Führen mit Herz - Peter Becker - E-Book

Führen mit Herz E-Book

Peter Becker

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Beschreibung

Führung ist wie niemals zuvor inhaltlich anspruchsvoller, zeitlich aufwendiger, zunehmend herausfordernder und insgesamt wichtiger geworden. Entdecken Sie, wie Sie als vielseitige Führungspersönlichkeit mit Würde, Werten und Vertrauen in der digitalen Arbeitswelt 4.0 erfolgreich führen können - durch ein passendes Mindset, ein erweitertes Verständnis über die Ziele und Motive von Führung und die richtigen kommunikativen Kompetenzen. Lernen Sie zunächst, Führung im Kontext sozialer Systeme zu verstehen. Hier geht es um Führungsverständnis, neurobiologische Erkenntnisse und Kernfähigkeiten. Im Anschluss geht es um konkrete Anleitungen, zu einer Führungskraft „mit Herz“ zu werden. Den Lesern des Buches stehen Arbeitshilfen zum Buch zum Download zur Verfügung.

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Peter Becker

Führen mit Herz

Wie Sie als vielseitige Führungspersönlichkeit mit Würde, Werten und Vertrauen erfolgreich in einer digitalen Arbeitswelt 4.0 führen können

© 2021 managerSeminare Verlags GmbH

2. Aufl. 2022

Endenicher Str. 41, D-53115 Bonn

Tel: 0228-977910, Fax: 0228-9779199

[email protected]

www.managerseminare.de/shop

Der Verlag hat sich bemüht, die Copyright-Inhaber aller verwendeten Zitate, Texte, Abbildungen und Illustrationen zu ermitteln. Sollten wir jemanden übersehen haben, so bitten wir den Copyright-Inhaber, sich mit uns in Verbindung zu setzen.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und der Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten.

ISBN: 978-3-98856-263-0

Herausgeber der Edition managerSeminare:

Ralf Muskatewitz, Jürgen Graf, Nicole Bußmann

Lektorat: Vera Sleeking

Coverfoto: Depositphotos/alphaspirit, Grafik: Stefanie Diers, Sonja Buske

Illustrationen: Stefanie Diers

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt

LEGO®, DUPLO® und LEGO® Serious Play sind eingetragene Marken der LEGO Gruppe ©2020. Dieses Buch ist nicht von der LEGO Gruppe autorisiert, gesponsort oder genehmigt. LEGO®, DUPLO®, das LEGO® und DUPLO® Logo, die Konfigurationen des Steines, der Noppen und die Minifigur® sind Marken der LEGO Gruppe ©2020. Das Buch nutzt die LEGO® Serious Play® Markenrichtlinie zum Zeitpunkt der Originalausgabe. https://www.serious.global/LEGO-SERIOUS-PLAY-Trademark-Guidelines-2017.pdfDieses Buch nutzt den LEGO® Serious Play®-Open-Source-Guide und baut darauf auf. Er wurde von der LEGO Gruppe unter einer Creative-Common-Lizenz veröffentlicht („Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen“, vgl. www.creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/)

Ihre Download-RessourcenBegleitend zum Buch stehen Ihnen Arbeitshilfen für die persönliche Verwendung zum Download im Internet zur Verfügung. Sie können die Vorlagen jederzeit in hoher Qualität abrufen und einsetzen.www.managerseminare.de/tmdl/b,279869

„Leadership is not magnetic personality – that can just as well be a glib tongue. It is not ‚making friends and influencing people’ – that is flattery. Leadership is lifting a person’s vision to high sights, the raising of a person’s performance to a higher standard, the building of a personality beyond it’s normal limitations.“

– Peter F. Drucker, Ökonom

„Wir müssen wissen, wer wir selbst sind, bevor wir uns um andere kümmern.“

– Robert Waldo Emerson (Philosoph)

Bei Leadership geht es um Intelligenz, Glaubwürdigkeit, Menschlichkeit, Mut und Disziplin. Sich allein auf Intelligenz zu verlassen, führt zur Aufsässigkeit. Nur Menschlichkeit zu üben, macht schwach. Wer nur Zahlen glaubt, ist ein Narr. Abhängig zu sein von der Stärke des Mutes, ruft Gewalt hervor. Übertriebene Disziplin und Strenge bei Anweisungen führen zu Härte. Wenn jemand über alle fünf Tugenden verfügt und jede in seiner Aufgabe angemessenen Art einsetzen kann, dieser eine kann ein Leader werden.

–In Anlehnung an Sun Tzu, ca. 544–496 v.Chr., bekannt durch sein Buch „Die Kunst des Krieges“

Inhalt

Einleitung

Darum geht’s

Inhalte und Kapitel dieses Buches

1 Der Paradigmenwechsel: Die Rolle von Führungskräften

1.1Warum wir über Führungskräfte neu denken müssen

1.2Die VUCA-Welt

1.3Ein erweitertes Verständnis von Rolle und Führungsstil

1.4Innere Krisen – vermeiden oder gestalten?

1.5Worauf es unter diesen Rahmenbedingungen ankommt

2Das Wesen des Menschen verstehen

2.1Das holistische Menschenbild als Grundlage für Entfaltung

2.2Modelle zum Verständnis der menschlichen Natur

3Was VUCA und holistisches Menschenbild für Führung bedeuten

3.1Der Einfluss neurobiologischer Vorgänge auf Führungsverhalten

3.2Was von innen heraus stark macht

3.3Führung im Kontext systemischer Interaktion

3.4Kommunikation

3.5Die Rolle von Emotionen

3.6Vertrauen– die wichtigste Ressource

4Wer bin ich?

4.1Die praktischen Methoden zum Selbst-Kennenlernen

4.2„Ich bin ein Boot“

4.3Ich baue mein Boot: Zugang zu mir selbst über kreative Techniken

4.4Zugang zu mir selbst über das „Leadership 4.0“-Profil

5Wer sind wir?

5.1Als Team auf dem Weg zu einem gemeinsamen Ziel

5.2Teambuilding mit der Bootsgeschichte

5.3Teambuilding mit der LEGO® SERIOUS PLAY® Methode

5.4Transfer in den Alltag – der persönliche Entwicklungsplan

5.5Fazit – Werde, wer Du bist, und dann mach Dich auf den Weg!

Literatur- und Stichwortverzeichnis

Einleitung

Mindmap

Darum geht’s

Ob Sie nun Gruppen-, Team- oder Projektleiter sind*, ob Sie als Vorstand oder Geschäftsführer unternehmerische Verantwortung tragen oder ob Sie irgendeine andere Leitungsfunktion haben oder für Menschen verantwortlich sind – dieses Buch habe ich für Sie geschrieben. Für jede Person, die in irgendeiner Weise die Aufgabe und Verantwortung hat, andere Menschen zu begleiten.

Weil unsere Welt zunehmend volatiler, unsicherer, mehrdeutiger und komplexer wird, suchen viele Menschen nach Halt und Orientierung. Unsere ganze Gesellschaft ist mitten in einer Umbruchphase. Alte, Sicherheit gebende Ordnungen in Politik und Wirtschaft bis hin zu den Familien funktionieren nicht mehr. Um dennoch darin navigieren zu können, wählen die Menschen Wege zur Komplexitätsreduktion – auch solche, die quälend sind und langfristig nicht tragfähig. Sie entscheiden sich etwa für einen mit einfachen Rezepten werbenden Anführer, neue Organisationsformen und Arbeitsmittel oder für die krank machende Verdrängung oder Ablenkung. Das sind keine Lösungen! Viele Anbieter von Trainings und Seminaren, viele Fachbücher und Publikationen versuchen bis heute, anderen zu erklären, wie ihre Probleme gelöst würden. Aber ich erlebe es fast täglich in meinen Kontakten zu Führungskräften und meinen Kunden – es nützt nichts.

Führung ist wie niemals zuvor inhaltlich anspruchsvoller, zeitlich aufwendiger, zunehmend herausfordernder und insgesamt wichtiger geworden. Dennoch wird, was über viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte praktiziert wurde, nicht in Frage gestellt oder es wird nicht dazugelernt. Stattdessen versuchen erfahrene Führungskräfte, mit neuen Methoden (Scrum, Design Thinking usw.) und neuen Organisationsformen (Agile Organisationsentwicklung, Holocracy usw.) Führung nach alten Mustern zu praktizieren und scheitern immer wieder. So wichtig und hilfreich diese neuen Ansätze auch sein mögen, sie allein reichen nicht aus. Zusätzlich wird deutlich, dass Führung für die jüngere Generation immer weniger attraktiv wird. Sie nimmt den Preis wahr, den viele, vor allem ältere Manager, dafür zahlen: Hohe zeitliche Belastungen (24/7), Vernachlässigung von Ehepartnern, Kindern und Freunden und am Ende Verlust der körperlichen, seelischen und geistigen Gesundheit. All das wird geopfert auf dem Altar der Karriere. (Vgl. Artikel der FAZ: „Fast niemand will mehr Manager werden“ vom September 2019.)

Wie sieht vor dem Hintergrund dieser Beobachtung Führung in der Arbeitswelt 4.0 nun konkret aus? Ist Führung also ein Auslaufmodell? Brauchen Menschen in Zukunft noch Führungskräfte und wenn ja, welche? Dieses Buch liefert Antworten auf diese Fragen. Dabei wird deutlich, worauf es bei dem laufenden Paradigmenwechsel im Bereich Führung ankommt:

ein neues Menschenbild,

eigenverantwortliche Persönlichkeitsentwicklung und

ein erweitertes Verständnis über die Ziele und Motive von Führung.

Im Zentrum meiner Ausführungen steht der Mensch. Denn das zentrale Ziel von Führung muss sein, die in jedes menschliche Leben hineingegebene schöpferische Kraft und Würde zur Entfaltung zu bringen. Den Mut aufzubringen und innere Ressourcen und Kräfte freizusetzen, erfordert ein Gegenüber, dem an dem Wohlergehen und der Entwicklung des anderen gelegen ist. Werden die jedem Menschen innewohnenden irrsinnig hohen Potenziale freigesetzt und zum Wohl der eigenen, aber auch zur Entwicklung des Umfelds investiert, kann damit – trotz Umbruchphase – wieder ein stabiler Ordnungszustand erreicht werden. Führungskräfte können für ihre Mitarbeiter zu diesem Gegenüber werden – zu einer „Führungspersönlichkeit mit Herz“.

Um zur Führungspersönlichkeit mit Herz zu werden, braucht es die Entwicklung eines „inneren Kompasses“ – wie es der Neurobiologe Gerald Hüther nennt. Der Kompass wirkt aus dem Inneren heraus kräftiger und verhaltensbestimmender als alle von außen als vermeintlich attraktiv oder scheinbar notwendig propagierten Lösungen. Diesen inneren Kompass zu entwickeln, bedeutet, Verantwortung zu übernehmen und Wege zu gehen, die ich in diesem Buch vorstellen werde. Dementsprechend geht es in diesem Buch zunächst darum, den Menschen in seiner Ganzheitlichkeit zu sehen und Führung im Kontext sozialer Systeme zu verstehen. Im Anschluss lernen Sie Methoden und Werkzeuge kennen, die Ihnen auf der Abenteuerreise der ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung hilfreich sind und Ihnen den Zugang zu sich selbst eröffnen.

Mein Wunsch und meine Hoffnung sind, dass dieses Buch in Ihnen die Sehnsucht weckt, sich auf den Entwicklungsprozess Ihrer Persönlichkeit einzulassen. Werden Sie Teil einer mittlerweile täglich wachsenden Gruppe von Führungskräften, die sich von unserer Vision „Deutschland zur weltweit führenden Nation im Umgang mit Menschen zu machen“ haben begeistern lassen.

Inhalte und Kapitel dieses Buches

In den ersten drei Kapiteln dieses Buches geht es darum, Führung im Kontext sozialer Systeme zu modellieren. Durch Kombination von unterschiedlichen Erfahrungen und Erkenntnissen aus der Individualpsychologie, Neurobiologie, Kybernetik, Systemtheorie und Automatisierungstechnik werden die wesentlichen Aufgaben und Lösungsansätze, um sich zu einer Führungspersönlichkeit mit Herz zu entwickeln, vorgestellt und besprochen.

Kapitel 1 setzt sich mit der Frage auseinander, welche neuen Rollen und Fertigkeiten Führungskräfte für die Arbeitswelt 4.0 entwickeln müssen.

Kapitel 2 beschäftigt sich näher mit dem Menschen und seinem Wesen. Ich stelle Ihnen dazu unter anderem fünf verschiedene psychologische Modelle vor, die sich in der Praxis bewährt haben. Anhand der Modelle kann der Mensch erkennen, wer er wirklich ist – seine Stärken, Ressourcen und Entwicklungspotenziale, aber auch seine Blockaden und Grenzen

Kapitel 3 fokussiert auf das „System Führungskraft“ und auf das „System Führung“. Es nimmt den Lösungsansatz aus dem zweiten Kapitel auf und überträgt ihn auf die Faktoren „Werte“, „Vertrauen“ sowie auf die Kernfähigkeit einer Führungspersönlichkeit mit Herz – die wertschätzende Kommunikation.

In den letzten beiden Kapiteln dieses Buches finden Sie konkrete Wegbeschreibungen, um sich selbst und ihr Team besser kennenzulernen, um die Grundlage dafür zu schaffen, als „Führungspersönlichkeit mit Herz“ zu leiten. Dieser Teil soll Ihnen helfen, den durch die ersten Kapitel hoffentlich geweckten Mut und die Neugier gleich in die Praxis umzusetzen. Sie werden hier keine Tipps und Anregungen finden, die Sie einfach nur übernehmen müssen. Stattdessen führe ich Sie in Methoden und Werkzeuge ein, die Ihnen auf der Abenteuerreise der ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung hilfreich sind und Ihnen den Zugang zu sich selbst eröffnen.

In Kapitel 4 stelle ich die Frage: Wer bin ich? Ich möchte Sie damit dabei unterstützen, einen neuen Zugang zu sich selbst herzustellen. Denn die klassische Frage „Was sind Ihre Stärken und Schwächen?“ bringt nur das ans Licht, was Sie und andere bereits wissen. Vertiefte Erkenntnisse lassen sich über die projektiven Verfahren erschließen, die Ihnen in diesem Kapitel vorgestellt werden.

In Kapitel 5 verlasse ich die Betrachtung der Einzelpersönlichkeit und zeige Ihnen, wie wertvoll die Anwendung der Methoden aus den vorherigen Kapiteln für die Teamentwicklung ist. Es ist verblüffend, wie sich Teams neu entdecken, Verständnis für ihre Probleme entwickeln und Lösungswege beschreiten, die nicht einmal im Ansatz vorher zu erkennen waren.

Im Anhang des Buches gibt es eine Liste mit vertiefender Literatur sowie ein Stichwortverzeichnis zum schnellen Nachschlagen.

Zu diesem Buch gibt es außerdem Material zum Herunterladen. Die Download-Ressourcen sind im Buch durch das nebenstehende Symbol gekennzeichnet. Sie können darauf zugreifen, indem Sie den in der inneren Umschlagklappe dieses Buches stehenden Link in die Browser-Zeile eingeben.

In Ergänzung zu diesem Buch gibt es den „shipLeader“, ein Podcast für Führungskräfte, in dem ich mit meinem Beraterkollegen Aleko Vangelis Themen, Gedanken und Impulse für die Entwicklung von Führungskräften zu Führungspersönlichkeiten mit Herz bespreche. Der Podcast hat insgesamt drei Formate:

„Espresso“ – immer mittwochs 10 – 15 Min.

„Latte Macchiato“ – monatlich sonntags 45 – 55 Min.

„Latte Macchiato mit Schuss“ – unregelmäßig sonntags 45 – 55 Min. mit Gästen

Zur praktischen Vertiefung der im Buch vorgestellten Modelle, Methoden und Übungen bieten wir in der „führen mit Herz“-Academy unterschiedliche Trainingsmodule, Lerngruppen und Einzel-/Team-Coachings an. Den Link finden Sie auf der vorderen Umschlagklappe unter der Kontaktlinks.

* Aus Gründen der Lesbarkeit wurde in diesem Buch das generische Maskulinum verwendet, gemeint sind selbstverständlich alle Geschlechter.

1Der Paradigmenwechsel: Die Rolle von Führungskräften

Dass wir ein verändertes Führungsverständnis brauchen, wird von Führungskräften, Wissenschaftlern und Unternehmern kaum mehr bezweifelt. Wir leben in einer Zeit, in der der Wert und die Notwendigkeit von Führung in Frage gestellt wird. Und in der Tat, Führungskräfte der Art, wie wir sie heute kennen, sind ein Phänomen der Moderne. Mit der Weiterentwicklung der Menschheit und der Entwicklung immer neuer Innovationen (Dampfmaschine, Elektrotechnik usw.) mussten die Menschen sich immer neue Formen des Zusammenlebens und der Organisation des Lebens suchen. So entstanden unterschiedliche gesellschaftliche und politische Systeme. Mit jeder neuen Entwicklung in Technik und Gesellschaft stieg die Komplexität. Durch immer tiefer gestaffelte Organisationsformen und einer Erhöhung der Anzahl von Führungspositionen sowie mithilfe von mehr Gesetzen und Regeln versuchte man, alles unter Kontrolle zu halten. Seit Beginn der Digitalisierung wird offenbar, dass wir vor einer sehr großen Umbruchsituation der Menschheitsgeschichte stehen. Es braucht ein neues Modell des Zusammenlebens in Gesellschaft, Politik und in der Wirtschaft, das Ordnung stiftet, Sicherheit gibt und Menschen ein würdevolles Miteinander ermöglicht. Dieses neue Modell entsteht nicht von selbst.

Es braucht reife Führungspersönlichkeiten in der Arbeitswelt 4.0, die in einer Vorbildrolle proaktiv anpacken. Was bisher, meist losgelöst von der Situation, den Ereignissen und der Person, an Führung praktiziert wurde, bedarf der kritischen Überprüfung. Was darf, ja muss behalten werden? Von was muss man sich verabschieden? Was an Neuem sollte die Führungskraft lernen? Anstatt sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, versuchen viele Führungskräfte, der Komplexität durch bekannte Verhaltensmuster Herr zu werden. Die Zahl der neuen Methoden wächst unaufhörlich: Design Thinking, Business Model Canvas, agiles Vorgehen, Scrum, um nur einige zu nennen.

Wenn ich die Entscheidung getroffen habe, mich auf den Weg zu machen, eine „neue“ Führungskraft zu werden, geht das aber nicht nur auf der methodisch-rationalen Ebene, z.B. durch den Besuch von Seminaren und Trainings. Es braucht auch den Einbezug der emotionalen, sinnlichen und transzendenten Ebenen, und damit einen Zugang zu mir selbst, um zu einer „Führungspersönlichkeit mit Herz“ zu werden.

Eine Führungspersönlichkeit mit Herz verfügt über ein hohes Maß an Vielseitigkeit, kann sich situativ und individuell auf Anforderungen und Menschen einstellen und dabei mit sich selbst und den anvertrauten Mitarbeitern würde- und respektvoll umgehen.

Warum wir Führungspersönlichkeiten mit Herz brauchen, darum soll es in den Ausführungen dieses Kapitels gehen.

1.1 Warum wir über Führungskräfte neu denken müssen

Frank Dopheide, ehemals Deutschlandchef der internationalen Werbeagentur Grey und Gründer der Firma Human Unlimited formulierte am 17.3.2020 im Podcast „Der achte Tag – Deutschland neu denken“ provokativ Folgendes (Mediapioneer Podcast 2020):

„Im Feuer der Krise wird jetzt eine neue Generation von Anführern geschmiedet. Die brauchen wir auch. Die Vorstellung ist schmerzhaft, aber der Manager ist ein Auslaufmodell. Eine Jahrhundertkarriere, die jetzt Geschichte ist.“

Der Aussage „Auslaufmodell“ stimme ich nicht zu, denn es wird auch in Zukunft Unternehmensphasen geben, die einen Manager brauchen, aber eben nur dann und nicht dauernd! Und in einer autoritativen, nicht autoritären Form. Die Kernaussage von Klaus Dopheide, dass „im Feuer der Krise wird eine neue Generation von Anführern geschmiedet“ wird und es mehr als nur den Manager braucht, kann ich unterschreiben Die Verantwortung der einzelnen Führungskraft darf nicht bei der Übernahme einer Funktion enden, deren Beurteilung einseitig auf Zahlen, Daten und Fakten beruht. Die Führungskraft ist in ihrer Ganzheit, mit Körper, Seele und Geist, mit seiner Emotionalität gefordert.

Wo die „Manager-Kultur“ herrscht, Menschen als rein kostenverursachende Betriebsmittel („Human Resources“) betrachtet werden und sich bitte nicht verändern sollen, dort wird früher oder später das Licht ausgehen. Die Entwicklung einer Unternehmens- und Führungskultur, in der nicht einseitig auf Ergebnisse, sondern auch auf eine wertekonforme Erbringung der Leistung geachtet wird, ist unverzichtbar.

Es ist ein Fehler, dass die Wirtschaft zwar gut ausgebildete Fachkräfte erwartet, die möglichst leistungs- und einsatzfähig sind und an ihrem Fortkommen und ihrer beruflichen Karriere arbeiten – aber eben nicht an ihrer eigenen Weiterentwicklung. Und dass insbesondere im mittleren Management die konsequente Umsetzung von druckvoll ausgerufenen hohen Zielen erwartet wird.

Mitarbeiter verlassen Vorgesetzte, nicht Unternehmen

Mitarbeiter verlassen Vorgesetzte, nicht das Unternehmen. So lässt sich die Auswirkung unprofessioneller und destruktiver, entwürdigender Führung prägnant zusammenfassen. Inwieweit die Kultur eines Unternehmens sich entwickelt hat, kann man u.a. daran ablesen, wie dort Führungskräfte

intern entwickelt und berufen und

nach welchen Anforderungskriterien externe Führungskräfte rekrutiert werden.

Interne Führungskräfteentwicklung

„Chef-sein: Nie gelernt, aber danach bezahlt, einfach auf Leute losgelassen“ – so lautet die Überschrift über einem Blog-Beitrag in der WirtschaftsWoche (Tödtmann 2020). Die dort zitierte Umfrage des Online-Jobportals StepStone unter 5.000 Führungskräften offenbart, wie viel wertvolle Kraft in der Führung verschwendet wird:

Probleme bei Führungskräften

35% sagen, sie haben Führung nie gelernt

Nur 15% durften ihre Rolle trainieren

27% würden ihre Beförderung am liebst rückgängig machen

16% geben zu, dass sie ihre neue Rolle als Chef nicht mögen

25% haben nach ihrer Beförderung Albträume

15% brauchen psychologische Hilfe

Wie schwer sich Führungskräfte mit Führung tun, kann man auch daran ablesen, welchen Wert (Qualität) und welchen Zeitaufwand (Quantität) Führungsarbeit im Vergleich zur Sacharbeit hat. Ulrich Goldschmidt vom DFK – Verband für Fach- und Führungskräfte bringt es auf den Punkt: „Oft genug wird ein Vorgesetzter dadurch aber nur zu einem besseren Obersachbearbeiter.“ Mangels Ausbildung, verzerrtem Rollenverständnis oder dem einer Beförderung vorausgehenden Denkfehler „Wer sein Fach beherrscht, hat auch Führungskompetenz“, flüchten sich überforderte Führungskräfte zurück in die Sacharbeit. Auch eine Forsa-Umfrage titelte dazu passend: „Chefs haben zu wenig Zeit für die Führung“ (Forsa-Studie 2012). Nur ein Fünftel der Arbeitszeit verwenden sie für Mitarbeiterführung, wovon wiederum die Hälfte von der Lösung bereits bekannter Probleme beansprucht wird.

Persönlichkeitsentwicklung JA, Persönlichkeitsverbiegung NEIN

Ich spreche als therapeutischer Seelsorger und systemischer Coach mit Führungskräften auch diesen Punkt an. Es kommt nicht selten vor, dass Menschen eine Führungsposition angenommen haben, ohne dass diese Aufgabe ihrer Grunddisposition von Fähigkeiten und Stärken entspricht. Dann würde eine auf weitere Führung ausgerichtete Entwicklung eine Persönlichkeitsverbiegung zum Ziel haben, was unter keinen Umständen passieren darf. Diese Menschen haben sich zum Objekt anderer (Menschen, Firma) gemacht und lassen sich zur Durchsetzung von deren Zielen und Interessen missbrauchen. Auch sich selbst gegenüber pflegen sie keinen würdevollen Umgang.

Persönlichkeitsentwicklung hat immer etwas mit dem Hineinwachsen in etwas Vorhandenes oder dem Dazulernen von etwas Möglichem zu tun. Wenn ich allerdings nicht weiß, wer ich bin, dann biete ich mich anderen an, mir zu sagen, wer ich bin und was ich zu machen habe.

Externe Führungskräfte-Rekrutierung

Mich als Personalberater erschreckt es jedes Mal, wenn mir Unternehmen Anforderungsprofile für Führungskräfte vorlegen, die sich kaum von denen vor 20 Jahren unterscheiden. Auf einem DIN-A4-Blatt zusammengestellt, findet man eine Vielzahl von immer gleich lautenden Kriterien wie z.B. „Teamfähig“ oder „Durchsetzungsstark“. Auf die aktuelle Unternehmenssituation und die daraus abgeleiteten Ziele, auf Werte und spezifische, auf die Aufgabe zugeschnittene Persönlichkeitsanforderungen wird selten in der notwendigen Tiefe eingegangen. Ganz zu schweigen von den Anforderungen an einen „Digital Leader“. In einem lesenswerten Beitrag in der Publikation „Wirtschaftspsychologie“ unter der Überschrift „Unsere Perspektive auf New Leadership: Wie charismatische Führungskräfte Demut entwickeln können“, weisen die Autoren richtig darauf hin, dass Charisma mit gutem Recht viel Aufmerksamkeit bekommen hat, dass aber Demut als kritische Erfolgsgröße ebenfalls in die Kandidatenbewertung einfließen sollte.

Die zweite Ernüchterung folgt, wenn man einen Blick auf den Auswahlprozess wirft. Ja, das Bauchgefühl ist wichtig, aber es kann sich hin und wieder irren. Die Kosten von Fehlbesetzungen sind hoch, das belegen unzählige Studien. Und dem lassen sich mühelos weitere Kosten hinzufügen, etwa die der erneuten Bewerbersuche oder Einbußen aufgrund des Reputationsverlustes, wie der Bundesverband der Personalmanager (BPM) aufzeigt.

All diese Probleme sind nur die Spitze des Eisbergs. Denn die Digitalisierung bringt für Führungskräfte zusätzliche neue Herausforderungen mit sich.

1.2 Die VUCA-Welt

Die veränderten Rahmenbedingungen, die sich in der heutigen Arbeitswelt 4.0 ergeben, beschreibt das Akronym VUCA – ein Terminus, den ursprünglich das amerikanische Militär geprägt hat. Die Buchstaben bedeuten:

V – Volatil (Volatility)