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Unser Kanzler aus dem Sauerland, verbringt seinen Urlaub unter CSU-blauem Himmel, als ein Blogger mit einer Mistgabel ermordet wird. Als Fritz und Ehefrau Charlotte über den Königssee schippern, ein Todesschrei samt Echo: Leiche Nummer zwei. Plus zwei weitere sind vier! Droht dem Berchtesgadener Land die Entvölkerung? Zum Glück hat Fritz Unterstützung: Spürhund Donald, der dem amerikanischen Präsidenten ähnelt, aber ganz lieb ist, sowie der Hacker Hubsi. Da hat Markus Söder gerade noch gefehlt. Trotz der Ermittlungen findet Fritz noch Zeit zum Fingerhakeln beim Trachtenabend – im passenden Outfit samt Gamsbarthut. Wer außerdem wissen möchte, was Mozart mit dem Fall zu tun hat und welche Granden der Politik es in Tiefgaragen miteinander treiben, kommt um dieses Buch nicht herum. Fritz und Donald ermitteln. Überparteilich, völkerverbindend, tierisch spannend, und absolut komisch!
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Die Geschehnisse in diesem Roman bleiben reine Fiktion. Sämtliche Handlungen sind frei erfunden.
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar über https://www.dnb.de© 2025 dotbooks GmbH, Max-Joseph-Straße 7, 80333 Mü[email protected]/dotbooks/CW Niemeyer Buchverlage GmbH, Osterstraße 19, 31785 [email protected] Rechte vorbehaltenUmschlaggestaltung: C. RiethmüllerDer Umschlag verwendet Motiv(e) von 123rf.com, Adobe StockSatz: CW Niemeyer Buchverlage GmbHE-Pub Produktion durch CW Niemeyer BuchverlageeISBN 978-3-8271-8751-2
Wolfgang HoferFritz & Donald –Im mörderischen Bayern
WOLFGANG HOFERSeine Karriere im Reich der Worte und Töne begann er 1971 mit dem selbst komponierten Hit vom „Trödler Abraham“. Wegen des außergewöhnlichen Textes wurde Udo Jürgens auf ihn aufmerksam. Gemeinsam schufen die beiden über hundert Songs, unter anderem die Klassiker „Liebe ohne Leiden“ und „Mit 66 Jahren“. Dazu schrieb Hofer Drehbücher für das Fernsehen und war Berater bei Shows wie „Wetten dass..?“. Die Liste seiner Kundschaft ist endlos: Wencke Myhre, Maite Kelly, Thomas Anders, Roland Kaiser, Michael Schanze, Harald Juhnke, Harald Schmidt und jede Menge große Namen mehr. Für die Musicalfassung von Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“ verfasste er die Songtexte. Und jetzt schreibt er auch noch Krimis!
Auch wenn dieses Buch ein Krimi ist,ich widme es der Liebe.
Kein Lesen ist der Mühe wert, wenn es nicht unterhält.William Somerset Maugham
1. KAPITEL
Mein Hund ist als Hund eine Katastrophe, aber als Mensch unersetzlich.
Johannes Rau, ehemaliger Ministerpräsident von NRW
Bevor in diesem Buch das Morden beginnt, erstochene Leute vielleicht doch nicht erstochen wurden, bevor der so friedlich wirkende Königssee gierig seine Opfer verschlingt, bevor sich die Rätsel häufen und zu überraschenden Lösungen führen, muss ich Ihnen, werter Leser, unbedingt die Hauptdarsteller näherbringen. Damit Sie diese beiden hinreichend verstehen und würdigen können. Also beginne ich mit unverzichtbaren Informationen zu Herrchen und Hund, anders gesagt zu Kanzler und Köter.
Bundeskanzler Friedrich Merz stammt aus dem Hochsauerland. Diese Tatsache muss zu seiner Entschuldigung unbedingt erwähnt werden. Das Sauerland ist kein Land, sondern eher eine Gegend, in der die Orte Hölzerne Klinke heißen, Faulebutter beziehungsweise Unterneger, Mittelneger und Oberneger. Au weia!
Okay, es gibt auch Meschede, da stammt der Expressionist August Macke her, und Brilon, Geburtsort von Kanzler Friedrich Merz und der TV-Moderatorin Birgit Schrowange.
Aktuell ist der Kanzler in Arnsberg zu Hause, das er als anständiger Sauerländer Arnsberch nennt, genauso wie er Fluchplatz sagt, aber damit keine Kultstätte für Kraftausdrücke meint, sondern den Airport Arnsberg-Menden, wo er seine fünfsitzige Propellermaschine geparkt hat.
Für alle, die den Bundes-Friedrich in seinem Heim besuchen wollen: Fahren Sie bloß nicht nach Arnsberg-Obereimer, da ist alles gleich im Eimer. Sie müssen nach Niedereimer, dann noch über die Friedrichshöhe, und schon sind Sie da.
Wahrlich ein rätselhafter Kosmos, dieses Sauerland, das sich ausgesprochen ländlich präsentiert, voller Kühe und voller Wald. Ohne das Sauerland läge Weihnachten in der Bundesrepublik am Boden, gebeutelt von einem dramatischen Mangel an Christbäumen, hätten Sie das gewusst?
Das Wetter ist England-typisch, nur bei Weitem kälter, aber oft genauso neblig. Treffsicher beschrieben mit dem Spruch: „Der beste Schutz vor Sonnenbrand sind Ferien im Sauerland.“
Früher hieß die der Landstrich Sudland, was Sumpfland bedeutet. Ideale Voraussetzungen für den Kanzler Fritz, der mit einer Körpergröße von 1 Meter 98 jeden Sumpf problemlos durchqueren kann, denn der Kopf schaut oben immer noch raus. Was im Berliner Politiksumpf nicht immer garantiert ist.
Der Sauerländer an sich ernährt sich von unerforschlichen Gerichten wie Potthucke, was grob gesagt eine Kartoffelpampe meint, die mit Zwiebeln, Speckwürfeln und Mettwürsten vermanscht wird.
Fritze Merz goutiert offensichtlich auch andere Pampen. So war er während der Wahlkampftour in einer McDonald’s-Filiale gesichtet worden, was sein CDU-Team umgehend auf X postete. Motto „Ich bin einer von euch, ich esse den gleichen Mist wie ihr. Also wählt mich!“ Fehlte nur noch: „Mein Hund heißt übrigens Donald, bloß ohne Mc."
Die Getränkeauswahl im Sauerland ist wie bei McDonald’s überschaubar, aber bodenständiger, es gibt genau drei Angebote: Krombacher, Veltins und Warsteiner. Alle aus dem sogenannten „Biermuda-Dreieck“ zwischen Krombach, Grevenstein und Warstein.
Böse Zungen haben beim Begriff Sauerland natürlich sofort ein ganz übles Rätsel parat: „Warum spielen sauerländische Kinder kein Verstecken?“
Antwort: „Weil niemand nach ihnen sucht!“
Kanzler Fritz, 1955 in eine alteingesessene Juristenfamilie im Städtchen Brilon hineingeboren, war in seiner Jugendzeit alles andere als ein ehrenwertes Herzchen, überhaupt kein braver, linientreuer Sauerländer. Der Ehrgeizling von heute hatte als Teenager für die Tugenden des Konservativismus rein gar nichts übrig. Ein Teilgeständnis über diese Zeit lautet folgendermaßen: „Ich habe relativ früh Probleme mit meinen Eltern bekommen, ich hatte schulterlange Haare und bin mit dem Motorrad durch die Stadt gerast.“ Zudem hatte er sich das Rauchen angewöhnt und Bier getrunken. Wobei der Bierkonsum im Sauerland ja eher zum anerkannten Brauchtum zählt. Außerdem räumte Friedrich ein, sogar Cannabis probiert zu haben. Aber nur einen Zug: „Es war furchtbar.“
Weiter fiel er durch lautstarkes Bearbeiten einer E-Gitarre auf und durch Sitzenbleiben auf dem Gymnasium. Der Fritze musste die Schule wechseln, ging schließlich nach Bonn und lernte auf einer Examensfeier seine Charlotte kennen. Da Merz bekanntermaßen nicht lange fackelt, stellte sich bald Nachwuchs ein, und das wilde Leben nahm ein friedliches Ende für den Friedrich, die „Verbürgerlichung“ fand statt. So seine eigene Formulierung.
Seit 1981 ist er mit Charlotte verheiratet, die Amtsrichterin ist und voll des Lobes für ihren Fritz. Weil er sogar eigenständig einkaufen kann und weil er am Küchenherd geniale „Spaghetti Frutti di Mare“ zaubert. Ob diese Behauptungen juristisch haltbar sind, lasse ich jetzt einfach ungeprüft.
Ebenfalls ungeprüft bleibt, ob seine Ehefrau ihn wirklich Fritz nennt und er sie Charly, aber ich behaupte das einfach mal, es hört sich schließlich cool an. Die beiden haben drei erwachsene Kinder und sieben Enkel.
Außerdem hat der Fritze einen Pilotenschein, spielt Golf, kann Klarinette, tanzt am liebsten zu Schlagerklängen und gehört zu den hartgesottenen BVB-Fans. Was zusammengefasst bedeutet, der Kanzler ist ein Überflieger, hat ein Handicap, bei ihm spielt die Musik, und statt Schwarz-Rot mag er eigentlich lieber Schwarz-Gelb.
Damit zum Hund. Gibt es diesen First Dog wirklich, oder ist er meiner Fantasie entsprungen? Tut mir leid, aber das bleibt mein Geheimnis. Angeblich hat Charlotte die Mischung aus Labrador, Schäferhund und Was-weiß-ich-noch-alles aus dem Tierheim geholt. Der Vierbeiner passte größenmäßig zu ihrem baumlangen Ehemann, erwies sich aber im Umgang als schwierig. Er war impulsiv, undiplomatisch, selbstbewusst ohne Ende und immer hinter den Mädels her. Dazu kam das fahlgelbe Fell mit den langen Haaren, somit ergab sich der Name von selbst. Auch wenn der Hund weder Golf spielen konnte, noch mit Elon Musk befreundet war, er war der perfekte Kläffer, also nannten sie ihn „Donald“. Die Hundehütte im Garten wurde „Weißes Haus“ getauft und entsprechend gestrichen.
Für die Namensforscher unter Ihnen hier noch ein Zusatz. Der Vorname Donald kommt aus dem Altkeltischen und bedeutet „Herrscher der Welt“. Und weil wir schon dabei sind, „Trump“ stammt aus dem Althochdeutschen und steht für „Lärm“.
Passt doch, oder?
Donald Trump hat übrigens keine Haustiere. Wahrscheinlich aus Angst, dass die von Immigranten aufgegessen werden könnten, wie er es im Wahlkampf behauptet hat.
Ich merke gerade, das stimmt auch nicht, denn er hat ja einen Pudel. Seinen Vizepräsidenten James David „JD“ Vance, der immer dann durch die Gegend bellt, wenn Herrchen das anordnet. Schlussfolgerung: Die Vereinigten Staaten von Amerika sind ganz schön auf den Hund gekommen!
Jetzt aber zurück nach Deutschland ins krachlederne Bayernland, denn da spielt die Musik, genauer gesagt das Lied vom Tod.
2. KAPITEL
Wenn Sie etwas gesagt haben wollen, fragen Sie einen Mann, wenn Sie etwas getan haben wollen, fragen Sie eine Frau.
Margaret Thatcher, ehemalige britische Premierministerin
Die geballte Power der Freiwilligen Feuerwehr von Gmund am Tegernsee raste auf das unscheinbare Häuschen zu. Geballt, das hieß eine Flotte von vier Einsatzfahrzeugen, mehr standen nicht zur Verfügung. Flammen waren keine zu sehen, denn es handelte sich um einen Wasserrohrbruch. Im Sommerdomizil des deutschen Regierungschefs.
Obwohl im sogenannten „Tal der Reichen“ gelegen, handelt es sich dabei keineswegs um eine prächtige Villa, sondern eher um ein Häuserl, wie die Einheimischen sagen. Kleine Küche und Wohnzimmer im Erdgeschoss, drüber ein paar Schlafräume, fertig. Ein Erbstück seiner Frau übrigens. Und da ging es dem Fritz jetzt nass nei, wie die Einheimischen ebenfalls sagen. Ausgerechnet am Sonntag, ja sakradi!
Ulf Armbruster, Reporter des Tegernseer Anzeigers, hatte den Polizeifunk abgehört, seine Chance gewittert, schoss den Einsatzfahrzeugen hinterher und grübelte bei Tempo 80 über eine Schlagzeile nach. Wenn er den ultimativen Aufhänger fand, würde ihn vielleicht die AZ anheuern, die Münchener Abendzeitung.
„Kanzlerurlaub fällt ins Wasser!“, Armbruster stieß einen Siegesschrei aus, wähnte sich bereits als Polizeireporter des Münchner Boulevardblattes und wäre es beinahe nicht geworden, denn er hätte vor Begeisterung fast die Kurve übersehen sowie die stämmigen Bäume, die sie begrenzten.
„Der Bundeskanzler ohne seine geliebte Sommerfrische in Bayern, wie deprimierend“ diktierte er ins Handy und brachte mit einer Hand am Lenkrad sowie mit Müh und Not den Wagen wieder in die Spur.
Armbruster malte die Katastrophe aus, so dramatisch er konnte, obwohl er sie noch gar nicht gesehen hatte. Aber der nahende Redaktionsschluss mahnte zur Eile, es war schließlich schon spät am Abend. Also ließ Armbruster die Wasser rauschen, dass es eine wahre Freude und eine ziemlich unwahre Story war.
Der Fritze aus dem Sauerland nahm in seinem Arbeitszimmer in Arnsberg die Sache wie alles, was ihm auf den Keks ging. Stoisch gelassen und konsequent pragmatisch. Die Folgerungen waren klar. Erstens, das Häuserl musste trocknen, die durchnässte Einrichtung ersetzt werden. Zweitens war also an Urlaub nicht zu denken, die Abreise übermorgen konnten sie sich schenken, obwohl alles schon gepackt war.
„Wir können ja ins Hotel“, Charly war ebenfalls pragmatisch. „Gestern kam im Fernsehen ein Bericht über den Königssee. Du weißt schon, der mit dem Echo. Da gibt es ein Resort, das kann singen und beten. Liegt hoch über dem See am Hang und sieht beeindruckend aus. Wir delegieren die Buchung nach Berlin. Wenn das Kanzleramt anruft, haben die bestimmt etwas frei. Einverstanden?“
Das eheliche Referendum ergab zweimal Ja ohne Gegenstimme. So kam die Watzmann-Region in den Genuss, einem leibhaftigen Kanzler samt Ehefrau mörderisch gute Ferien zu bieten. Hund Donald wurde nicht konsultiert, was schwerwiegende Folgen nach sich ziehen sollte.
Charly begann umgehend mit der Planung. Auf der Hinreise würden sie das Nötige fürs Häuserl veranlassen, und sich dann zwei volle Wochen im Hotel verwöhnen lassen, wandern gehen, radeln, und die Politik konnte ihnen den Buckel runterrutschen. Donald würden sie besser hierlassen, schließlich war unklar, wie er sich in einer 5-Sterne-Unterkunft benehmen würde. Als Hundesitterin war eine Bekannte namens Chiara erste Wahl, die bürgerlich Zenta Kumpfmüller hieß, aber als Chiara Amore sexdurchtränkte Kurzgeschichten verfasste. Mit literarisch hochstehenden Titeln wie „Ich kann nur versaut“ oder „Die mündliche Prüfung“. Donald liebte seine Auszeiten bei ihr, denn Frau Amore-Kumpfmüller war mit einem Metzger liiert, und der hatte Leckerbissen auf Lager, da wurde der Hund in der Pfanne verrückt. Die pure Sterneküche statt Supermarkt-Dosenblechküche. Liebe geht durch den Magen, diesen Spruch kann nur ein Vierbeiner erfunden haben!
3. KAPITEL
Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.
Karl Valentin, bayerischer Komiker
Es war das reine Inferno, die ungebändigte Naturgewalt. Das Gewitter grollte so lautstark, dass auch tausend Todesschreie im Lärm untergegangen wären. Dazu ein grelles Wetterleuchten, das um die sieben Watzmann-Gipfel zuckte. Immer wieder erhellte es schlagartig die Nacht. Als würde Petrus, stolz auf das von ihm angerichtete Sauwetter, alles mit einem außerirdischen Handy samt Blitz abfotografieren. Donnerschläge knallten gegen die Felsen und kamen mit dem Echo mehrfach zurück. Regen rauschte in Sturzbächen aus dem Himmel, der Sturm tobte wie ein Berserker. Er bog die Bäume, trieb wehrlose Äste und verängstigte Blätter vor sich her. Anders ausgedrückt, ein ganz normaler Sommerabend im Berchtesgadener Land. Auch für Sauerländer nichts Außergewöhnliches. Ich verweise auf meine Ausführungen am Anfang dieses Buches.
Also saßen Fritz und Charly im verglasten Erker ihrer Suite und genossen das Spektakel. Dazu den Rotwein, den das Hotel zur Begrüßung spendiert hatte. Man war schließlich gastfreundlich hierzulande. Speziell zu Urlaubern, die Geld mitbringen und in der richtigen Partei sind.
Das Unwetter war draußen vor den Fensterscheiben, Friedrich Merz, zehnter Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, war drinnen. Er hatte seine Schäfchen im Trockenen. Im Gegensatz zum Rest des Jahres, in dem die Schäfchen auf der Regierungsweide grasten, unverständliche Äußerungen taten, miteinander stritten und Böcke schossen ohne Ende. Als CDUler war er glücklicherweise daran gewöhnt, schwarzzusehen.
Er schaute entspannt in sein Glas.
„Ob es dem Hund wohl gut geht?“, unterbrach Charlotte seine Träumereien.
Friedrich zeigte sein unerschütterliches Führungsgesicht, bewährt bei Meckereien der SPD und internationalen Krisen genauso wie in Fragen des nationalen Tierwohls.
„Wieso sollte es ihm schlecht gehen? Er hat einen Zweitwohnsitz und muss dafür nicht einmal Steuern zahlen so wie wir am Tegernsee. Und zu fressen hat er auch. Bestimmt ist alles in Ordnung. Vielleicht muss er ja gerade unsere Literaturnobelpreisträgerin wieder trösten.“
Frau Chiara Amore-Kumpfmüller hatte nämlich eine hundetaugliche Eigenart. Wenn sie ihre Buchmanuskripte Korrektur las, spielte sie jede Passage durch, als wäre sie eine Schauspielerin. Insbesondere die Orgasmus-Szenen wirkten anregend auf Donald. Er hielt das Gestöhne für den Ausdruck großen Leidens und kam sofort angetrabt, um das Zweitfrauchen mit tief empfundener Abschleckerei zu beruhigen.
Friedrich musste grinsen und wähnte seinen Vierbeiner bei höchster Zufriedenheit. Auch ein Kanzler kann sich irren.
Chiara Amore, die E. L. James aus der untersten Schublade, die in ihrem ganzen Leben keine „Fifty Shades Of Grey“ hervorgebracht hatte, ja nicht einmal einen einzigen Schatten, saß vor ihrem Rechner und hackte gerade eine Sado-Maso-Szene in die Festplatte, als Donald wieder einmal aufjaulte, als würde er von einer Domina im Lederoutfit mit einer Reitgerte vertrimmt. Es war einfach nervig und störend, die ganze Fantasie war weg, sie war plötzlich wieder die übergewichtige Zenta Kumpfmüller und meilenweit von jedem Sex entfernt. Kein einziger schweinischer Begriff kam ihr in den Sinn, was normalerweise nie der Fall war. Da sprudelten die Sauereien nur so. Brombeersex beispielsweise, was nichts anderes heißt, als dass jemand untenrum stachelig rasiert ist. Oder Doppeltüte für zwei Kondome übereinander. Und ganz speziell: Albanisch für Sex in der Kniekehle.
Heute aber kein einziger literarischer Erguss, höchstens Coitus Interruptus. Das war Sabotage, böswilliger Boykott! Dieser Köter Donald war kein Hund mehr, er war eine Ente, ein Donald Duck.
Zum Gassigehen einmal um den Block hatte er sich gerade noch überreden lassen, das war aber auch alles gewesen. So konnte es nicht weitergehen, Chiara Amore-Kumpfmüller war am Ende ihrer Möglichkeiten. So würde Band 22 nie fertig werden, und die Welt würde nicht erfahren, was „Im Lustschloss der Peitschenlady“ alles abging. Sie musste die Frau Charlotte anrufen. Unbedingt, gleich morgen.
Es war Mitternacht geworden. Das Hotel, das sich ganz weltläufig „Alpin-Resort“ nannte, war zur Ruhe gekommen, die Gäste hatten sich in der Bar noch einen letzten Hochgebirgs-Enzian reingekippt und sich dann zurückgezogen. Sedlbauer, der junge gelackte Rezeptionist mit der ebenso gelackten Frisur, war die nervende Gästeschar los und döste in seinem schicken Landhaus-Outfit tatenlos am Empfang.
Fritz zog im Erker die Gardinen vor. Charly lag schon im Bett und hatte die Decke auf Friedrichs Seite einladend aufgeschlagen. Bayerische Urlaubshotels haben einen unschätzbaren Vorteil. Im Doppelbett liegt für jeden eine Decke bereit. Nicht wie in Spanien, wo man sich ein überdimensionales Laken teilen muss, das auch noch ringsherum festgeklemmt ist. So wird die Bettstatt zu einer nervigen Zweierkiste, die Nacht für Nacht erbitterte Revierkämpfe und unheilvolle Beziehungskrisen hervorruft.
Auf dem Weg zum Bett kam Fritz an einem großen Spiegel vorbei und betrachtete sich selbst voller Stolz. Nein, eigentlich nicht sich selbst, sondern den hellblauen Schlafanzug mit dem Herzchenmuster, den Charlotte für ihn gekauft hatte. Im Grunde müsste er ein Selfie machen und es der Presse zuspielen, die immer behauptete, er würde die Frauen nicht anregen, sondern abturnen. Wenn das kein Gegenbeweis war! Dann begab er sich, zufrieden gähnend, in die Waagerechte und rollte sich in die kuschelige Decke, die ganz alleine ihm gehörte.
Draußen grollte immer noch der Himmel, es gewitterte ohne Ende, der Regen klatschte zur Erde, als wollte er es den Niagara-Fällen gleichtun.
Mitten im Aufruhr der Gewalten an einem Wiesenhang ein Marterl. Das sind Bildstöcke, erbaut aus Holz oder Stein, die der Heiligenverehrung dienen oder an Unglücksfälle erinnern. An Menschen, die in Lebensgefahr gerieten und gerettet wurden oder auch nicht. Die Katastrophen wurden gerne in Reimen beschrieben, die als wahre Perlen der volkstümlichen Dichtkunst anzusehen sind, da kannst du als Nordlicht aus Westdeutschland nur staunen:
Hier an dieser Stell
Stürzte vom Steig ein Schreinergesell.
Es hat einen schrecklichen Plumpser tan
Wanderer, stimm ein Vaterunser an!
Gleich würde sich ein weiterer Anlass ergeben, der eines poetischen Vierzeilers würdig war. Neben dem Marterl stand nämlich, von der schwarzen Nacht fast verschluckt, ein tropfender Schatten in wasserdichten Klamotten, Kopf unter einer Kapuze. Der Schatten schien unruhig, als würde er jemanden erwarten, der längst hätte da sein sollen.
Vom Waldrand her näherte sich ein weiterer Schatten mit vorsichtigen, aber entschlossenen Schritten. Schatten zwei war erregt und hochzufrieden. Die Umstände konnten besser nicht sein. Als wäre es so geplant gewesen. Kein anderer Mensch weit und breit, die wettergepeitschte Finsternis wie geschaffen als Bühnenbild für das Böse. Es war so weit!
Schatten zwei hielt auf den Rücken der wartenden Gestalt zu, seine Schritte wurden schneller, die linke Hand hob sich. Was wie ein harmloser Wanderstock ausgesehen hatte, entpuppte sich als hinterhältige Waffe. Ein greller Blitz fuhr aus dem Himmel zur Erde, wie eine Ouvertüre für mörderisches Unheil. Die Hand holte aus, ein wuchtiger Stoß, und die Waffe fand ihr Ziel. Ein Donnerschlag übertönte jedes Geräusch. Niemand hörte den Schrei. Obwohl er durchdringend und verzweifelt war. Wer lässt sich schon geräuschlos von einer Mistgabel aufspießen?
Was für ein horrendes Schauspiel, was für eine Mammutaufgabe für den Kanzler! Der aber wusste noch gar nichts davon, dass er vom Schicksal zum Ermittler bestimmt worden war. Wie damals sein Vorgänger, die rote Socke, Olaf der Kahle, der in seiner Kanzlerschaft gleich drei Morde aufklären musste und das auch brillant hinbekommen hatte. Dokumentiert im ersten Band der Kanzler-Krimis. Wer ihn nicht gelesen hat, ist selber schuld.
Auch der Sauerländer Friedrich März bekam also die Chance, in den Olymp der Superdetektive aufzusteigen. An die Seite des kauzigen Belgiers Hercule Poirot, des Kettenrauchers und Koksers Sherlock Holmes oder des lässigen amerikanischen FBI-Agenten Jerry Cotton, das ist der mit dem roten Jaguar. Dass der coole Ami auf Deutsch Jeremias Baumwolle heißt, ist dabei ein Schönheitsfehler, aber Friedrich ist auch nicht gerade ein Name, bei dem Schwerverbrecher sich gleich in die Hose machen. Dabei sollten sie das, denn der hat es sich auf die Fahnen geschrieben, alles auszumerzen, was ihm in die Quere kommt. Da können die Grünen ein Lied von singen, Nomen es Omen.
4. KAPITEL
Ich mache gerne Urlaub in Bayern. Da bin ich nicht mehr in Österreich und noch nicht in Deutschland.
Bruno Kreisky, ehemaliger österreichischer Bundeskanzler
Der hat gut reden, der Ösi-Kanzler. Erstens ist er schon längst in den ewigen Urlaub entschwunden, und zweitens konnte er damals in Bayern eine ruhige Kugel schieben. Was Friedrich und Charlotte nicht bevorstand, wie sich ja schon angedeutet hat.
Noch war alles frisch und heiter am neuen Morgen. Das Gewitter hatte den Himmel gewaschen, der sich so unschuldig blau gab, als wäre gestern nicht beinahe die Welt untergegangen. Friedrich hatte eine einzige WhatsApp-Nachricht bekommen. Von seinem Büroleiter Jacob Schrot, der im Berliner Kanzleramt die Stellung hielt: „Hallo Chef! Hier herrscht Frieden, alles sommerlich entspannt. Das Weiße Haus hat angerufen, ich habe die Trump-Leute ans Außenministerium abgewimmelt, soll sich der Wadephul mit denen herumärgern! Gute Erholung und Grüße an Ihre Frau! Herzlichst, Jack.“
Trotzdem gab es Probleme. Mit dem Entsafter, genau gesagt. Der stand auf dem Tresen des Frühstücksbuffets und lud dazu ein, mit eigener Hand aus Früchten und Gemüse einen leckeren gesunden Saft zu pressen. Aber wie?
„Darf ich, Herr Bundeskanzler?“, fragte die junge Frau, die neben dem ratlosen Friedrich anstand.
„Ich bitte darum“, antwortete Friedrich, „und Merz genügt.“
Routiniert rückte die Unbekannte der Höllenmaschine zu Leibe: „Mein Name ist Liesegang, Lisbeth Liesegang, Lili genügt. Wegen Li und Li, Sie verstehen? Zwei Gläser, nehme ich an. Toll, wenn man draußen frühstücken kann, finden Sie nicht auch? Das war ja ein Unwetter gestern! Ich bevorzuge Apfel-Karotte-Sellerie. Ist das okay?“
Friedrich nickte ergeben. Bei dieser Frau Lili war Einspruch eindeutig keine Option, sie redete einfach weiter. Ohne Punkt und Komma. Wie der Schrainbach-Wasserfall, der senkrecht in den Königssee rauscht.
Der Entsafter dröhnte, die Worte rauschten weiter.
„Ich betreibe eine Agentur namens Seitensprung. Nicht, dass Sie es falsch verstehen, wir vermitteln keine Seitensprünge, das wäre ja ein höchst anrüchiges Geschäftsmodell. Wir ermitteln vielmehr in Sachen ehelicher Untreue. Ein weites Feld heutzutage, Sie haben ja keine Ahnung, was da alles so abgeht. Mein lieber Herr Gesangsverein, die Liebe ist keine Himmelsmacht, sie ist zu Schweinereien fähig, da fehlen einem die Worte.“
Das taten die Worte im Augenblick jedoch nicht.
„Untreue, da räumen wir auf! Unser Slogan: investigativ in jeder Beziehung. Meine Kreation der Spruch, nicht schlecht, oder? Was meinen Sie? Ermitteln Sie eigentlich auch? So wie Ihr Vorgänger? Ich habe das Buch darüber gelesen, sehr spannend. Sie wären natürlich auch ein hervorragender Detektiv, da bin ich sicher! Vielleicht passiert ja noch etwas hier im romantischen Berchtesgadener Land. Ein Mord, besser noch ein Doppelmord oder gleich ein Dreifachmord. Soll ich etwas Ingwer hineinmixen?“
Rhetorische Frage, der Ingwer war schon drin, ehe der Kanzler noch Piep sagen konnte.
„Ingwer hilft bei Muskelkater. Sie sind doch auch sportlich unterwegs, da schmerzt es bestimmt gelegentlich. Wo ist eigentlich Ihre Security, Sie werden doch nicht ohne Leibwächter unterwegs sein?“
War der Kanzler natürlich nicht, Henselmann und Marx passten auf ihn auf, intern H&M genannt. Der Henselmann war ein Dieter, und die Marx eine Carola. Die beiden hatten sich als harmloses Urlauberpärchen getarnt, waren quasi unsichtbar, aber doch immer irgendwo in der Nähe. Radelten dem Kanzler in angemessener Entfernung hinterher, planschten investigativ im azurblauen Swimmingpool des Hotels und überprüften gelegentlich auch das Appartement auf Wanzen. Auf elektronische, andere kommen in einer 5-Sterne-de-Luxe-Unterkunft nicht vor. Ich kann vorwegnehmen, dass sie bis zum Ende des Urlaubsabenteuers nicht wirklich dringend gebraucht wurden, daher lassen wir die beiden einfach weg. Ich gehe davon aus, dass Sie einverstanden sind, liebe Leser.
Zurück zu Palaver-Lili. Die hatte anscheinend ihre Frage zum Personenschutz längst vergessen, sie war schon bei weiteren verblüffenden Geheimnissen des Ingwers, und dass die Engländer Ingwerbier trinken.
„…was aber kein richtiges Bier ist, sondern alkoholfreie Brause. Kann man mögen oder auch nicht. Ich persönlich finde das Brizzel-Zeug grauenvoll. Wie alles zuckersüße Brizzel-Zeug, aber Ihre Gesundheitsministerin macht ja nichts dagegen. Und die Leute kriegen Karies.“
Dann endlich eine Atempause, menschliche Wasserfälle müssen irgendwann einmal Luft holen. Ein Geschenk der Natur. Friedrich bedankte sich reaktionsschnell und war froh, mit seinen zwei Gläsern zu entkommen. Gegen diese Quasselstrippe war die Labertasche Jens Spahn ein Schweigemönch.
„Ich habe alles gesehen, Fritz“, schmunzelte Charlotte, als ihr Mann mit den Superfood-Drinks an den Tisch zurückkam. „Eine sehr attraktive Frau, perfekt auf Urlaub gestylt, Sneakers, sparsames Top, Dreiviertelhose, lauter Must-Have-Pieces.“
Friedrich, der Ernsthafte, der nicht die geringste Ahnung von Must-Have-Pieces hatte, wollte gerade seinen Vitaminen an den Kragen, als ohrenbetäubender Lärm die Luft erfüllte. Ein schwarzer Helikopter kam um die Ecke und landete direkt neben der Frühstücksterrasse des Alpin-Resorts. Der Wind des Rotors wirbelte die weißblauen Papierservietten auf, sie flatterten fröhlich durch die Gegend.
Kaum hatte das Fluggerät aufgesetzt und sein Lärmen eingestellt, entstieg ihm der Unvermeidliche: Markus Söder. In Haferlschuhen, kariertem Top, Entschuldigung, Hemd, und lederner Zweiviertelhose. Lauter Must-Have-Pieces für einen bayerischen Ministerpräsidenten. Gekrönt wurde seine Ausstattung von einer Baseballmütze mit dem Wappen des Freistaats. Wenigstens trug er sie richtig herum.
Söder, jeder weiß es, ist in Bayern eine Bank. Denn er hat seinen Roosevelt gelesen, der 26. Präsident der Vereinigten Staaten war und dazu erster amerikanischer Träger des Friedensnobelpreises. Der Franke hält sich an die Worte des US-Profis und handelt strikt danach: „Der erfolgreichste Politiker ist der, der das, was alle denken, am lautesten sagt.“ Und als Lautsprecher ist er einfach spitze, der Markus aus dem Frankenland.
Forschen Schrittes marschierte er direkt auf den Tisch von Charly und Fritz zu und begrüßte die beiden so überschwänglich, als hätte er monatelang ungeduldig auf den Besuch gewartet: „Gnädige Frau, es ist mir ein Vergnügen! Geht’s gut? Schmeckt der Kaffee? Prächtiges Wetter, nicht wahr?“
Er wandte sich an den Kanzler: „Lieber Friedrich, meine Verehrung! Was macht der Wasserschaden? Entspricht das Alpin-Resort deinen Erwartungen? Wie findest du eigentlich meinen Bart?“
Er zeigte auf seinen Henriquatre, den königlichen Bart, der seinen Namen vom Franzosenkönig Heinrich dem Vierten hat. Ein Gesichtsschmuck, den auch Jürgen von der Lippe trägt, außerdem Stefan Raab und Homer Simpson. Bayernkönig Markus den Ersten konnte das nicht trösten: „Niemand gönnt mir den Bart, sie schreiben sogar, ich sähe damit aus wie ein Strauchdieb oder ein Feldkater. Wie findest du das?“
Hätte Söder gewusst, dass sein Bart in der Jugendsprache „Gesichtsmuschi“ hieß, wäre er wohl noch aufgebrachter gewesen.
Friedrich konnte ihn beruhigen: „Auf jeden Fall siehst du um Klassen besser aus als der zugewachsene Anton Hofreiter oder ein unrasierter Robert Habeck.“
Ein schwarz gewandeter Security-Mann aus Söders Gefolge stapfte mit einer Kühlbox vorbei und hielt auf den Kücheneingang zu.
„Ich hab eine Kleinigkeit mitgebracht fürs Frühstück“, erklärte Söder, „bayerisches Fingerfood aus meiner fränkischen Heimat. Einzigartig. Muss nur noch heiß gemacht werden.“
Er schnappte sich einen Stuhl und eine Tasse vom Nebentisch und setzte sich wie selbstverständlich zum Kanzlerpaar. Dann langte er nach der Kaffeekanne: „Ich darf doch? Bin extra früh aufgestanden!“
Friedrich seufzte innerlich: „Der nächste Wasserfall und vorlaut wie immer. Söder als Entspannungsbremse, der Urlaub fängt ja gut an!“
Der MP, wie Fachkreise einen Ministerpräsidenten nennen, kam in Fahrt: „Das Berchtesgadener Land, eine erstklassige Wahl für die Ferien! Hier wirst du dich ganz prima erholen, ganz ohne Politik und ohne jeden Stress. Der pure Frieden, sage ich nur.“
Just in dem Augenblick kam Hubsi gelaufen. Hubsi, bürgerlich Hubert, war der 13-jährige Sohn der benachbarten Bauernfamilie Sanktjohanser und lieferte alle paar Tage mit einem Handwägelchen die Bio-Eier für das Hotel. Heute offensichtlich nicht. Ganz außer Atem erklärte er: „De Oa san hi, und da Mo aa!“
Friedrich hatte auf Urlaubsreisen keinen Dolmetscher dabei, so etwas rächt sich in Bayern gnadenlos. In diesem Land der sprachlichen Geheimnisse, wo a Oa ein Ei ist, a Mo ein Mann und hi die Abkürzung für hinüber. Also verstand Charlys Fritz nur Bahnhof, die Ehefrau desgleichen. Allround-Genie Söder half sofort aus, zuvorkommend und allwissend wie immer: „Die Eier sind kaputt, und der Mann auch!“
Eine Botschaft, die den fränkischen Markus ganz verdammt ärgerte, da er eben noch Bayern als elysisches Gefilde, als ein wahres Paradies abseits aller Widrigkeiten gepriesen hatte. Hubsi indes spuckte ihm weiter aufgeregt in die Suppe.
„Da ob’n liegt er“, zeigte der Bub den Hang hoch, „und er rührt si nimmer. Des Wagerl mit die Oa hab i vor Schreck loslassen, dann is’ obig’rauscht ins Toi.“ Also, das Wägelchen ist mitsamt den Eiern ins Tal hinuntergerauscht. Ungeplantes Rührei, wenn man so will.
Mitten in diese neuesten Nachrichten erschien eine Armada von Kellnerinnen, die in frisch gestärkten Dirndlkleidern die Mitbringsel des bayerischen Ministerpräsidenten servierten. Original Nürnberger Rostbratwürste, getreu Söders Motto: „Ein Leben ohne Bratwurst ist möglich, aber sinnlos.“ Hergestellt wurden die Leckerbissen in einer Fabrik, die Uli Hoeneß gehörte. Ein boshafter Geist könnte hier durchaus Seilschaften vermuten. Aber nicht im Freistaat, da ist so etwas wurst.
Die Nürnberger Bratwurst ist auch nicht einfach irgendein armes Würstchen, sie rühmt sich der geschützten Ursprungsbezeichnung der Europäischen Union, hat einen eigenen Verband sowie ein eigenes Museum. Größenmäßig ist sie eher ein Winzling, was laut Legende daher rührt, dass die schlauen Nürnberger Wirte nach der Sperrstunde ihre Würste einfach durchs Schlüsselloch nach draußen zum hungrigen Kunden geschoben haben. In der heutigen Zeit mit ihren doppelstöckigen Burgern ein Ding der Unmöglichkeit.
Markus Söder tauchte seine Wurst stilsicher in den obligatorischen mittelscharfen Senf und erklärte, dass natürlich ein Bier dazugehören würde. Aber das gehe nicht. Weil selbst ein bayerischer Ministerpräsident nicht schon beim Frühstück zu picheln anfangen könne. Auch wenn es dem Image entspräche. Er selber sei ohnehin dem Alkohol nicht sehr zugetan, doch eine Weiße mit Schuss nehme er schon mal. Am liebsten die mit Waldmeister. Das sei für ihn das Schönste an Berlin. Das Zweitschönste sei die Heimreise nach Bayern.
Söder war unglaublich in Fahrt, Friedrich und Charlotte hatten dem Monolog nichts entgegenzusetzen. Der MP bedauerte bratwurstkauend den Leichenfund und fand tröstende Worte: „Mach dir keinen Stress, lieber Kanzler. Verlass dich auf die bayerische Polizei. Die ist bekanntermaßen um Längen effektiver als die Behörden im Sauerland oder in der Hauptstadt. Das weißt du bestimmt aus dem Fernsehen. Ich sage nur Rosenheim-Cops! Die sind allerdings nicht für Berchtesgaden zuständig, sondern die Kriminalpolizei in Traunstein. Werde da gleich anrufen. Ist ohnehin Zeit, dass ich abrausche. Ein Fototermin. Plakate für eine CSU-Kampagne, du weißt schon. Eigentlich völlig überflüssig, wir Schwarzen gewinnen sowieso immer alles! Aber die Krachlederne steht mir doch gut, oder? Einen Landesvater, der die Hosen anhat, den mögen die Wähler hierzulande.“
Er war sichtlich zufrieden mit sich selbst. Wie immer.
„Also, auf geht’s! Mein Kompliment, gnädige Frau, schönen Tag noch, lieber Kanzlerfreund, und erholsamen Urlaub zusammen!“
Sprach’s, zückte sein Handy, alarmierte die Polizei, enterte den Helikopter und ging in die Luft.
Charly und Fritz blieben unten, schnauften durch, und der Kanzler dachte bei sich: „Wer viel redet, glaubt am Ende noch, was er sagt.“
Söder hatte offensichtlich Dampf gemacht. Ein Streifenwagen aus Berchtesgaden kam im Nullkommanix mit Blaulicht und vollem Orchester angeschossen. In korrektem Amtsdeutsch mit Sondersignal und Einsatzhorn. Hintendran im roten Kombi der Notarzt. Der stellte routiniert fest, dass der Tote tot war. Der Grund sei offensichtlich, drei Einstiche im Rücken: „Sieht mir sehr nach einer Mistgabel aus.“
„Aha“, folgerte einer der Streifenpolizisten fachmännisch, „der Täter könnte also ein Bauer sein oder jemand von der Feuerwehr.“
„Wieso Feuerwehr?“, wunderte sich der Notarzt.
„Weil ich mich auskenne“, gab der Beamte großspurig zurück, „bin selber dabei. Wir führen auf jedem Löschzug eine Mistgabel mit. Zum Auseinanderziehen von Brandgut. Sonst verbrennen wir uns die Finger, capito?“
„Capito, Sie Gscheithaferl“, brummelte der Notarzt, „ich bin hier fertig, alles Weitere von den Kollegen aus Traunstein. Guten Tag, die Herren!“
Der Ort des Geschehens wurde abgesichert. Erste Hotelgäste ließen das üppige Frühstücksbuffet im Stich und der Neugier ihren Lauf, kannenweise wurde der Kaffee kalt. Eine frisch gemeuchelte Leiche zu fotografieren war schließlich eine schicke Abwechslung für die Smartphones mit den vier Objektiven. Den Obstsalat und die hauchdünn aufgeschnittenen Speckscheiben hatten die urlaubenden Schnappschießer ja schon oft genug im Food-Modus abgelichtet, die typisch alpinen Waffeln mit Nutella und Schlagsahne auch. Die Frage war nur noch, mit welchem Filter ein Toter am besten aussieht, bevor man ihn auf Instagram postet.
Dann erschienen die Traunstein-Cops. Ganz anders als die lockeren Rosenheimer aus dem Fernsehen. Kein verschmitzter, immer junger Wachtmeister Michi Mohr, kein voluminöser Kommissar mit einer Vorliebe für Schweinsbraten und Weißbier, kein bürokratischer Amtsleiter mit weitläufiger Stirn namens Achtziger.
Im Gegenteil. Eine selbstbewusste Dreißigerin aus der Fraktion Tofu und Salatteller. Sie trug Chinos, Blazer und Pumps, alles knallrot. Must-Have-Pieces also. In der brünetten Haarpracht steckte eine klassische Ray-Ban-Sonnenbrille. Eindeutig die Chefin.
Nummer zwei war ein blonder Muskelmann, der sich so gab, als wäre er im Fitnesscenter zur Welt gekommen. Quasi aus dem Geburtskanal über ein Laufband direkt auf die Hantelbank.
Also Lady in Red und Mister Universum.
Die KTU war auch da.
Es ging los.
5. KAPITEL
In Wirklichkeit ist die Realität ganz anders.
Anonym
Söder hatte anscheinend nicht nur Dampf gemacht, sondern auch die Anwesenheit des Bundeskanzlers signalisiert. Man dürfe ihn ruhig ein wenig mitspielen lassen. Aber nicht zu viel. Der hinterlistige Franke hoffte wohl trotz aller Freundschaftskundgebungen auf investigative Fehlschläge des Berliner Regierungschefs, die sich politisch verwerten ließen. Motto: Der kann nicht einmal einen Mord aufklären, wie soll so einer Deutschland retten? Und Europa? Und überhaupt? Das kann doch nur ich!
Das Marterl war mit rot-weißem Flatterband gesichert worden. „Polizeiabsperrung“ stand drohend darauf. Aus war’s mit besinnlicher Frömmigkeit und einem Stoßgebet. Wo Vater Staat tätig wird, sind Kontemplation und das Vaterunser außen vor, das ist amtlich.
Mehrere Kriminaltechniker, in kleidsame Plastiksäcke gehüllt, krochen über Weg und Wiese, verdächtigten jeden Grashalm, eine Spur zu sein, sammelten alles zusammen, was nicht zu einem Bildstock und dessen ländlicher Umgebung gehörte.
Die Leiche war aus allen Perspektiven fotografiert worden und hatte eine erste Untersuchung durch den Rechtsmediziner hinter sich. Ergebnis: ein Mann, Mistgabel im Rücken, Geldbörse mit Personalausweis in der Gesäßtasche: Horst Zenker, geboren 1983 in Düsseldorf, Nationalität deutsch.
Fritz und Charly standen etwas abseits und hüteten den aufgeregten Hubsi. Glücklicherweise hatte der Bub eine Hoeneß-Bratwurst samt Brezel mitgehen lassen, was die Aufregung entschieden dämpfte. Seine Aussage vor der Kommissarin war trotz Bratwurstkauens klar und deutlich. Er sei mit seinem Eierwägelchen zum Hotel unterwegs gewesen, und dann sei da einer auf dem Bauch gelegen mit einem gelben Regenmantel und einer Mistgabel, die in seinem Rücken steckte: „Mehra woaß i ned.“
„Mehr weißt du nicht, aha“, resümierte Lady in Red Penelope Pfeiffer, „dann darfst du jetzt nach Hause.“
Ja, wo samma denn? Hubsi wollte keinesfalls nach Hause. Es war alles viel zu spannend. Ein toter Mann, jede Menge Polizei, und dann noch dieser lange Lackel mit der Brille, den er aus dem Fernsehen kannte. Das war ein Ferienabenteuer der ersten Kategorie, da konnte kein Freizeitpark mithalten und keine internationale TikTok-Kirschkernweitspuck-Challenge. Hubsi war wild entschlossen zu bleiben, er wich keinen Zentimeter.
Mister Universum erschien, roch intensiv nach Hugo-Boss-Parfüm und hatte Neuigkeiten: „Der Tote war ein Internetstar. Betrieb die Website www.schmuddelpromis.de.“
„A Blogger, woaßt scho“, wandte sich Hubsi sachkundig an den Kanzler, „da kenn i mi aus!“ Er zeigte auf seine Baseballkappe mit den Buchstaben KCC: „Königssee Computer Club“. Er trug die Basecap übrigens verkehrt herum, wie das angesagt ist. Außer man ist ein Ministerpräsident.
Charlottes Handy klingelte, auf dem Display erschien der Name Zenta Kumpfmüller. Das bedeutete nichts Gutes. Sie ging zur Seite und wurde mit Donalds Elend konfrontiert, während der Muskelmann langsam ungehalten wurde, weil er nicht zu Wort kam.
Als die Kanzlergattin ab vom Schuss war, konnte Mister Universum endlich mit breiter Sixpack-Brust seine weiteren Erkenntnisse loswerden: „Zenker hat gnadenlos große Namen oder angebliche Gutmenschen auffliegen lassen, die peinliche Geheimnisse haben. Er nannte sich deshalb auch Zenker, der Zinker. Wie im Krimi von Edgar Wallace. In Ganovenkreisen wird bekanntermaßen ein Verräter, ein Denunziant, Zinker genannt. Zenker hat schon einen ganzen Haufen Leute bloßgestellt und auffliegen lassen. Sein Blog zählte über hunderttausend Abonnenten. Das Publikum ist eben scharf auf Figuren, die sich ihre weiße Weste öffentlich bekleckern.“
Hochzufrieden mit seinen Kenntnissen der Kriminalliteratur und seiner pointierten Formulierung machte sich Mister Universum von dannen. Die Parfümfahne wehte ihm hinterher. Das Problem dabei: Nach Boss zu riechen nützt dir gar nichts, wenn du eigentlich nur Hugo bist.
Die rote Penelope sah ihren Assi erhobenen Hauptes entschwinden und bemerkte gleichzeitig aus dem Augenwinkel, wie Fritz dem minderjährigen Eierlieferanten Hubsi etwas ins Ohr flüsterte. Dann wechselten die beiden einen verschwörerischen Blick und klatschten sich ab. Worauf der Bub widerstandslos in Richtung des elterlichen Bauernhofs abmarschierte.
Kommissarin Penelope Pfeiffer ereiferte sich. Was hatte dieser Merz, was sie nicht hatte? Außerdem sollte der regieren und nicht kriminalisieren. Dem würde sie den Fall schon noch madig machen, sie war hier die Chefin und nicht irgendein CDU-Kanzler im Urlaubsmodus!
Ein Fenster im Alpin-Resort mit Blick auf den Hang, wo die Tat geschehen war. Zufriedene Augen schauten hinter dem Vorhang hervor auf die Szenerie drüben am Hang, auf die geschäftigen Beamten und auf das schrille Ermittlerduo, das mit dem spießigen blauen Passat gekommen war.
„Dann macht mal schön!“, triumphierte der Verstand, der zu den Augen gehörte. Der Mord war problemlos gelungen, das Schwein war abgestochen. Wie wollten die je herausfinden, wer dahintersteckte und warum?
Darauf einen Cognac in den Frühstückskaffee! Kam sonst nie vor, aber heute war ein besonderer Tag.
Auch der gewiefteste Täter ist nicht perfekt. Und die spitzeste Mistgabel auch nicht. Der Zinker war gar nicht totgestochen worden.