Fridtjof Nansen: In Nacht und Eis – Die Norwegische Polarexpedition 1893–1896 | Alle Bände in einem eBook - Fridtjof Nansen - E-Book

Fridtjof Nansen: In Nacht und Eis – Die Norwegische Polarexpedition 1893–1896 | Alle Bände in einem eBook E-Book

Fridtjof Nansen

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Beschreibung

Fridtjof Nansen: In Nacht und Eis – Die Norwegische Polarexpedition 1893–1896 | Alle Bände in einem eBook– Erster und zweiter Band | Über 1000 Seiten, mit 418 Fotos, Skizzen, Grafiken und Karten und 220 Fußnoten | Neu editierte Ausgabe 2021 | Als sich von September 2019 bis Oktober 2020 das deutsche Forschungsschiff ›Polarstern‹, festgefroren im Eis, durch die zentrale Arktis treiben ließ um Klimaprozesse zu studieren, hatten die Planer dieser wagemutigen Expedition ein Vorbild: Bereits 1893 startete der Norwegische Forscher Fridtjof Nansen ein ähnliches Unterfangen: Auch er ließ sein Schiff ›Fram‹ von Eis umschließen, um mit der Drift die Arktis zu durchqueren und dabei den Nordpol zu erreichen. Als Nansen feststellte, dass die Eisdrift das Schiff weit am Pol vorbeiführen würde, verließ er es und wanderte zusammen mit seinem Begleiter Fredrik Johansen auf Schiern, mit 28 Huskies und Versorgungsschlitten, über die unendliche Eiswüste gen Norden. – Nach der Rückkehr nach Norwegen wurde Nansens hier vorliegender zweibändiger, aufregender Bericht zu einem weltweiten Bestseller. © Redaktion eClassica, 2021

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— Inhalt —

Innentitel

Über das Buch

Über den Autor

ERSTER BAND

Einleitung

Erstes Kapitel – Vorbereitungen

Zweites Kapitel – Die Abreise

Drittes Kapitel – Abschied von Norwegen

Viertes Kapitel – Fahrt durch das Karische Meer

Fünftes Kapitel – Die Winternacht

Sechstes Kapitel – Frühjahr und Sommer 1894

Siebtes Kapitel – Der zweite Herbst im Eis

Achtes Kapitel – Vorbereitungen zur Schlittenreise

Neuntes Kapitel – Neujahr 1895

ZWEITER BAND

Erstes Kapitel – Ein verunglückter Aufbruch | Reiseausrüstung

Zweites Kapitel – Nach Norden

Drittes Kapitel – Auf dem Heimweg

Viertes Kapitel – Plackerei

Fünftes Kapitel – Rinnen und Geduld

Sechstes Kapitel – Im Sehnsuchtslager

Siebtes Kapitel – Endlich Land!

Achtes Kapitel – Am Land entlang

Neuntes Kapitel – Das Winterlager

Zehntes Kapitel – In der Winterhütte

Elftes Kapitel – Frühling und Sonne

Zwölftes Kapitel – Nach Süden

Dreizehntes Kapitel – Die Begegnung

Vierzehntes Kapitel – In die Heimat

WEITERREISE DER FRAM

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

FRIDTJOF NANSENS SCHLUSSWORT

1. Geographische Entdeckungen

2. Geographie und Geologie von Franz-Joseph-Land

3. Geologische Untersuchungen an der sibirischen Küste

4. Der Meeresgrund

5. Die Eisdrift im Polarmeere

6. Bildung, Wachstum und Zusammenpressung des Eises

7. Temperatur des Meerwassers

8. Meteorologie

9. Nordlicht

10. Luftelektrizität, Erdmagnetismus, Schwerkraft

11. Tier- und Pflanzenleben

Impressum

Fußnoten

Über das Buch

Als sich von September 2019 bis Oktober 2020 das deutsche Forschungsschiff ›Polarstern‹, festgefroren im Eis, durch die zentrale Arktis treiben ließ um Klimaprozesse zu studieren, hatten die Planer dieser wagemutigen Expedition ein Vorbild: Bereits 1893 startete der Norwegische Forscher Fridtjof Nansen ein ähnliches Unterfangen: Auch er ließ sein Schiff ›Fram‹, das speziell zu diesem Zweck gebaut worden war, von Eis umschließen, um mit der Drift der Eisschollen die Arktis zu durchqueren und dabei den Nordpol zu erreichen. Nansens Expedition war also nicht der Wissenschaft alleine gewidmet, sondern auch dem großen Ziel, als Erster den nördlichsten Punkt der Erde zu erreichen.

Als Nansen feststellte, dass die Eisdrift das Schiff weit am Pol vorbeiführen würde, verließ er es und wanderte zusammen mit seinem Begleiter Fredrik Hjalmar Johansen auf Skiern, mit 28 Huskies und Versorgungsschlitten, über die unendliche Eiswüste gen Norden. Dass sie dabei niemals auf festes Land treffen würden, wussten sie nicht, denn man ging damals noch davon aus, dass sich unter dem Pol ein Landsockel befände.

Rund 450 Kilometer vor dem Ziel wird das Gelände durch ineinander verkantete Schollen und Eisaufwerfungen unpassierbar und sie müssen umkehren. Der Rückweg, behindert durch Eisbären-Attacken, Einbrüchen ins Eis und unerbittlicher arktischer Kälte, wird zum nackten Überlebenskampf. Dennoch schaffen sie es, sich zum Archipel des Franz-Joseph-Lands, einer Inselgruppe im Polarmeer, durchzuschlagen, überwintern dort und werden im Juni 1896 von einer anderen Expedition aufgenommen. Obwohl Nansen und Johansen den Pol nicht erreicht hatten, so waren sie ihm doch näher gekommen, als je eine Mensch zuvor.

Nach der Rückkehr nach Norwegen wurde Nansen augenblicklich zum Volkshelden und Medienstar, sein hier vorliegender zweibändiger, aufregender Bericht zu einem weltweiten Bestseller.

© Redaktion eClassica, 2021

Über den Autor

Fridtjof Wedel-Jarlsberg Nansen (1861–1930), norwegischer Polarforscher, Zoologe und Ozeanograph, gehört zu den bedeutendsten Entdeckungsreisenden der Geschichte. Getrieben von leidenschaftlichem Forschergeist suchte er immer wieder extreme Aufgaben. Er revolutionierte die Techniken des polaren Reisens und beeinflusste damit alle nachfolgenden Expeditionen in Arktis und Antarktis. Bei seiner Polarexpedition (1893–1896) stellte er gemeinsam mit Fredrik Hjalmar Johansen einen Rekord in der bis dahin größten erreichten Annäherung an den geographischen Nordpol auf. Nach der Rückkehr schrieb Nansen die Erlebnisse der Reise nieder und wurde zum gefeierten Nationalhelden. Später begann er eine zweite Karriere als Politiker und Diplomat. Für sein großes humanitäres Engagement bei der Rückführung von Kriegsgefangenen nach dem Ersten Weltkrieg wurde er 1922 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet

ERSTER BAND

Ihr, die das Schiff getauft, und den Mut hatte, zu warten.

[Nansens Widmung an seine Frau]

Einleitung

Es wird eine Zeit kommen, nach späten Jahren,

da der Ozean die Fesseln der Dinge lösen wird,

da die unermessliche Erde offen liegen wird, da

die Seefahrer neue Länder entdecken werden und

Thule nicht länger das fernste unter den Ländern

sein wird.

Seneca.

Ungesehen und unbetreten, in mächtiger Todesruhe schlummerten die erstarrten Polargegenden unter ihrem unbefleckten Eismantel vom Anbeginn der Zeiten. In sein weißes Gewand gehüllt, streckte der gewaltige Riese seine feuchtkalten Eisglieder aus und brütete über Träumen von Jahrtausenden.

Die Zeiten gingen; tief war die Stille.

Da – in der Dämmerung der Geschichte, fern im Süden – erhob der erwachende Menschengeist sein Haupt und schaute über die Erde; gegen Süden begegnete ihm Wärme, gegen Norden Kälte, und hinter die Grenzen des Unbekannten verlegte er dann die beiden Reiche: das der allverzehrenden Hitze und das der vernichtenden Kälte.

Aber vor dem stets wachsenden Drang des menschlichen Geistes nach Licht und Wissen mussten die Grenzen des Unbekannten Schritt für Schritt zurückweichen, bis sie im Norden an der Schwelle des großen Eiskirchhofs der Natur, der endlosen Stille der Polargegenden, stehen blieben. Bisher hatten keine unüberwindlichen Hindernisse sich den siegreich vordringenden Scharen in den Weg gestellt, und sie zogen getrost weiter. Aber hier machten die Riesen Front gegen sie, im Bund mit den ärgsten Feinden des Lebens: dem Eis, der Kälte und der langen Winternacht.

Schar auf Schar stürmte gen Norden, aber nur um Niederlage auf Niederlage zu erleiden. Neue Reihen standen bereit, um über ihre gefallenen Vorgänger hinweg vorzurücken.

Unsäglich langsam nur vermochte das menschliche Auge die Nebel des Eismeeres zu durchdringen; hinter der Nebelwand lag das Land der Mythe: dort in Niflheim, dem dunkeln nordischen Sagenreich, tummelten sich die Rimtursen1in ihren wilden Kampfspielen.

Weshalb zogen wir stets wieder dorthin? Dort im Norden, in Dunkelheit und Kälte, lag Helheim, die Behausung des Todes, wo die Todesgöttin herrschte; dort lag Naastrand, der Leichenstrand. Dorthin, wo kein lebendes Wesen atmen konnte, – dorthin zog es Schar auf Schar – warum? Um Tote zurückzuholen, gleichwie Hermoder2,da er hinausritt, um Baldr3zu holen? Nein, Kundschaft für kommende Geschlechter holten sie; und willst du den menschlichen Geist in seinem edelsten Kampf gegen Aberglauben und Finsternis sehen, so lies die Geschichte der arktischen Reisen, lies die Geschichte von Männern, die zu Zeiten, da ein Überwintern in der Polarnacht den Tod sicherer erscheinen ließ als die Fortdauer des Lebens, dennoch mit fliegenden Fahnen hinauszogen nach dem Unbekannten. Nirgends ist wohl Wissen mit einer größeren Summe von Entbehrungen, Not und Leiden erkauft; aber der menschliche Geist wird nicht rasten, ehe nicht jeder Fleck auch dieser Gegenden dem Fuße zugänglich gemacht und jedes Rätsel dort oben gelöst ist.

Meile für Meile, Grad für Grad hat man sich mit Aufbietung aller Kräfte vorwärts geschlichen. Langsam tagt es; aber noch befinden wir uns im Morgengrauen, und Finsternis schwebt immer noch über großen, öden Strecken dort oben am Pol.

Unsere Vorväter, die alten Wikinger, waren die ersten Polarfahrer. Man hat gesagt, dass ihre Eismeerfahrten ohne Bedeutung waren, da sie keine dauernden Spuren hinterlassen haben. Dies ist jedoch nicht richtig. So gewiss wie die Fangschiffer der Jetztzeit in ihrem beständigen Kampf mit Eis und Meer die Träger unserer Forschung dort im Norden sind, ebenso sicher sind die alten Norweger mit Erik dem Roten, Leifr und anderen an der Spitze die Vorkämpfer für alle Polarfahrten künftiger Geschlechter gewesen. Man darf nicht vergessen, dass, gleichwie sie die ersten Ozeansegler waren, niemand vor ihnen den Kampf mit dem Eis aufgenommen hatte. Lange bevor andere seefahrende Nationen es gewagt hatten, das Fahrwasser längs der Küsten zu verlassen, durchstreiften unsere Vorfahren die nordischen Meere kreuz und quer, entdeckten Island und Grönland und besiedelten diese Länder, fanden später Amerika und scheuten sich nicht, quer über den ganzen Atlantischen Ozean zu segeln, von Grönland nach Norwegen. Manch harten Kampf mussten sie in ihren offenen Fahrzeugen an Grönlands Küsten mit dem Eis bestehen, und manch einer unterlag.

Was sie auf diese Fahrten hinaustrieb, war wohl nicht allein die Sucht nach Abenteuern, obschon diese sicherlich einer der Grundzüge unseres Volkscharakters ist, sondern ebenso sehr die Notwendigkeit, neuen Boden zu entdecken für die vielen unruhigen Köpfe, die in Norwegen keinen Spielraum fanden. Aber auch von wirklichem Wissensdrang wurden sie getrieben. Schon Ottar, der um 890 sich am Hofe des Königs Alfred in England aufhielt, zog, wie wir wissen, hinaus, um die Ausdehnung der Länder zu erforschen oder, wie er selbst sagt: ›Es regte sich in ihm eine göttliche Eingebung und der Wunsch, zu erfahren und zu zeigen, wie weit sich das Land nordwärts ausdehne, und ob sich menschliche Bewohner im Norden jenseits der Einöde fänden‹. Er wohnte im nördlichsten Teil von Helgeland, wahrscheinlich auf Bjarköi, und fuhr ums Nordkap herum, sowie nach Osten bis ins Weiße Meer.

Von Harald Hardraade, dem ›erfahrenen König der Norweger‹, erzählt Adam von Bremen, dass er eine Reise aufs Meer hinaus gegen Norden unternahm und ›mit seinen Schiffen die Ausdehnung des nördlichen Ozeans untersuchte; aber Finsternis breitete sich aus vor dem Schlund der entschwindenden Welt, und er entging mit genauer Not dem unermesslichen Abgrund, indem er seine Schiffe wendete‹.

Das war Ginnungagap, die gähnende, schreckliche Tiefe am Ende der Welt. Wie weit Harald kam, weiß niemand, aber jedenfalls verdient er Anerkennung als einer der ersten Polarfahrer, die aus reiner Wissbegierde reisten. Selbstverständlich waren diese Norweger nicht frei von den abergläubischen Anschauungen ihrer Zeit über die Polargegenden, wo sie ja ihr Ginnungagap, ihr Niflheim, Helheim und später Trollebotn hatten; aber selbst in diesen mythischen und poetischen Vorstellungen lag ein so bedeutender Kern wirklicher Beobachtung, dass man ihnen eine merkwürdig scharfe und klare Auffassung der wahren Natur der Verhältnisse nicht absprechen kann.

Wie nüchtern und richtig sie sahen, zeigt sich am besten ein paar hundert Jahre später in der wissenschaftlichsten Abhandlung unserer alten Literatur, dem ›Königsspiegel‹, wo es heißt:

›Sobald man die größte Strecke des wilden Meeres überwunden hat, so findet man in der See eine so große Eismenge, dass man nirgends in der ganzen Welt ihresgleichen gesehen hat. Einige von den Eisstücken sehen so flach aus, als wären sie auf dem Meer selbst gefroren; sie sind bald vier, bald fünf Ellen dick und liegen so weit ins Meer hinaus, dass man oft vier oder mehrere Tagereisen auf dem Eis machen muss, um ans Land zu kommen.

Aber diese Eismassen liegen mehr nordöstlich oder nördlich vom Land als südlich und südwestlich oder westlich ...

...Diese Eismassen sind von seltsamer Natur. Sie liegen zuweilen so still wie möglich, mit abgesonderten Waken oder großen Fjorden; aber mitunter ist ihre Fahrt so stark und reißend, dass sie nicht langsamer gehen als ein Schiff, welches günstigen Wind hat, und sie treiben ebenso oft gegen den Wind als mit demselben.‹

Es ist dies eine Auffassung, die noch merkwürdiger wird, wenn man sie im Lichte der naiven Vorstellungen betrachtet, die die übrige Welt zu jener Zeit über fremde Erdstriche hegte.

Dann siechte unser Volk dahin, und es vergingen Hunderte von Jahren, ehe die Fahrten nach den nördlichen Gewässern wieder aufgenommen wurden. Diesmal waren es andere Nationen, besonders die Holländer und Engländer, die vorangingen. Aber die nüchternen Anschauungen der alten Norweger waren verloren gegangen. An ihrer Stelle treffen wir unaufhörlich Beispiele der dem Menschen eigentümlichen Neigung zu phantastischen Ideen. Besonders im nördlichen Europa hat diese Lust einen weiten Spielraum gefunden. Da die vernichtende Kälte sich nicht vorfand, schlug die Theorie ins Gegenteil um, und sonderbar sind die falschen Vorstellungen, welche sich selbst bis auf unsere Tage erhalten haben. Es ist die alte Geschichte, dass die natürlichste Erklärung der Phänomene die am meisten gefürchtete ist; gibt es keinen Mittelweg, dann lieber die wildesten Hypothesen. Nur auf diese Weise konnte der Glaube an ein offenes Polarmeer entstehen und sich halten, obschon man überall auf Eis stieß – es musste sich ja hinter dem Eis befinden.

So konnte der Glaube an eine eisfreie Nordost- und Nordwestpassage zu den Reichtümern Kathais (Chinas) und Indiens, nachdem derselbe zuerst am Ende des 15. Jahrhunderts entstanden war, trotz Niederlage auf Niederlage immer wieder auftauchen. Da das Eis in südlichen Breiten den Weg versperrte, musste dieser weiter nach Norden liegen; endlich suchte man die Durchfahrt über den Pol selbst.

So wild diese Theorien auch waren, so haben sie doch zum Besten der Menschheit gewirkt, denn unsere Kenntnis der Erde wurde dadurch in hohem Grad erweitert. Man ersieht daraus, dass keine Arbeit im Dienst der Forschung nutzlos ist, selbst dann nicht, wenn sie von falschen Vorstellungen ausgeht. Diesen Chimären hat es wohl auch England zum nicht geringen Teil von Anfang an zu verdanken, dass es die mächtigste seefahrende Nation der Erde geworden.

Auf manche Weise und auf vielen Wegen hat die Menschheit versucht, in dieses Reich des Todes einzudringen. Anfangs geschah es nur zu Wasser. Die Schiffe waren damals noch besonders ungeeignet, den Kampf mit dem Eis aufzunehmen, und man ließ sich daher ungern auf ihn ein. Die Fahrzeuge der alten Norweger, deren Planken aus Tannen- und Fichtenholz dachförmig übereinandergriffen, waren nicht zweckmäßiger als die kleinen plumpen Karavellen der ersten englischen und holländischen Polarfahrer. Nach und nach lernte man jedoch, die Fahrzeuge den Verhältnissen besser anzupassen, und immer kühner steuerte man sie zwischen die gefürchteten Eisschollen hinein.

Inzwischen war von den unkultivierten Polarvölkern, sowohl von jenen, welche in den sibirischen Tundren wohnen, als auch von den amerikanischen Eskimos, lange bevor die Polarfahrten begannen, ein anderes, sichereres Mittel, diese Gegenden zu bereisen, entdeckt worden: der in der Regel von Hunden gezogene Schlitten.

Dieses vorzügliche Beförderungsmittel wurde der Polarforschung zuerst in Sibirien dienstbar gemacht. Schon im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert machten dort die Russen Schlittenfahrten von größter Ausdehnung und nahmen Karten der sibirischen Küste von der Grenze Europas bis zur Bering-Straße auf. Ja, sie reisten nicht nur an den Küsten entlang, sondern gingen über das Treibeis bis zu den Neusibirischen Inseln, sogar noch nördlich davon, und schwerlich haben Reisende irgendwo so viele Leiden ausgestanden und so viel Ausdauer bewiesen.

Auch in Amerika wurde der Schlitten frühzeitig von den Engländern zur Erforschung der Küsten des Eismeeres angewandt. Bald war es die Schlittenform der Indianer (Toboggan), bald die der Eskimos, die sie benutzten. Ihre höchste Entwicklung fanden die Schlittenreisen der Engländer unter M’Clintocks tüchtiger Leitung.

Während die Russen meistens mit vielen Hunden und nur einigen wenigen Männern im Gefolge gefahren waren, brauchten die Engländer auf ihren Reisen gewöhnlich weit mehr Leute, und die Schlitten wurden entweder sämtlich oder teilweise von Männern gezogen. Einige Reisende, wie M’Clintock, benutzten aber auch viele Hunde. Während der energischsten Versuche, die je gemacht worden sind, um hohe Breitegrade zu erreichen, auf Markhams denkwürdigem Marsch gegen Norden vom Winterhafen der ›Alert‹ aus, mussten 33 Mann selbst ziehen, obschon sie nicht wenig Hunde an Bord hatten; es sieht fast so aus, als ob die Hunde als Zugtiere bei ihnen nicht sonderlich im Ansehen gestanden hätten.

Der Amerikaner Peary hat dagegen auf dem grönländischen Inland-Eis eine ganz andere Reisemethode in Aufnahme gebracht, indem er so wenig Leute und so viele Hunde wie möglich verwandte.

Die große Bedeutung der Hunde für Schlittenreisen war mir schon vor meiner Grönlandfahrt klar, und wenn ich sie dort nicht benutzte, so geschah es einzig, weil ich keine brauchbaren Hunde auftreiben konnte.4

Noch eine dritte Art zu reisen, die in den arktischen Gegenden angewandt wird, lässt sich nennen: mit Boot und Schlitten zusammen. Schon von den alten Norwegern heißt es in den Sagen und im ›Königsspiegel‹, dass sie in der Grönlandsee ihre Boote tagelang übers Eis ziehen mussten, um sich zu bergen und Land zu erreichen. Der erste, der diese Art des Vorwärtskommens im Dienste der Forschung benutzte, war Parry, der bei seinem berühmten Versuch, den Pol zu erreichen, im Jahre 1827 sein Schiff verließ und über das Treibeis nach Norden vordrang mit Booten, die er auf Schlitten zog. Er gelangte auch bis 82°+45’, zur höchsten Breite, die bis dahin erreicht worden; aber hier trieb der Strom ihn schneller südwärts, als er gegen denselben vorwärts kommen konnte, und er musste umkehren. Später ist diese Reisemethode nicht sonderlich benutzt worden, um gegen den Pol vorzudringen. Doch ist zu erwähnen, dass auch Markham auf seiner Schlittenfahrt ein Boot mit sich führte.

Mehrere Expeditionen haben notgedrungen auf diese Weise weite Strecken über das Treibeis zurückgelegt, um zurückzukehren, nachdem sie ihr Schiff verlassen oder verloren hatten. Besonders hervorzuheben ist die österreichisch-ungarische Tegetthoff-Expedition nach Franz-Joseph-Land und die unglückliche amerikanische Jeannette-Expedition.

Wenige scheinen daran gedacht zu haben, dem Wink zu folgen, den die Eskimos gaben: auf deren Weise zu leben und an Stelle der schweren Boote leichte, von Hunden gezogene Kajaks mit sich zu führen. Es ist nie ein Versuch damit gemacht worden.

Die Wege, auf denen diese Beförderungsweisen versucht wurden, waren im Wesentlichen: der Smith-Sund, das Meer zwischen Grönland und Spitzbergen, jenes bei Franz-Joseph-Land und die Bering-Straße.

Der Weg, auf welchem der Pol in spätern Zeiten den meisten Angriffen ausgesetzt gewesen ist, ist der Smith-Sund, und der Grund hierzu war wohl besonders der, dass amerikanische Reisende etwas übereilt behauptet hatten, dort das offene Polarmeer gefunden zu haben, das sich unbegrenzt nach Norden ausdehnen sollte. Alle Expeditionen wurden jedoch von schweren Eismassen aufgehalten, die südwärts trieben und gegen die Küsten gepresst wurden. Die wichtigste Expedition auf diesem Weg war die englische, welche 1875-76 unter Nares’ Leitung stand und mit großen Geldopfern ausgerüstet worden war. Nares’ Begleiter, Commander Markham, gelangte bis zur höchsten Breite, die bis dahin erreicht worden, nämlich 83°+20’, aber es kostete große Anstrengungen und Entbehrungen, und Nares glaubte, für alle Zeiten die Unmöglichkeit, den Nordpol auf diesem Wege zu erreichen, nachgewiesen zu haben.

Während des Aufenthalts der Expedition Greely’s 1881-84 in derselben Gegend gelangte Lockwood ein paar Minuten höher, bis 83°+24’, welches der nördlichste Punkt auf unserer Erdkugel war, den ein menschlicher Fuß betreten hatte vor der Expedition, über welche dieses Werk handelt.

Im Meer zwischen Grönland und Spitzbergen sind verschiedene Versuche gemacht worden, in die Geheimnisse der eisigen Regionen einzudringen. Längs der Ostküste Grönlands versuchte schon Henry Hudson im Jahre 1607 den Pol zu erreichen, wo er ein offenes Becken und den Weg nach der Südsee zu finden hoffte. Er wurde indessen schon unter 73°+ nördl. Br. am weiteren Vordringen verhindert, an einem Punkt der Küste, den er ›Hold with Hope‹ nannte. Die deutsche Expedition unter Koldewey (1869–70), welche dasselbe Gewässer besuchte, gelangte mit Hilfe von Schlitten bis 77°+ nördl. Br. Wegen der großen Eismassen, die der Polarstrom längs dieser Küste nach Süden treibt, ist hier gewiss eine der ungünstigsten Gegenden für eine Seefahrt nordwärts. Besser ist es bei Spitzbergen, wohin schon Hudson zu kommen versuchte, als er bei Grönland am Vordringen verhindert wurde, und woselbst er 80°+23’ nördl. Br. erreichte. Wegen des warmen Stromes, der an der Westküste Spitzbergens nach Norden geht, bleibt die See eisfrei; es ist dies sicher die Stelle, wo man am besten und leichtesten hohe Breiten in eisfreiem Fahrwasser erreichen kann. Nördlich von Spitzbergen machte deshalb auch Edward Parry den schon erwähnten Versuch im Jahr 1827.

Weiter nach Osten sind die Eisverhältnisse weniger günstig, und wenige Polarexpeditionen haben daher ihren Weg durch diese Gegenden genommen. Die österreichisch-ungarische Expedition unter Weyprecht und Payer 1872-74 hatte sich ursprünglich als Ziel gesetzt, die Nordost-Passage zu suchen, wurde aber schon bei ihrer ersten Begegnung mit dem Eis an der Nordspitze von Nowaja Semlja festgesetzt, trieb nordwärts und entdeckte Franz-Joseph-Land, wo Payer versuchte, mit Schlitten nach Norden vorzudringen und 82°+5’ nördl. Br. erreichte, auf einer Insel, die er Kronprinz-Rudolf-Land nannte. Nördlich davon glaubte er eine ausgedehnte Landmasse zu sehen, die er auf ungefähr 83° verlegte und Petermann-Land nannte.

Später, 1880 und 1881-82, ist Franz-Joseph-Land zweimal vom Engländer Leigh-Smith besucht worden, und dort hält sich augenblicklich auch die englische Jackson-Harmsworth’sche Expedition auf.

Die dänische Expedition unter Hovgaard im Jahre 1883 hatte den Plan, bis zum Nordpol vorzudringen vom Cap Tscheljuskin aus längs der Ostküste einer ausgedehnten Landmasse, die nach Hovgaards Ansicht östlich von Franz-Joseph-Land liegen sollte. Im Karischen Meer blieb er jedoch im Eis stecken, überwinterte dort und kehrte das Jahr darauf nach Hause zurück.

Durch die Bering-Straße sind nur wenige Versuche gemacht worden. Der erste derselben war Cooks Expedition im Jahr 1776, der letzte die Jeannette-Expedition in den Jahren 1879-81, geführt von De Long, Lieutenant in der amerikanischen Marine. Kaum sind Polarfahrer in südlicheren Breiten so hoffnungslos durch Eis am Vordringen verhindert worden. Dennoch hat gerade die letztgenannte Expedition für meine Fahrt die größte Bedeutung gehabt. Wie De Long selbst in einem Brief an Gordon Bennett, den Mäzen der Expedition, sagt, habe man unter drei Routen zu wählen, dem Smith-Sund, der Ostküste von Grönland und der Bering-Straße; aber er baute am meisten auf letztere, die denn auch schließlich gewählt wurde. Der Hauptgrund war der Japanische Strom, der, wie man vermutete, nach Norden durch die Bering-Straße ging und weiter längs der Ostküste von Wrangel-Land, welches sich, wie man annahm, weit nach Norden ausdehnte. Man behauptete, dass das warme Wasser dieses Stromes einen Weg längs der Küste bahnen würde, vielleicht direkt bis zum Pol. Die Walfischfänger hatten die Erfahrung gemacht, dass sie jedesmal, wenn ihre Fahrzeuge hier im Eis festsaßen, nordwärts trieben; daraus musste man schließen, dass der Strom im Allgemeinen in dieser Richtung ging. »Dies würde Entdeckungsreisenden erlauben, hohe Breiten zu erreichen; aber aus demselben Grunde würde es die Schwierigkeiten, zurückzukommen, vermehren«, sagt De Long selbst, und auf eine traurige Weise sollte er die Wahrheit seiner Worte beweisen. Die ›Jeannette‹ blieb am 6. September 1879 im Eis stecken, in 71° 35’ nördl. Br. und 175° 6’ östl. L., südlich von Wrangel-Land – das, wie sich inzwischen zeigte, nur eine kleine Insel war – und trieb zwei Jahre lang mit dem Eis nach Westnordwest, bis sie am 12. Juni 1881 nördlich von den Neusibirischen Inseln in 77° 15’ nördl. Br. und 154° 59’ östl. L. sank.

Überall hat also das Eis die Menschen an ihrem Vordringen nach Norden gehindert. Nur in zwei Fällen wurden die Schiffe, als sie im Eis steckengeblieben waren, in nördlicher Richtung weitergetrieben. Dies geschah mit ›Tegetthoff‹ und ›Jeannette‹, während die meisten übrigen von südlich treibenden Eismassen weiter von ihrem Ziel abgedrängt worden waren.

*

Beim Studium der Geschichte der arktischen Forschung wurde es mir frühzeitig klar, dass es schwierig sein würde, auf den bisher versuchten Routen und in der bisher versuchten Weise den inneren, unbekannten Eisregionen ihre Geheimnisse zu entreißen. Aber wo lag der Weg?

Es war im Herbst 1884, als ich zufällig im norwegischen ›Morgenbladet‹ einen Artikel von Professor Mohn las, der davon handelte, dass an der Südwestküste Grönlands einige Gegenstände gefunden worden seien, die von der ›Jeannette‹ stammen müssten. Mohn nahm an, dass sie auf einer Eisscholle quer übers Polarmeer getrieben sein müssten. Es wurde mir sofort klar, dass hier der Weg gegeben sei! Konnte eine Eisscholle quer durch das Unbekannte treiben, so musste sich diese ›Drift‹ auch im Dienste der Forschung anwenden lassen können – und der Plan war gefasst. Es vergingen jedoch mehrere Jahre, bis ich endlich im Februar 1890, nach meiner Rückkehr von der Grönlandfahrt, denselben der Geographischen Gesellschaft zu Christiania in einem Vortrage darlegte. Da dieser Vortrag für die Geschichte der gegenwärtigen Expedition entscheidende Bedeutung hat, will ich die wesentlichsten Punkte desselben hier wiedergeben, wie solche im Märzheft 1891 der norwegischen ›Naturen‹ abgedruckt sind.

Nachdem ich in Kürze die verschiedenen früheren Polarfahrten besprochen hatte, sagte ich:

»Das Resultat der vielen Versuche muss nach dem, was hier mitgeteilt worden, etwas trostlos erscheinen. Es scheint aus ihnen deutlich hervorzugehen, dass es auf keinem Wege möglich ist, nach dem Pol zu segeln; überall ist das Eis ein unüberwindliches Hindernis gewesen, welches das Vordringen an der Schwelle zu den unbekannten Regionen aufgehalten hat.

Boote zu ziehen über dieses unebene Treibeis, das außerdem unter dem Einfluss von Strom und Wind in beständiger Bewegung ist, ist eine ebenso große Schwierigkeit. Das Eis legt dem Vordringen solche Hindernisse in den Weg, dass ein jeder, der es versucht hat, sicherlich nicht daran zweifeln wird, dass es auf diese Weise so ziemlich eine Unmöglichkeit ist, mit der Ausrüstung und dem Proviant, die zu einem solchen Unternehmen erforderlich sein würden, vorwärts zu kommen.«

Eine sicherere Route wäre es gewesen, meinte ich, wenn man über Land hätte vorwärts kommen können. In solchem Falle würden wir den Pol ›mit norwegischen Skiläufern (Schneeschuhläufern) in einem Sommer‹ erreicht haben können. Aber ein solches Land kennen wir nicht.

Grönland erstreckt sich meiner Ansicht nach nicht viel weiter als der nördlichste bekannte Punkt an dessen Westküste. ›Dass Franz- Joseph-Land bis zum Pol reichen sollte, ist nicht sehr wahrscheinlich; soviel wir wissen können, bildet es eine Inselgruppe, deren verschiedene Inseln tiefe Sunde trennen, und es ist nicht anzunehmen, dass sich dort größeres zusammenhängendes Land findet.‹

Viele meinen möglicherweise, dass man mit der Untersuchung von so schwierigen Gegenden, wie die Polarregionen sind, warten sollte, bis man im Stande sein wird, sich neue Transportmittel zu schaffen. Ich habe andeuten hören, dass man eines schönen Tages im Luftballon nach dem Pol reisen werde, und da sei es nutzlose Arbeit, zu versuchen, dorthin zu gelangen, bevor dieser Tag kommt.

Man braucht kaum nachzuweisen, dass dies ein unhaltbares Räsonnement ist. Selbst wenn es sich denken lässt, dass man über kurz oder lang diese häufig ausgesprochene Idee, im Luftschiff nach dem Pol zu fahren, realisieren könnte, so würde doch eine solche Fahrt, so interessant dieselbe in gewissen Beziehungen auch sein dürfte, bei Weitem nicht die wissenschaftliche Ausbeute liefern können wie Expeditionen, die in der hier angedeuteten Weise ausgeführt würden. Größere wissenschaftliche Ausbeute nach verschiedenen Richtungen kann nur durch fortwährende Beobachtungen während eines längeren Aufenthalts in diesen Gegenden gewonnen werden, während Beobachtungen auf einer Ballonexpedition unvermeidlich flüchtiger Natur sein müssen.

»Wir müssen also versuchen, ob es nicht andere Wege gibt, und ich glaube, dass dies der Fall ist. Ich glaube, dass, wenn wir auf die sich in der Natur selbst vorfindenden Kräfte Acht geben und versuchen, mit denselben und nicht gegen sie zu arbeiten, wir den sichersten und leichtesten Weg zum Pol finden werden. Es nützt nichts, gegen den Strom zu arbeiten, wie die vorhergehenden Expeditionen es gemacht; wir müssen sehen, ob sich nicht ein Strom findet, mit dem wir arbeiten können. Die Jeannette-Expedition ist meiner Meinung nach die einzige, die auf dem richtigen Wege gewesen ist, obschon wider Wissen und Willen.

Die ›Jeannette‹ trieb zwei Jahre lang im Eis von der Wrangel-Insel bis zu den Neusibirischen Inseln. Drei Jahre nach dem nördlich der letztern erfolgten Untergang des Schiffes wurden jenseits des Pols, auf dem Treibeis in der Nähe von Julianehaab an der Südwestküste Grönlands, einige Gegenstände gefunden, die nach untrüglichen Kennzeichen von dem gesunkenen Fahrzeug stammen und im Eis eingefroren gewesen sein müssen.

Unter diesen vielen Gegenständen, die von Eskimos gefunden, später aber von Kolonie-Direktor Lytzen in Julianehaab gesammelt wurden und über die derselbe ein Verzeichnis in der dänischen Geographischen Zeitschrift (1885) gegeben hat, sind besonders folgende zu nennen: 1) Eine Proviantliste mit De Longs, des Chefs der ›Jeannette‹, eigenhändiger Unterschrift; 2) ein geschriebenes Verzeichnis der Boote der ›Jeannette‹; 3) ein Paar wasserdichte Hosen, gezeichnet mit ›Louis Noros‹, dem Namen eines Matrosen der ›Jeannette‹, der gerettet wurde; 4) ein Mützenschirm, worauf nach Lytzens Angabe F. C. Lindemann geschrieben steht. Der Name eines der von der Mannschaft der ›Jeannette‹ Geretteten war F. C. Nindemann. Hier liegt möglicherweise ein Druckfehler oder ein Irrtum seitens Lytzens vor.

Man verhielt sich in Amerika sehr skeptisch, als es bekannt wurde, dass diese Gegenstände gefunden worden, und es wurden in amerikanischen Zeitungen sogar Zweifel an ihrer Echtheit erhoben. Die hier mitgeteilten Tatsachen können jedoch kaum lügen, und es muss daher als festgestellt angesehen werden, dass eine Eisscholle mit Gegenständen von der ›Jeannette‹ von der Stelle, wo diese sank, nach Julianehaab getrieben ist.«

»Auf welchem Wege ist nun diese Eisscholle nach der Westküste Grönlands gekommen?«

»Professor Mohn hat bereits im November 1884 nachgewiesen, dass sie auf keinem anderen Wege als über den Pol gekommen sein kann.5

Durch den Smith-Sund kann die Scholle unmöglich gekommen sein, da der Strom von dort aus an der Westseite der Baffin-Bai entlang geht; in diesem Falle würde sie nach dem Baffin-Land oder nach Labrador und nicht nach der Westküste Grönlands geführt worden sein. Der Strom geht an dieser Küste in nördlicher Richtung und ist eine Fortsetzung des grönländischen Polarstroms, der längs der Ostküste von Grönland herabkommt, um Cap Farewell herumbiegt und an der Westküste entlang aufwärts geht. Nur mit diesem Strom kann die Eisscholle gekommen sein.

Aber die Frage ist nun: welchen Weg hat sie eingeschlagen, um von den Neusibirischen Inseln nach der Ostküste von Grönland zu gelangen?

Es ließe sich denken, dass sie die Nordküste Sibiriens entlang südlich um Franz-Joseph-Land, aufwärts durch den Sund zwischen diesem und Spitzbergen oder sogar südlich um dieses Land getrieben worden und darauf in den Polarstrom gekommen ist, der an Grönland abwärts führt. Betrachtet man jedoch die Strömungsverhältnisse dieser Gegenden, soweit man sie jetzt kennt, so wird man finden, dass dies höchst unwahrscheinlich, wenn nicht unmöglich ist.«

Nachdem ich nachgewiesen, wie solches aus der Drift des ›Tegetthoff‹ und den übrigen Verhältnissen hervorgehe, fuhr ich fort:

»Die Entfernung von den Neusibirischen Inseln bis zur Ostküste Grönlands unter dem 80. Breitengrad beträgt 1360 Seemeilen, die Entfernung von der letztgenannten Stelle bis Julianehaab 1540 Seemeilen; zusammen ein Abstand von 2900 Seemeilen. Dieser Weg wurde in 1100 Tagen zurückgelegt, was eine tägliche Fahrt von 2,6 Seemeilen ergibt. Die Zeit, welche die gefundenen Überreste gebraucht haben, um Julianehaab zu erreichen, nachdem sie bis zum 80. Breitengrad gekommen, lässt sich leicht berechnen, da der Strom an der Ostküste Grönlands wohlbekannt ist. Nach dem, was man darüber weiß, muss angenommen werden, dass die Überreste wenigstens 400 Tage nötig gehabt haben, um ihren Weg zurückzulegen; es bleiben dann etwa 700 Tage als längste Zeit, die das Treibgut von den Neusibirischen Inseln bis zum 80. Breitengrad gebraucht haben kann. Nimmt man an, dass die Gegenstände den kürzesten Weg gegangen sind, d.h. über den Pol, so ergibt dies eine tägliche Geschwindigkeit von etwa 2 Seemeilen. Lässt man aber den Weg südlich um Franz-Joseph-Land und südlich von Spitzbergen gelten, so muss das Treibgut mit weit größerer Geschwindigkeit getrieben sein. Zwei Seemeilen im Tag würde jedoch merkwürdigerweise mit der Stromgeschwindigkeit übereinstimmen, welche die ›Jeannette‹ am Schluss ihrer Reise – vom 1. Jan. bis 12. Juni 1881 – hatte. In dieser Zeit trieb sie nämlich mit einer durchschnittlichen täglichen Geschwindigkeit von über 2 Seemeilen. Die Durchschnittsgeschwindigkeit während der ganzen Driftdauer der ›Jeannette‹ ist dagegen nur 1 Seemeile täglich.«

»Aber gibt es denn keine anderen Beweise dafür, dass ein Strom über den Nordpol geht, vom Bering-Meer auf der einen nach dem Atlantischen Ozean auf der anderen Seite? – Doch!

Dr. Rink hat bei Godthaab von einem Grönländer ein merkwürdiges Holzstück erhalten; es wurde unter Treibholz an der Küste gefunden. Es ist ein Wurfholz, wie solches die Eskimos benutzen, um damit ihre Vogelpfeile zu entsenden, ist aber ganz verschieden von den Wurfhölzern, die von den Eskimos an der Westküste Grönlands angewandt werden. Dr. Rink nahm daher an, dass es möglicherweise von Eskimos an der Ostküste Grönlands herrühre.«

»Bei späteren Untersuchungen6zeigte es sich indessen, dass es von der Küste von Alaska, aus der Nähe der Bering-Straße stammen müsse, da dies die einzige Stelle ist, wo Wurfhölzer von ähnlicher Form benutzt werden. Ja, es sind sogar chinesische Glasperlen in dasselbe eingefügt, genau dieselben, wie sie der Alaska-Eskimo von den asiatischen Völkern erhandelt, um seine Wurfhölzer damit zu schmücken.

Es scheint somit, dass wir mit Sicherheit behaupten dürfen, dass dieses Stück Holz von der Westküste von Alaska nach Grönland hinüber getrieben worden ist, von einem Strom, den wir in seiner ganzen Ausdehnung noch nicht kennen, der aber vermutlich dem Nordpol sehr nahe oder irgendwo zwischen diesem und Franz-Joseph-Land fließt.«

»Es finden sich jedoch noch mehr Beweise dafür, dass ein solcher Strom existiert. In Grönland wachsen bekanntlich keine Bäume, die zur Herstellung von Booten, Schlitten und anderen Gerätschaften gebraucht werden können. Das Treibholz, welches mit dem Polarstrom an der Ostküste Grönlands herunterkommt und der Westküste entlang nordwärts schwimmt, ist daher für den grönländischen Eskimo eine Lebensbedingung. Aber woher kommt dieses Treibholz?«

»Hier werden wir wiederum auf die Länder jenseits des Pols hingelenkt. Ich habe selbst Gelegenheit gehabt, große Massen von Treibholz sowohl an der Westküste als auch an der Ostküste von Grönland zu untersuchen; ich habe auch Stücke davon im Meer, fern von den Küsten treibend gefunden. Und wie frühere Reisende bin auch ich zu der Überzeugung gelangt, dass der größte Teil davon nur aus Sibirien gekommen sein kann, ein kleinerer Teil möglicherweise auch aus Amerika; denn man findet darunter die Kiefer, die sibirische Lärche und auch nordische Baumarten, die schwerlich anderswoher gekommen sein können. Interessant sind in dieser Beziehung die Funde, die an der Ostküste Grönlands von der Zweiten Deutschen Nordpolarfahrt7 gemacht wurden. Von fünfundzwanzig Stücken Treibholz gehörten siebzehn der sibirischen Lärche an, fünf einer nordischen Kieferart (wahrscheinlich Picea obovata), zwei einer Erlenart (Alnus incana?) und eines einer Pappelart (Populus tremula?), welche Holzarten alle in Sibirien vorkommen.«

»Als Ergänzung dieser Beobachtungen aus Grönland kann erwähnt werden, dass die Jeannette-Expedition im Norden der Neusibirischen Inseln in dem stark nordwärts gehenden Strom häufig sibirisches Treibholz (Kiefer und Birke) zwischen den Eisschollen fand.«

»Zum Glück für die Eskimos kommen jährlich so große Massen solchen Treibholzes nach den Küsten von Grönland, dass man meiner Meinung nach zu der Annahme gezwungen ist, dass sie von einem konstanten Strom dorthin getrieben werden, um so mehr, als sie durchgehend den Eindruck machen, als hätten sie in der See gelegen, jedenfalls aber nicht, ohne im Eis eingefroren gewesen zu sein ...«

»Dass dieses Treibholz südlich um Franz-Joseph-Land und um Spitzbergen getrieben wird, ist ebenso wenig anzunehmen, wie dass die Eisscholle mit den Gegenständen von der ›Jeannette‹ diesen Weg gemacht haben sollte. Als Beweis dagegen lässt sich außerdem anführen, dass sibirisches Treibholz nördlich von Spitzbergen gefunden worden ist, in dem stark südwärts gerichteten Strom, gegen welchen Parry vergebens kämpfte.«

»Man sieht also, dass wir auch aus diesem Grunde zu der Annahme gezwungen werden, dass ein Strom über den Pol oder nahe au demselben vorbeigeht.

In Verbindung damit lässt sich als besonders interessant noch erwähnen, dass der deutsche Botaniker Grisebach es als wahrscheinlich nachgewiesen hat, dass die grönländische Flora eine Reihe von sibirischen Formen umfasst, die schwerlich auf anderm Wege als mit Hülfe eines solchen Stromes eingewandert sein können; der Same muss von dem Strom dorthin geführt sein.«

»Auf dem Treibeis in der Dänemark-Straße (zwischen Island und Grönland) habe ich Beobachtungen gemacht, die möglicherweise darauf hindeuten, dass auch dieses Eis von Anfang an sibirischen Ursprungs ist. Ich habe darauf nämlich Mengen von Schlamm gefunden, der dem Anschein nach aus sibirischen, vielleicht auch nordamerikanischen Flüssen stammt. Es lässt sich jedoch auch annehmen, dass er von Gletscherbächen herrührt, die im nördlichen Grönland oder in anderen unbekannten Polarländern unter dem Eis hervorkommen, und dieser Beweis ist daher weniger entscheidend als diejenigen, die ich früher angeführt habe.«

»Fassen wir alles zusammen, so scheint sich daraus mit Notwendigkeit die Schlussfolgerung zu ergeben, dass irgendwo zwischen dem Pol und Franz-Joseph-Land ein Strom vom Sibirischen Eismeer nach der grönländischen Ostküste geht.«

»Dass dies der Fall sein muss, können wir uns auch auf anderm Wege klar machen. Betrachten wir nämlich den Polarstrom – den breiten Strom, der von den unbekannten Polargegenden zwischen Spitzbergen und Grönland herabkommt – und bedenken wir, welch ungeheuere Wassermassen er mit sich führt, so muss es einleuchten, dass diese nicht aus einem begrenzten kleinen Becken kommen können, sondern dass sie sich notwendigerweise von weither sammeln müssen, um so mehr, als das Polarmeer, soweit wir es kennen, im Norden der Küsten von Europa, Asien und Amerika ausfallend seicht ist. Der Polarstrom erhält freilich Zuwachs von dem Arm des Golfstroms, der an der Westküste von Spitzbergen hinaufdringt; aber dieser kleine Strom ist doch bei Weitem nicht hinreichend; die Hauptmasse seines Wasservorrats holt der Polarstrom vielmehr weiter aus Norden.«

»Es ist wahrscheinlich, dass der Polarstrom seine Arme bis nach den Küsten Sibiriens und zur Bering-Straße ausstreckt, dass er gleichsam das Wasser von dort an sich saugt. Das Wasser, welches er aufnimmt, wird dann zum Teil von dem früher erwähnten warmen Strom geliefert, der durch die Bering-Straße dringt, sowie durch den Zweig des Golfstroms, der nördlich von Norwegen östlich nach Nowaja Semlja abbiegt, und wovon sicher ein großer Teil den Weg auf der Nordseite dieser Insel ins Sibirische Eismeer fortsetzt. Dass ein aus Süden kommender Strom diese Richtung, mindestens teilweise, sucht, ist schon aus dem Grund als wahrscheinlich anzunehmen, weil bekanntlich infolge der Umdrehung der Erde auf der nördlichen Halbkugel ein nach Norden fließender Strom, er bestehe aus Luft oder Wasser, in östlicher Richtung abgelenkt wird; aus dem gleichen Grund muss auch ein nach Süden gerichteter Strom, wie der Polarstrom, nach Westen an die Ostküste Grönlands gedrängt werden.«

»Aber selbst wenn diese Ströme, die in das polare Becken fließen, nicht existierten, glaube ich, dass so viel anderes Wasser in dasselbe strömt, dass sich trotzdem ein Polarstrom bilden müsste. Es sind zunächst die ins Eismeer mündenden nordeuropäischen, sibirischen und nordamerikanischen Flüsse, welche dieses Wasser bringen. Das Niederschlagsgebiet dieser Flüsse ist ganz bedeutend, nämlich: ein großer Teil von Nordeuropa, beinahe das ganze nördliche Asien oder Sibirien bis zum Altai-Gebirge und dem Baikal-See, sowie der größte Teil von Alaska und Britisch-Nordamerika. Dies macht zusammen einen nicht geringen Teil der Erdoberfläche aus, und die Niederschläge dieser Länder ergeben eine außerordentlich große Summe. Dass das Eismeer selbst einen bedeutenden Beitrag zu diesen Niederschlägen liefern sollte, ist nicht denkbar; denn einerseits ist es zum großen Teil mit Treibeis bedeckt, dessen Verdampfung nur gering ist, andererseits verhindert auch die verhältnismäßig niedrige Temperatur dieser Gegenden eine bedeutendere Verdampfung von der offenen Wasserfläche. Das Wasser dieser Niederschläge muss also zu ganz wesentlichem Teil anderswoher kommen, vornehmlich aus dem Atlantischen und dem Stillen Ozean, und der Zuwachs an Wassermenge, den das Eismeer dadurch erhält, muss sehr ansehnlich sein. Besäße man eine genügende Kenntnis der Regenmengen an den verschiedenen Stellen, so müsste der Zuwachs sich sogar direkt berechnen lassen.8Noch größere Bedeutung hat derselbe aus dem Grund, weil das Polarbecken verhältnismäßig klein und, wie schon bemerkt, sehr seicht ist; die größten bekannten Tiefen betragen ungefähr 120-150 Meter.«

»Aber es existiert noch ein anderer Faktor, der dazu beitragen muss, die Wassermasse im Polarbecken zu vermehren: dessen eigene Niederschläge. Schon Weyprecht hat auf die Wahrscheinlichkeit hingewiesen, dass die starke Zuströmung von warmer, feuchter Luft aus Süden, die durch den in den Polargegenden regelmäßig niedrigen Luftdruck angesaugt wird, so viel Niederschläge abgeben muss, dass auch die Wassermassen des Polarmeeres dadurch wachsen müssen. Dass das Polarbecken starke Zufuhren von Süßwasser erhält, muss man auch direkt aus dem geringen Salzgehalt des Wassers des Polarstromes schließen.«

»Nach dem hier Vorgebrachten muss es also anscheinend als sicher angesehen werden, dass das Meer um den Pol herum eine nicht unbedeutende Zufuhr von Wasser, Teils Süßwasser, wie eben angedeutet, Teils Salzwasser, wie später erwähnt, durch mehrere Meeresströmungen erhält. Nach dem Gleichgewichtsgesetz schafft sich diese Wassermenge mit Notwendigkeit einen Ablauf, wie solches durch den grönländischen Polarstrom geschieht.

Lassen sich aber weitere Gründe finden, weshalb dieser Strom gerade in der angegebenen Richtung fließt?«

»Betrachtet man die Tiefenverhältnisse, so findet man schon darin einen entscheidenden Grund dafür, dass die Hauptmündung des Stromes in dem Meer zwischen Spitzbergen und Grönland liegen muss. Dieses Meer ist, soweit wir es kennen, überall sehr tief, ja es existiert sogar eine Rinne von einer Tiefe bis zu 4500 Metern, während das Meer südlich von Spitzbergen und Franz-Joseph-Land auffallend seicht und nicht über 300 Meter tief ist. Durch die Bering-Straße geht, wie erwähnt, ein Strom nordwärts, und der Smith-Sund sowie die Sunde zwischen den Inseln nördlich von Amerika, wo der Strom allerdings südwärts gerichtet ist, sind allzu klein und eng, um bei Wassermassen wie die in Rede stehenden in Betracht zu kommen. Es bleibt also nichts anderes übrig, als anzunehmen, dass die Wassermassen auf demselben Wege, den der Polarstrom verfolgt, ihren Abfluss nehmen müssen. Als Merkwürdigkeit ist hier die Rinne zu erwähnen, welche die Jeannette-Expedition zwischen der Wrangel-Insel und den Neusibirischen Inseln fand. Sie erstreckte sich in nördlicher Richtung zum Teil mehr als 150 Meter tief, während sich beiderseits Tiefen von nur 80 – 100 Metern fanden. Unmöglich ist es wohl nicht, dass diese Rinne mit derjenigen zwischen Spitzbergen und Grönland zusammenhängt;9dadurch wäre die Richtung des Hauptstromes wenn nicht gegeben, so doch beeinflusst.«

»Betrachtet man die Wind- und die Luftdruck-Verhältnisse über dem Polarmeer, so scheint aus ihnen hervorzugehen, dass sie einen Strom über den Pol in der angedeuteten Richtung verursachen müssen. Vom Atlantischen Ozean, südlich von Spitzbergen und Franz-Joseph- Land, erstreckt sich ein Gürtel niedrigen Luftdrucks (Minimumgürtel) in das Sibirische Eismeer.«

»Nach bekannten Gesetzen müssen auf der Südseite dieses Gürtels die Winde vorherrschend die Richtung von Westen nach Osten haben; dies muss eine östliche Strömung längs der Nordküste Sibiriens verursachen, die sich auch, wie man weiß, vorfindet.10Die Winde auf der Nordseite des Minimumgürtels müssen dagegen vorzugsweise in der Richtung von Osten nach Westen wehen und werden also eine westlich gerichtete Strömung hervorrufen, die über den Pol nach dem Grönländischen Meer geht, wie früher bewiesen.

Man sieht also, dass, von welcher Seite man diese Frage auch betrachte, man ungeachtet der speziellen entscheidenden Gründe, die vorliegen, auch auf deduktivem Weg zu dem Schluss kommen muss, dass ein Strom über den Pol oder sehr nahe an demselben vorüber in das Meer zwischen Grönland und Spitzbergen geht.

Mit Rücksicht auf das Angeführte scheint es mir, als müsse der Versuch naheliegen, in diesen Strom auf derjenigen Seite des Pols einzudringen, wo er nach Norden geht, und mit seiner Hilfe in jene Gegenden zu gelangen, welche alle diejenigen, die früher gegen den Strom arbeiteten, vergebens zu erreichen sich bemüht hatten.«

*

»Mein Plan ist in Kürze folgender: Ich beabsichtige, ein Schiff bauen zu lassen, so klein und so stark wie möglich; dasselbe soll gerade groß genug sein, um Kohlenvorrat und Proviant für 12 Mann auf fünf Jahre fassen zu können. Ein Fahrzeug von ungefähr 170 Tonnen (brutto) wird vermutlich hinreichen. Es soll eine Maschine haben so stark, dass es in der Stunde 6 Seemeilen zurücklegen kann, aber außerdem soll das Schiff auch volle Segeltakelung besitzen.«

»Das Wichtigste bei diesem Fahrzeug ist, dass es nach einem Prinzip gebaut wird, wonach es den Druck des Eises aushalten kann. Es muss so schräge Seiten erhalten, dass das Eis bei seinen Pressungen keinen festen Halt gewinnen kann, wie dies der Fall war mit der ›Jeannette‹ und anderen Fahrzeugen, die arktische Expeditionen an Bord hatten, sondern das Eis soll es stattdessen in die Höhe heben. Es wird kaum einer großen Veränderung in der Konstruktion bedürfen. Trotz ihrer ganz ungeeigneten Form hielt die ›Jeannette‹ dennoch beinahe zwei Jahre lang den Eispressungen stand. Dass man einem Schiff mit Leichtigkeit eine Form, wie hier angedeutet, geben kann, darüber wird niemand im Zweifel sein, der ein Fahrzeug während einer Eispressung gesehen hat. Aus demselben Grund muss das Schiff auch klein sein; denn abgesehen davon, dass mit einem solchen leichter zu manövrieren ist, wird es während der Pressungen auch leichter gehoben, gleichwie es auch eher gelingt, dasselbe besonders stark zu machen. Es muss selbstverständlich aus ausgesuchtem Material gebaut werden. Ein Schiff von der erwähnten Form und Größe wird kein gutes und bequemes Seefahrzeug werden, aber das ist von geringerer Bedeutung in einem mit Eis angefüllten Fahrwasser, von dem hier die Rede ist. Freilich muss das Schiff einen weiten Weg durch das offene Meer zurücklegen, ehe es so weit kommt. Aber so schlimm, dass man mit demselben überhaupt nicht vorwärts kommen könnte, wird es doch nicht werden, obschon seekranke Passagiere den Meeresgöttern ihren Tribut werden zollen müssen.«

»Hat man erst ein solches Fahrzeug sowie eine Besatzung von 10, höchstens 12, kräftigen und im Übrigen sorgfältig ausgesuchten Männern nebst einer auf fünf Jahre berechneten Ausrüstung, die in jeder Beziehung so gut ist, wie sie mit den Mitteln unserer Zeit beschafft werden kann, so glaube ich, dass das Unternehmen gesichert ist. Mit diesem Fahrzeug versuchen wir durch die Bering-Straße und westwärts längs der Nordküste von Sibirien nach den Neusibirischen Inseln zu dringen, so frühzeitig im Sommer, als die Eisverhältnisse es irgend gestatten.11

»Bei den Neusibirischen Inseln angelangt, gilt es, die Zeit aufs Beste zu nutzen, um die Strom- und Eisverhältnisse zu untersuchen, und dann den günstigsten Augenblick abzuwarten, der es erlaubt, in eisfreiem Fahrwasser am weitesten nordwärts zu gelangen. Dies kann nach den über die Eisverhältnisse nördlich von der Bering-Straße vorliegenden Berichten der amerikanischen Walfischfänger voraussichtlich im August oder Anfang September geschehen.

Ist die rechte Zeit gekommen, so durchqueren wir das Eis nordwärts, soweit wir kommen. Dass wir auf diese Weise über die nördlichsten der Neusibirischen Inseln hinaus kommen können, darf man u.a. aus der Jeannette-Expedition schließen. Während die Expedition im Eis nördlich von der Bennett-Insel trieb, notierte De Long in seinem Tagebuch, dass sie dort ›dunkeln Wasserhimmel‹ – das heißt einen Himmel, der den dunkeln Widerschein von offenem Wasser zeigt – auf allen Seiten um sich sahen. Es muss folglich, bis zu einem gewissen Grad wenigstens, für ein starkes Eisfahrzeug durchzukommen möglich sein.«

»Dann muss man bedenken, dass die ganze Expedition von der Bennett-Insel bis zur sibirischen Küste in Booten reiste, teilweise in offenem Wasser. An der Küste fand bekanntlich der größte Teil von ihnen ein trauriges Ende, Nordenskiöld ging nicht weiter nach Norden als bis zu der südlichsten der genannten Inseln (Ende August 1878), aber hier war das Fahrwasser überall offen.«

»Es ist also Wahrscheinlichkeit dafür vorhanden, dass wir im Stande sein werden, bei den Neusibirischen Inseln nordwärts zu dringen, und sind wir einmal so weit, dann sind wir auch mitten in dem Strom, dem die ›Jeannette‹ ausgesetzt war; es gilt dann nur, sich weiter nach Norden durchzuarbeiten, bis man im Eis festsitzt.12

Dann wählt man einen geeigneten Platz, vertäut das Fahrzeug gut und lässt das Eis sich um dasselbe herum auftürmen so viel es mag – je mehr, desto besser; das Schiff wird dadurch nur gehoben werden und wird sicher und fest sitzen. Dass das Schiff sich unter der Eispressung auf die Seite legen sollte, ist bis zu einem gewissen Grad möglich, aber kaum von Bedeutung. Von jetzt an besorgt der Strom die Beförderung, während das Schiff nicht länger ein Transportmittel ist, sondern zum Quartier wird, in welchem man reichlich Zeit hat, wissenschaftliche Beobachtungen anzustellen.«

»Auf diese Weise wird die Expedition nach dem, was ich früher nachgewiesen habe, wahrscheinlich über den Pol und weiter ins Meer zwischen Grönland und Spitzbergen treiben. Hier werden wir, wenn wir den 80. Breitengrad erreichen, oder sogar früher, wenn es Sommer ist, Aussicht haben, das Schiff freizumachen, und werden dann nach Hause segeln können. Sollte das Schiff jedoch vor der Zeit zerstört werden – wozu ja die Möglichkeit vorhanden ist, obschon sie mir sehr gering erscheint, wenn das Schiff auf die vorher angedeutete Weise gebaut wird –, so wird die Expedition dennoch nicht misslungen sein, denn die Rückreise muss trotzdem mit dem Strom über den Pol bis zum Nordatlantischen Becken gehen. Es ist Eis genug vorhanden, um darauf zu treiben, und eine solche Fahrt haben wir früher schon versucht. Hätte die Jeannette-Expedition Proviant genug gehabt, und wäre sie auf der Eisscholle geblieben, auf der sie die später gefundenen Gegenstände zurückließ, der Ausgang der Expedition wäre sicherlich ein ganz anderer geworden, als er tatsächlich war!«

»Das Fahrzeug kann bei einer Eispressung nicht so schnell sinken, dass nicht Zeit genug bliebe, um mit der ganzen Ausrüstung und dem Proviant auf eine starke Eisscholle überzusiedeln, die man schon im Voraus für diesen Fall ausgewählt hat. Hier schlagen wir die Zelte auf, die wir zu dem Zweck mitgenommen haben. Um unsern Proviant und die übrige Ausrüstung uns zu erhalten, sammeln wir sie nicht an einer Stelle, sondern verteilen sie übers Eis und legen sie auf Holzflöße, die wir aus Brettern und Balken gebaut haben. Hierdurch wird vermieden werden, dass etwas von der Ausrüstung sinkt, wenn die Scholle darunter brechen sollte. Denn infolge des Berstens einer Scholle verloren die Männer der ›Hansa‹, die über ein halbes Jahr lang an der Ostküste von Grönland entlang trieben, einen Teil ihrer Ausrüstung.«

»Damit eine solche Fahrt gelinge, bedarf es nur zweier Dinge: guter Kleider und vieler Nahrung, und dafür können wir Sorge tragen. Wir werden uns somit auf unserer Eisscholle ebenso sicher fühlen wie auf unserm Fahrzeug und ebenso gut zum Grönländischen Meer gelangen können. Dort angekommen, wird der Unterschied nur der sein, dass wir anstatt mit dem Schiff in unsern Booten fahren müssen, die uns jedoch ebenso sicher bis zum nächsten Hafen bringen können.«

»Ich glaube demnach, dass überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür vorhanden ist, dass eine solche Fahrt gelingt.«

»Manche werden jedoch gewiss einwenden: ›In allen Strömungen befinden sich Gegen- und Nebenströme. Gesetzt den Fall, dass ihr in einen solchen hineingeratet oder vielleicht auf ein unbekanntes Land am Pol stoßt und dort festliegen bleibt, was wollt ihr dann machen?‹ Darauf kann ich nur antworten: Was den Gegenstrom betrifft, so müssten wir doch einmal aus demselben herauskommen, ebenso sicher, wie wir hineingeraten sind, und wir haben Proviant auf fünf Jahre! Und was die zweite Möglichkeit betrifft, so würde ein solches Ereignis mit Freuden begrüßt werden; denn nicht leicht ließe sich ein Fleck unserer Erde von größerem wissenschaftlichem Interesse finden. Wir würden in dem neuentdeckten Land so viele Beobachtungen als möglich sammeln. Sollten wir mit dem Schiff nicht wieder in die Drift kommen und die Zeit verstreichen, so würde nichts anderes übrig bleiben, als dasselbe zu verlassen und zu versuchen, mit den Booten und der notwendigen Ausrüstung in den nächsten Strom zu gelangen, um auf die vorher angedeutete Weise wieder in die Drift zu kommen.

*

Wie lange wird nun eine solche Reise dauern können?

»Wie wir früher gesehen haben, können die von der Jeannette-Expedition herrührenden Sachen höchstens zwei Jahre gebraucht haben, um auf demselben Weg bis zum 80. Breitengrad hinab zu treiben; dort dürfen wir also mit einiger Sicherheit darauf rechnen, vom Eis los zu kommen. Dies würde einer täglichen Fahrt von ungefähr 2 Seemeilen entsprechen.«

»Es ist daher keine unmögliche Annahme, wenn wir erwarten, im Laufe von zwei Jahren das Ziel zu erreichen; möglich ist es ja auch, dass das Schiff schon in höheren Breiten, als hier vorausgesetzt, loskommen kann. Der auf fünf Jahre berechnete Proviant muss daher reichlich genügen. ›Aber ist die Winterkälte in diesen Gegenden nicht so groß, dass ein Aufenthalt dort unmöglich sein wird?‹

Dies ist nicht wahrscheinlich, ja wir können sogar mit ziemlich großer Sicherheit sagen, dass es am Pol selbst im Winter nicht so kalt ist wie z.B. im nördlichen Sibirien, das ja ein bewohntes Land ist, oder im nördlichen Teil der Westküste Grönlands, welcher gleichfalls bewohnt ist. Meteorologen haben ausgerechnet, dass die mittlere Temperatur am Pol im Januar ungefähr -36º C, unter Null sein wird, während sie z.B. in Jakutsk -42 C, in Werchojansk -48 C beträgt. Man muss bedenken, dass der Pol wahrscheinlich von Meer bedeckt ist, dessen Wärmeausstrahlung viel geringer ist als die so großer Landmassen, wie es die Ebenen Nordasiens sind. Die Gegend um den Pol hat somit aller Wahrscheinlichkeit nach ein Ozeanisches Klima mit verhältnismäßig milden Wintern, dafür aber kalte Sommer.«

»Die Kälte in diesen Gegenden kann also kein direktes Hindernis sein. Eine Schwierigkeit, mit der viele der früheren Expeditionen zu kämpfen hatten und die auch hier nicht übersehen werden darf, ist indessen der Skorbut. Während eines längern Aufenthalts in einem so kalten Klima wird diese Krankheit sich unstreitig leicht einstellen, wenn man keine Gelegenheit hat, frischen Proviant zu bekommen. Ich glaube jedoch, dass mit Sicherheit anzunehmen ist, dass die vielfachen, kräftigen Nahrungsmittel, die wir in unserer Zeit in Gestalt hermetisch verschlossener Konserven und dergleichen besitzen, sowie die uns zu Gebote stehende Kenntnis der dem Körper nötigen Stoffe uns in den Stand setzen werden, die Gefahr des Skorbuts fernzuhalten. Außerdem wird meiner Ansicht nach ein vollständiger Mangel an frischem Proviant in den Gewässern, die wir bereisen werden, nicht eintreten; wir können sicher darauf rechnen, Eisbären und Seehunde noch hoch im Norden, wenn nicht sogar beim Pol, zu finden. Noch ist zu erwähnen, dass das Meer gewiss Mengen von kleinen Tieren enthält, die uns im Notfall zur Nahrung dienen können.

Man sieht, dass, welche Schwierigkeiten man auch als möglich aufstellt, diese doch nicht so groß sind, dass sie nicht durch sorgfältige Zusammenstellung der Ausrüstung, durch eine glückliche Wahl der Mitglieder und durch eine planmäßige Leitung der Expedition überwunden und dabei gute Resultate erzielt werden könnten. Wir werden ebenso sicher darauf rechnen dürfen, dass wir das offene Meer zwischen Grönland und Spitzbergen erreichen werden, wie dass wir in den ›Jeannette-Strom‹ bei den Neusibirischen Inseln gelangen können.«

»Aber wenn nun dieser ›Jeannette-Strom‹ nicht gerade über den Pol führt, wenn er z.B. zwischen diesem und Franz-Joseph-Land hindurch geht, wie früher angedeutet, was tut die Expedition dann, um den Pol zu erreichen?«

»Hier scheint in der Tat die Achillesferse des Planes zu stecken; denn wird das Fahrzeug in einer Entfernung von mehr als einem Grad (60 Seemeilen) am Pol vorbeigeführt, so kann es als höchst unklug oder unsicher erscheinen, das Schiff mitten im Strom zu verlassen, um mit Schlitten über raues, ebenfalls in der Drift befindliches Meereis einen so weiten Weg zurückzulegen... Hätte man auch den Pol erreicht, so würde es ganz unsicher sein, ob man das Schiff bei der Rückkehr wieder finden würde. Ich meine jedoch, dass dies von geringer Bedeutung ist; wir sind nicht hinausgezogen, um den mathematischen Punkt, der das nördliche Ende der Erdachse bildet, zu suchen – denn diesen Punkt zu erreichen, hat an und für sich nur geringen Wert – sondern, um Untersuchungen in dem großen unbekannten Teil der Erde, welcher den Pol umgibt, anzustellen, und diese Untersuchungen werden nahezu die gleiche große wissenschaftliche Bedeutung haben, ob die Reise über den mathematischen Pol selbst führt oder ein Stück davon entfernt bleibt.«

*

In diesem Vortrag hatte ich die wichtigsten Daten, worauf mein Plan sich gründete, dargelegt. In den folgenden Jahren fuhr ich fort, die Verhältnisse in den nördlichen Meeresteilen zu studieren, und erhielt fortwährend neue Beweise dafür, dass meine Annahme einer Drift quer durch das Polarmeer richtig sein müsse. In einem Vortrag, den ich am 28. September 1892 in der Geographischen Gesellschaft zu Christiania hielt, erwähnte ich einige derselben.13

Ich betonte, dass schon beim Betrachten der Dicke und Mächtigkeit des Treibeises auf beiden Seiten des Pols der Umstand auffallen müsse, dass das Eis auf der sibirischen Seite, nördlich von der sibirischen Küste, obgleich dieser Meeresteil zu den kältesten Strichen der Erde gehört, verhältnismäßig dünn ist (das Eis, in welchem die ›Jeannette‹ trieb, war durchschnittlich nicht mehr als 2,2-3,1 Meter dick), während das auf der anderen Seite aus dem Norden kommende Eis, im Meer zwischen Grönland und Spitzbergen, auffallend stark ist. Dies könnte meines Erachtens nur dadurch erklärt werden, dass das Eis beständig von der sibirischen Küste über das Polarbecken nach der Ostküste Grönlands und nach Spitzbergen treibt und während dieser Drift durch das unbekannte und kalte Meer Zeit hat, seine große Dicke teils durch Gefrieren, teils durch fortwährendes Zusammenstauen während der Eispressungen zu erlangen.

In meinem oben wiedergegebenen Aufsatz erwähnte ich, dass auch der auf diesem Treibeis gefundene Schlamm auf sibirischen Ursprung zu deuten scheine. Ich legte diesem Beweismittel damals keine große Bedeutung bei; aber bei spätern Untersuchungen, die ich auf meiner Grönlandfahrt angestellt hatte, zeigte es sich, dass der Schlamm schwerlich anderswoher stammen kann als aus Sibirien.

Dr. Törnebohm in Stockholm kam bei Untersuchung der mineralischen Bestandteile dieses Schlammes zu dem Schluss, dass er zum großen Teil aus sibirischem Flussschlamm bestehen müsse. Er fand ungefähr 20 verschiedene Minerale darin. »Die Menge verschiedener Mineralbestandteile scheint mir«, sagt er, »darauf hinzudeuten, dass dieselben von einem ausgedehnten Landgebiet herrühren, und da liegt es nahe, an das nördliche Sibirien zu denken.«

Außerdem bestand der Schlamm mehr als zur Hälfte aus Humus oder Sumpferde. Interessanter als der Schlamm selbst waren aber die darin gefundenen Diatomeen14,die von Professor Cleve in Uppsala untersucht wurden. Dieser sagt darüber:

»Die Diatomeen sind entschieden marinen Ursprungs (d.h. sie stammen aus Salzwasser), abgesehen von einzelnen wenigen Süßwasserformen, die mit dem Wind vom Land gekommen sind. Die in diesem Staub enthaltene Diatomeen-Flora ist ganz eigentümlich und sehr verschieden von derjenigen, die ich in den vielen Tausenden von mir untersuchter Proben gefunden habe, mit Ausnahme einer einzigen, mit welcher sie vollständige Übereinstimmung zeigt, nämlich mit einer Probe, die von Kjellman während der Vegafahrt auf einer Eisscholle bei Cap Wankarem in der Nähe der Bering-Straße gesammelt wurde.«

Arten und Varietäten sind in beiden Proben genau dieselben: Cleve konnte 16 Arten von Diatomeen bestimmen; diese kommen alle auch im Staub von Cap Wankarem vor, und 12 von ihnen sind nur von dort bekannt und von keinem anderen Fleck der Erde. Dies war eine auffällige Übereinstimmung zwischen zwei so fernliegenden Punkten, und Cleve hat sicherlich Recht, wenn er fortfährt: »Es ist sehr merkwürdig, dass die auf Eisschollen zu findende Diatomeen-Flora aus der Nähe der Bering-Straße und an der Ostküste Grönlands so vollständig übereinstimmt und von allen anderen sich unterscheidet; dies deutet auf eine bestehende Verbindung zwischen den Meeren östlich von Grönland und nördlich von Asien.«

»Durch diese Verbindung«, fuhr ich in meinem Vortrag fort, »wird also Treibeis jährlich quer über das unbekannte Polarmeer geführt. Auf eben diesem Eis muss eine Expedition denselben Weg machen können.«

Als dieser Plan vorgelegt wurde, fand er freilich auf manchen Seiten Ablehnung, besonders in Norwegen. Kräftig unterstützt wurde er von Professor Mohn, der ja durch seine Erklärung der Drift der Jeannette-Reliquien den Anstoß dazu gegeben hatte. Aber wie zu erwarten stand, stieß er meistens auf Widerspruch, auch außerhalb Norwegens, und die Mehrzahl der Polarreisenden und der arktischen Autoritäten erklärten mehr oder weniger offen, dass es ›der reine Wahnsinn‹ sei. Im Jahre vor unserer Ausfahrt, im November 1892, legte ich meinen Plan der Geographischen Gesellschaft in London in einem Vortrag dar, bei welchem die bedeutendsten Polarreisenden Englands zugegen waren.

Nach dem Vortrag entspann sich eine Diskussion15, die deutlich zeigte, in welch starkem Widerspruch ich stand zu den allgemein anerkannten Ansichten über die Verhältnisse im Innern des Polarmeeres, über die Navigation im Eis und über die Art und Weise, wie eine Polar-Expedition unternommen werden müsse. Der hervorragende Polarforscher Admiral Sir Leopold M’Clintock eröffnete die Diskussion mit der Bemerkung: »Ich glaube sagen zu dürfen, dass dies der kühnste Plan ist, von dem die Geographische Gesellschaft jemals Kenntnis erhalten hat.« Er räumte ein, dass die Tatsachen für die Richtigkeit meiner Theorien sprächen, zweifelte jedoch sehr, ob der Plan sich realisieren lassen würde. Besonders meinte er, dass die Gefahr, vom Eis erdrückt zu werden, zu groß sei. Man könne allerdings ein Schiff bauen, welches kräftig genug wäre, den Eispressungen im Sommer Widerstand zu leisten; sollten wir ihnen aber in den Wintermonaten ausgesetzt sein, wenn das Eis »mehr Felsen gleiche, die an den Seiten des Schiffes festgefroren«, so meinte er, dass »die Möglichkeit, aufs Eis hinaufzugleiten, sehr fern liege«. Wie die meisten anderen nahm er als sicher an, dass keine Wahrscheinlichkeit vorhanden sei, die ›Fram‹ wiederzusehen, nachdem das Schiff sich einmal dem unbarmherzigen Polareis anvertraut habe.

Er schloss mit den Worten: »Ich wünsche dem Herrn Doktor ein baldiges volles glückliches Gelingen. Aber es wird für seine vielen Freunde in England eine Erleichterung sein, wenn er zurückgekehrt ist, zumal für diejenigen, welche einige Erfahrung haben in den Gefahren, die zu allen Zeiten von der Schifffahrt in den arktischen Gewässern untrennbar sind, selbst in Gegenden, die nicht so hoch im Norden liegen.«

Admiral Sir George Nares