Fuck Innocence (Fuck-Perfection-Reihe 3) - M. J. River - E-Book
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Fuck Innocence (Fuck-Perfection-Reihe 3) E-Book

M. J. River

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Beschreibung

**Jeder verdient es, geliebt zu werden** C.J. und ihre Freundin Kalea sind Medizinstudentinnen an der Universität Boston, die sich gemeinsam eine Wohnung teilen. Doch C.J. hat ein Geheimnis, das nicht nur für sie verhängnisvoll sein könnte, weshalb sie keinen weiteren Menschen in ihr Leben lassen will. Erst als sie auf den attraktiven und witzigen David trifft, gerät ihre Devise ins Wanken. Denn David ist hartnäckig und weiß genau, was er will: nämlich C.J. Aber er hat keine Ahnung, in welche Gefahr er sich damit begibt ... Ein mitreißender New-Adult-Roman voller Herzklopfmomente, aber auch über Schuld, tiefe Trauer und dass es sich manchmal eben doch lohnt zu vertrauen. Leser*innenstimmen zu »Fuck Perfection«: »Ich bin fasziniert, begeistert, nein geradezu geflasht! Ich habe gelacht, ich hatte Schnappatmung und ich war entsetzt.« »G I G A N T I S C H« »Emotional, spannend, ehrlich. Ein MUSS und Geheimtipp für jeden New Adult Fan.« //Dies ist der dritte Band der Fuck Perfection-Reihe von M.J. River. Alle Bände der aufeinander aufbauenden Reihe bei Impress:  -- Fuck Perfection (Band 1)  -- Fuck Beauty (Band 2)  -- Fuck Innocence (Band 3)  -- Fuck Shame (Band 4) -- Sammelband der Fuck Perfection-Reihe Diese Reihe ist abgeschlossen.//

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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Impress

Die Macht der Gefühle

Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.

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M. J. River

Fuck Innocence (Fuck-Perfection-Reihe 3)

**Jeder verdient es, geliebt zu werden**C.J. und ihre Freundin Kalea sind Medizinstudentinnen an der Universität Boston, die sich gemeinsam eine Wohnung teilen. Doch C.J. hat ein Geheimnis, das nicht nur für sie verhängnisvoll sein könnte, weshalb sie keinen weiteren Menschen in ihr Leben lassen will. Erst als sie auf den attraktiven und witzigen David trifft, gerät ihre Devise ins Wanken. Denn David ist hartnäckig und weiß genau, was er will: nämlich C.J. Aber er hat keine Ahnung, in welche Gefahr er sich damit begibt …

Wohin soll es gehen?

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Vita

Danksagung

© privat

M. J. River ist studierte Übersetzerin und Dolmetscherin. Sie lebt mit ihrem Mann und den zwei Söhnen in München, wo sie seit ihrer Elternzeit freiberuflich als Nachhilfelehrerin für Erwachsene und Jugendliche arbeitet. Ihr Schreibstil ist locker, frech und zynisch – genauso wie sie selbst. Und auf eben diese Art widmet sie sich in ihren Romanen mit einer gewissen Leichtigkeit den schwierigen Themen, ohne deren Ernsthaftigkeit zu verharmlosen.

Für meine vier Musketiere Klarissa, Sissy, Isi und Marina

Vorbemerkung für die Leser*innen

Liebe*r Leser*in,

dieser Roman enthält potenziell triggernde Inhalte. Aus diesem Grund befindet sich hier eine Triggerwarnung. Am Romanende findest du eine Themenübersicht, die Spoiler enthält.

Entscheide bitte für dich selbst, ob du diese Warnung liest. Gehe während des Lesens achtsam mit dir um. Falls du auf Probleme stößt und/oder betroffen bist, bleibe damit nicht allein. Wende dich an deine Familie und an Freunde oder suche dir professionelle Hilfe.

Wir wünschen dir alles Gute und das bestmögliche Erlebnis beim Lesen dieser besonderen Geschichte.

M. J. River und das Impress-Team

Prolog

Das gibt es doch nicht! Ich kann nicht fassen, dass ausgerechnet ich auf diese beiden Arschlöcher treffe. Das ist ein Scherz, oder?

Blut tropft auf meinen sündhaft teuren Kaschmirmantel, bevor ich es mir von der Oberlippe wischen kann.

Wutentbrannt drücke ich das Gaspedal meines Lamborghinis durch und hantiere an der Freisprechanlage herum.

»Wir haben ein Problem«, brülle ich zornig, sobald ich ein kaum wahrnehmbares Klicken am anderen Ende der Leitung höre. Leise Atemgeräusche dringen an mein Ohr, sonst nichts. »Ihr werdet es für mich lösen, klar? Schlimm genug, dass ihr bei dieser Schlampe schon so versagt habt!«

Das war definitiv das letzte Mal, dass diese Wichsfressen mir die Tour vermasselt haben, dafür werde ich sorgen!

Und es wird mir das größte Vergnügen sein …

1

C.J.

Die Kaffeemaschine blubbert und zischt vor sich hin, während ich gedankenverloren durch die große Glasfront von Molly’s Café starre.

Boston zeigt sich heute mal wieder von seiner besten Seite: Es stürmt, kleine Schneeflöckchen wirbeln durch die eiskalte Luft und dort draußen herrscht ein einziges weiß-graues Chaos. Extrem einladend also.

Meine Hand umklammert das Milchkännchen, mit der anderen wische ich mir müde über die Stirn.

Als ich von hinten den dröhnenden Bass meines Chefs höre, seufze ich tief.

»C.J.? Nicht einschlafen, Liebes! Tisch sieben!«, ruft Nate mir nicht unfreundlich durch die Küchendurchreiche zu und hantiert dabei weiterhin lautstark mit seinen Pfannen und Töpfen.

Der hat gut reden. »Ja, ja, der Cappuccino ist gleich fertig.« Meine Stimme wird beinahe von den Geräuschen der Kaffeemaschine verschluckt.

»Komm schon, das muss schneller gehen«, drängelt er weiter.

Er ist ein netter Chef und außerdem ein guter Freund, aber manchmal geht er mir auf die Nerven. Vor allem dann, wenn ich weiß, dass er recht hat.

Ich lasse den Milchschaum in die Tasse gleiten und stelle sie auf einen passenden Unterteller. Anschließend drehe ich mich zur Durchreiche um und greife nach den Pancakes, die Nate mir zuschiebt.

»Du siehst heute grausig aus, Liebes. Nachts sollte man schlafen, das weißt du, oder?« Besorgt mustert er mich mit seinen hellbraunen Augen.

Ach was? Da wäre ich im Leben nicht draufgekommen. »Yep. Aber danke für den Tipp. Und fürs Kompliment sowieso.« Ich stelle die Bestellung auf ein Tablett.

»Nimm mir das bitte nicht übel, aber du musst dich besser konzentrieren und schneller sein. Ich weiß, dass du es momentan schwer hast.« Seine alte schwielige Hand legt sich sanft auf meinen Unterarm.

Fast muss ich lachen, denn ganz ehrlich? Er hat keine Ahnung.

»Doch du musst dich am Riemen reißen. Ich muss sonst zusätzlich jemanden einstellen und das kann ich mir nicht leisten. Feuern will ich dich aber auch nicht. Okay?« Die Runzeln auf seiner Stirn bohren sich noch ein wenig tiefer in seine wettergegerbte Haut. Er nimmt die Hand weg und rückt das Haarnetz auf seinem Kopf zurecht.

Der Schreck schießt mir einmal quer durch die Blutbahn.

O Gott, bloß das nicht! Das Letzte, was ich gebrauchen kann, ist, diesen Job zu verlieren.

»Ich werde mich in Zukunft zusammenreißen, versprochen! Tut mir wirklich leid, Nate«, erwidere ich daher hastig, mache mich zügig auf den Weg zu Tisch sieben und stelle Cappuccino und Pancakes vor der Kundin ab.

»Wurde auch Zeit«, grummelt die ältere Dame, die ich volle fünfzehn Minuten habe warten lassen.

»Tut mir leid.« Ich wische mir die Hände an der rot-weiß karierten Schürze ab und erkundige mich höflich: »Kann ich noch etwas für Sie tun?«

Sie sieht mich abwertend an und schüttelt genervt den Kopf.

Also drehe ich mich um und stapfe hinter die Theke zurück, jedoch nicht, ohne meiner besten Freundin einen Blick zuzuwerfen.

Kalea dreht ihre kastanienbraunen Augen so weit nach hinten, dass man nur noch das Weiß darin erkennen kann, und schneidet eine derart dämliche Grimasse in Richtung der älteren Kundin, dass ich schmunzeln muss. Ihre Gesichtsakrobatik ist immer wieder beeindruckend und hat mich schon so oft kurzzeitig aus meinem Tief gerissen, dass ich aufgehört habe zu zählen.

Im Laufen straffe ich die Schultern und zurre meinen hochgesteckten Pferdeschwanz fest, aus dem sich immer wieder widerspenstige rote Locken lösen.

Als ich die Theke erreicht habe, bimmelt das Glöckchen über der Tür und kündigt den nächsten Gast an. Aus den Augenwinkeln kann ich einen großen, breitschultrigen Mann in einem dicken Daunenanorak ausmachen, der die Kapuze seines Hoodies tief in die Stirn gezogen hat. Allein aufgrund seiner Statur brauche ich mich gar nicht ganz zu ihm umzudrehen, um zu wissen, wer da gerade mit ein paar Schneeflöckchen zur Tür hineinstürmt.

Ich blicke zu Kalea, die sich in ihrer Nische an der Fensterfront plötzlich kerzengerade aufgesetzt hat.

Eine leichte Röte krabbelt ihre olivefarbenen Wangen empor und sie hebt schüchtern die Hand. Das sieht so befremdlich aus, dass ich mir ein Grinsen verkneifen muss. Schüchtern ist eigentlich das letzte Wort, das mir zu Kalea einfällt. Diese Frau ist so temperamentvoll wie ein Knallfrosch mit einer Chilischote im Hintern, was an ihren hawaiianischen Genen liegen könnte.

Der Neuankömmling dreht seinen Kopf in ihre Richtung und läuft mit langen Schritten und einem breiten Lächeln auf sie zu. Dann wischt er sich die Kapuze vom kurzen Afro, beugt sich zu ihr hinunter und gibt ihr einen Kuss auf die Wange.

Vor einer Woche sind sich die beiden hier zufällig über den Weg gelaufen, als er das Café zum ersten Mal betreten hat. Exakt seit diesem Tag darf ich mir anhören, wie scharf doch dieser Typ ist, ob er wohl zur locker ausgemachten Verabredung heute Nachmittag kommen wird, was Kalea denn anziehen soll und so weiter und so fort. Deswegen habe ich mir zwangsläufig seinen Namen gemerkt. Das will etwas heißen, da ich aufgrund meines akuten Schlafmangels froh bin, überhaupt geradeaus schauen zu können.

Fix greife ich nach einer Speisekarte und mache mich auf den Weg zu ihrem Tisch. »Hey, Nick«, begrüße ich ihn höflich, während er seine beeindruckende Statur Kalea gegenüber auf die Bank schiebt.

»Hi, C.J. Alles klar bei dir?« Er sieht mich aus freundlichen, beinahe schwarzen Knopfaugen an. In seinen tellergroßen Händen liegen noch seine Handschuhe, die er eben ausgezogen hat, und auf seinen pechschwarzen Wimpern schmelzen die letzten Schneeflocken, die einen krassen Kontrast zu seiner Haut bilden.

»Kann nicht klagen«, antworte ich automatisch auf die rhetorische Frage. Schön wär’s … »Weißt du schon, was du willst, oder möchtest du noch mal in die Karte schauen?«

Während ich ihm die Karte unter die Nase schiebe, linse ich zu Kalea, die Nick verstohlen betrachtet. Sie sieht aus wie eine Fünfjährige vor einem riesengroßen Zuckerlutscher. Ihre eigens auferlegte Singlephase, die sie nach ihrem bescheuerten Ex-Freund eingeschoben hat, ist wohl definitiv vorbei.

»Ich nehme einen Kaffee und das Cheese Sandwich«, sagt Nick, ohne in die Karte zu blicken, als plötzlich ein lautes »Klatsch« an der Glasfront ertönt und ein zermatschter Schneeball im Schneckentempo die Fensterscheibe hinunterrutscht.

Unsere Köpfe rucken alle drei gleichzeitig ein Stück nach oben und wir starren durch die Scheibe.

Dort draußen steht ein Yeti – zumindest sieht er wie einer aus –, der die Hand zum Gruß erhoben hat. Der Schneesturm hat noch zugenommen und obwohl es schon recht dämmrig ist, kann ich ein Grinsen auf seinem Gesicht erkennen, was einmal vom linken bis zum rechten Ohr reicht. Seine breiten Schultern sind über und über mit Schnee bedeckt, die Farbe seiner Mütze ist kaum noch zu erkennen und den schmalen Trolley neben ihm hätte ich beinahe übersehen.

Nick steht ruckartig auf und lacht.

»Ja, leck mich doch am …!« Er bedeutet dem Yeti mit einer Handbewegung hereinzukommen. Der lässt sich das nicht zweimal sagen.

Das Glöckchen über der Tür bimmelt abermals kräftig, als der Schneemensch sie aufreißt und selbstsicher in das kleine Café stapft. Keine Ahnung, woher die beiden sich kennen, doch sie scheinen dem Club der großen, breitschultrigen Männer entsprungen zu sein – und anscheinend auch dem der gut aussehenden.

Ich schiele nach oben, als besagter Yeti sich die Mütze vom Kopf reißt, kurze, zerzauste strohblonde Haare zum Vorschein kommen und er Nick fast schon zubrüllt: »Verdammt, Bro, das ist viel zu lange her!«

Den Trolley stellt er achtlos neben die Nische, pellt sich aus dem Mantel und wirft das patschnasse Ding über die Rückenlehne. Anschließend lässt er sich tief schnaufend neben Kalea auf die Bank fallen, die ihn konsterniert von der Seite anstarrt. Ich kann ihr ansehen, wie sehr es sie nervt, dass er in ihr Date platzt.

Unauffällig betrachte ich den Eindringling genauer.

Seine große Hand liegt locker auf der Tischplatte und ist von Adern durchzogen, die unter einem gestärkten weißen Anzughemd, das eng an einem austrainierten Oberkörper anliegt, verschwinden. Sportler, würde ich schätzen. Ein gepflegter Dreitagebart ziert sein Kinn, seine Nase ist ein kleines bisschen krumm, schätzungsweise war sie mal gebrochen. Das tut jedoch seiner Attraktivität keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil, es lässt ihn noch männlicher wirken. Sein Gesichtsausdruck ist offen, freundlich und irgendwie … frech? Ja, das trifft es wohl am ehesten.

Eigentlich merkwürdig. Aufgrund seiner augenscheinlichen Attraktivität möchte man meinen, er würde die typische Arroganz ausstrahlen, die damit meist einhergeht. Zumindest kenne ich es nicht anders. Dass dies nicht der Fall ist, wirft mich kurzfristig aus der Bahn.

Sein Blick huscht zwischen Kalea und Nick hin und her, dann dämmert es ihm. »Fuck, stör ich?«, schießt es leicht erschrocken aus ihm heraus.

Das bringt ihm weitere Sympathiepunkte bei mir ein. Nicht jeder Typ ist so aufmerksam und schnallt so etwas gleich.

»Ach, Bullshit! Wir haben uns seit Monaten nicht mehr gesehen! Ich wusste nicht, dass du schon wieder da bist«, kommt es von Nick zurück.

Damit sammelt der wiederum Minuspunkte.

Während sich die Männer abklatschen, sieht Kalea mich leicht verzweifelt und mit hochgezogenen Augenbrauen an. Ernsthaft? Das sollte ein Date sein!

Ich kann nur mit den Schultern zucken, bevor der Yeti sich an mich wendet und mit tiefer Stimme wissen will: »Kannst du mir ‘ne Coke bringen, Babe?«

Babe? Echt jetzt?

Diese Aussage wiederum passt zu so einem Typen wie ihm wie die Faust aufs Gretchen.

Meine vorherige Irritation nebst seinen bei mir gesammelten Sympathiepunkten lösen sich unmittelbar in Luft auf.

Mit einer erhobenen Augenbraue und meinem hoffentlich hochnäsigsten Gesichtsausdruck, den ich auf die Schnelle aus meinem Repertoire hervorkramen kann, blicke ich auf ihn hinunter.

»Klar doch, Kleiner! Sonst noch was?«

Zum ersten Mal sieht er mich direkt an. Als sich seine Mundwinkel zu einem verschmitzten Grinsen nach oben ziehen, umspielen winzige Lachfältchen seine Augen. Das Stahlgrau darin ist gemischt mit Eisblau. Diese Farben symbolisieren eigentlich Kälte, doch das Einzige, was ich darin erkennen kann, ist Wärme.

Jetzt bin ich komplett verwirrt.

2

David

Ich brauche eine volle Minute, um zu kapieren, warum mich die Augen der Kellnerin so aus der Fassung bringen: Sie sind verschiedenfarbig. Das eine ist grün, das andere braun.

Das gibt es nicht besonders oft und das weiß ich nicht nur, weil ich damals auf dem College in Rhode Island Biologie belegt, sondern weil ich noch nie in verschiedenfarbige Augen geblickt habe.

Sie sind von dichten dunklen Wimpern umrahmt und unter ihnen liegen leichte Schatten. Ich tippe auf zu wenig Schlaf, was mich nicht weiter verwundert. Sie ist schätzungsweise Anfang zwanzig und was ich mit Anfang zwanzig alles an Partys und durchfeierten Nächten auf dem College mitgenommen habe, ist schwer zu toppen.

Sommersprossen bedecken ihre kleine Nase und ihre dezent rosa geschminkten Lippen sehen weich und einladend aus.

Nervös zupft sie an ihrem Pferdeschwanz herum, das Haarband hat seine liebe Not, ihre roten Locken zu bändigen. »Hat es dir die Sprache verschlagen?«

Frech ist sie auch noch. Das kann ja noch ein lustiger Nachmittag werden.

Entspannt lehne ich mich zurück und fahre mit meiner Musterung fort. Natürlich ist mir klar, dass das extrem unhöflich ist, doch ich muss sie einfach ärgern, ich weiß auch nicht, wieso.

Mein Blick wandert von ihrem hübschen Gesicht, das selbst für diese Jahreszeit ein wenig zu blass ist, über ihren schlanken Hals nach unten. Über dem hochgekrempelten weißen Hemd, das in einer ausgewaschenen Skinny-Jeans steckt, trägt sie eine Schürze, hinter der sich ihre Brüste leicht abzeichnen. Ich schätze, sie füllen ein B-Cup. Was soll ich sagen? Ich bin eben ein ungebundener Typ mit jahrelangem Training. Deswegen entgeht mir auch nicht, dass sie unter meinem Blick immer unruhiger wird.

»Dave, hör auf, so scheiße zu sein.« Nick tritt mir unter dem Tisch mit seinem Fuß ans Schienbein. Er weiß genau, was ich hier abziehe, da er mich schon seit unserem ersten Collegejahr kennt, was bereits über fünf Jahre her ist.

»Was muss ich machen, damit du mir die Coke bringst?« Ich grinse die Kleine vor mir an. Sie ist einfach zu niedlich, um sie nicht auf die Palme zu bringen.

Ich kassiere ein Augenrollen von ihr, bevor sie auf dem Absatz kehrtmacht und in Richtung Theke davonmarschiert.

»Du bist manchmal echt bescheuert, das weißt du, oder?« Nick schüttelt leicht angesäuert den Kopf.

Yep. Weiß ich. Und es macht Spaß!

Um den Bogen allerdings nicht zu überspannen, reiße ich mich zusammen und drehe mich zu dem Mädchen links von mir. Sie sieht mich ziemlich angepisst aus großen dunklen Augen an. Dass ich hier gerade ein Date gecrasht habe, ist mir inzwischen vollkommen klar.

»Sorry, ich habe mich noch nicht vorgestellt. Ich bin David«, beeile ich mich zu sagen, da ich meinem Kumpel die Tour nicht vermasseln will.

Sie ergreift meine Hand, die ich ihr hinhalte, und drückt sie kurz, aber fest.

»Kalea«, erwidert sie knapp und wirft mit ihrer anderen Hand ihre dicken schwarzen Strähnen nach hinten. »Und das Babe da«, sie nickt in Richtung Theke, hinter der die süße Kellnerin steht, »ist meine Freundin C.J., also sei gefälligst nett zu ihr, Sonnyboy.«

Ups. Und sie hat Pfeffer im Arsch! Sonnyboy? Mein amüsierter Blick geht zu Nick, der Kalea entschuldigend ansieht.

»Tut mir leid, aber David und ich sind alte Collegefreunde. Wir haben uns seit ein paar Monaten nicht mehr gesehen und, wie gesagt, manchmal ist er einfach ein Idiot.«

Um die Wogen zu glätten, mische ich mich ein. »Das stimmt.« Kurz zwinkere ich Kalea zu, die nicht mehr ganz so böse aussieht. »Abgesehen davon ist der Sonnyboy gleich wieder weg, weil er nach Hause und seine Sachen auspacken muss.«

Sie lacht kurz auf und ich hoffe, sie findet mich nicht mehr ganz so scheiße.

»Bist du gerade erst angekommen?«, will Nick wissen.

»Yep, und froh darüber, dass es vorbei ist.« Er weiß, was damit gemeint ist, da wir, auch wenn wir uns seit einiger Zeit nicht mehr gesehen haben, weiterhin Kontakt gehalten haben.

»Das glaub ich dir.« Mitfühlend sieht er mich an.

Bevor das hier jedoch in eine Gefühlsduselei unter Kumpels ausarten kann, steht die niedliche Kellnerin namens C.J. wieder neben mir und knallt mir die Coke mit voller Wucht vor die Nase, dass es nur so spritzt.

»Sorry, ist mir aus der Hand gerutscht«, meint sie frech und es ist offensichtlich, dass es ihr so gar nicht leidtut.

Ist okay, ich hab’s verdient.

Den Kaffee, den sie in der anderen Hand trägt, stellt sie vor Nick ab, und zwar wesentlich umsichtiger als meine Coke.

»Ich bin David. Und du C.J., richtig?« Auf ihren Spruch gehe ich nicht weiter ein. »Kalea hat es mir verraten.«

Nachdem die zwei Ladys befreundet sind und ich eigentlich vorhabe, mich in Zukunft wieder öfter mit Nick zu treffen, sollte ich mich vermutlich auch mit C.J. gut stellen. Sicher ist sicher. Außerdem ist sie ehrlich niedlich. »Tut mir leid, ich bin ab und zu einfach …«

»… bekloppt«, unterbricht mich Nick und beendet meinen Satz auf seine Weise. »Denk dir nichts, C.J.«

Sie blickt stirnrunzelnd auf mich hinunter. »Hab ich schon gemerkt.«

Versöhnlich strecke ich auch ihr meine Hand entgegen. »Frieden?«

Sie schlägt ein. Ihre Fingernägel sind kurz, fast ein bisschen zu kurz, und ihre Hand, deren Haut sich warm und weich anfühlt, versinkt in meiner. Ihre Augen mustern mich spöttisch, aber auch neugierig. Diesmal mache ich es nicht mit Absicht, dass ich meinen Blick nicht von ihr lösen kann. Irgendetwas rumpelt in meinem Bauch. Bevor ich sie gar nicht mehr loslassen kann, gebe ich ihre Hand frei.

»Dein Cheese Sandwich kommt gleich«, informiert sie Nick und wendet sich wieder ab, um sich um die anderen Gäste zu kümmern.

Mein Blick fällt auf ihren knackigen, runden Po, der in den Jeans zum Anbeißen aussieht.

Ich glaube, ich finde sie wirklich niedlich. Also wirklich ernsthaft niedlich.

Ich wende mich wieder Kalea zu und deute auf Nick. »Wie lange kennt ihr zwei euch schon?«

Kalea wird auf einmal richtig verlegen. »Seit … äh … einer Woche?« Ihr Blick huscht zu Nick.

»Genauer gesagt sind wir uns letzte Woche hier zufällig über den Weg gelaufen und da haben wir uns spontan für heute verabredet«, präzisiert er.

Ich stutze. Ich bin ins erste Date geplatzt?! Das hätte er mir ja mal früher zu verstehen geben können. Dann beeile ich mich lieber.

Zügig greife ich nach meinem Glas und stürze die halbe Coke hinunter. Danach werfe ich einen Blick auf meine Uhr und runzle gespielt erstaunt die Stirn.

»Ich muss los.« In meiner Hosentasche krame ich nach meinem Geldbeutel und werfe einen Zehndollarschein auf den Tisch. »Wir schreiben uns, Bro. War nett dich kennengelernt zu haben, Kalea.« Rasch stehe ich auf und schmunzle, als ich mir ein »Euch zwei noch viel Spaß!« nicht verkneifen kann.

Nick lacht brummig auf, während Kaleas Wangen einen leichten Rotstich bekommen.

Meinen Mantel ziehe ich wieder über, genauso wie die Mütze, und schnappe mir den Griff des Trolleys.

Bevor ich mich zur Theke umdrehen kann, um C.J. zum Abschied zuzunicken, sehe ich aus den Augenwinkeln, wie sie schnell in eine andere Richtung blickt. Aber eben nicht schnell genug.

Anscheinend finde nicht nur ich sie scharf.

3

C.J.

»O Gott, er ist so toll!«, ruft Kalea mir entgegen, als ich gerade die Tür zu unserer kleinen Zweizimmerwohnung in Fenway aufschließe.

Sie liegt ein paar Minuten vom Campus entfernt. Nur aufgrund der Tatsache, dass Kaleas Eltern den Hauptanteil der Miete stemmen – Gott sei Dank! – können wir sie uns leisten. Das war die Belohnung für ihre Tochter, dass sie, wie ich auch, eines der Stipendien der Universität Boston ergattern konnte. Dafür haben wir uns beide auch ernsthaft den Hintern aufgerissen. Es ist ein Wunder, dass ich das geschafft habe … mit allem, was ich damals noch zu stemmen hatte.

Bevor ich meine Tasche auf die kleine Couch im Wohnzimmer werfen kann, springt sie mir schon nur in Slip und T-Shirt bekleidet entgegen. Ihre langen, leicht welligen dunkelbraunen Haare sind noch nass von der Dusche und ihr Gesicht strahlt wie eine Sternschnuppe am pechschwarzen Nachthimmel. Die Umarmung ist so stürmisch, dass sie mich dabei fast umreißt, auch wenn wir beide etwa gleich groß sind. Wobei man bei eins fünfundsechzig nicht unbedingt von groß sprechen kann.

»Woaw, K., beruhig dich!« Ich muss trotz meiner nicht enden wollenden Müdigkeit und des stressigen Arbeitstages lachen.

Sie hüpft aufgeregt vor mir auf und ab, ihre Wangen sind erhitzt, während ihre Augen Funken sprühen wie Wunderkerzen auf einem Geburtstagskuchen.

»Dann war euer erstes Date also ein voller Erfolg?«, schlussfolgere ich und schaffe es endlich, aus meinem Mantel zu schlüpfen.

Meine schweren Winterboots streife ich im Flur ab und versuche mich an Kalea vorbei in die Küche zu drängen, was nicht so einfach ist, da sie wie ein Gummiball auf Speed von den Wänden abzuprallen scheint.

Himmel, sie ist gerade überall! Ich sag’s ja: temperamentvoll ohne Ende.

»Und wie!« Mit einem Plumps lässt sie sich auf die Couch fallen.

Nick und sie haben im Café spontan beschlossen noch ins Kino zu gehen. Das hat anscheinend eingeschlagen wie eine Bombe.

Aus der kleinen Anlage im Wohnzimmer dudeln die Red Hot Chili Peppers vor sich hin und Kaleas schlanke Beine baumeln jetzt über der Lehne.

Wieder einmal fällt mir auf, wie hübsch sie geworden ist, was sie sicherlich auch dem ganzen Sport, den sie treibt, zu verdanken hat. Aber nicht nur. Sie hat sich seit der Pubertät von einem pummeligen Mädchen mit Pickelchen im Gesicht zu einem Männermagneten gemausert. Zwar stehen ihre Ohren nach wie vor ein wenig ab, doch da sie die mittlerweile meist hinter ihrer langen, glänzenden Mähne verbirgt, sieht man sie ohnehin nie. Obwohl sie es nicht nötig hätte. Hinzu kommt, dass Mutter Natur sie für ihre harten Teenie-Jahre belohnt hat: Die Pickelchen sind verschwunden und die C-Cup-Brüste gekommen.

Abgesehen davon ist sie von Grund auf mit einer gesunden Portion Selbstbewusstsein gesegnet.

Bei mir sieht das Ganze leider anders aus.

Obgleich ich vor meiner Teenager-Zeit nie Probleme mit meinem Körper hatte, hat sich das während dieser Phase schlagartig geändert. Das lag vor allem an den äußerst charmanten Mitschülerinnen, die keinen noch so winzigen körperlichen Makel unkommentiert ließen.

Nicht zu vergessen Dylan, mein Highschool-Schwarm im Abschlussjahr. Der einzige Typ, mit dem ich jemals etwas am Laufen hatte. Das hat sich allerdings ziemlich schnell erledigt, nachdem seine Hand auf dem Rücksitz seines Chevys unter mein T-Shirt gewandert war und er enttäuscht meinte: »Scheiße, da sind ja Tennisbälle größer!«

Danke, Dylan.

Mistkerl.

Mistkerl-Dylan.

»Erst hat er sich noch mal dafür entschuldigt, dass dieser David in unser Date geplatzt ist«, reißt Kalea mich aus meinen Gedanken. »Wobei er dafür ja nichts konnte.« Sie legt ihre Stirn in Falten und spielt an ihren Ringen herum. An jedem Finger trägt sie einen, also wirklich an jedem. Das ist ein kleiner Spleen von ihr. Die einen sammeln Schuhe, Kalea eben Ringe. Mich würden sie nerven, ich trage keinen Schmuck und bin eher praktisch veranlagt.

»Ich fand es trotzdem süß. Es zeigt, dass er Interesse an mir hat.«

Bevor ich etwas darauf erwidern kann, plappert sie weiter.

Ich angle mir eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank.

»Er ist vier Jahre älter als wir und Coach an der Universität in Rhode Island. Football-Coach. Anscheinend noch nicht der Head Coach, aber der Defense Coach der Rhodies. Er hat wohl selbst mal in dem Team gespielt, ziemlich gut sogar, und einer seiner besten Freunde ist Connor Jackson, ein Runningback der Pats. Der Connor Jackson!« Ehrfürchtig sieht sie mich an, doch ich zucke nur mit den Schultern und lasse das Wasser meine Kehle hinuntergluckern. Diese Welt ist mir so fremd wie ein Pott voll Gold am Ende des Regenbogens.

»Schön für ihn«, murmle ich, nachdem ich die Flasche abgesetzt habe.

»Komm schon, C.J.! Ich weiß, dass dir so was egal ist, ist es mir ja eigentlich auch, aber das ist trotzdem beeindruckend.«

Die New England Patriots, kurz Pats genannt, sind ein Footballteam der NFL und werden hier in Neuengland geradezu vergöttert. Deshalb wundert es mich nicht, dass Kalea derart ausrastet.

Mich haut es allerdings nicht wirklich um. Ich mache mir weder etwas aus Football noch aus den Spielern.

»Aber abgesehen davon …« Kalea kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. »Er kann küssen, C.J.!« Sie verdreht die Augen wieder so herrlich nach hinten und hält sich danach ihre Mähne vors Gesicht. »Ich will nicht wissen, wie er dann erst im Bett ist.«

Ich muss wieder lachen. »Dich hat es voll erwischt, oder?« Auf dem Weg in mein Zimmer boxe ich ihr leicht auf den Oberschenkel.

»Total!«, stöhnt sie weiter und lässt ihre Haare los.

»Wie war das mit ›Ich habe von Männern die Schnauze gestrichen voll‹?«, kann ich mir nicht verkneifen zu fragen.

Ihr letzter Freund war ein richtiger Mistkerl, der sie von vorn bis hinten betrogen hat. Das hat ihr erst einmal gereicht. Warum und wieso jemand auf den hirnrissigen Gedanken kommt, eine Frau wie Kalea zu betrügen, ist mir schleierhaft.

»Ich weiß. Aber was soll ich machen? Und er riecht auch noch so gut!«

Die rosaroten Herzchen springen ihr beinahe aus den Augen, als ich mich auf der Schwelle zu ihr umdrehe.

»Ich bin so was von geliefert, C.J.!«

»Ist doch okay. Er ist sicher nicht so ein Schwein wie Mike.« Wegen dieses Idioten hat sie lange genug gelitten.

»Schon. Aber ich hätte im Leben nicht damit gerechnet, dass bei mir auf einmal so der Blitz einschlägt.« Nachdenklich runzelt sie die Stirn, bevor sie aufspringt und mir in mein Zimmer folgt.

Ich laufe weiter ins angrenzende Bad – jede von uns hat ihr eigenes neben ihrem Zimmer – und lehne die Tür an, während ich zügig aus meinen Klamotten schlüpfe und in die kleine Dusche steige.

»Sag mal …«, fragt sie mich schelmisch durch den schmalen Spalt. »David hast du dir ganz genau angeschaut, oder?«

Nein, hab ich nicht. Nicht so richtig.

Na ja, vielleicht ein wenig.

Ich verschwende eigentlich an niemanden einen Gedanken, bei dem von vornherein klar ist, dass ich ihm, zumindest äußerlich, nicht das Wasser reichen kann. Da wäre ich völlig masochistisch veranlagt. Und dieser Typ spielt in einer anderen Liga als ich.

Außerdem habe ich für so etwas weder die Zeit noch den Kopf. »Nicht bewusst, nein.«

»Ach, komm schon! Ich hab doch deinen Blick gesehen. Und immer verstohlen weggeschaut hast du, als er zu dir hinübergesehen hat. Ich kann es dir nicht verübeln, er sieht heiß aus. Wie ein richtiger Sonnyboy.«

Mist, war mein Verhalten so auffällig? Und ja, Sonnyboy trifft es recht gut.

»Abgesehen davon hat er dir auf den Hintern gestarrt«, schiebt sie hinterher.

Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. »Wahrscheinlich hatte ich einen Fleck auf der Jeans«, mutmaße ich daher und stelle die Dusche an.

Kalea stört das nicht die Bohne, sie reguliert lediglich die Lautstärke ihrer Stimme nach oben. »Rede nicht ständig so einen Blödsinn!«

Da ich jedoch keine Lust habe, mich mit ihr nach diesem Tag auch noch über meine Komplexe zu unterhalten, drehe ich die Dusche bis zum Anschlag auf, schließe die Augen und lasse das warme Wasser auf meinen Rücken prasseln.

Ein freches, verschmitztes Grinsen hinter einem gepflegten Dreitagebart schiebt sich ungefragt vor meine innere Linse und ganz tief in meinem Inneren – vergraben unter einem Haufen Unsicherheit, Trauer, Verzweiflung und Schuldgefühlen – beginnt etwas zu ruckeln und zu zuckeln.

Himmel! Das hat mir gerade noch gefehlt …

4

David

»So eine verdammte …«, fluche ich leise vor mich hin, während ich mich durch sämtliche Unterlagen wühle, die mir ein Studienkollege dankenswerterweise ausgeliehen hat.

Ich war zwar lediglich für zwei Wochen bei meiner Familie in New York, das reicht jedoch aus, um in diesem ganzen Wirtschafts-Irrsinn verloren zu gehen. Nun muss ich das Zeug eben nachholen. Im Sommer nächsten Jahres habe ich dann hoffentlich den Master in Betriebswirtschaft und kann einen Haken hinter dieses dämliche Gebüffel setzen. Das liegt mir nicht.

Ich bin eher der sportliche Typ. Wenn ich auf dem College gedraftet worden wäre, wäre es auch definitiv dabei geblieben. Bin ich aber nicht, also habe ich mich für einen Masterstudiengang an der Uni in Boston entschieden.

Der Pluspunkt an der ganzen Sache ist, dass ich deswegen beinahe täglich alte Collegefreunde aus meiner Zeit in Rhode Island auf dem weitläufigen Campus treffe, mit denen ich so einiges durchgemacht habe.

Insbesondere mit Sam und Junie. Diese beiden Ladys ziehen Katastrophen an wie ein Kühlschrank einen Magneten. Wenn ich an die ganze Scheiße zurückdenke, die sie erlebt haben, muss ich immer noch den Kopf schütteln. Das war streckenweise der reinste Albtraum, vor allem der letzte gemeinsame Sommerurlaub vor eineinhalb Jahren auf Cape Cod.

Auch Danny, mein guter Kumpel und Sams Freund, studiert an der Uni hier in Boston.

Connor, der ebenfalls zu unserer Clique gehört, ein Runningback der Pats und mittlerweile mit Junie verheiratet ist – wir werden ernsthaft erwachsen –, ist momentan beinahe ständig in Foxborough beim Training. Ihn sehe ich deshalb leider kaum noch.

Nick ist inzwischen Defense Coach bei den Rhodies, allerdings erst seit diesem Semester. Das Angebot kam ziemlich überraschend. Da auch er hier an der Uni einen Masterstudiengang belegt hat und wie wir alle im Studentenviertel Fenway lebt, muss er nun täglich eineinhalb Stunden nach Rhode Island pendeln. Sobald er die Zeit dazu hat, wird er sicherlich dorthin zurückziehen, das wäre nur logisch. Dass er ernste Absichten hat, Head Coach zu werden, ist so kristallklar wie Eiswasser.

Seit letztem Sommer habe ich mich nicht mehr mit ihm getroffen, da ich entweder meine Nase in die Bücher stecken oder bei meiner Familie in New York aushelfen musste. Er hingegen war permanent unterwegs und das wird sich vorerst auch nicht ändern.

Tief seufzend klappe ich meinen Laptop auf und logge mich auf der Webpage der Uni ein. Eigentlich will ich gar nicht so genau wissen, welche Prüfungen wann auf mich zukommen, aber es hilft ja nichts.

Mein Smartphone, das neben mir auf dem Küchentisch liegt, fängt auf der Tischplatte an zu summen. Eine mehr als willkommene Abwechslung. Ich greife danach und klicke auf die eben eingegangene Nachricht von Nick.

Bock auf ein Bier heute Abend? 20 Uhr im O´Reillys?

Liebend gern. Sofort. Auf der Stelle! Aber eigentlich …

Ein weiterer tiefer Seufzer verlässt meine Lunge.

Bock schon, aber mit der Zeit sieht’s schlecht aus.

So einfach gibt Nick nicht auf.

Komm schon! Lernen kannst du danach immer noch. EIN Bier, okay?

Ach Mann, was soll’s? Ich habe für heute eh schon genug gepaukt, finde ich. Außerdem habe ich mir ohnehin vorgenommen wieder mehr mit ihm zu unternehmen. Freundschaften wollen schließlich gepflegt werden.

Hast recht. Bin da.

Eine Stunde bleibt mir noch. Die nutze ich aus und springe unter die Dusche.

***

Der Schneesturm, der gestern durch Bostons Häuserschluchten gewütet hat, hat mittlerweile nachgelassen. Auf den Straßen finden sich nur noch schmutzige graue Überreste seines kurzen Intermezzos. Es ist noch nicht kalt genug, dass der Schnee lange liegen bleiben würde.

Nass ist es dafür umso mehr, deswegen bin ich vorsorglich in meine schwarzen Lederstiefel geschlüpft. Den Schal ziehe ich mir bis unter die Nase, meine Hände stopfe ich tief in die Manteltaschen. Keine Ahnung, wo ich gestern Abend die Handschuhe hingeschmissen habe, sie sind im allgemeinen Chaos meiner Wohnung untergegangen.

Mit gesenktem Kopf stapfe ich den Bürgersteig an diversen Cafés entlang, als ich plötzlich an die kleine, niedliche Kellnerin C.J. denken muss.

Das O’Reillys liegt lediglich zwei Querstraßen von Molly’s Café entfernt. Bevor ich weiter darüber nachdenken kann, machen meine Füße einen nicht weiter nennenswerten Umweg.

Zehn Minuten später erreiche ich das kleine Café.

Keinen blassen Schimmer, warum ich das jetzt mache. Ich komme mir vor wie ein notgeiler Spanner, wie ich da so stehe und durch die Glasfront gaffe. Da ich mich an der Seite außerhalb des Lichtscheins, der durch die Scheibe auf den Bürgersteig fällt, positioniert habe und es stockdunkel ist, kann mich niemand von innen sehen.

C.J. steht vornübergebeugt an einem der Tische und wischt ihn gerade sauber. Ihre wilde Mähne sitzt heute zu einem unordentlichen Knoten aufgetürmt auf ihrem Kopf. Ein paar widerspenstige Locken haben sich selbstständig gemacht und fallen ihr ins Gesicht. Immer wieder schiebt sie sich ungeduldig die Strähnen hinter die Ohren. Danach richtet sie sich auf, fährt sich mit der Hand über ihr hübsches sommersprossiges Gesicht und blickt mit müden Augen nach draußen.

Direkt an mir vorbei.

Mir stockt kurz der Atem, da ich nun doch Bedenken habe, sie könnte mich hier draußen ausmachen. Das wäre mehr als peinlich.

Ich will mich schon von ihr abwenden, als ihr Gesichtsausdruck mich beinahe aus den Lederstiefeln katapultiert. Er ist dermaßen traurig und verzweifelt, dass ich schlucken muss.

Erst als sie sich abrupt umdreht und sich mit dem Putzlappen über den nächsten Tisch hermacht, erwache ich aus meiner Starre.

Während ich mich wieder in Bewegung setzen und endgültig auf den Weg ins O’Reillys machen kann, grüble ich darüber nach, was wohl der Grund für ihre Traurigkeit sein könnte.

***

»Kalea also, hm?«, frotzle ich, als wir uns mit den Pints zuprosten.

Aus den Lautsprecherboxen des Irish Pubs schallen Mumford & Sons, es ist proppenvoll, und wir konnten gerade noch die letzten beiden Barhocker an der Theke ergattern.

Nick nimmt einen tiefen Schluck und grinst breit. »Könnte man sagen.«

Ich runzle die Stirn. Seitdem ich ihn kenne, ist er als Single unterwegs. Und ich mehr oder minder ebenfalls, wenn man von den drei Freundinnen, die ich jeweils für ein paar Wochen hatte, absieht. Das hat mir nie etwas ausgemacht und auf dem College sowieso nicht.

Diese Zeit war ziemlich wild, was sicherlich auch der Tatsache geschuldet war, dass wir wie Danny und Connor auch im Footballteam der Rhodies waren. Keiner von uns vieren musste sich jemals anstrengen Ladys abzugreifen, und jeder von uns hat es ordentlich krachen lassen, Danny und Connor ebenso.

Zumindest so lange, bis Sam und Junie auf der Bildfläche aufgeploppt sind. Die zwei sind allerdings auch eine Klasse für sich. Ich bin fast ein wenig neidisch, dass die beiden solche Hammerfrauen abbekommen haben.

Andererseits, wir sind fünfundzwanzig, also bloß keinen Stress.

Was mich jedoch allmählich nervt, ist die Oberflächlichkeit, die automatisch mit One-Night-Stands einhergeht. An das letzte Mädchen, das kein bedeutungsloser Fick war, kann ich mich kaum noch erinnern, so lange ist es her. Es ödet mich mittlerweile ziemlich an. Ich sagte ja, wir werden langsam erwachsen.

»Und?«, bohre ich nach.

Nick muss man immer alles aus der Nase ziehen. Er ist eher der stille, in sich gekehrte Typ. Auf den ersten Blick mag man es nicht vermuten; er ist ein wahrer Hüne von einem Mann, der richtig viel Stress machen könnte. Doch nichts trifft weniger auf ihn zu.

»Keine Ahnung, Bro, gestern war unser erstes Date. Aber das zweite folgt morgen Abend und ich freue mich darauf. Sehr.« Sein Grinsen wird immer breiter. »Sie ist süß. Und clever. Und witzig. Ich habe mich schlapp gelacht mit ihr. Na, mal sehen …«, winkt er ab und wird auf einmal ernst. »Wie war’s in New York? Habt ihr die Beerdigung gut überstanden?«

Nun bin ich es, der einen tiefen Schluck von seinem Pint nimmt. »Beerdigungen sind immer der Horror, da war die von meinem Großvater keine Ausnahme. Meine Mutter stand die ganze Zeit unter Beruhigungsmitteln und meine kleine Schwester hat sich die Augen aus dem Kopf geheult. Ist also richtig gut gelaufen.«

Die letzten zwei Wochen waren hart. Mein Großvater war über Jahre hinweg schwer demenzkrank und obgleich der Tod sich bereits Monate zuvor angekündigt hat, ist es etwas völlig anderes, wenn er dann tatsächlich zuschlägt. Darauf kann man sich nicht vorbereiten. Nie.

Abgesehen davon ist diese Art zu sterben eine der Unwürdigsten und Grausamsten, die es gibt. Noch einmal den Verfall eines geliebten Menschen mitansehen zu müssen, würde ich nicht überleben.

»Ich bin froh, dass es vorbei ist.« Ich stelle mein Bier mit einem vernehmlichen Knall auf dem Tisch ab.

Darüber reden will ich nicht. Mit meiner Familie habe ich bereits genug darüber gesprochen, das reicht mir. Deswegen geht mir Nicks besorgter Blick ziemlich auf die Eier. Nicht umsonst hat er bei uns in der Clique den Spitznamen Papa Bär weg. Unter anderem genau deswegen.

»Noch mal zu den Ladys von gestern«, wechsle ich deshalb das Thema.

Nick verdreht lachend die Augen und reibt sich mit der Hand über den Nacken.

»Was ist mit dieser C.J.? Der niedlichen Kellnerin?«

Seine Augenbrauen hüpfen in die Höhe.

»Was soll mit ihr sein?«

»Weißt du irgendwas über sie?«

»Nein, kaum etwas. Nur, dass Kalea und sie auch hier studieren und sich eine kleine Wohnung teilen. Ebenfalls in Fenway. Warum fragst du? Sag bloß, sie hat’s dir angetan?« Er sieht mich neugierig an.

»Süß ist sie schon, oder?« Ich halte seinem Blick stand.

»Aha.« Die weißen Zähne blitzen aus seinem braunen Gesicht, als er wieder breit grinst.

»Was?«, sage ich lachend und boxe ihm leicht gegen die Schulter, bevor ich wieder ernst werde. »Ich habe sie heute auf dem Weg hierher im Café gesehen. Durch die Glasscheibe. Sie sah ziemlich fertig aus.«

Sein Grinsen verschwindet allmählich und macht einem Stirnrunzeln Platz. »Ich weiß nur, dass Kalea und sie zusammenwohnen und sich schon recht lange kennen. Zehn Jahre oder so. Aber das war’s auch schon.«

Das ist in der Tat nicht besonders informativ.

Nachdenklich fahre ich mir durch die kurzen Haare und frage mich, wieso mich das so interessiert. Warum meint mein Herz, ein paar Takte zulegen zu müssen, wenn ich an sie, ein mir völlig fremdes Mädchen, denke?

5

Kalea

»Das sieht irgendwie blöd aus.« Ich zupfe an meinem Ausschnitt herum.

»Spinnst du?«, ruft C.J. aus der offenen Küche und wirft mir einen beruhigenden Blick zu. »Du siehst fantastisch aus! Wie immer.«

Ich weiß ja nicht … aber ich kann es eh nicht mehr ändern. Nick wird in genau zehn Minuten vor unserer Wohnungstür stehen und ich muss mir noch die Haare föhnen. So sehr ich meine Haarlänge liebe, im Winter nervt sie furchtbar, da die Stunden, die ich mit Föhnen verbringe, direkt von meiner Lebenszeit abgehen.

Wir haben Dienstagabend und ich stehe kurz vor meinem zweiten Date mit einem Typen, der cooler nicht sein könnte. Und süßer. Und heißer.

Beim Kuss im Kino musste ich mich extrem zusammenreißen, um nicht direkt auf seine muskulösen Oberschenkel zu klettern. Aber das ist noch nicht einmal das Schärfste an ihm, sondern, dass er sich selbst nicht zu ernst nimmt und null eingebildet ist. Obwohl er es sich durchaus leisten könnte: Defense Coach bei den Rhodies, extrem gut aussehend, clever, lustig und dieser Kuss! Ich glaube, ich wurde noch nie so geküsst! Keine Ahnung, wie er das gemacht hat, was er da gemacht hat. Ich habe etliche Vergleiche, aber so was habe ich noch nicht erlebt.

Das kann doch nur schiefgehen.

Pessimistisch bin ich zwar nicht veranlagt, im Gegenteil: Ich bin eher Optimistin, aber eben eine mit Erfahrung. Dieser dämliche Mike hat mir die Männerwelt gehörig verleidet. Dachte ich.

Und dann latscht Nick vor einer Woche ins Café.

Ob das mal gut geht? Mein Herz hat sich eben erst einigermaßen zusammengeflickt und ich habe wenig Lust, dass es mir gleich wieder auseinandergerissen wird. Darauf habe ich eigentlich nie mehr wieder Lust, wenn man es genau nimmt. Doch wer hat das schon?

Ich werfe einen letzten kritischen Blick in den mannshohen Badezimmerspiegel an der Tür: blickdichte schwarze Wollstrumpfhosen – draußen ist es saukalt –, Jeansrock und roter Kaschmirpulli mit Rundausschnitt.

»Hör auf so nervös zu sein, du siehst toll aus! Nicht zu sexy, nicht zu spießig.« C.J. steht auf einmal in meiner Zimmertür. »Außerdem steht er doch ohnehin längst auf dich, sonst gäbe es kein zweites Date.« Sie zwinkert mir aus ihrem braunen Auge aufmunternd zu und gibt mir einen Klaps auf den Hintern.

Sie hat ja recht. Weiß ich auch. Trotzdem.

Mike hat viel kaputt gemacht in mir, mehr als C.J. weiß. Es gibt Dinge, die man nicht aussprechen kann. Oder will. Trotzdem gären sie immer noch in mir und im Moment fühle ich mich so unsicher, als wäre dies mein erstes Date überhaupt. Das nervt mich immens.

C.J. dreht sich um, stiefelt Richtung Wohnzimmer und schnappt sich ihren Wintermantel aus der Garderobe.

»Wieder Dienst im Shamrock?«, rufe ich ihr nach.

Sie arbeitet viel zu viel. An den Nachmittagen in Molly’s Café und an den meisten Abenden bis teilweise spät in die Nacht im Shamrock, einem Irish Pub in unserer Nähe.