menge. Im Gang bog er links zum Cockpit ab, statt sich den Passagieren zuzuwenden. Niemand nahm von ihm Notiz. Die Cockpittür stand offen, der Flugkapitän und sein Co-Pilot waren schon herausgeholt worden. Albert schloss die Tür hinter sich und musterte seine Beute.

Das sah vielversprechend aus. Er öffnete seinen Werkzeugkoffer, der als Arzttasche getarnt war, und machte sich an die Arbeit.

Kurze Zeit später hatte der Wächter alle relevanten Teile in seinem Krankenwagen verstaut. Zum Glück wurden die wichtigsten Computerteile ja immer kleiner, so konnte er seine Beute problemlos in dem leeren Arztkoffer unterbringen, den er mitgebracht hatte.

Inzwischen waren die Passagiere fast alle auf dem Weg in die umliegenden Krankenhäuser, es wurde Zeit, dass Albert den Tatort verließ. Zufrieden steuerte er den Wagen mit seiner Beute in das Villenviertel der Stadt.

Zwischenwelt: Die Graukappen

Simon gähnte. Er hatte schlecht geschlafen, immer wieder war ihm diese Szene im Traum erschienen. Doch der Wecker schrillte pausenlos. Müde stand er auf, schüttelte sich und schlurfte zum Waschbecken. Sein drittes Auge zwinkerte ihn im Spiegel an. Von Geburt an hatte er einen Leberfleck zwischen seinen Augenbrauen, der sich durch seine Mimik zu bewegen schien. Er hatte sich daran gewöhnt, aber wenn er neue Leute kennenlernte, fiel ihm sofort auf, dass die meisten ihn anstarrten. Bis er es zur Sprache brachte.

Simon stützte sich auf dem Beckenrand ab und schob sein Gesicht ganz nah an den Spiegel. Er zwinkerte sich zu und grinste breit. Es sah wirklich witzig aus. Voll Vorfreude auf den Tag zog er sich an.

Zehn Minuten später saß Simon mit den anderen im Speisesaal am Frühstückstisch. Seine graue Kappe hatte er, wie alle auf dem Kopf, er nahm das vertraute Ziepen und Rauschen wahr, der Kanal war gefunden, die Verbindung zum System hergestellt.

Simon hörte die Ansage des Wächters über seine Kappe:

»Es ist ein Flugzeug gekapert worden. Die Neuankömmlinge müssen verteilt werden. Begeben Sie sich in die große Halle!«

Aaron, der Simon gegenübersaß, schaute ihn an. Er hatte dasselbe gehört, wie sein Freund und erschrak:

»Wie soll das denn gehen? Ein ganzes Flugzeug?«

»Das bedeutet ne Menge Arbeit, befürchte ich.«

Simon wurde nervös.

In dieser Größenordnung war noch nie etwas entführt worden. Bisher hatten sie es mit kleineren Gefährten, wie Elektroautos oder ähnlichen Fahrzeugen zu tun gehabt. Dabei kamen ein bis zwei – allerhöchstens mal vier neue Leute hier an. In diesem Fall, der Eroberung eines ganzen Flugzeugs, würden weitaus mehr Menschen untergebracht werden müssen. Wie viele passten in so eine Maschine? Hundert? Zweihundert? Sollten die alle zum Wächter? Auf jeden Fall war klar, in wessen Zuständigkeit das fiel. Und Simon freute sich nicht auf diese Aufgabe.

Durch die Kappe erfolgte die Anweisung, dass sich jeder an seinen Arbeitsplatz zu begeben hatte.

---ENDE DER LESEPROBE---