Friedrich Hölderlins Lyrik - Friedrich Hölderlin - E-Book

Friedrich Hölderlins Lyrik E-Book

Friedrich Hölderlin

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Beschreibung

Die Auswahl bringt, chronologisch gereiht, 93 schönste, bedeutsamste, eindrucksvollste, manchmal auch verstörende lyrische Schöpfungen Friedrich Hölderlins. Sich selbst überwindend, sprachkräftig, gedankenmächtig. Natur-, Landschafts- und Liebesgedichte in Hölderlins charakteristisch eigenem Stil zwischen Klassik und Romantik, durchwirkt von Griechentum, Ideal, Erneuerung, mythologisch, versunken, sehnsüchtig, seherisch, hymnisch in freien Rhythmen, symbolisch dunkel, geheimnisvoll, Leben, Tod, Götter, Christentum und Heimat. Ein Höhepunkt abendländischer Literatur mit durchdringendem Einfluss auf die Dichtkunst vieler Lyriker, etwa Stefan George, Georg Heym, Georg Trakl, Paul Celan, Ingeborg Bachmann. Hölderlins hymnisches Spätwerk inspirierte philosophische Überlegungen bei Martin Heidegger, Theodor W. Adorno, Jacques Derrida, Michel Foucault.

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RAT ACBO

ReiheAlte Tradition Azurcelesteblueoscuro

herausgegeben

von

Joerg K. Sommermeyer & Orlando Syrg

Exemplarische Werke der Weltliteratur

herausgegeben von

Joerg K. Sommermeyer

Über dieses Buch

Die Auswahl bringt, chronologisch gereiht, 93 schönste, bedeutsamste, eindrucksvollste, manchmal auch verstörende lyrische Schöpfungen Friedrich Hölderlins. Sich selbst überwindend, sprachkräftig, gedankenmächtig. Natur-, Landschafts- und Liebesgedichte in Hölderlins charakteristisch eigenem Stil zwischen Klassik und Romantik, durchwirkt von Griechentum, Ideal, Erneuerung, mythologisch, versunken, sehnsüchtig, seherisch, hymnisch in freien Rhythmen, symbolisch dunkel, geheimnisvoll, Leben, Tod, Götter, Christentum und Heimat. Ein Höhepunkt abendländischer Literatur mit durchdringendem Einfluss auf die Dichtkunst vieler Lyriker, etwa Stefan George, Georg Heym, Georg Trakl, Paul Celan, Ingeborg Bachmann. Hölderlins hymnisches Spätwerk inspirierte philosophische Überlegungen bei Martin Heidegger, Theodor W. Adorno, Jacques Derrida, Michel Foucault.

Der Autor

Johann Christian Friedrich Hölderlin wird am 20. März 1770, als Sohn eines Klosterhofmeisters und dessen Ehefrau, einer Pfarrerstochter, in Lauffen am Neckar geboren. Früh verliert er Vater und Stiefvater. Bildung in Latein- und Klosterschulen in Nürtingen, Denkendorf, Maulbronn und dem Tübinger Stift, wo auch Hegel und Schelling unterrichtet werden. 1793 Abschlussexamen. Kurzdauernde Hofmeisterstellen, die ihn nach Jena, Weimar, Nürtingen, Homburg, Frankfurt am Main, in die Schweiz und nach Bordeaux führen. Schwärmerische Liebe zu Susette (»Diotima«; 1769-1802), Gattin des Frankfurter Bankiers Gontard. 1797 erster Band des »Hyperion« bei Cotta in Tübingen und »Der Wanderer« in Schillers Zeitschrift »Die Horen«. 1802-04 innerlich gebrochen und geistesgestört in Nürtingen bei der Mutter, nach vorübergehender Genesung ab 1806 geisteskrank in der Heilanstalt Tübingen, welche ihn 1807 als unheilbar entlässt. Schreinermeister Ernst Zimmer kümmert sich um ihn, nach dessen Tod führt seine Tochter Friedrich Hölderlins Betreuung fort. Er stirbt am 7. Juni 1843 in Tübingen. [Detaillierter Lebenslauf siehe Joerg K. Sommermeyer, Biographischer Abriss Friedrich Hölderlins, unten S. 113 f.]

Der Herausgeber

Joerg K. Sommermeyer (JS), geb. am 14.10.1947 in Brackenheim, Sohn des Physikers Kurt Hans Sommermeyer (1906-1969). Kindheit in Freiburg. Studierte Jura, Philosophie, Germanistik, Geschichte und Musikwissenschaft. Klassische Gitarre bei Viktor v. Hasselmann und Anton Stingl. Unterrichtete in den späten Sechzigern Gitarre am Kindergärtnerinnen- / Jugendleiterinnenseminar und in den Achtzigern Rechtsanwaltsgehilfinnen in spe an der Max-Weber-Schule in Freiburg. 1976 bis 2004 Rechtsanwalt in Freiburg. Zahlreiche Veröffentlichungen. JS (Joerg Sommermeyer) lebt in Berlin und Lahnstein.

Orlando Syrg, Berlin, 19. März 2023

Inhalt

Über dieses Buch

Der Autor

Der Herausgeber

An eine Rose (1793)

An Hiller (1793 / 1826)

Dem Genius der Kühnheit (1793 / 1795)

Griechenland (1794 / 1795)

An Neuffer (1794)

Das Schicksal (1794)

Freundeswunsch (1794 / 1797)

Der Gott der Jugend (1795)

Die Eichbäume (1796 / 1797)

An den Äther (1797)

Diotima (Jüngere Fassung, 1797 / 1799; Leuchtest du wie vormals nieder)

Guter Rat (1797/ 1896)

Advocatus diaboli (1797 / 1886)

Die Vortrefflichen (1797/1909)

Falsche Popularität (1797 / 1896)

Diotima (1797 / 1826; Komm und besänftige mir)

An Neuffer (Fragment, 1798 / 1922)

Empedokles (um 1798 / 1800)

An die Parzen (1798)

Diotima (1798; Du schweigst und duldest)

An ihren Genius (1798)

Abbitte (1798)

Ehmals und jetzt (1798)

Lebenslauf (1798)

Die Kürze (1798)

Die Liebenden (1798)

Menschenbeifall (1798)

Die Heimat (1798)

Der gute Glaube (1798)

Ihre Genesung (1798)

Das Unverzeihliche (1798)

An die jungen Dichter (1798)

An die Deutschen (1798)

Die scheinheiligen Dichter (1798 / 1799)

Sonnenuntergang (1798 / 1799)

Sokrates und Alcibiades (1798)

An unsre großen Dichter (1798)

Der Mensch (1798 / 1891)

Hyperions Schicksalslied (1798 / 1799)

Götter wandelten einst ... (1799 / 1909)

Abschied (unvollendet; 1799 / 1846)

Die Launischen (1799)

Der Tod fürs Vaterland (1799)

Der Zeitgeist (1797 / 1799)

Abendphantasie (1799)

Des Morgens (1799)

Der Main (1799)

Προς εαντον (Pros eauton / An sich selbst; 1799 / 1916)

Sophokles (1799 / 1826)

Der zürnende Dichter (1799/ 1826)

Die Scherzhaften (1799 / 1826)

Wurzel alles Übels (1799 / 1826)

Die Entschlafenen (1800 / 1846)

An die Deutschen (Fragment; um 1800 / 1946)

Heidelberg (1800)

Der Neckar (1800)

Die Heimat (1800 / 1803)

Die Liebe (1800 / 1826)

Lebenslauf (1800 / 1826)

Ihre Genesung (1800 / 1916)

Der Abschied (Zweite Fassung; 1800 / 1826)

Diotima (Du schweigst und duldest; 1800 / 1826)

Rückkehr in die Heimat (1800)

Das Ahnenbild (1800 / 1826)

Ermunterung (Zweite Fassung; 1801 / 1826)

Natur und Kunst oder Saturn und Jupiter (1801 / 1826)

An Eduard (Zweite Fassung; 1801 / 1885)

Die Dioskuren (1802 / 1916)

Unter den Alpen gesungen (1801)

Dichterberuf (1801 / 1802)

Stimme des Volks (Zweite Fassung; 1801 / 1802)

Der blinde Sänger (1801 / 1826)

Dichtermut (Zweite Fassung; 1801 / 1885)

Der gefesselte Strom (1801 / 1826)

Menons Klagen um Diotima (1800 / 1801)

Der Archipelagus (1800 / 1804)

Der Wanderer (Zweite Fassung; 1800/ 1801)

Am Quell der Donau (1801/1916)

Die Wanderung (1801 / 1802)

Der Rhein (1801 / 1807)

Germanien ( 1801 / 1896)

Der Einzige (Dritte Fassung; Fragment, 1803 / 1916)

Andenken (1803 / 1808)

Der Ister (Fragment; 1803/ 1916)

Mnemosyne (Dritte Fassung; 1803 / 1916)

Chiron (1802)

An die Hoffnung (1802)

Vulkan (1802)

Blödigkeit (1802)

Ganymed (1802)

Hälfte des Lebens (um 1802)

Lebensalter (um 1803)

Das fröhliche Leben (nach 1806, aus der Zeit von Hölderlins geistiger Umnachtung)

Biographischer Abriss Friedrich Hölderlins (Joerg k. Sommermeyer)

An eine Rose

Ewig trägt im Mutterschoße,

Süße Königin der Flur!

Dich und mich die stille, große,

Allbelebende Natur;

Röschen! unser Schmuck veraltet,

Stürm entblättern dich und mich,

Doch der ewge Keim entfaltet

Bald zu neuer Blüte sich.

An Hiller

Du lebtest, Freund! – Wer nicht die köstliche

Reliquie des Paradieses, nicht

Der Liebe goldne königliche Frucht,

Wie du, auf seinem Lebenswege brach,

Wem nie im Kreise freier Jünglinge

In süßem Ernst der Freundschaft trunkne Zähre

Hinab ins Blut der heilgen Rebe rann,

Wer nicht, wie du, aus dem begeisternden,

Dem ewigvollen Becher der Natur

Sich Mut und Kraft, und Lieb und Freude trank,

Der lebte nie, und wenn sich ein Jahrhundert,

Wie eine Last, auf seiner Schulter häuft. –

Du lebtest, Freund! es blüht nur wenigen

Des Lebens Morgen, wie er dir geblüht;

Du fandest Herzen, dir an Einfalt, dir

An edlem Stolze gleich; es sprossten dir

Viel schöne Blüten der Geselligkeit;

Auch adelte die innigere Lust,

Die Tochter weiser Einsamkeit, dein Herz;

Für jeden Reiz der Hügel und der Tale,

Für jede Grazien des Frühlings ward

Ein offnes unumwölktes Auge dir.

Dich, Glücklicher, umfing die Riesentochter

Der schaffenden Natur, Helvetia;

Wo frei und stark der alte, stolze Rhein

Vom Fels hinunter donnert, standest du

Und jubeltest ins herrliche Getümmel.

Wo Fels und Wald ein holdes zauberisches

Arkadien umschließt, wo himmelhoch Gebirg,

Des tausendjährgen Scheitel ewger Schnee,

Wie Silberhaar des Greisen Stirne, kränzt,

Umschwebt von Wetterwolken und von Adlern,

Sich unabsehbar in die Ferne dehnt,

Wo Tells und Walthers heiliges Gebein

Der unentweihten freundlichen Natur

Im Schoße schläft, und manches Helden Staub,

Vom leisen Abendwind emporgeweht,

Des Sennen sorgenfreies Dach umwallt,

Dort fühltest du, was groß und göttlich ist,

Von seligen Entwürfen glühte dir,

Von tausend goldnen Träumen deine Brust;

Und als du nun vom lieben heilgen Lande

Der Einfalt und der freien Künste schiedst,

Da wölkte freilich sich die Stirne dir,

Doch schuf dir bald mit ihrem Zauberstabe

Manch selig Stündchen die Erinnerung.

Wohl ernster schlägt sie nun, die Scheidestunde;

Denn ach! sie mahnt, die unerbittliche,

Dass unser Liebstes welkt, dass ewge Jugend

Nur drüben im Elysium gedeiht;

Sie wirft uns auseinander, Herzensfreund!

Wie Mast und Segel vom zerrissnen Schiffe

Im wilden Ozean der Sturm zerstreut.

Vielleicht indes uns andre nah und ferne

Der unerforschten Pepromene Wink

Durch Steppen oder Paradiese führt,

Fliegst du der jungen seligeren Welt

Auf deiner Philadelphier Gestaden

Voll frohen Muts im fernen Meere zu;

Vielleicht, dass auch ein süßes Zauberband

Ans abgelebte feste Land dich fesselt!

Denn traun! ein Rätsel ist des Menschen Herz!

Oft flammt der Wunsch, unendlich fortzuwandern,

Unwiderstehlich herrlich in uns auf;

Oft deucht uns auch im engbeschränkten Kreise

Ein Freund, ein Hüttchen, und ein liebes Weib

Zu aller Wünsche Sättigung genug. –

Doch werfe, wie sie will, die Scheidestunde

Die Herzen, die sich lieben, auseinander!

Es scheuet ja der Freundschaft heilger Fels

Die träge Zeit, und auch die Ferne nicht.

Wir kennen uns, du Teurer! – Lebe wohl!

Dem Genius der Kühnheit

Eine Hymne

Wer bist du? wie zur Beute, breitet

Das Unermessliche vor dir sich aus,

Du Herrlicher! mein Saitenspiel geleitet

Dich auch hinab in Plutons dunkles Haus;

So flogen auf Ortygias Gestaden,

Indes der Lieder Sturm die Wolken brach,

Dem Rebengott die taumelnden Mänaden

In wilder Lust durch Hain und Klüfte nach.

Einst war, wie mir, der stille Funken

Zu freier heitrer Flamme dir erwacht,

Du braustest so, von junger Freude trunken,

Voll Übermuts durch deiner Wälder Nacht,

Als von der Meisterin, der Not, geleitet,

Dein ungewohnter Arm die Keule schwang,

Und drohend sich, vom ersten Feind erbeutet,

Die Löwenhaut um deine Schulter schlang. –

Wie nun in jugendlichem Kriege

Heroenkraft mit der Natur sich maß!

Ach! wie der Geist, vom wunderbaren Siege

Berauscht, der armen Sterblichkeit vergaß!

Die stolzen Jünglinge! die kühnen!

Sie legten froh dem Tiger Fesseln an,

Sie bändigten, von staunenden Delphinen

Umtanzt, den königlichen Ozean.

Oft hör ich deine Wehre rauschen,

Du Genius der Kühnen! und die Lust,

Den Wundern deines Heldenvolks zu lauschen,

Sie stärkt mir oft die lebensmüde Brust;

Doch weilst du freundlicher um stille Laren,

Wo eine Welt der Künstler kühn belebt,

Wo um die Majestät des Unsichtbaren

Ein edler Geist der Dichtung Schleier webt.

Den Geist des Alls, und seine Fülle

Begrüßte Mäons Sohn auf heilger Spur,

Sie stand vor ihm, mit abgelegter Hülle,

Voll Ernstes da, die ewige Natur;

Er rief sie kühn vom dunklen Geisterlande,

Und lächelnd trat, in aller Freuden Chor,

Entzückender im menschlichen Gewande

Die namenlose Königin hervor.

Er sah die dämmernden Gebiete,

Wohin das Herz in banger Lust begehrt,

Er streuete der Hoffnung süße Blüte

Ins Labyrinth, wo keiner wiederkehrt,

Dort glänzte nun in mildem Rosenlichte

Der Lieb und Ruh ein lächelnd Heiligtum,

Er pflanzte dort der Hesperiden Früchte,

Dort stillt die Sorgen nun Elysium.

Doch schrecklich war, du Gott der Kühnen!

Dein heilig Wort, wenn unter Nacht und Schlaf

Verkündiger des ewgen Lichts erschienen,

Und den Betrug der Wahrheit Flamme traf;

Wie seinen Blitz aus hohen Wetternächten

Der Donnerer auf bange Tale streut,

So zeigtest du entarteten Geschlechten

Der Riesen Sturz, der Völker Sterblichkeit.

Du wogst mit strenggerechter Schale,

Wenn mit der Toge du das Schwert vertauscht,

Du sprachst, sie wankten, die Sardanapale,

Vom Taumelkelche deines Zorns berauscht;

Es schreckt' umsonst mit ihrem Tigergrimme

Dein Tribunal die alte Finsternis,

Du hörtest ernst der Unschuld leise Stimme,

Und opfertest der heilgen Nemesis.

Verlass mit deinem Götterschilde,

Verlass, o du der Kühnen Genius!

Die Unschuld nie. Gewinne dir und bilde

Das Herz der Jünglinge mit Siegsgenuss!

O säume nicht! ermahne, strafe, siege!

Und sichre stets der Wahrheit Majestät,

Bis aus der Zeit geheimnisvoller Wiege

Des Himmels Kind, der ewge Friede geht.

Griechenland

An St.

Hätt ich dich im Schatten der Platanen,

Wo durch Blumen der Cephissus rann,

Wo die Jünglinge sich Ruhm ersannen,

Wo die Herzen Sokrates gewann,

Wo Aspasia durch Myrten wallte,

Wo der brüderlichen Freude Ruf

Aus der lärmenden Agora schallte,

Wo mein Plato Paradiese schuf,

Wo den Frühling Festgesänge würzten,

Wo die Ströme der Begeisterung

Von Minervens heilgem Berge stürzten –

Der Beschützerin zur Huldigung –

Wo in tausend süßen Dichterstunden,

Wie ein Göttertraum, das Alter schwand,

Hätt ich da, Geliebter! dich gefunden,

Wie vor Jahren dieses Herz dich fand,

Ach! wie anders hätt ich dich umschlungen! –

Marathons Heroen sängst du mir,

Und die schönste der Begeisterungen

Lächelte vom trunknen Auge dir,

Deine Brust verjüngten Siegsgefühle,

Deinen Geist, vom Lorbeerzweig umspielt,

Drückte nicht des Lebens stumpfe Schwüle,

Die so karg der Hauch der Freude kühlt.

Ist der Stern der Liebe dir verschwunden?

Und der Jugend holdes Rosenlicht?

Ach! umtanzt von Hellas goldnen Stunden,

Fühltest du die Flucht der Jahre nicht,

Ewig, wie der Vesta Flamme, glühte

Mut und Liebe dort in jeder Brust,

Wie die Frucht der Hesperiden, blühte

Ewig dort der Jugend stolze Lust.

Ach! es hätt in jenen bessern Tagen

Nicht umsonst so brüderlich und groß

Für das Volk dein liebend Herz geschlagen,

Dem so gern der Freude Zähre floss! –

Harre nun! sie kömmt gewiss, die Stunde,

Die das Göttliche vom Kerker trennt –

Stirb! du suchst auf diesem Erdenrunde,

Edler Geist! umsonst dein Element.

Attika, die Heldin, ist gefallen;

Wo die alten Göttersöhne ruhn,

Im Ruin der schönen Marmorhallen

Steht der Kranich einsam trauernd nun;

Lächelnd kehrt der holde Frühling nieder,

Doch er findet seine Brüder nie

In Ilissus heilgem Tale wieder –

Unter Schutt und Dornen schlummern sie.

Mich verlangt ins ferne Land hinüber

Nach Alcäus und Anakreon,

Und ich schlief im engen Hause lieber,

Bei den Heiligen in Marathon;

Ach! es sei die letzte meiner Tränen,

Die dem lieben Griechenlande rann,

Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,

Denn mein Herz gehört den Toten an!

An Neuffer

Im März 1794

Noch kehrt in mich der süße Frühling wieder,

Noch altert nicht mein kindischfröhlich Herz,

Noch rinnt vom Auge mir der Tau der Liebe nieder

Noch lebt in mir der Hoffnung Lust und Schmerz.

Noch tröstet mich mit süßer Augenweide

Der blaue Himmel und die grüne Flur,

Mir reicht die Göttliche den Taumelkelch der Freude,

Die jugendliche freundliche Natur.

Getrost! es ist der Schmerzen wert, dies Leben,

So lang uns Armen Gottes Sonne scheint,

Und Bilder bessrer Zeit um unsre Seele schweben,

Und ach! mit uns ein freundlich Auge weint.

Das Schicksal

Προσκυνουντες την ειμαρμενην, σοφο

Aeιschylus

Als von des Friedens heilgen Talen,

Wo sich die Liebe Kränze wand,

Hinüber zu den Göttermahlen

Des goldnen Alters Zauber schwand,

Als nun des Schicksals ehrne Rechte,

Die große Meisterin, die Not,

Dem übermächtigen Geschlechte

Den langen, bittern Kampf gebot,

Da sprang er aus der Mutter Wiege,

Da fand er sie, die schöne Spur

Zu seiner Tugend schwerem Siege,

Der Sohn der heiligen Natur;

Der hohen Geister höchste Gabe,

Der Tugend Löwenkraft begann

Im Siege, den ein Götterknabe

Den Ungeheuern abgewann.

Es kann die Lust der goldnen Ernte

Im Sonnenbrande nur gedeihn;

Und nur in seinem Blute lernte

Der Kämpfer, frei und stolz zu sein;

Triumph! die Paradiese schwanden,

Wie Flammen aus der Wolke Schoß,

Wie Sonnen aus dem Chaos, wanden

Aus Stürmen sich Heroen los.

Der Not ist jede Lust entsprossen,

Und unter Schmerzen nur gedeiht

Das Liebste, was mein Herz genossen,

Der holde Reiz der Menschlichkeit;

So stieg, in tiefer Flut erzogen,

Wohin kein sterblich Auge sah,

Stillächelnd aus den schwarzen Wogen

In stolzer Blüte Cypria.

Durch Not vereiniget, beschwuren

Vom Jugendtraume süß berauscht

Den Todesbund die Dioskuren,

Und Schwert und Lanze ward getauscht;

In ihres Herzens Jubel eilten

Sie, wie ein Adlerpaar, zum Streit,

Wie Löwen ihre Beute, teilten

Die Liebenden Unsterblichkeit. –

Die Klagen lehrt die Not verachten,

Beschämt und ruhmlos lässt sie nicht

Die Kraft der Jünglinge verschmachten,

Gibt Mut der Brust, dem Geiste Licht;

Der Greise Faust verjüngt sie wieder;

Sie kömmt, wie Gottes Blitz, heran,

Und trümmert Felsenberge nieder,

Und wallt auf Riesen ihre Bahn.

Mit ihrem heilgen Wetterschlage,

Mit Unerbittlichkeit vollbringt

Die Not an einem großen Tage,

Was kaum Jahrhunderten gelingt;

Und wenn in ihren Ungewittern

Selbst ein Elysium vergeht,

Und Welten ihrem Donner zittern –

Was groß und göttlich ist, besteht. –

O du, Gespielin der Kolossen,

O weise, zürnende Natur,

Was je ein Riesenherz beschlossen,

Es keimt' in deiner Schule nur.

Wohl ist Arkadien entflohen;

Des Lebens bessre Frucht gedeiht

Durch sie, die Mutter der Heroen,

Die eherne Notwendigkeit. –

Für meines Lebens goldnen Morgen