Weihnachtsanektötchen – Spannende Geschichten aus Berlin - Wolfgang Hofer - E-Book

Weihnachtsanektötchen – Spannende Geschichten aus Berlin E-Book

Wolfgang Höfer

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Beschreibung

In jeder Berliner Ecke steckt eine Geschichte, heißt es. In diesem Buch stecken sogar ganze neun. Mörderische Geschichten, nervenaufreibend und voller Rätsel: Warum ist Harald Juhnke wieder auferstanden, um sich postwendend ermorden zu lassen? Bei Dieter Hallervorden klingelt – palim, palim – die Kriminalpolizei. Hat der Weihnachtsmann wirklich jemanden entführt? Was hat eine 4000 Jahre alte Sphinx in der Friedrichstraße zu suchen? Eine Leiche vor dem Adlon – wie peinlich! Ein stinkreicher Strumpf-Fabrikant kippt ausgerechnet an Heiligabend aus den Socken. Was macht ein toter Clown im Weihnachtszirkus? Und was wird zum Christfest serviert: Glühwein oder Molotow-Cocktails? Sogar das neue Jahr fängt tödlich an! Alle diese Geschichten sind bewährt humorvoll und erheiternd zu lesen.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Die Kurzgeschichten spielen hauptsächlich in bekannten Regionen, doch bleiben die Geschehnisse reine Fiktion.

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar über https://www.dnb.de© 2025 dotbooks GmbH, Max-Joseph-Straße 7, 80333 Mü[email protected]/dotbooks/CW Niemeyer Buchverlage GmbH, Osterstraße 19, 31785 [email protected] Rechte vorbehaltenUmschlaggestaltung: C. RiethmüllerSatz: CW Niemeyer Buchverlage GmbHE-Pub Produktion durch CW Niemeyer BuchverlageeISBN 978-3-8271-8747-5

Weihnachtsanektötchen Spannende Geschichten aus Berlin von Wolfgang Hofer

Ein Österreicher in Berlin

Ein Kerl mit alpenländischem Migrationshintergrund schreibt Berliner Krimigeschichten? Wie geht denn so etwas? Wie kommt der überhaupt dazu?

Ganz einfach: Was Berlin anbelangt, bin ich Vollprofi. Ich habe in dieser Stadt den Anfang meiner Karriere als Schlagersänger erlebt, bei der ZDF-Hitparade in den Studios der BUFA, der Berliner Union-Film in der Oberlandstraße in Tempelhof.

Im damaligen Sender Freies Berlin habe ich als Autor die ersten TV-Shows von Harald Schmidt betreut und bin an arbeitsfreien Vormittagen mit einem Leihrad durch die Stadt gedüst.

Im Friedrichstadtpalast habe ich die Schanze-Show „Kinderquatsch mit Michael“ als Berater mitgestaltet, abends haben wir dann regelmäßig mit dem Team gefeiert. Kneipen gab es ja genug in den S-Bahnbögen.

Den Duft der Stadt habe ich heute noch in der Nase, angefangen von den Pflaumen im Speckmantel im Il Sorriso in der Kurfürstenstraße bis hin zum österreichischen Rindfleisch in Essig und Kürbiskernöl im Garten der alten Café-Einstein-Villa.

Nicht zuletzt habe ich unzählige Male im Hotel Esplanade gewohnt, auch 1989, als die Mauerspechte begonnen haben, gleich nebenan das Schandmal zwischen Ost und West kaputt zu klopfen. Ich habe es ganz genau gehört und werde es nie vergessen.

Wat Berlin anjeht, macht mir keener wat vor. Klaro?

Prolog

Allet hat seine Zeit, jut Ding will Weile haben.

Berliner Weisheit

Wie immer, wenn es etwas zu entscheiden gab, eröffnete der Erzengel Gabriel die Sitzung. Der Konferenzsaal auf Wolke acht war gerammelt voll, schließlich ging es heute um den Geburtsort des Gottessohnes. Auch wenn das Kind noch gar nicht gezeugt war, weil der Heilige Geist seine Ginseng-Ginkgo-Kur erst abschließen musste. Aber neun Monate sind schnell rum.

Das göttliche Meinungsforschungsinstitut hatte in einer himmelweiten Umfrage zwei Orte auf der Welt als Favoriten für die Niederkunft hera­usgefunden: Bethlehem im Westjordanland und Berlin in Brandenburg. Es wurden alle Vor- und Nachteile diskutiert, die die beiden Kandidaten mitbrachten, angefangen beim Wetter.

Petrus bat ums Wort, denn das Wetter war sein Ding: „In Bethlehem mit seinem heißen Sommer werden wir die Geburt wohl in den Winter legen müssen“, ließ er wissen, „dann sind die Temperaturen ideal. Berlin dagegen ist neutral, denn wenn es dort nicht zu heiß ist, dann ist es eben zu kalt. So sagen jedenfalls die Leute.“

Eva, die Mutter der Menschheit, sorgte sich um die gesunde Ernährung des Jesusknaben. Gesundheit sah sie eher in der palästinensischen Mittelmeerkost garantiert, die mit viel Olivenöl, Proteinen sowie frischem Obst aufwarten kann. Adam dagegen fand, ein richtiger Mann brauche was Handfestes zwischen die Zähne: „Eisbein, Currywurst, Buletten, Pommes und als Nachtisch einen fetten Krapfen, damit wird es sicher ein strammer Gottessohn.“

„Und übergewichtig wie du“, warf Gottvater ein, „das ist nichts für meinen Buben!“

Bei der Beherbergungssituation hatte Berlin eindeutig die Nase vorn. In Bethlehem mit seinen wenigen überfüllten Ein-Sterne-Betrieben würde Maria wahrscheinlich in einem Stall niederkommen müssen, in Berlin dagegen winkte das Nobelwarenhaus KaDeWe. Die Dekorateure dort würden bestimmt eine tolle Winterlandschaft in die Schaufenster zaubern mit einer gemütlich ausgepolsterten Krippe und lebensgroßen Plüschtieren der Firma Steiff, die mit dem Kopf wackeln und „Muh“ sagen konnten. Dazu würde besinnliche Kaufhausmusik ertönen, und als besonderer Clou lockte die opulente Spielzeugabteilung in der vierten Etage. Ohne Gold, Weihrauch und Myrrhe. Alles Zeugs, mit dem Kinder sowieso nichts anfangen können, dafür aber mit Lego, Playmobil und Lichtschwertern. Und einen Airport-Shuttle für die Könige würde das Haus auch arrangieren.

Die Konferenz war schwer beeindruckt und diskutierte in hitzigen Einzelgesprächen das ganze Arbeitsessen hindurch, das aus himmlischem Manna bestand mit passend ausgewählten Zutaten. Für die Bethlehem-Fraktion luftig leichter Hummus, für die Berlin-Fans Curry-Ketchup und Salzgurken.

Dann schritt man zur streng geheimen Abstimmung, bei der noch ein zweiter Tagesordnungspunkt auf der Agenda stand, die politisch korrekte Umbenennung des Christbaumes. Während die Bürokratie-Engel akribisch die Stimmen auszählten, spielte die Rockband des Erzengels Michael „Knockin’ on Heaven’s Door“.

Gabriel übernahm mit bedeutungsschwerer Miene die Verkündung des Ergebnisses. Er räusperte sich umständlich und stellte dann fest: „Punkt 1: Der Christbaum wird bei uns im Himmel weiterhin Christbaum heißen und nicht ‚festlich beleuchtetes Nadelgehölz mit christlichem Hintergrund‘. Punkt 2: Bethlehem hat gewonnen! Knapp, aber doch!“

„Da haben wir echt Schwein gehabt!“, setzte der Verkünder anschließend hinzu, „wir haben nämlich völlig vergessen, dass es Berlin noch gar nicht gibt. Das wird noch bis zum Mittelalter dauern.“

„Aber Ausgewogenheit muss sein“, mischte sich der alte Herr lautstark ein, schließlich war er hier der Boss. „Irgendwann muss Berlin auch drankommen. Wie ich meine Menschheit kenne, wird eine einzige Erlösung für diesen sündigen Haufen ohnehin nicht ausreichen. Ich schätze mal, so in den 2000er-Jahren wird eine neue Menschwerdung des Göttlichen nötig sein. Dann ist Berlin auserwählt – falls bis dahin der neue Flughafen für die Könige fertig ist. Außerdem werde ich dann Geschlechtergerechtigkeit walten lassen, Gender matters!“

Der Herrgott lächelte.

„Der Erlöser 2.0 wird ein Mädchen sein! Und das Brimborium mit der jungfräulichen Geburt lassen wir dann weg. Nimmt uns eh keiner ab. Okay!“

Alle Hände gingen hoch, einstimmig angenommen.

Champagner für Harald

Madonnas Tochter heißt Lourdes. Das ist so, als würde mein Sohn auf den Namen Apollinaris getauft.

Harald Juhnke

Das Getränk heißt „Champagner“, auch wenn es zwar simpler Schaumwein ist, aber die Trauben nachweislich aus der französischen Provinz Champagne kommen. Deswegen kostet die Britzelbrause dann das Doppelte, und das nennt man Marketing.

Die Kunst des Marketings beherrschte auch Harald Juhnke perfekt. Der Jahrhundertschauspieler und Tausendkünstler, der in seinen Sketchen das Publikum zu Lachsalven hinreißen konnte und es zu Tränen rührte, wenn er Falladas Trinker spielte, die Rolle seines eigenen Lebens. Mit leichtfüßiger Eleganz tanzte er über die größten Bühnen, füllte sie so aus, dass für jemand Zweites kein Platz mehr war, und sang dazu:

Barfuß oder Lackschuh, alles oder nichts

Leg ich mir ’nen Frack zu oder komm ich vor Gericht

Ich schlafe unter Brücken und im Himmelbett

Bin Engel und mal Teufel, doch nie bin ich nur nett *

Sogar seine Alkoholsucht konnte er charmant verkaufen. „Ich hasse Silvester, da saufen auch die Amateure.“ Oder: „Meine Definition von Glück? Keine Termine und leicht einen sitzen.“ Jeder Berliner Taxifahrer kannte Juhnkes Adresse für den Fall, dass der gute Harald zu fortgeschrittener Stunde nicht mehr in der Lage war, sich daran zu erinnern.

Seinen eigenen Führerschein hatte er da längst abgegeben, nachdem er wegen Trunkenheit am Steuer, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Körperverletzung und Beleidigung zu sieben Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt worden war. Nach vier Monaten wurde er wegen guter Führung entlassen und setzte sich nie wieder ans Lenkrad.

Der Weltmann Harald Juhnke starb überhaupt nicht weltmännisch, nicht in Smoking und Lackschuhen, sondern als hilfloses Wrack. Von aller Eleganz und allen guten Geistern verlassen, ließ er sein Leben 2005 in einem Krankenhaus auf dem platten Land nahe Berlin. Das Datum ist typisch für den alten Schlingel, es war der 1. April.

„Harald Juhnke lebt“, schrien euphorisch die Schlagzeilen. Die Weihnachtsrevue im Theater des Westens hatte eingeschlagen wie eine Bombe. Harald singt Frank Sinatra, Harald tanzt, umgeben von Girls mit endlosen Beinen, Harald sitzt im Spot auf einem Barhocker und liest Weihnachtsgeschichten, das Publikum hängt an seinen Lippen, die Leute sind hingerissen, Harald ist wieder da!

In Ritchies Augen war er ja auch nie weg gewesen. Ritchie, bürgerlich Richard Rosenbaum, der Doppelgänger, ein Geniestreich des Schöpfers, König Harald, der zweite. Sah aus wie Juhnke, hörte sich nach intensivem Sprechunterricht auch an wie Juhnke und hatte es endlich geschafft.

Model-Scouts einer Werbeagentur hatten ihn in der Paris-Bar an der Kantstraße aufgetrieben, wo er bei Weinschorle stundenlang herumsaß und hoffte, irgendeinem aus der Künstlerwelt aufzufallen, die sich hier täglich und vor allem nächtlich die Klinke in die Hand gab.

Die Paris-Bar ist legendär. Keine megacoole Vielverdiener-Lounge, sondern ein angestaubtes buntes Unikum, das die preußischen Tugenden von Spießbürgerlichkeit und Erbsensuppe mit internationalem künstlerischem Flair vereint. Die Prominentendichte ist folgerichtig erdrückend, man bekommt kaum einen Platz. So erging es auch der Pop-Sängerin Madonna, die zu hören bekam, der Tisch sei leider nicht frei, er sei schon für Gina Lollobrigida reserviert. Madonna okkupierte den Platz trotzdem und begründete das mit den schlichten Worten: „Who the fuck is Gina Lollobrigida?“

Ziemlich eng geht es auch auf den Wänden des Lokals zu, wo sich unzählige Bilder drängen, auch Originale, wie zum Beispiel von Baselitz. Manche der Gemälde ersetzten einst das Bargeld. Wenn der Künstler gerade klamm war, bezahlte er kurzerhand mit einem seiner Werke.

Mittendrin in diesem Sammelsurium aus weißen Tischdecken, einer Vorspeise von der Blutwurst und Promi-Devotionalien also der alternde Ritchie. Bloß, was hatten die Scouts mit ihm vor? Mit einem, der hier nur reinpasste, weil er aussah wie Juhnke, das verstorbene Maskottchen der Berliner Lebewelt? Ganz einfach, sie brauchten ein Gesicht für eine Werbekampagne des Medikamentenherstellers Saniterra. Die Firma hatte ein Konkurrenzprodukt zu Alka-Seltzer entwickelt, das uns bekanntlich alle wiederbelebt, wenn das letzte Bier schlecht war.

Der Fernsehspot war simpel und genial zugleich.

Rosenberg-Juhnke saß im Smoking mit offenem Hemdkragen und baumelnder Fliege am Frühstückstisch, neben sich eine Katze. Er schmiss eine Tablette in ein Glas Wasser, wo sie heilsbringend aufschäumte. Der neue Harald nahm einen Schluck und verkündete strahlend: „Dolopyrin, mein Katerfrühstück. Alles andere ist für die Katz!“ Dann schob er der Mieze grinsend eine Schale Milch hin. Es folgte ein „Miau“ sowie die Information, wo man sich zu Risiken und Nebenwirkungen informieren solle.