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**Du denkst, du kennst den Menschen, den du liebst** Kalea und Nick wollen eigentlich nur gemeinsam mit ihren Freunden C.J. und David in Rhode Island Thanksgiving feiern. Doch als mysteriöse Zwischenfälle Nick plötzlich in ein schlechtes Licht rücken, beginnt Kalea zu zweifeln. Ist Nick wirklich der, der er vorgibt zu sein – oder ist da etwas in seiner Vergangenheit, das er ihr verschweigt? Als sich die Situation mehr und mehr zuspitzt, muss sie sich entscheiden … Das dramatische Finale der New-Adult-Reihe voller Gefühl, aber auch über Miss- und Vertrauen und der Frage, wie weit man selbst gehen würde, um Menschen zu beschützen … oder zu rächen. Textauszug: Bevor sie mich aufhalten kann, stürme ich mit dem Telefon in der Hand in unser Zimmer und von dort aus direkt ins Bad. Nick steht unter der Dusche und wäscht sich gerade den Schaum vom Körper, als er mit überraschtem Blick auf mich hinunterschaut. Bevor er etwas sagen kann, presse ich das Display des Smartphones gegen das Duschglas. Das, was ich nun in seinen Augen sehe, sticht wie ein Speer gnadenlos auf mein Herz ein: ein Ausdruck des Ertapptseins nebst einer stummen Entschuldigung. Der Kloß in meinem Hals, der mir von null auf hundert die Luft zum Atmen abgeschnürt hat, hindert mich beinahe am Sprechen. »Wann war das? Wer ist diese Frau? Und vor allem: warum?« Leser*innenstimmen zu »Fuck Beauty« und »Fuck Innocence«: »Lehne ich mich zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass diese Reihe die beste ist, die über Impress veröffentlicht wurde? Ich glaube nicht :P« »Eine starke Fortsetzung mit wundervollen Charakteren, spannender Handlung und einer Menge Humor.« »Lest, genießt und knabbert vor Spannung an den Nägeln, wie ich es getan habe. Von mir bekommt auch »Fuck Innocence« eine absolute Leseempfehlung.« »Was für eine Achterbahnfahrt an Emotionen!« //Dies ist der vierte und finale Band der »Fuck-Perfection«-Reihe von M.J. River bei Impress. Alle Bände bauen aufeinander auf: -- Fuck Perfection (Band 1) -- Fuck Beauty (Band 2) -- Fuck Innocence (Band 3) -- Fuck Shame (Band 4) -- Sammelband der Fuck Perfection-Reihe Diese Reihe ist abgeschlossen.//
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Veröffentlichungsjahr: 2022
Impress
Die Macht der Gefühle
Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.
Wer nach Geschichten zum Mitverlieben in den beliebten Genres Romantasy, Coming-of-Age oder New Adult Romance sucht, ist bei uns genau richtig. Mit viel Gefühl, bittersüßer Stimmung und starken Heldinnen entführen wir unsere Leser*innen in die grenzenlosen Weiten fesselnder Buchwelten.
Tauch ab und lass die Realität weit hinter dir.
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M. J. River
Fuck Shame (Fuck-Perfection-Serie 4)
**Du denkst, du kennst den Menschen, den du liebst**Kalea und Nick wollen eigentlich nur gemeinsam mit ihren Freunden C.J. und David in Rhode Island Thanksgiving feiern. Doch als mysteriöse Zwischenfälle Nick plötzlich in ein schlechtes Licht rücken, beginnt Kalea zu zweifeln. Ist Nick wirklich der, der er vorgibt zu sein – oder ist da etwas in seiner Vergangenheit, das er ihr verschweigt? Als sich die Situation mehr und mehr zuspitzt, muss sie sich entscheiden …
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Vita
Danksagung
© privat
M. J. River ist studierte Übersetzerin und Dolmetscherin. Sie lebt mit ihrem Mann und den zwei Söhnen in München, wo sie seit ihrer Elternzeit freiberuflich als Nachhilfelehrerin für Erwachsene und Jugendliche arbeitet. Ihr Schreibstil ist locker, frech und zynisch – genauso wie sie selbst. Und auf eben diese Art widmet sie sich in ihren Romanen mit einer gewissen Leichtigkeit den schwierigen Themen, ohne deren Ernsthaftigkeit zu verharmlosen.
Für H., P. und A., die drei besten Männer der Welt
Liebe Leser*innen,
dieser Roman enthält potenziell triggernde Inhalte. Aus diesem Grund befindet sich hier eine Triggerwarnung. Am Romanende findest du eine Themenübersicht, die Spoiler enthält.
Entscheide bitte für dich selbst, ob du diese Warnung liest. Gehe während des Lesens achtsam mit dir um. Falls du auf Probleme stößt und/oder betroffen bist, bleibe damit nicht allein. Wende dich an deine Familie und an Freunde oder suche dir professionelle Hilfe.
Wir wünschen dir alles Gute und das bestmögliche Erlebnis beim Lesen dieser besonderen Geschichte.
M. J. River und das Impress-Team
Weasel
Lautlos wie ein Schatten bewege ich mich auf das Haus zu, in dem die Person wohnt, die mein Leben zerstört hat.
Zu dieser frühen Stunde ist es noch stockfinster. Regen peitscht mir ins Gesicht, meine schwarze Mütze ist bereits von Wasser durchtränkt. Die Kälte dringt langsam, aber sicher durch jeden meiner Knochen, doch ich merke es kaum.
Als ich an der Seite des Gebäudes ankomme, ducke ich mich hinter eine hohe Hecke und warte ab.
Nachdem ich in den letzten Tagen seine Gewohnheiten genauestens studiert habe, weiß ich, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis er das Haus verlässt.
Einen kurzen Moment später öffnet sich bereits die Tür.
Seine große Silhouette wird vom warmen Licht aus dem Inneren des Hauses beschienen. Neben ihm taucht eine kleine, zierliche Person im Rahmen auf, die sich auf Zehenspitzen stellt, um ihm einen Kuss auf den Mund zu drücken. Ich kann sie undeutlich reden hören, dann wendet er sich ab.
Zügig tritt er hinaus, um die Treppe hinunterzulaufen. Dabei schaltet sich automatisch das Verandalicht ein. Wie jedes Mal.
Obwohl ich weiß, dass er mich unmöglich sehen kann, kauere ich mich noch eine Spur tiefer zusammen und verfluche meine Körpergröße.
Ich kann sein Aftershave riechen, als er an mir vorbei den Gartenweg hinuntergeht und Kurs in Richtung College aufnimmt.
Die Haustür wird leise geschlossen.
Da heute Freitag ist, weiß ich, dass seine Freundin eineinhalb Stunden später das Haus verlassen wird.
Ich weiß inzwischen alles über die Lebensgewohnheiten der beiden. Von ihren sexuellen Präferenzen bis hin zu so etwas Profanem wie ihrer Vorliebe für Sushi. Über das Studium seiner Freundin, ihre Kommilitonen, ihr Rennrad, das sie so sehr liebt. Über sein Glück, seinen Job, seine inzwischen finanziell hervorragende Situation, seine besten Freunde.
Nichts von all dem hat er verdient.
Und Stück für Stück werde ich ihm alles nehmen.
Schmerz und Hass mag er kennen. Doch er soll wissen, wie sich abgrundtiefe Verzweiflung anfühlt.
Er soll wissen, wie sich alles verzehrende Dunkelheit anfühlt.
Und am Ende soll er wissen, wie es sich anfühlt zu sterben.
Dann sind wir quitt.
Erst dann.
Kalea
»Warum machst du dir so einen Stress? Es sind doch nur C.J. und David, nicht der Präsident der Vereinigten Staaten«, versucht Nick, der faul auf der Couch herumlümmelt, mich zu beruhigen.
Sein großer, muskulöser Körper steckt in einer grauen Jogginghose und einem hellblauen Hoodie der Universität Rhode Island, an der er Footballtrainer ist. Genauer gesagt, Defense Coach. Allerdings nicht mehr lange. Die Stelle als Head Coach ist ihm bereits für das nächste Semester in Aussicht gestellt worden.
»Wenn Trump kommen würde, würdest du vermutlich zum Attentäter werden«, sage ich schmunzelnd, während ich zeitgleich versuche, die Herbstgirlande am Treppengeländer anzubringen. Doch die Blätter wollen nicht so wie ich und das Ganze ähnelt nun einem unordentlichen Laubhaufen. Ich habe keine Ahnung, wie sie es in den Kaufhäusern hinbekommen, dass es immer so aussieht, als würden sich die Blätter geschmeidig an den Streben entlangranken. Mir gelingt es jedenfalls nicht.
»Das sieht doch bescheuert aus«, murmle ich, ziehe einmal an der dämlichen Girlande, die nun auch noch mit einem Schnalzen reißt, und knülle sie genervt zu einer Kugel zusammen. »Dann eben doch nur ein paar Kerzen. Ich bin nicht dafür geboren, ein Haus zu dekorieren. Einzurichten, das schon. Aber zu schmücken?« Zweifelnd blicke ich auf die zerknüllten Kunststoffblätter in meinen Händen.
Nick lacht brummig, rappelt sich auf und schlendert zu mir an die Treppe. »Entspann dich, Kleines! Die Kerzen reichen völlig aus. Es ist Thanksgiving, nicht Weihnachten.«
Von hinten wickelt er seine Arme einmal um mich herum und zieht mich an seinen warmen Körper, während er sein Gesicht in meiner Halsbeuge vergräbt. Der Duft seines Aftershaves gepaart mit seinem Eigengeruch steigt mir in die Nase. Sandelholz, Minze, Giant. So lecker.
»Dave weiß so etwas ohnehin nicht zu würdigen und C.J. ist praktisch veranlagt.«
»Weiß ich ja. Aber ich finde Deko schön.« Unzufrieden starre ich auf das schreiend nackte Treppengeländer.
»Deko, ja. Das eben sah aber so aus wie ein Haufen, den sich ein Hund zum Reinkacken aussuchen würde.«
Mein Ellbogen landet in seiner Seite, was er bei seiner Muskelmasse vermutlich noch nicht einmal spürt.
»Dann mach’s doch besser, du Klugscheißer.« Ich will mich aus seiner Umarmung lösen, die er daraufhin verstärkt.
»Nope, wieso denn? Wer braucht schon so einen Scheiß? Hauptsache, das Essen ist lecker«, meint er und knabbert an meinem Ohrläppchen.
Typisch Mann. Solange die Grundbedürfnisse gedeckt sind, ist der Rest egal.
»Wir leben seit drei Monaten in diesem Haus und hier stehen teilweise immer noch Umzugskartons in den Ecken herum.« Ich versuche mich nicht von ihm ablenken zu lassen, was mir teuflisch schwerfällt. Mehr als an meinem Ohrläppchen zu knabbern muss er nämlich nicht machen, damit alles in mir anfängt zu hüpfen. Verflixte erogene Zonen. »Es ist das erste Mal seit dem Umzug im August, dass die beiden uns besuchen kommen. Da hätte ich es einfach schöner gefunden, wenn es hier ein wenig heimelig aussieht.«
»Heimelig? Wie alt sind wir denn? Vierzig?« Er dreht mich zu sich herum und blickt mit seinen blitzenden dunkelbraunen Teddybär-Augen belustigt auf mich hinunter. Ist kein Kunststück, da er mit seinen eins fünfundneunzig schlappe dreißig Zentimeter größer ist als ich.
»Du weißt genau, wie ich das meine.« Energisch schiebe ich ihn von mir und mache mich auf den Weg in die Küche, um dieses Ungetüm einer Girlande in den Müll zu verbannen.
»Das wird schon, okay? Abgesehen davon sind drei Monate doch nicht viel. Nach und nach wird es hier so aussehen, wie du es dir vorstellst, versprochen. Außerdem«, Nick macht mit seiner Hand eine ausladende Bewegung, »findest du es so schlimm?«
Mein Blick schweift vom kleinen Eingangsbereich, der nahtlos ins Wohnzimmer übergeht, über die gemütliche große Couchecke mit Glastisch vor einem riesigen offenen Kamin bis hin zu der Essecke an der bodentiefen Fensterfront.
Die angrenzende Küche verfügt über die modernsten Geräte, trotzdem ist sie oldschool eingerichtet. Gusseiserne Pfannen baumeln an der Wand über der Küchenzeile, in der Mitte befindet sich eine große Kücheninsel umsäumt von Barhockern, und der Kühlschrank ist so hoch, dass ich keine Probleme hätte, mich hineinzustellen. Aufrecht versteht sich. Und das ist lediglich das Erdgeschoss.
Alles in allem jammere ich also auf ultrahohem Niveau, denn wir leben im kompletten Luxus. Bis auf die fehlende Zierde eben.
Nicks Adoptivvater, ein ehemaliger Richter, hat seiner Schwester Kimmy und ihm nach seinem Tod vor zwei Jahren eine ordentliche Stange Geld hinterlassen. Daher hat Nick sich entschieden, gleich ein ganzes Haus statt lediglich einer Wohnung zu kaufen. Als Wertanlage, meinte er.
Die Einrichtung hat er allerdings weitestgehend mir überlassen. Diesbezüglich ist er der klischeehafte Mann, dem es mehr oder minder egal ist, wenn der Style spartanisch ist. Hauptsache zweckgemäß.
»Nein, schlimm sicher nicht. Ein wenig Deko könnte trotzdem nicht schaden«, seufze ich einlenkend, werfe die Girlande nun endgültig in den Müll und bleibe mit einem meiner Ringe an der Schnur hängen. Ungeduldig fädle ich sie wieder heraus. Selbst schuld, wenn ich so viele trage. An jedem Finger einen. Theoretisch könnte ich an jedem zwei tragen, so viele, wie Nick mir mittlerweile geschenkt hat, nachdem er meinen Spleen erkannt hatte.
Als ich zu ihm ins Wohnzimmer zurücklaufe, fallen Scheinwerfer eines Autos, das gerade in unsere Einfahrt rollt, durch die Fenster in den Eingangsbereich.
»Das ging aber fix! Ich dachte, sie wollten erst gegen acht kommen.« Nick geht mit langen Schritten zur Haustür und reißt sie auf.
Mein Herz macht einen ordentlichen Freudensprung, als ich mich neben ihm postiere und meine zwei besten Freunde auf uns zuflitzen sehe.
Vollbepackt und mit eingezogenen Köpfen hetzen sie von der Einfahrt über den Plattenweg seitlich am Haus entlang. Obwohl die Strecke kurz ist, sind sie dennoch klatschnass, als sie mit quatschenden Sohlen die überdachte Veranda hochjagen.
»Holy, Leute, hier draußen schifft es, als würde es kein Morgen geben!«, schnaubt David, als er C.J. den Vortritt lässt und Nick sie in die trockene Wärme des Hauses zieht.
Nachdem wir ihnen die Taschen nebst zwei Tüten und einer großen in Alufolie eingeschlagenen Auflaufform abgenommen haben, pulen sie sich aus den tropfenden Jacken.
David beugt sich zu mir hinunter – als ehemaliger Footballspieler hat er ungefähr die gleiche Statur wie Nick, allerdings ist er nicht ganz so breit –, und nimmt mich kurz, aber fest in die Arme. Er riecht nach Regen und Zedern. Ich erwidere seine Umarmung herzlich.
»In dieser Tüte da ist der Truthahn. Er muss unbedingt zum Auftauen in den Kühlschrank.« C.J. deutet auf eine der beiden Plastiktüten.
Also befreie ich mich aus Davids Armen, greife beherzt nach der Truthahntüte und schnappe mir mit der anderen Hand C.J.s. Die Männer lassen wir im Hausflur stehen, während wir uns auf den Weg in die Küche machen.
»Ich finde es immer noch furchtbar, ohne dich zu studieren. Daran muss ich mich noch gewöhnen.« Nachdem ich die kiloschwere Tüte auf die Arbeitsplatte gewuchtet habe, drücke ich meine Freundin an mich. Ihre lockigen feuerroten Haare, die noch krauser als normalerweise sind, was vermutlich am Regen liegt, kitzeln mich im Gesicht.
Bis zum letzten Semester haben C.J. und ich an der Bostoner Universität gemeinsam Medizinkurse belegt und uns ein kleines Apartment im dortigen Studentenviertel geteilt.
Nachdem Nick jedoch aufgrund seines Jobs immer hierher pendeln musste, hat er sich dazu entschlossen, wieder nach Rhode Island zu ziehen. Als er mich gefragt hat, ob ich mitkommen wolle, habe ich sofort zugestimmt. Schön blöd wäre ich gewesen, hätte ich abgelehnt, denn er ist die Liebe meines Lebens. Trotzdem hat es mir in der Seele wehgetan, C.J. in Boston zurücklassen zu müssen.
»Frag mich mal. Professor Wrigley muss ich jetzt immer ohne dich ertragen.« Sie gibt mir einen Schmatz auf die Wange. Dann schiebt sie mich an den Schultern ein Stückchen von sich weg, um mein Gesicht genauer betrachten zu können.
Ihre verschiedenfarbigen Augen – eines braun, das andere grün – funkeln zufrieden.
»Gut siehst du aus, K.! Das Leben in Rhode Island scheint dir zu bekommen.« Liebevoll streicht sie mir eine meiner langen dunkelbraunen Strähnen über die Schulter, darauf bedacht, meine Ohren nicht zu enthüllen. Sie weiß, dass ich die nicht ausstehen kann. Sie stehen für meinen Geschmack viel zu weit ab, deswegen trage ich die Haare meist offen.
»Es würde mir besser bekommen, wenn du auch hier wärst«, maule ich betrübter, als ich will, drehe mich zum Kühlschrank um, öffne ihn und schaffe für den Riesenvogel Platz.
»Hey, ich bin nicht diejenige, die aus Boston weggezogen ist.« C.J. grinst mich schief an, so, wie sie es immer macht.
Schulterzuckend schnappe ich mir eines der bauchigen Weingläser, die bereits auf der Kücheninsel stehen. »Du wärst an meiner Stelle auch mitgegangen.«
»Yep, wäre ich. Wir müssen einfach öfter telefonieren.« Sie bündelt ihre wild gewordenen Locken und bindet sie energisch zu einem hohen Pferdeschwanz zusammen.
Ich lache. »Noch öfter?«
»Logisch!« Ihr wunderschönes, wie aus Marmor gemeißeltes Gesicht mit den vielen Sommersprossen verzieht sich zu einem breiten Lächeln. »Ich wünsche mir von David zu Weihnachten Bluetooth-Kopfhörer für mein Smartphone. Dann kann ich dich im Molly’s immer mit mir herumschleppen und habe zeitgleich beide Hände frei.«
Seit Jahren schon arbeitet sie in diesem kleinen gut gehenden Café im Herzen des Bostoner Univiertels.
»Da wird Nate begeistert sein.«
»Der soll sich mal nicht beschweren. Immerhin arbeite ich viel besser als früher.«
Das stimmt wohl. Sie kann froh sein, dass Nate, ihr Chef, sie damals nicht gefeuert hat, so unkonzentriert und unpünktlich, wie sie immer war.
Allerdings hatte C.J. vor einem Jahr auch unfassbar viel Ärger an der Backe – von ihrem daraus resultierenden Schlafdefizit ganz zu schweigen. Unglaublich, in was für eine Scheiße sie hineingezogen wurde! Ich bin mehr als froh, dass diese Zeiten endgültig passé sind. An die denke ich gar nicht gern zurück. Keiner von uns tut das.
Ich lasse den Rotwein in die Gläser gluckern und drücke ihr eines davon in die Hand.
»Nun ist erst mal Freitagabend und eine herrliche Thanksgiving-Woche mit noch fantastischerem Nichtstun liegt vor uns.« Verschwörerisch zwinkere ich ihr zu, während ich die Männer, die sich auf die Couch gelümmelt haben, undeutlich reden hören kann.
»Darauf trinke ich sehr gern«, pflichtet sie mir bei. Unsere Gläser klirren aneinander.
»Wie jetzt? Und wir müssen hier verdursten?«, ruft David gespielt empört aus dem Wohnzimmer.
C.J. verdreht die Augen. »Ich habe Feierabend, hol dir selbst was!«
»Du wirst immer frecher, Rotlöckchen! Hey, Lotusblume, hast du auch kein Mitleid mit uns?«, spricht er nun mich an.
Das Frotzeln kann er einfach nicht lassen …
»Giant weiß genau, wo in seinem Haus die Getränke zu finden sind, Sonnyboy.« Ich schnalze einmal kräftig mit der Zunge.
Sein Spitzname für mich geht mir immer noch tierisch auf den Wecker, dafür kann er es nicht ausstehen, wenn ich ihn Sonnyboy nenne. Ist also ausgleichende Gerechtigkeit.
Wobei ich nicht weiß, wieso eigentlich nicht, da er exakt wie einer aussieht: groß, muskulös, gut aussehend und blond. Ein Glück für ihn, dass er noch dazu ein geborener Witzbold ist und ein feiner Kerl obendrein. Ansonsten hätte ich ihn für seine bescheuerte Lotusblume längst verbal in Grund und Boden gestampft.
Aus den Augenwinkeln kann ich sehen, wie die beiden sich aufrappeln und zu uns in die Küche schlendern.
»Dabei habe ich doch so lieb gefragt.« David zwinkert mir mit seinen graublauen Augen vergnügt zu und legt jeweils C.J. und mir einen schweren Arm um die Schulter.
»Wenn du nicht Lotusblume gesagt hättest, hätte ich mich eventuell dazu hinreißen lassen, dir etwas anzubieten.« Ich lehne mich an seine Seite.
»Gib’s zu, das hast du vermisst«, sagt er verschmitzt.
»Gin Tonic?«, will Nick von ihm wissen und greift schon nach den Gläsern.
»Immer.« David zieht uns noch eine Spur fester an sich. »Mmhhh … Lotusblume und Gangsterbraut auf einmal. Das hat mir echt gefehlt.«
Und während kurz darauf vier Gläser in der Küche aneinanderklirren, bin ich einfach nur glücklich.
Das wird ein geniales Thanksgiving!
Nick
»Deine Schwester habe ich ewig nicht mehr gesehen. Ich glaube sogar, seit Steves Beerdigung nicht mehr«, meint David an mich gewandt, nachdem wir alle um den Esstisch sitzen und C.J. ihre selbst gebackene Lasagne verteilt, die sie von zu Hause mitgebracht hat.
Überall riecht es köstlich nach Oregano, Thymian und sämtlichen anderen leckeren Kräutern. Ihre Lasagne ist nach wie vor gigantisch.
»Sie kommt an Thanksgiving, also nächsten Donnerstag. Mit Freund. Den kenne ich auch noch nicht.« Ich schiebe mir die vollbeladene Gabel in den Mund. Holy, das ist eine wahre Geschmacksexplosion!
»Ich freu mich schon. Ich kenne sie zwar noch nicht besonders gut, aber das, was ich von ihr kenne, ist richtig knuffig.« Kalea nippt an ihrem Wein. Ihre kastanienbraunen Augen glänzen glücklich, als sie in die Runde blickt. Ich kann ihr ansehen, wie sehr sie es genießt, C.J. wieder um sich zu haben. Sie leidet mächtig darunter, dass sie nun getrennt voneinander studieren. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätten wir David und C.J. im Sommer mit in die Umzugskartons gepackt.
David hat jedoch eine Stelle als Unternehmensberater in einer renommierten Firma in Boston bekommen, somit wurde ihr Plan bereits in den Kinderschuhen zerschlagen.
Da ich es gewohnt bin, viel zu arbeiten und wenig Freiheiten zu haben, hatte ich in den letzten Jahren ohnehin kaum Zeit für meine Freunde und habe mich daran gewöhnt, sie lediglich sporadisch zu sehen.
Bei meinem Mädchen sieht das allerdings anders aus. Für eine lange Zeit hat sie sich mit C.J. ein winziges Apartment geteilt und vermisst sie. Umso mehr hat es mich gefreut, dass C.J. und David Thanksgiving bei uns verbringen wollten.
Davids Mutter gibt an dem Tag ein Konzert, seine Schwester ist bei der Familie ihres Freundes eingeladen und sein Vater ist ein klassischer Workaholic, der nicht viel von Feiertagen hält.
C.J.s Mutter ist im Sommer letzten Jahres verstorben, daher sind wir drei ihre Familie.
Und was Kalea angeht: Ich habe vorgeschlagen, ihre Eltern sowie ihren kleinen Bruder Nalu einzuladen. Sie haben jedoch dankend abgelehnt, die Strecke sei ihnen zu weit. Wir haben sie nicht überreden können, hier zu übernachten, obgleich ausreichend Platz wäre. Ich vermute, dass sie unsere junge Runde nicht sprengen wollten, wobei das natürlich Bullshit ist, es wäre ja lediglich um diese eine Nacht gegangen. Das Haus ist groß genug und hat genug Schlafzimmer für alle, aber Kaleas Familie ist standhaft geblieben. Dafür haben wir versprechen müssen, Weihnachten bei ihnen in Boston zu verbringen. Auch okay.
David hebt eine Augenbraue. »Wenn Kimmy wüsste, dass du sie knuffig nennst, wäre sie schwer begeistert.«
»Aber das ist sie. Riesengroße braune Kulleraugen, pechschwarze Dreadlocks und zwei niedliche Grübchen in ihren Wangen. Noch dazu ist sie unglaublich lieb. Sorry, das ist alles in allem einfach knuffig! Ein passenderes Wort für sie fällt mir nicht ein«, beharrt Kalea auf ihre Beschreibung.
Ich schmunzle. Ja, Kimmy kann knuffig sein, verdammt gut austeilen kann sie aber auch. Ich muss es schließlich wissen.
»Da bin ich mal gespannt! Ich habe sie ja noch gar nicht kennengelernt«, mümmelt C.J. hinter fünfzig Gramm Lasagne hervor.
»Kimmy freut sich auch schon auf euch. Es wird bestimmt lustig werden«, werfe ich ein.
»Mir tut ihr Freund jetzt schon leid. Der wird sich einer genauen Überprüfung unterziehen müssen, oder, Bro?« David sieht mich breit grinsend an.
Das wird er definitiv müssen. So ergeht es wohl den meisten Freunden von Frauen, wenn sie das erste Mal auf deren große Brüder treffen. Zumindest wenn der Vater fehlt, der ansonsten diese Musterung vorgenommen hätte.
»Irgendeiner muss es machen.« Ich lasse mich in den Stuhl zurückfallen. Mann, bin ich vollgefuttert. »Die Lasagne war mal wieder der Hammer, C.J. Vielen Dank!«
»Das ist das Mindeste. Immerhin habt ihr uns eine volle Woche an der Backe«, meint sie und lächelt mich verlegen an.
C.J. ist mir vom Charakter her sehr ähnlich. Sie ist eher zurückhaltend, wohingegen Kalea und David die Extrovertierten von uns vieren sind. Gegensätze ziehen sich an, schätze ich.
»Spinnst du? Was heißt da ›an der Backe haben‹? Wenn ihr nicht gekommen wärt, hätten wir uns in eurem Dreizimmerapartment breitgemacht, deswegen habt ihr uns mit eurem Besuch einen Gefallen getan.« Kalea blickt sie warm an.
»Wenn du es so formulierst, dann auf jeden Fall. Das Haus hier ist um einiges geräumiger als unsere Bude«, stimmt David ihr zu und beginnt die Teller aufeinanderzustapeln.
C.J. macht Anstalten, ebenfalls aufzustehen, doch ich bin schneller.
»Bleib sitzen. Die Köchin muss sicherlich nicht auch noch abdecken.« Mit diesen Worten räumen David und ich anstandslos die Teller in die Küche. Aussagen von »Hui, wir haben sie gut erzogen!« und »So ist’s brav!« dringen an unsere Ohren. David schmunzelt. »Seit wann sind die beiden solche Emanzen?« Er öffnet den Geschirrspüler, während ich die Teller einräume.
»Das waren sie vermutlich schon immer. Unsere erste Verliebtheit ist wohl nur verflogen, darum sehen wir sie mittlerweile klarer.«
David blickt mich prüfend an. »Sag mal, bei euch ist aber schon alles okay, oder?«
»Warum sollte es das nicht sein?«
»›Die erste Verliebtheit ist verflogen‹ und so weiter?«
Mir fällt plötzlich auf, dass ich das gerade ziemlich ungeschickt formuliert habe. »Nein, alles ist in Ordnung, ernsthaft. Ich habe das so gemeint, dass man nach einem knappen Jahr eben keine rosarote Brille mehr trägt und einem manche Sachen auffallen, die man vorher nicht wahrgenommen hat. Ganz generell gesprochen«, versuche ich zu erklären und wühle nebenbei im Kühlschrank nach der Mousse au Chocolat, die Kalea den halben Nachmittag vorbereitet hat.
Es hat sie lediglich drei Versuche und sechzig Prozent ihrer Nerven gekostet – von einem Dutzend Eiern ganz zu Schweigen. Meine kleine Kochchaotin.
»Aha.« David scannt mich immer noch mit seinem Blick.
»Scheiße, du bist ja schlimmer als jede Frau«, stöhne ich und drücke ihm zwei Gläser mit der Mousse nebst Löffeln in die Hand. »Es ist ehrlich alles okay.« Ist es. Absolut.
Kalea ist meine eigene kleine, heile Welt. Meine wunderschöne, unschuldige Welt. Ich liebe diese Frau abgöttisch, auch wenn sie mich manchmal zur Weißglut treibt – sie ist nämlich höllisch eifersüchtig.
Allerdings weiß ich inzwischen, dass sie diesen Schlag ihrem Ex zu verdanken hat. Ein verdammter Vollidiot, der Typ. Andererseits bin ich ihm äußerst dankbar, dass er so ein Pisser war, da ich sie nun mein Mädchen nennen kann. Das wäre nicht möglich, hätte er es nicht so dermaßen verkackt. Und das hat er. Im ganz großen Stil.
»Lieber frag ich einmal zu viel als einmal zu wenig nach.« Er lächelt mich entwaffnend an. »Du weißt ja, wie das bei C.J. war.«
O ja, das weiß ich noch ganz genau, ich werde es sicher auch nicht so schnell vergessen. Allerdings könnte ich es überhaupt nicht gebrauchen, wenn David seine Antennen in meine Richtung ausfährt. Das sollte er besser bleiben lassen. »Yep, ich kann mich erinnern. Bei euch ist auch alles gut?«, antworte ich deshalb mit einer Gegenfrage.
»Alles bestens. C.J. ist zwar stur wie ein Esel, deswegen bekommen wir uns, was die Finanzen angeht, ständig in die Wolle. Aber abgesehen davon ist alles perfekt.« David strahlt wie ein Honigkuchenpferd.
Freundschaftlich schlage ich ihm auf die Schultern. »Freut mich für dich, Bro!« Das tut es wirklich, die beiden passen zusammen wie Nadel und Faden. Zudem ruht David deutlich mehr in sich, seitdem er mit C.J. liiert ist. Sie scheint ihn zu erden.
»Hey, pass auf, ich habe wertvolle Kost in der Hand!«, erinnert er mich an Kaleas Kochkünste.
»Keine Sorge, diesmal habe ich vorher probiert. Es schmeckt echt lecker.«
Seit ihrem letzten Koch-Desaster im August ist David, was das angeht, vorsichtig. Das, was sie damals als Quiche Lorraine betitelt hat, hat auch wirklich übel geschmeckt. Ich muss C.J. und ihm zugutehalten, dass sie sich nichts haben anmerken lassen. Zumindest so lange nicht, bis Kalea selbst gesagt hat: »Boah, schmeckt das widerlich!«
Ich schätze, das macht gute Freundschaft aus. Dass man sich manchmal zurücknimmt, um die Gefühle des anderen nicht zu verletzen.
Und dass es sich bei C.J. und David um wahre Freunde handelt, habe ich noch keine Sekunde lang bezweifelt.
Kalea
»Rate mal, wer vorgestern ins Molly’s gestürmt ist?« C.J. beugt sich über den Tisch zu mir, während unsere Männer in der Küche rumoren.
Ich runzle die Stirn. Keine Ahnung? Der Kaiser von China?
»Dein Ex. Mike. Oberpisser-Mike«, klärt sie mich auf, nachdem sie meine ratlose Miene sieht.
Beinahe verschlucke ich mich an meinem Wein. »Ach was? Und?«, komme ich nicht umhin zu fragen. »Mit oder ohne seine Ersatzvagina?«
C.J. fängt schallend an zu lachen. »Immer noch eine äußerst treffende Beschreibung für diese blöde Kuh.«
Mike und ich waren ein gutes halbes Jahr zusammen, bevor ich eines Tages früher aus der Uni gekommen bin und ihn bis zu seinen Eiern in eben dieser Ersatzvagina vorgefunden habe … in seinem Bett, wohlgemerkt, in dem wir sonst immer …
»Aber um auf deine Frage zurückzukommen: Er war allein«, reißt C.J. mich aus meinen äußerst unangenehmen Gedanken. »Und er hat sich sehr interessiert nach dir erkundigt.«
»Spinnt der? Sein Interesse kommt circa eineinhalb Jahre zu spät!«
»Das habe ich ihm auch gesagt.« Sie lehnt sich in ihrem Stuhl zurück. »Er ist ziemlich spät dran, um etwas zu bereuen.«
»Oh, ich glaube nicht, dass er etwas bereut. Vermutlich hat er sich nur nach mir erkundigt, um zu hören, dass ich immer noch vor Herzschmerz zerfließe.« Ich ärgere mich rückwirkend maßlos, mich überhaupt auf ihn eingelassen zu haben. Denn er hat mich nicht nur beschissen, sondern auch auf andere Weise extrem verletzt.
Auf meine Frage, warum er nicht mit mir Schluss gemacht hat, anstatt fremdzugehen, hat er mir eine Antwort gegeben, die mir den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Nicht einmal C.J. weiß davon, so geschämt habe ich mich deswegen. Obwohl ich weiß, ich hätte es nicht tun sollen.
Inzwischen geht es mir damit um Welten besser. Auch weil Nick mich so fühlen lässt, wie Mike es nie getan hat: wertvoll.
Es hat lange gedauert, bis ich mit Nick so unbeschwert umgehen konnte, wie es meinem Charakter entspricht. Deswegen denke ich gar nicht gern an diesen Idioten zurück. Diesen egozentrischen, promiskuitiven Mistkerl!
»Dir kann’s doch egal sein. Ich habe ihm meine Meinung gegeigt und er hat sich mit eingezogenem Schwanz verpisst«, meint sie, als Nick und David mit der Mousse in den Händen zu uns an den Tisch treten.
»Wem hast du deine Meinung gegeigt? Ich hoffe, ohne Gebrauch von deiner Glock zu machen?«, will David neugierig wissen. Den zweiten Teil des Satzes meint er vermutlich nur teilweise im Scherz. Vor ungefähr einem Jahr hat C.J. nämlich sehr wohl Gebrauch von ihrer Schusswaffe gemacht, die sie von ihrer verstorbenen Mutter geschenkt bekommen hatte. Doch hätte sie es nicht getan, würde heute wohl keiner von uns vieren mehr leben.
»Ach, Kaleas Ex hat vorgestern im Molly’s vorbeigeschaut. Ist eigentlich nicht mal eine Erwähnung wert.« C.J. nimmt David den Nachtisch aus der Hand, während Nicks Augenbrauen nach oben hüpfen und er mich mit seinem Blick grillt.
»Da hast du absolut recht«, pflichte ich ihr rasch bei. Das Letzte, was ich möchte, ist, dass Nick denkt, dieser Trottel könnte ihm in irgendeiner Art und Weise das Wasser reichen. Nichts liegt weiter von der Realität entfernt.
»Mmh, Kalea, das ist ehrlich lecker!«, nuschelt David hinter seinem Löffel hervor und sieht mich erstaunt an.
Da ich ihm für den Themenwechsel äußerst dankbar bin, ignoriere ich netterweise seinen überraschten Gesichtsausdruck.
»Vielen Dank«, erwidere ich hoheitsvoll und schenke C.J. und mir Rotwein nach.
***
Nach einem mehr als bescheuerten Actionfilm, von dem ich direkt im Anschluss den Titel wieder vergessen habe, zeige ich C.J. das Gästezimmer im ersten Stock. Sie kennt das Haus nur vom Umzug, und da war alles noch dementsprechend chaotisch.
»Wow, das habt ihr super eingerichtet!«, staunt sie, als sie durch die Tür tritt. Ihren Weekender stellt sie neben das große Kingsize-Bett, das wiederum neben einer ausladenden Glasfront mit Balkontür steht. Der Regen hat sogar noch zugenommen und prasselt kräftig an das Fensterglas.
»Ich habe mein Bestes gegeben.« Auch ich finde, es ist mir ganz gut gelungen. Einrichten macht mir sehr viel Spaß. Nur das mit dem Dekorieren werde ich wohl nie lernen. Zumindest nicht, was die Feinheiten anbelangt. Na ja. Nobody’s perfect.
Das Bett ist aus dunklem Mahagoniholz mit schlanken Holzstreben am Kopfteil, die in einer runden Welle nach oben hin auslaufen. Überall liegen flauschige Kissen in einem dezenten Creme-Weiß und links und rechts stehen zwei schmale, alte Nachttischchen, die ebenfalls aus dunklem Holz gefertigt sind. Ich habe sie auf einem Flohmarkt erstanden, nebst den zwei kleinen Leuchten, die an alte Öllampen erinnern. Die Teppichläufer zu beiden Seiten vor dem Bett sind aus weißem Lammfell und einzig die zwei Kentia-Palmen, die jeweils am Kopfende in den Zimmerecken stehen, brechen mit der monochromen Farbkombination.
»Mir gefällt es richtig gut, K.! So herrlich oldschool. Genau die richtige Mischung aus Dunkel und Hell.« C.J. sieht begeistert aus, wie sie da so steht und ihren Blick durchs Zimmer schweifen lässt.
Ich freue mich riesig, dass es ihr so gut gefällt.
»Danke dir. Ach, und …« Ich grinse sie breit an, da ich mir diesen Kommentar nicht verkneifen kann. »David sollte keine Probleme haben, seinen Gürtel durch die Streben zu bekommen.« Mit meinem Zeigefinger deute ich auf das Kopfteil des Bettes.
»Das hast du nicht vergessen, oder?« C.J.s Wangen überziehen sich mit einer leichten Röte. Sie ist eher der zurückhaltende Typ, vor allem, wenn es in diese Richtung geht. Obwohl David dahingehend schon ziemlich gute Arbeit geleistet hat. Ganz aus ihrer Haut kann sie trotzdem nicht. Aber das ist vollkommen in Ordnung, ich würde sie kein bisschen anders haben wollen.
»Na hallo? So was vergesse ich doch nicht«, sage ich schmunzelnd, gebe ihr einen Klaps auf den Hintern und gehe an ihr vorbei ins angrenzende Badezimmer. »Frische Handtücher sind hier.« Ich deute auf das kleine Schränkchen neben der ausladenden Badewanne. »Ich glaube, dann müsstet ihr alles haben, was ihr braucht. Falls ich etwas vergessen habe, schrei einfach, okay?«
C.J. nickt kurz und gähnt dann diskret, während David mit seiner Tasche über der breiten Schulter im Türrahmen auftaucht.
»Da muss wohl jemand dringend ins Bett, hm?«, meint er lächelnd und lässt seinen Blick ebenfalls anerkennend durchs Zimmer schweifen. »Sieht cool aus.« Mit seinem Hintern zuerst plumpst er aufs Bett. »Fuck, ist das bequem, da komm ich heute nicht mehr hoch.« Er breitet die Arme in Richtung C.J. aus.
Ich zwinkere ihnen zu und drehe mich zur Tür um. »Ich geh dann mal. Viel Spaß und tut nichts, was ich nicht auch tun würde.«
»Wir doch nicht!«, ruft er mir nach.
»Sicher, Sonnyboy! Du bist so unschuldig wie Gargamel vor einem Haufen wehrloser Schlümpfe.«
Sein Lachen dröhnt mir hinterher. »Verdammt guter Vergleich, Lotusblume!«
»Schlaf schön, K.« C.J. erscheint noch einmal im Türrahmen, als ich bereits die Treppenstufen erreicht habe, und sieht mich glücklich an. »Ich freue mich so auf die Woche hier bei euch.«
»Und ich mich erst! Wir machen es uns so richtig gemütlich«, stimme ich ihr zu und schlendere nun endgültig nach unten, während mein Herz ganz leicht wird.
Ist das schön, C.J. wieder hier zu haben! Wenn auch nur für eine Woche. Wir werden sie in vollen Zügen genießen.
Nick
Kalea konnte ich nicht überzeugen, heute früh mit mir laufen zu gehen. Sie wollte lieber bei C.J. bleiben und gemütlich Kaffee trinken.
David musste noch ein dringendes Geschäftstelefonat erledigen, obwohl Samstag und er eigentlich im Urlaub ist. Doch er meinte, er beeile sich und komme nach. Nachdem wir beide vor längerer Zeit hier studiert haben, kennt auch er die Gegend wie seine Westentasche.
Die Sonne lässt sich immer noch nicht blicken, aber wenigstens hat es aufgehört zu regnen.
Meine schwarzen Nikes klatschen in gleichmäßigem Rhythmus auf den nassen Asphalt, während ich in einem entspannten Tempo unsere Straße in Richtung Universität entlangjogge. Das Blattwerk der Bäume hat sich kunterbunt verfärbt und leuchtet in sämtlichen Gelb- und Rottönen.
Ich laufe an etlichen Kindern mit kleinen Spielzeugeimerchen vorbei, die mit hochroten Wangen eifrig Kastanien sammeln. Freundlich nicke ich ihren Müttern, die sich an Coffee-to-go-Bechern die Hände wärmen, zu, die meisten kenne ich bereits vom Sehen.
In der Wohngegend hier in Kingston leben zu einem Großteil junge Familien, allerdings auch Studenten, da die Universität nur einige Gehminuten von hier entfernt liegt. Kein Vergleich also zu der Zeit, als ich jeden Morgen eineinhalb Stunden mit dem Auto von Boston aus hierher pendeln musste. Das hat mich am Ende mächtig angekotzt.
Als ich an Shady’s Diner vorbeilaufe, muss ich schmunzeln. Wir haben dort streckenweise so viel Zeit verbracht, dass man uns schon zum Inventar zählen konnte.
Mein Tempo beschleunigt sich, als ich auf dem Unigelände angekommen bin und meine Runden um den Quad drehe – eine riesige quadratische Rasenfläche in der Mitte des Campus. Hier herrscht im Moment aufgrund der Thanksgiving-Ferien kaum Betrieb. Die meisten Studenten sind nach Hause zu ihren Familien gefahren, um dort gemeinsam den Feiertag zu verbringen.
Mein Blick ist nach vorn gerichtet, daher sehe ich erst, dass ich nicht der einzige Läufer bin, als mich eine junge Frau ungefähr im Alter unserer Freundinnen überholt. Sie nickt mir lächelnd zu und sprintet mit hektisch wippendem Pferdeschwanz an mir vorbei.
Nachdem mir allmählich ziemlich warm wird, öffne ich im Laufen den Reißverschluss meiner Funktionsjacke, während ich weiterhin nach vorn blicke. Deshalb entgeht mir auch nicht, wie die Joggerin, die mich eben überholt hat, plötzlich umknickt und hart auf dem Boden aufschlägt.
Holy, das hat sicher wehgetan!
Rasch setze auch ich zu einem Sprint an und bin wenige Sekunden später bei ihr.
»Alles okay?« Während ich mich zu ihr hinunterbeuge, steigt mir der Geruch von Weichspüler und etwas Blumigem in die Nase.
»So ein Mist!«, flucht sie hinter zusammengepressten Zähnen und hält sich den rechten Knöchel. »Können Sie mir aufhelfen? Ich muss sehen, ob ich noch auftreten kann.«
»Natürlich. Setzen Sie sich auf die Bank dort, dann können wir uns den Knöchel ansehen. Ich bin Trainer und kenne mich mit solchen Verletzungen aus.« Ich biete ihr meine Hand an, die sie dankbar ergreift, und ziehe sie vorsichtig hoch, indem ich sie am Ellbogen stütze. Sie ist ziemlich klein, deswegen erinnert sie mich von ihrer Körpergröße her an Sam, eine gute Freundin von uns.
Als sie aufzutreten versucht, verzieht sie schmerzerfüllt das Gesicht und taumelt.
»Moment.« Hilfsbereit lege ich ihr meinen Arm um die Taille, stütze sie und führe sie so zu der kleinen Holzbank am Wegrand.
Dort angekommen, lässt sie sich mit einem hörbaren Ächzen fallen und zieht den Knöchel zu sich.
»Ich glaube, das wird nichts mehr mit dem Auftreten.« Mit ihren Händen reibt sie sich über das Gelenk, dabei fällt ihr der pechschwarze Pferdeschwanz ins Gesicht. Irgendetwas an ihr kommt mir vage bekannt vor. Ihrer Hautfarbe nach zu urteilen scheint sie mexikanischer oder puerto-ricanischer Abstammung zu sein. Eine große Narbe ziert ihre Wange, die sich leicht verzieht, als sie mich anlächelt. Da ich tagtäglich Hunderte von Studentinnen sehe, kann es durchaus sein, dass sie eine von ihnen ist.
»Soll ich mir das anschauen? Wie gesagt, ich bin Trainer«, biete ich ihr noch einmal höflich an. Mehr kann ich nicht tun.
»Das wäre nett, ja.« Sie streckt mir ihren Knöchel entgegen, den ich auf mein Knie lege. Eine Schwellung kann ich nicht entdecken, also ist es zumindest kein Bänderriss. Bei einem solchen schwillt das Gelenk rasend schnell an. Durch ihre Socke taste ich den Knochen ab und beobachte ihre Reaktion.
»Tut das weh?« Ich drehe behutsam ihren Knöchel.
»Nein, es geht. Nach Hause kommen werde ich schon irgendwie«, sagt sie und sieht mich auf einmal so seltsam an.
So … flirty?
Ich lasse ihren Fuß los und stehe von der Bank auf. Was soll das? Sollte das nur eine Anmache sein?
»Dann ist es ja gut. Ich werde mal weiterlau…« Weiter komme ich nicht, denn sie springt flink auf – viel zu flink dafür, dass sie eben noch schmerzhaft umgeknickt ist –, greift mit ihren Händen nach meinem Kragen, stellt sich auf die Zehenspitzen und presst ihre Lippen auf meinen Mund.
Mittendrauf.
Einfach so!
Und als wäre das nicht genug, spüre ich nun ihre Zunge, die in meinen Mund eindringen will.
Ist die bescheuert?
Hastig reiße ich meinen Kopf nach hinten und schiebe ihre Hände von meiner Jacke. »Was soll der Scheiß?«
»Nur ein kleines Dankeschön.« Sie zwinkert mir zu, dreht sich um und läuft davon. Ohne zu humpeln.
Ich starre ihr verdattert hinterher.
Zwar bin ich es gewohnt, angemacht zu werden, aber das eben war brutal unverschämt. Ganz abgesehen davon, dass ich kein Interesse mehr an anderen Frauen habe. Wieso sollte ich auch, wenn ich die beste zu Hause habe.
Kopfschüttelnd will ich meine Laufrunde fortsetzen, als plötzlich David hinter mir meinen Namen ruft.
David
Spinn ich, oder was?
Erst habe ich gedacht, ich habe ihn verwechselt und der Typ, der da mit einer Lady im Arm knutschend hinter einer Baumgruppe steht, ist gar nicht Nick. Nach ein paar weiteren Bäumen, die mir die Sicht auf die beiden kurzfristig versperrt haben, sehe ich, wie sie sich von ihm abwendet und weiterläuft. Jetzt besteht kein Zweifel mehr.
Es handelt sich definitiv um Nick. Leider.
Meine Fresse, wenn Kalea das spitzkriegt, ist Nick so was von tot!
»Nick! Warte!«, rufe ich ihm zu, als er sich umdreht, um weiterzulaufen. Der unbekannten Frau hinterher.
Was zur Hölle …?
Er stoppt und wartet, bis ich zu ihm aufgeschlossen habe.
Als ich auf gleicher Höhe bin, platzt es sofort aus mir heraus: »Was soll der Bullshit? Bist du verrückt geworden?«
Nick sieht mich so merkwürdig an. So … schockiert. Warum? Weil ich ihn erwischt habe, wie er fremdknutscht? Er hat doch gewusst, dass ich nachkommen würde, wir haben uns schließlich hier auf dem Quad verabredet. Wieso ist er dann so dämlich und macht mit einer Wildfremden herum?
»Was heißt da ich? Ich glaube eher, die ist verrückt!« Mit einer fahrigen Handbewegung deutet er auf die davonjoggende Frau hinter ihm. »Ich wollte ihr bloß helfen.«
Für wie blöd hält er mich eigentlich? »Und daraufhin hat sie sich dir an den Hals geworfen, als würdet ihr euch schon jahrelang kennen? Sie hat dich abgeknutscht wie eine Ziege einen Leckstein!«
»Hör mir doch mal zu!« Sein verzweifelter Ton lässt mich still werden.
Jetzt bin ich mal gespannt.
»Ich kenne diese Frau nicht! Sie hat mich beim Laufen überholt, ist umgeknickt, ich bin hin und habe ihr meine Hilfe angeboten.« Mein Gesichtsausdruck muss Bände sprechen, denn er redet sofort genervt weiter: »Ernsthaft, Mann! Ich habe mich mit ihr auf die Bank gesetzt, mir ihren Knöchel angesehen und festgestellt, dass er vollkommen in Ordnung war. Dann bin ich aufgestanden und wollte weiterlaufen, als sie mich plötzlich geküsst hat. Als Dankeschön, meinte sie.« Er schüttelt fassungslos den Kopf, und das recht überzeugend. »Die spinnt doch, oder?«
Meine Augenbrauen wandern nach oben. »Du willst mir also weismachen, dass sich dir eine wildfremde Frau einfach so an den Hals geworfen hat? Was hast du denn für ein Aftershave?«
»Wenn ich es dir doch sage, David! Warum sollte ich lügen?«
Liegt das nicht auf der Hand? »Erstens, weil ich dich beim Fremdknutschen erwischt habe, und zweitens, weil du es vertuschen willst.« Herausfordernd blicke ich ihm in die Augen.
Er hingegen starrt mich ungläubig an. »Sag mal, hast du sie noch alle?«
Okay, eventuell liege ich doch falsch.
»Traust du mir so etwas zu?«
»Kalea ist die erste Lady, die ich an deiner Seite sehe, seitdem ich dich kenne. Und gestern hast du den Spruch rausgehauen von wegen die erste Verliebtheit ist verflogen«, verteidige ich mich, bin mir jedoch mittlerweile ziemlich unsicher und versucht ihm zu glauben. Inzwischen sieht er mich nämlich extrem konsterniert an.
»Holy, David, ich habe dir schon gesagt, dass du das komplett falsch verstanden hast! Ich liebe Kalea! Wir sind zusammengezogen, falls dir das entgangen sein sollte. Warum sollte ich so etwas machen, wenn ich sie nicht lieben würde?« Unwirsch fährt er sich mit den Händen über den kurzen Afro. »Sie hat in Boston ihr komplettes Leben für mich aufgegeben, da betrüge ich sie doch nicht! Was denkst du denn von mir?«
Ganz ehrlich? Keinen Plan. Ich bin offensichtlich genauso baff wie er.
»Nur weil du mich noch nie mit einer festen Freundin gesehen hast, stellst du dir automatisch vor, ich könnte sie bescheißen, oder wie?«
»Das sage ich doch gar nicht. Ich sage nur, dass ich nicht weiß, wie du in Beziehungen so tickst«, versuche ich mich zu erklären. Ist so. Es kann ja sein, dass er das alles nicht so genau nimmt. Wobei ich mir das bei Nick nicht vorstellen kann. Aber nichts Genaues weiß man nicht.
Hinzu kommt, dass C.J. und ich die beiden seit dem Sommer nicht mehr gesehen haben. In ein paar Wochen kann viel passieren. Es könnte doch sein, dass ihre Beziehung inzwischen Risse aufweist? Was weiß ich.
»Ich würde Kalea nie betrügen, Dave.« Seine Augen blicken mich ernst und offen an und er schüttelt wieder erstaunt den Kopf, während er sich mit der Hand fahrig über den Nacken reibt. »So etwas ist mir noch nie passiert.«
Nick ist ein grundanständiger, ehrlicher Mensch, auch wenn er es damals auf dem College krachen ließ. Aber das haben wir alle getan. Daraus drehe ich ihm sicherlich keinen Strick.
»Das ist echt abgefahren.« Fröstelnd reibe ich mir über den Arm. Langsam wird es empfindlich frisch. »Komm schon, wir holen uns sonst noch den Tod, so durchgeschwitzt, wie wir sind.«